Benutzer
Top-Rezensenten Übersicht

Benutzername: 
Frie
Wohnort: 
Hamburg
Über mich: 
Leseratte

Bewertungen

Insgesamt 62 Bewertungen
Bewertung vom 26.02.2023
Malvenflug
Wiegele, Ursula

Malvenflug


sehr gut

Ein hübsch eingebundenen Buch hält man in Händen; zu sehen eine Abbildung eines Fresco aus Prima Porta. Der Titel macht neugierig, habe ich doch Malven beim Fliegen noch nie betrachtet.
Das Buch startet mit einem Personenverzeichnis; das kann man gut gebrauchen, besteht doch der erste Teil des Buches aus kurzen Leseabschnitten, in welchen verschiedene Mitglieder der Familie Prochazka Einblick in ihr Leben und ihre Gedanken zwischen 1940 und 1945 geben. Emma lebt getrennt von ihrem Mann Pavel, welchen sie inflagranti erwischt hatte. Sie nimmt eine Stelle in Davos an und lässt ihre vier Kinder zurück. Wir erfahren, wie es denen mitten im Krieg und voll unter Einfluss des dritten Reiches geht. Weder die Kirche, noch die Schule oder die Großeltern können das Fehlen beider Elternteile auffangen. Jedes Kind entwickelt sein eigenes Muster, das auszuhalten.
Der zweite Teil beschreibt die Jahre nach dem Krieg bis ins heute und ist aus der Sicht der ältesten Tochter, Helga geschrieben. Ein regelmäßig stattfindenes Familientreffen steht an, an welchem die Mutter erstmals nicht teilnehmen will.
Der erste Teil des Buches mit seinen Schlaglichtern auf einzelne Personen erinnert mich an 'Tell' von Schmidt. Die zurückhaltende, distanzierte Beschreibung lässt viel Raum für eigene Gedanken. So habe ich mich gefragt, warum sich die Mutter quasi um die Treffen mit den Kindern 'drückt' und welche emotionalen Lücken das in der Entwicklung der Kinder hinterlässt.
Dadurch, dass Wiegele das Buch ihren Großeltern mütterlicherseits widmet gehe ich davon aus, daß sie ihre Familiengeschichte darin einfließen lässt. Da ich selbst Ahnenforschung betreibe, finde ich den Ansatz spannend und verstehe aber auch die fühlbare Distanz zu den Protagonisten. Ein bisschen muss man sich die Geschichte der Familie ja auch vom Leib halten, damit sie einen nicht überrollt. Ich bin mir sicher, dass die Autorin die Nachwehen dieser Geschehnisse 'spürt. Es ist ein leise erzähltes Buch mit einem versöhnlichen Ende. Ein Lesebändchen hätte ich schön gefunden, da das Buch auch ein Geschenk sein könnte. Für mich eine Leseempfehlung mit 4 Sternen.

Bewertung vom 03.01.2023
Codename: Sempo
Neuenkirchen, Andreas

Codename: Sempo


sehr gut

Andreas Neuenkirchen hat ein Buch über Chiune "Sempo" Sugihara geschrieben. Ein Diplomat, der seine Stellung als japanischer Vizekonsul in Litauen nutzte, um Juden mit Reisedokumenten zu versehen, die diesen zur Flucht in ungefährlichere Länder verhelfen sollten. Man geht davon aus, dass heute ungefähr 250.000 Nachkommen von diesen Geflüchteten leben. Das ist die wichtigste und eine beeindrucke Zahl.
Es gibt nicht so viele Quellen über Sempo, so dass es schwer fällt, ihm in den Schilderungen wirklich nahe zu kommen.
Ein bisschen fühlte ich.mich wie mit der Lupe vor einem Insekt.
Neuenkirchen hat versucht, die Fakten interessant aufzubereiten; ein Roman ist es nicht, aber eine lesbare Biographie.
Sempo hatte ein spannendes Leben, wurde nach dem Krieg aus dem diplomatischen Dienst entlassen und musste 'kleine Brötchen' backen. Erst spät wurde ihm Ehrung für seine Taten zuteil. Heute ist er in Yad Vashem als Gerechter unter den Völkern ausgezeichnet.
Ich kenne die Namen des deutschen Widerstandes und verschiedene Bücher über diese besonderen Menschen. Ich kannte bisher kein Buch über einen Japaner, der der Judenverfolgung etwas entgegen gesetzt hat. Das Buch hat mich also schon grundsätzlich interessiert. Es ist auch ein Blick in eine andere Kultur; das ist spannend. Traurig zu lesen, wie weit der Arm des Naziregiems reichte; aber ohne Menschen wie Sugihara hätte diese Zeit noch mehr Leben gefordert. 4 Sterne für das Buch mit dem ungewöhnlichen Einband.

Bewertung vom 15.11.2022
Die Tochter der Hungergräfin
Spratte, Annette

Die Tochter der Hungergräfin


sehr gut

In einer Zeit, zu der die Buchhandlung voll liegen mit Romanen auf denen Frauen von hinten oder von der Seite zu sehen sind und die irgendwelche reißerischen Überschriften haben, kann ein solches Buch untergehen. Es gab sie aber tatsächlich, die Hungergräfin; sie wurde in einem anderen Buch bereits ausführlich beschrieben und ist auch über Wikipedia und ähnliche Quellen recherchierbar. Annette Spratte hat sich mit ihr beschäftigt und ein Buch über ihre älteste Tochter geschrieben. Die Informationen über die Protagonistin, Ernestine von Sayn und Wittgenstein sind wohl rar gesäht. Spratte hat das Vorhandene genutzt und sich für Ernestine ein mögliches Leben erdacht. Dabei waren vielfach Rückbezüge auf das besser dokumentierte Leben der Mutter möglich. Herausgekommen ist kein wissenschaftliches Buch sondern ein gut lesbarer Roman, der Interesse an den handelnden Personen weckt. Schön herausgearbeitet ist m.E. die mögliche Entwicklung zu einer fortschrittlichen Regentin unter dem sicherlich mächtigen Vorbild der ungewöhnlichen Mutter. Ernestine wurde im 30 jährigen Krieg geboren und Spratte nimmt sich die Zeit, auch Auswirkungen dieses Krieges auf Land und Leute zu beschreiben. Ungewöhnlich spät heiratet Ernestine einen besonderen Mann. Dieser hätte vielleicht ein eigenes Buch verdient; ich kannte ihn bisher gar nicht. Angenehm ist, dass weder ein Liebesroman daraus wurde noch ein trockener Schinken. Spratte kann gut erzählen und so mag man das Buch nicht aus der Hand legen.
Für mich ist das solide Unterhaltung, die ich gerne mit 4 Sternen bewerte.

Bewertung vom 18.09.2022
Eine Hochzeit in der Provinz
Rothschild, Emma

Eine Hochzeit in der Provinz


sehr gut

Rothschild ist Wirtschaftshistorikerin und hat ein Buch über eine französische Familie geschrieben. 1995 besuchte sie den Ort das erste Mal; 2021 ist das Buch in England erschienen und liegt nun in einer deutschen Übersetzung vor. Rothschild verfolgt die Familie vom 18. bis ins 20. Jahrhundert und erwähnt auch weitere Bewohner des Ortes Angouleme.
Ausgangspunkt ist ein Ehevertrag mit 83 Unterschriften. Das weckte wohl die Neugier der Autorin; immerhin handelt es sich nur um einen kleinen Ort in der Provinz. Es kann aber auch der Erzbischof gewesen sein, der in der 5. Generation als Einziger aus der Familie weltweite Bekanntheit erlangte.
Der schöne Einband und neugierig machende Titel sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass es sich um ein Sachbuch mit detaillierten Beschreibungen der recherchierten Verhältnisse der einzelnen Personen handelt. Das ist manchmal sehr gut zu lesen aber auch häufig anstrengend, wenn alle 'Umstände' der Personen zum Teil wieder und wieder erwähnt werden. Als Nichtakademikerin habe ich jetzt Hochachtung vor Wirtschaftshistorikern. Das Buch ist in mehrfacher Hinsicht hochinteressant: ich wusste zuvor nicht, dass völlig normale Menschen zu dieser Zeit rege Reisetätigkeiten in die Kolonien hatten und dort auch mehrere Jahre lebten und arbeiteten. Zudem kannte ich den Reichtum der Kirche in Frankreich nicht und war überrascht, wie viele derer Grundstücke nach der Revolution bei den Bürgern landeten. Als Hobby Ahnenforscherin bin ich ein bisschen neidisch darauf, welche Quellen die Autorin beiziehen konnte und was sie alles zu Tage gefördert hat. Schön finde ich, dass die Abbildung des 'auslösenden' Dokuments, ein Lageplan und ein Stammbaum das Buch ergänzen. Ich habe trotzdem den Überblick über die vielen Personen verloren. Der umfangreiche Anhang mit Quellenangaben ist für Geschichtswissenschaftler bestimmt interessant und lässt eine deutliche Vertiefung der Inhalte zu.
Ich werde dieses Buch behalten und es in einigen Jahren zu Rate ziehen, wenn ich die Ergebnisse meiner Ahnenforschung zu Papier bringen möchte. Ich stelle fest, wie wichtig das exakte Zitieren von Quellen ist und wie interessant Abweichungen sein können. Vielleicht komme ich dann Dank Rothschild auch auf die Shortlist des Cundill History Prize :)
Für Menschen mit Interesse an Geschichte, Frankreich und/oder Ahnenforschung kann ich dieses Buch empfehlen. Ich habe wirklich etwas dazu gelernt. Von mir gibt es 4 Sterne für das Sachbuch.

Bewertung vom 17.09.2022
Der Himmel über Sachsen
Hultsch, Wolfgang

Der Himmel über Sachsen


gut

Wolfgang Hultsch schreibt die Lebensgeschichte seines Großvaters auf Basis von dessen Tagebüchern. Ergänzt wird der Text durch eigene Internetrecherchen des Autors.
Die Geschichte ist plastisch erzählt: zu gerne würde ich die in der Werkstatt gefertigten Pyramiden sehen oder erfreue mich an Neujahrskarten oder vergoldeten Nüssen. Die Sitte mit Geldgeschenken an Fremde, wenn sie an Neujahr Glückwünsche aussprechen, war mir gänzlich neu. Auch von einem Bienenkorb aus Makronenteig hatte ich noch nie gehört. Die Hinweise zum Kriegswillen in der Gesellschaft sind deutlich herausgearbeitet. Die Anzahl der Päckchen von zuhause während des Krieges hat mich sehr gewundert. Ich habe etwas gelernt und mich überraschen lassen.
Diese Teile des Buches gefallen mir sehr gut.
Es gibt örtliche Gemeinsamkeiten mit meiner Vita: Meißen, Leipzig, München. Oder auch ähnliche Erfahrungen, z.B. mit den Festen der schlagenden Verbindungen.
Ich wollte das Buch wirklich mögen.
Leider gibt es aus meiner Sicht sehr gewichtige Kritikpunkte:
Nicht gefallen haben mir z.B. ausführliche Passagen zum Betrieb der Familue de Großmutter; der seitenlange Einschub zu einer Sängerin (woher stammen diese Informationen?).
Mir war während des Lesens also nicht immer klar: was ist Tagebuch, was Internetrecherche, was Ergänzung des Autors (so auch Seite 144 oder 146).
Die Rolle des Großvaters im Zusammenhang mit dem Einmarsch nach Österreich ist mir zu unklar beschrieben: die Aufgabe seiner Einheit war u.a. die Verhaftung bekannter Nazigegner!
Damit kommen wir zum m.E. kritischten Punkt: Widerstand und 'stiller Held': Von 260 Seiten nimmt dieser Teil im Buches gerade mal 13 Seiten ein.
Als Beispiel wird ein Brief eines Juden an Hultsch von 1945 herangeführt.
Leider haben sich gerade zum Ende des Krieges Deutsche Briefe von Juden schreiben lassen, dass sie geholfen haben oder ähnliches, damit diese es nach dem Ende des Krieges leichter haben (bei der Entnazifizierung wurden solche Dokumente dann herangezogen). Einen solchen Brief als Beweis für Unterstützung von Juden anzuführen sehe ich deshalb kritisch. Es gefällt mir auch nicht, dass alles andere zum Widerstand eigene Wahrnehmung ist. "Seit 1934 gehörte ich der Widerstandsbewegung an"... dieser Satz steht so im Raum: woran wird das fest gemacht?
Und dann noch die Geschichte mit dem Bild aus dem Familienbesitz, welches am Ende aus einer jüdischen Familie stammt. Es soll keine Raubkunst sein; das wird nicht belegt, nur so geschrieben: das ist mir zu dünn.
Es kann nicht jeder Großvater ein Held sein; muss er auch nicht. Aber wenn man bei einer Biographie jemanden als Helden betitelt oder den Widerstand gegen das dritte Reich auf dem Cover benennt, dann muss dieser Teil Raum im Buch einnehmen und es müssen hieb- und stichfeste Beweise geliefert werden. Das leistet dieses Buch nicht. Das ist enttäuschend. So werden es gerade noch 3 Sterne.

Bewertung vom 05.09.2022
Isidor
Kupferberg, Shelly

Isidor


sehr gut

Wie kann man in Deutschland leben, wenn die eigene Familie derartiges hat erleben müssen unter der Nazi Herrschaft?
Ab von den Gräueltaten in den Lagern haben sich leider die Schattenseiten vieler Menschen auch an anderen Stellen gezeigt.
Shelly Kupferberg wählt einen distanzierten Tonfall, wenn sie diese Geschichten erzählt. Vielleicht ist es auch anders nicht auszuhalten, wenn es die eigene Familie betrifft.
Ganz anders allerdings hat die Geschichte begonnen: Israel Geller streift das enge und arme Kleid seiner galizischen Herkunft ab und steigt als Isidor in Wien zum Kommerzialrat auf. Er wird sehr reich und zeigt gerne seine Bildung und sein Vermögen. Kupferberg recherchierte in verschiedenen Quellen und kann z.B. beweisen, dass Isidor, der in den Erzählungen der Familie ein ewiger Junggeselle war, tatsächlich 2x geheiratet hatte. Das Buch ist gut zu lesen und die Autorin hat einen schönen Schreibstil.
Neben Isidor erfahren wir auch mehr über seinen Neffen Walter. Dieser wird den Holocaust überleben und für eine Reise nach Wien zurückkehren. Dort muss er Jahre später erneut erfahren, wie abgründig und gierig Menschen sind. Er bricht den Aufenthalt ab. Auch die Lebensgefährtin Isidors ist eine interessante Persönlichkeit und mit weiteren bekannten Menschen verbunden. Mir zeigte es einmal mehr, wie vernetzt die Welt ist. Gerne hätte ich zumindest das Exlibris Isidors abgebildet gesehen; es wird mehrmals erwähnt.
Wer das dritte Reich am Schicksal einzelner Menschen bzw. einer jüdischen Familie kennenlernen will, der hat mit diesem Buch die Gelegenheit dazu. Diese Zeit hat jüdische Menschen körperlich und seelisch gebrochen zurück gelassen. Es ist immer wieder ein unbegreifliches Wunder, wenn jemand überlebt hat. Diese Geschichten gehören erzählt, damit wir das alles niemals vergessen.

Bewertung vom 14.08.2022
Selenskyj
Derix, Steven;Shelkunova, Marina

Selenskyj


gut

Steven Derix, Journalist und ehemaliger Korrespondent für Russland, die Ukraine und Weißrussland und Marina Shelkunova, Rechercheurin und Unterstützerin von Organisationen für Menschenrechte in Russland haben eine Biographie über Selenskyj geschrieben.
Diese umfasst im wesentlichen den Zeitraum nach seinem Jurastudium bis heute; Kindheit und Jugend werden auf wenigen Seiten zusammengefasst.
Das Buch ist gut und schnell lesbar.
Neben einer Beschreibung des ukrainischen Präsidenten werden immer wieder politische Entwicklungen der jeweiligen Jahre mit eingeflochten, so dass Selenskyjs Leben in die Geschichte seines Landes eingebettet wird.
Die Informationen für das Buch haben die Autoren den Quellen von Zeitungsartikeln, Originalberichten von Nachrichtenagenturen, Interviews und Literatur in Ukrainisch, Russisch und anderen Sprachen entnommen; auch Videomaterial wurde ausgewertet. Es wurde kein Interview mit Selenskyj oder einer ihm nahestehenden Person geführt. Am Ende des Buches findet sich ein Literaturverzeichnis, welches die ukrainischen und russischen Quellen in kyrillischer Schrift wiedergibt und somit nur für den Kenner slawischer Sprachen zu gebrauchen ist.
Der Mensch Selenskyj bleibt für mich weitgehend im Dunkeln. Erfahren habe ich, was Dritte über ihn denken und wie er auf diese wirkt. Da ich online zwei Tageszeitungen und eine weitere gelegentlich papierhaft lese, war ich über den Lebensweg Selenskyjs informiert; wirklich Neues habe ich nicht erfahren. Seine Jahre als Komiker waren mir im Detail nicht so bekannt.
Ich hatte mir von dem Buch mehr erwartet und kann es eher Leser:Innen empfehlen, die sich mit Selenskyj bisher wenig beschäftigt haben und das ändern möchten.
Für mich sind es 3 Sterne.

0 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 10.08.2022
Matrix
Groff, Lauren

Matrix


sehr gut

Marie, lebenslang in Liebe ihrer Halbschwester, Eleonore von Aquitanien verbunden, wird von dieser quasi vom Hof verbannt und als Priorin eines Klosters eingesetzt. Dieses Kloster ist bettelarm, die Nonnen und Laienschwestern überleben nicht alle die harte Arbeit und den Hunger. Das Kloster ist in der Gegend verrufen; das merkt Marie bei der Anreise.
Im Kloster selbst wird sie nicht begeistert empfangen, nur ihre 'Mitgift' ist von Interesse.
Durch das ganze Buch hindurch wird Marie für ihr Aussehen gegängelt. Ob Königin oder Kaiserin, Nonne oder andere, ständig erfahren wir, dass Marie nicht im Mindesten dem gewünschten Frauenbild entspricht: sie ist zu groß, zu schwer, zu hässlich.
Also besinnt sich Marie auf ihre Kompetenzen und nutzt ihre Gaben wie ihr Händchen fürs Geld, ihre Kreativität, ihre imposante Erscheinung und kräftige Konstitution. Das Kloster wird unter ihrer Führung sehr vermögend, die Zahl der Nonnen verzehnfacht sich und so ist ihre Berufung zur Äbtissin eine logische Konsequenz. In der Folge setzt sie Projekte um, von denen eines futuristisch anmutet.
Überhaupt ist Marie eine 'moderne ' Frau; sie fordert und fördert die ihr anvertrauten Frauen und lässt sie Ergebnisse erzielen, die man in dieser Zeit nur Männern zugetraut hat.
Dabei spielen Männer in diesem Buch fast keine Rolle und wenn treten sie negativ in Erscheinung. So suchen die Frauen, auch für ihre körperlichen Bedürfnisse, bei einander Erfüllung.
Ich habe das Buch sehr gerne gelesen und den Lebensweg von Marie mit Interesse verfolgt. Die Beziehung zu ihrer Halbschwester führt durch das ganze Buch und löste bei mir vielfältige Emotionen aus. Für mich ist es das erste Buch, in welchem die indirekte Rede so durchgehend eingesetzt wurde; fand ich spannend. Groff hat immer mal witzige Formulierungen gefunden, die mich zum Schmunzeln gebracht haben. Ich habe der Autorin die Darstellung des klösterlichen Lebens abgenommen und bin überrascht, dass ich es durchgehend interessant beschrieben fand. Den Bucheinband finde ich nach Abschluss des Buches sehr passend; nur den Bezug zum Titel konnte ich für mich nicht herstellen, obwohl das Wort im Buch fällt.
Ich kann das Buch all denen empfehlen, die sich mit einer starken Frau beschäftigen möchten, die fern ab der tradierten Rolle ihren Weg geht. Für mich klare 4 Sterne.

Bewertung vom 26.07.2022
Dienstmädel in Bella Italia
Peer, Sabine

Dienstmädel in Bella Italia


ausgezeichnet

In diesem hübschen kleinen Buch lässt Sabine Peer die Geschichte von 5 verschiedenen Südtirolerinnen aufleben, die in den 50ern zum Arbeiten nach Italien gegangen sind. Sie waren als Haushälterinnen, Kindermädchen, Köchin oder auch als alles gleichzeitig tätig. Die reichen Familien haben 'ihre Mädchen ' sehr unterschiedlich gut behandelt. Vom eigenen Zimmer über Zimmer mit mehreren anderen Angestellten bis hin zum Bett im Kleinkinderschlafzimmer war alles dabei. Das eine Mädchen gehört quasi zur Familie, die andere wird zur Leibeigenen.
Peer findet eine Sprache, die der oft kurzen schulischen Bildung gerecht wird und den Leser:innen das Gefühl gibt, mit den jungen Frauen am gleichen Tisch gesessen zu haben.
Bis zu diesem Buch waren meine Kenntnisse über die politische Situation Südtirols wirklich schmal. Es ist sehr interessant, wenn auch diese Themen in den Lebensbildern auftauchen.
Mich hat das Buch in verschiedener Hinsicht nachdenklich gemacht: wie traurig, daß manche südtiroler Familie froh war, die Kinder auf diesem Wege 'los' zu sein: eine Esserin weniger. Wie ausbeutend die reichen Familien zum Teil waren. Wie wacker sich die jungen Frauen in der fremden Umgebung geschlagen haben. Die große Bedeutung des sonntäglichen Kirchgangs; ob als vertraute Routine oder vielleicht auch spirituelle Unterstützung. Die Bescheidenheit der Frauen finde ich berührend.
Das Buch ist flüssig geschrieben und ich bin ein bisschen traurig, das es so schnell gelesen ist. Mit den schwarzweiß Photos der Dienstmädchen ist es sehr ansprechend gestaltet.
Es ist ein schönes Geschenk und ich werde es für diesen Zweck jetzt gleich 2x erwerben.
Für mich 5 Sterne.

Bewertung vom 25.07.2022
Mein Kompass durch die Wechseljahre
Fischer, Heide

Mein Kompass durch die Wechseljahre


ausgezeichnet

Die Wechseljahre sind für einige Frauen eine Phase, die mit großen Veränderungen und Einschränkungen einher geht. Ärzte empfinde ich nur bedingt als Hilfe. Am Ende muss Jede ihren eigenen Weg finden. Eine Empfehlung für Literatur könnten Ärzte aussprechen, so sie nicht beraten können;dieses Buch könnte eine solche Empfehlung sein. Heide Fischer ist Frauenärztin und hat diese besonderen Jahre hinter sich. Die Autorin ist also Expertin.
Das Buch kommt mit einem ansprechenden Einband daher; eine Frau ca. Mitte 40, entspannt und fröhlich, lädt zum Lesen ein.
Das Buch ist in 14 Kapitel gegliedert und hat ein Glossar und weiterführende Literatur sowie andere Hinweise. Ich habe die 2022er Ausgabe gelesen.
Nach der Lektüre kann Keine sagen, sie hätte es nicht gewusst. Sehr ausführlich setzt sich Fischer mit den Themen um die Wechseljahre herum auseinander. Beim Kapitel Verhütung bin ich neidisch geworden. Ich bin viel umgezogen in meinm Leben; keiner der Frauenärzt:innen hat mich je so aufgeklärt. Ich hätte sicher die Pille nie genommen. Sehr interessant sind die Schilderungen betroffener Frauen und die von Fischer selbst. Das macht es anschaulich und glaubhaft. Auf der anderen Seite macht es
Heide Fischer der Leserin nicht leicht. Das Buch ist anspruchsvoll und so voll von Informationen, dass ich es erneut lesen muss, obwohl ich (mache ich ungern) alles Wichtige markiert hatte. Eine Frauenärztin versteht das sicher besser.
Zwei Anmerkungen möchte ich noch machen: es gibt zu viele Verweise auf andere Seiten, die zum Teil nicht stimmen oder wo es nicht klar ist, warum dort hin verwiesen wird. Mir hätte am Ende jeden Kapitels eine Zusammenfassung der Empfehlung der Ärztin geholfen. Da sie auch Methoden und Medikamente beschreibt, die sie nicht empfiehlt, habe ich den Überblick verloren.
Ansonsten ist es eine klare 5 Sterne Empfehlung für Frauen, die sich für ihren Körper und die neue Zeit, in die sie in der Mitte ihres Lebens kommen, interessieren.