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Kati
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Leserin, Teetrinkerin, Programmkinomädchen

Bewertungen

Insgesamt 16 Bewertungen
12
Bewertung vom 22.08.2021
Ändert sich nichts, ändert sich alles
Rogenhofer, Katharina;Schlederer, Florian

Ändert sich nichts, ändert sich alles


ausgezeichnet

"Könnte es eine wichtigere Zeit geben als jetzt, um aktiv zu werden?"

Aufrichtiger, zu Herzen gehender, mitreißender Appell, klimaschützend laut zu werden und eine politische Wende einzuläuten. Bitte lesen!

Wie rezensiert man ein Buch, das das politisch und gesamtgesellschaftlich entscheidende Thema zum Inhalt hat? Das faktenbasiert, Zusammenhänge erklärend, verständlich und mitreißend aufzeigt, wo die Schalthebel liegen, die es jetzt gilt, umzulegen, um die schlimmsten Auswirkungen der Klimakathastrophe noch eindämmen zu können?

Auf knapp 300 Seiten laden Katharina Rogenhofer und ihr Co-Autor Florian Schlederer zu einem Parforceritt auf dem Weg zum österreichischen Klimavolksbegehren ein, finden eingängige Bilder, um zu veranschaulichen, wo dominierende Wirtschaftsinteressen den Weg zur Klimagerechtigkeit blockieren, wie versucht wird, Verantwortung auf den einzelnen Menschen abzuwälzen und warum es Bürger:innenpflicht ist, sich jetzt vehement für eine politische Wende starkzumachen.

Sehr nahbar erzählt Katharina Rogenhofer auch von einem persönlichen Schicksalsschlag, von eigenen Ängsten und dem Gefühl, mit der größten Herausforderung unserer Zeit und ihrer Rolle darin überfordert zu sein, ermutigt aber auch ungemein durch stärkende Erfahrungen, sich selbst als "Normalbürger:in" nicht hinter bequemer Tatenlosigkeit zu verstecken. Denn Eines wurde mir beim Lesen überdeutlich: Es ist nicht an uns Bürger:innen, die Hauptlast der Verantwortung zu tragen, aber es ist an uns, Entscheider:innen aufzuzeigen, welche Klimapolitik wir uns vorstellen, und das geht nur über Sichtbarkeit und Teilhabe.

Ein Buch, das aufrüttelt, mitreißt und Handwerkszeug für Klimaschutzdiskussionen liefert. Und ein Buch, das nicht ausschließlich von für dieses Thema Affinen gelesen werden muss, sondern von politischen Entscheidungsträger:innen.

Bewertung vom 25.07.2021
Liebe leuchtet auch im Dunkeln / Blackout Bd.1
Clayton, Dhonielle;Jackson, Tiffany D.;Stone, Nic

Liebe leuchtet auch im Dunkeln / Blackout Bd.1


ausgezeichnet

Kurzmeinung: Vor Diversität sprühende Episoden junger, Schwarzer Menschen auf der Suche nach sich selbst und der Liebe. Mit Herzchenaugengarantie!

Licht aus, Spot auf die Liebe

„Zapp!“ – an einem sehr heißen New Yorker Sommertag gehen die Lichter aus, und sechs Schwarze Autorinnen ziehen uns hinein in sechs zuckersüße, diverse Episoden junger Menschen, die sich und die Liebe suchen und finden.

Und so knistert es gewaltig, wird gezickt, gestarrt, geliebt, gestritten, geschmachtet und gelegentlich philosophiert, bis am Ende alles wieder erleuchtet.

Dabei werden selbstverständlich und unaufgeregt in der Gesellschaftsdebatte aktuelle Themen wie Sex und Gender, nichtbinäre Geschlechtsidentität, Consent erfragen, Kritik an homofeindlichen Strukturen, Unsicherheit bezüglich der sexuellen Orientierung und Rassismus eingeflochten, was das Buch gerade für weiße Teenager:innen besonders lesenswert macht.

Wirklich schöne, bisweilen ins Utopische abgleitende Kurzgeschichten-Anthologie für Jugendliche mit schlagfertigen, sensiblen und sehnsüchtigen Protagonist:innen, die mit der sonst üblichen, "rein weißen Besetzung" bricht und so verdeutlicht, dass die Suche nach dem großen "Wer will ich sein?" und der ersten Liebe universell ist.

Bewertung vom 10.07.2021
Mensch, Erde! Wir könnten es so schön haben
Hirschhausen, Eckart von

Mensch, Erde! Wir könnten es so schön haben


ausgezeichnet

"Denn sie tun nicht, was sie wissen." (Annett Entzian)

Mit seinem neuen Buch schafft Eckart von Hirschhausen eine Art Kompendium der Zusammenhänge zwischen Artensterben, Feinstaubbelastung, Flächenversiegelung, Übersäuerung der Meere, übermäßigem Ressourcenverbrauch, CO2-Ausstoß, multiresistenten Keimen, zunehmenden Wetterextremen, mangelnder Bildung, Verschwörungsmythen, Rücksichtslosigkeit, schädlicher Priorisierung kapitalistischer Werte und dem blinden Glaube an das westlich-geprägte Märchen vom immerwährenden Wachstum.

Anschaulich, mit vielen Auflockerungen durch Schaubilder und der ihm eigenen, sympathisch-ironischen Erzählweise, vermittelt Eckart von Hirschhausen einen energischen, im Thema ernsthaften, aber in der Art und Weise auch humorvollen Appell an den:die Leser:in, wach, laut und aktiv zu werden, skizziert Lösungsansätze und balanciert so zwischen deutlicher Dringlichkeit und versöhnlicher Erzählung seiner „Klimareise“.

Er lamentiert nicht, er animiert: Zur eigenen, selbstkritischen Nabelbeschau, zum Motivieren von Mitstreiter:innen, zum Netzwerken und Umdenken. Und er gibt eine wichtige Botschaft mit: Es ist nicht zu spät, für das Klima und unseren Arterhalt, vorallem aber den unserer pflanzlichen und tierischen Mitgeschöpfe zu kämpfen.

Und so spricht er auf seiner Reise mit (berühmten) Menschen, die sich verdient gemacht haben im Umweltschutz, zieht Vergleiche, bebildert und schildert auch die eigenen Herausforderungen einer klimagerechteren Handlungsweise und nimmt dem komplexen Thema so seine Unnahbarkeit.

"Was hinterlassen wir, die Kinder von Wirtschaftswunder, Wachstumsglaube, Freiheit und Frieden, den nächsten Generationen?", fragt Echkart von Hirschhausen.

Ich bin bloß neun Jahre jünger, als er, bin also zum Teil Bestandteil der Generation, die vermutlich die Letzte sein wird, die unbekümmert (man könnte auch sagen, gewissenlos) auf Kosten des Klimas verreist ist, Individualmobilität genossen hat und konsumiert hat (und immer noch tut).

Ich hoffe, dass sich alle nach dieser Lektüre endlich diese(n) Fragen stellen und handeln.

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 09.08.2020
Mein Vater, John Lennon und das beste Jahr unseres Lebens
Barbash, Tom

Mein Vater, John Lennon und das beste Jahr unseres Lebens


gut

Kurzmeinung: Flüssig zu lesendes Namedropping in der Upper West Side mit Zeitkolorit. Sympathische Abnabelungsgeschichte von einem übergroßem Vater.

Von Familienneurosen und Fernsehshows

Ganz schön gewagt, einen Roman "Mein Vater, John Lennon und das beste Jahr unseres Lebens" zu titulieren, wenn der Zweitgenannte erst auf Seite 106 in persona auf den Plan tritt. Bis dahin erfahre ich als Leserin erstmal sehr viel über Sport und gewinne Einblick in eine nicht unsympathische Familie und ein mondänes Wohnhaus in Manhattan.

Aufgrund des leichten (nicht seichten) Tons, den Tom Barbash anschlägt, verliere ich trotz der eher plätschernd dahinfließenden Story nicht das Interesse. (Bei der Lektüre sah ich übrigens seltsamerweise Cate Blanchett in der Mutterrolle vor meinem geistigen Auge, während Stellan Skarsgård als "Buddy" Winter fungierte.) Trotzdem hatte ich - aufgrund des Titels und der New-York-Times-Kritik '... hat seinen Roman mit Beatles-Staub besprüht' auf dem Umschlag - mehr inhaltlichen Bezug zu den Beatles erwartet.

John Lennon nimmt als Nachbarn der Familie Winter allerdings nur eine Art "Nebenrolle" in dieser Vater-Sohn-Geschichte ein, die vielmehr vom Erkennen des Zeitpunktes, an dem man nicht mehr nur Kind seiner Eltern, sondern sein eigenes Leben gestaltet möchte, handelt.

So erleben wir als Leser John Lennon im letzten Jahr vor seinem gewaltsamen Tod, während der Ich-Erzähler seinerseits das Beste mit (nicht nur) seinem Vater verbringt...

Charmant, aber auch mit Längen. Um dem ganzen Namedropping wirklich zu 100% folgen zu können, muss man als Leser schon fundierte Kenntnisse vorallem im Sportwesen mitbringen. Trotzdem ein solide zu lesender Roman mit einem cleveren Protagonisten, dem man gerne beim Erwachsenwerden zuschaut.

Bewertung vom 14.03.2020
Ich erwarte die Ankunft des Teufels
MacLane, Mary

Ich erwarte die Ankunft des Teufels


sehr gut

Ganz selten einmal höre ich Musik beim Lesen. Meistens stört sie meinen Lesefluss.

Obwohl also auch beim Lesen dieses Werks keine physische Musik um mich herum lief, hörte ich trotzdem beim Lesen Stevie Nicks kraftvolle Stimme "You can go your own way..." in meinem Innenohr singen, weil Mary MacLanes Stimme ebenso kraftvoll, selbstbestimmt und voller Leben ist, voller Hunger nach Leben.

Dieser Text ist tatsächlich 111 Jahre alt? Unglaublich, wie zeitgeistig und heutig er wirkt, wie frisch und wütend und aufbegehrend. Besser als dieser passt kaum einer in die heutige Zeit der laut werdenden Jugendkulturen.

Wenn Mary MacLane wütet: "Wäre ich als Mann geboren worden, hätte ich bereits einen tiefen Eindruck in der Welt hinterlassen..." und "Oh, es ist hart und bitter, eine Frau zu sein! [...] Ist eine Frau eine so abscheuliche Kreatur, dass sie durch diesen endlosen Schmerz geläutert werden muss?" und "Eine Menschenfrau wird [...] geboren, mit einem seltsamen, verpesteten Namen gebrandmarkt und in die Natur losgelassen; [...] Der Name [...] heißt Frau.", sagt das mehr über die immer noch notwendige Aktualität der Frauenbewegung aus, als vermutlich manch alter, weißer Mann wahrhaben möchte. Sie kritisiert die Art von Leuten, "die die Figur einer Frau ihre 'Form' nennen" ebenso, wie "Romanheldinnen", die sich methodisch in einen Mann verlieben, und tut genau das. Sie schwärmt für Bildnisse Napoleons, aber verzehrt sich nach seinem Gegenteil: einem charismatischen Teufel, eine Art Ur-Bad-Boy, dessen Ankunft sie mit all ihren Sinnen ersehnt.

Ihr niemals kindlich-staunendes, sondern sehr reifes, fast verstörend abgeklärtes, literarisches Ich schafft sprachgewaltige, wunderschöne Sätze, die man sich auf's innere Handgelenk ziselieren lassen möchte: "Ich mag mich strecken und recken, bis nur noch ein abgezehrter Nerv von mir übrig bleibt. [...] Aber ich werde mir ein Atom des Glaubens bewahren.", "Nimm irgendetwas, egal an welchem Punkt, und betrüge dich, indem du denkst, dass du damit glücklich bist...".

Ein erstaunliches Werk, das der Reclam-Verlag kompositorisch (allein die rötliche Farbgebung des Einbands passt ganz wunderbar zur mantraartigen Wiederholung von Rot im Text) hervorragend herausgegeben hat.

Ich könnte noch mehr Stellen zitieren (ich kam zum ersten Mal fast nicht hinterher mit dem Markieren beim Lesen), aber bitte: Wer sich noch an seine eigene Adoleszenz erinnert, an das schmerzvolle Sehnen, das Gefühl, allein und unverstanden und sonderlich zu sein, aber auch ein wenig größenwahnsinnig in seiner eigenen Abgeklärtheit, der lese dieses Buch!!

Bewertung vom 27.02.2020
Quasikristalle
Menasse, Eva

Quasikristalle


ausgezeichnet

Aus der Perspektive Dritter betrachtete, pointiert formulierte Beobachtung eines Wiener Frauenlebens mit interessanten Wendungen.

Das Hörbuch zu 'Quasikristalle' warf mich um, schockierte mich (wer es liest/hört wird verstehen, auf welches Kapitel ich mich beziehe), becircte mich, ließ mich grinsen und seufzend nicken, amüsierte mich, ließ mich den Kopf schütteln und einige Passagen aufgrund der Schönheit der Formulierungen, der Treffsicherheit des Geschilderten mehrfach hören.

Eva Menasse schält Xane Molin und lässt die Hörenden/Lesenden ihres Romans die einzelnen Schichten aus den Erinnerungen, Beobachtungen, Anekdoten, inneren Monologen, Briefen und E-Mails ihrer Freunde, Bekannten, Vermieter, Partner, Liebschaften, ihres Sohns oder ihres Vaters zusammensetzen; jede Schicht eine rein subjektive Wahrnehmung ihres Charakters, ihrer Beweggründe, desses, was diese Frau in ihren Augen auszumachen scheint.

Das fällt bisweilen spöttisch (und wird ganz herrlich durch die Hörbuchsprecherinnen und -sprecher interpretiert) aus, tadelnd, missgünstig, aber auch liebend, mitfühlend und sorgend. Manchmal geheimnisvoll.

Ein einziges Mal lässt Eva Menasse überraschenderweise Xane Molin selbst zu Wort kommen. Letztendlich erhellt sich dadurch des Lesers/Hörers Eindruck aber nur minimal, viel zu sehr ist er schon eingenommen und beeinflusst durch den Blick der sie Umgebenden auf sie.

Ein grandioses Hörerlebnis! Keine Minute zäh oder überkandidelt, jede Spitze sitzt, jede ironische Anspielung, leise Kritik und jede Formulierung ein Genuss!

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