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Gurke
Wohnort: 
Berlin

Bewertungen

Insgesamt 162 Bewertungen
Bewertung vom 30.12.2023
Book Lovers - Die Liebe steckt zwischen den Zeilen
Henry, Emily

Book Lovers - Die Liebe steckt zwischen den Zeilen


sehr gut

Nora ist wie ein Hai - bissig, fokussiert und ständig auf der Suche nach einem neuen Bestseller, den sie als Agentin in der Buchbranche möglichst gewinnbringend für ihre Klienten auf den Markt bringen kann. Gefühle haben bei ihr keine Chance, denn bis auf ihre Schwester Libby kommt niemand durch den dicken Eisblock, den ihr Herz als Schutzschild umgibt, hindurch. Bei ihrem nächsten Meeting trifft Nora allerdings auf den Lektor Charlie Lastra, der von guten Manieren nichts zu halten scheint und Haie liebend gerne zum Frühstück verspeist, da kommt der kleine Urlaub mit Libby gerade recht.

Die Autorin war eine frische Neuentdeckung für mich, die mir einige lustige Lesestunden beschert hat. Ich mochte den gesamten Cast sehr gerne und war besonders von den vielen, liebevollen Verweisen zu anderen Romanen und urigen Kapiteln in den Verkaufsräumen von Buchläden angetan, die Lust auf den nächsten Bücherbummel machen.

Die Handlung lebt von den drei Hauptakteuren - Nora, Libby und Charlie. Das Trio wird in diversen Facetten beleuchtet und sowohl Stärken als auch Schwächen originell verpackt. Der Ort der Handlung spielt hauptsächlich im idyllischen "Sunshine Falls", einer Kleinstadt in North Carolina, wenngleich die Protagonisten echte New Yorker Stadtmenschen sind. Dieser Gegensatz ist durchweg Gegenstand beinahe jeder Konversation und sorgt für ordentlich Zündstoff, der einem Happy End wie ein dicker Ladenhüter im Wege liegt.

Diese romantische Komödie verlässt sich nicht darauf nur Frauenherzen zu unterhalten, sondern gibt uns auch tolle Einblicke in die Lektoratsarbeit, die uns Leser mitnehmen beim spannenden Schaffungsprozess. Gespickt wird alles mit einem Schreibstil, der mitten aus dem Alltag stammt - geistreiche Pointen und kluge Schlagabtäusche inklusive.

Ein bisschen erinnert mich "Book Lovers" mit der "To-Do-Liste" der Schwestern sowie der unendlichen Lethargie über einen verstorbenen Menschen an den Stil von "P.s. Ich liebe dich", deshalb kann ich auch einen kleinen Minuspunkt verkraften, der aus (zu) vielen erotischen "Verpuffungsmomenten" besteht. So viel Selbstbeherrschung ist schlichtweg nicht glaubhaft, aber überzeugt euch selbst davon und entscheidet, ob ihr Charlie und Nora auch so gerne während mancher Momente der Zweisamkeit geschüttelt hättet.

Bewertung vom 24.10.2023
Das Nachthaus
Nesbø, Jo

Das Nachthaus


sehr gut

Es geschehen seltsame Dinge seit Richard in dem verschlafenen Ort Ballantyne lebt. Als er eines Tages bei der Polizei zu Protokoll gibt, dass sein Kumpel Tom von einer Telefonzelle mit Haut und Haar gefressen wurde, wünschen sich die Bewohner insgeheim, dass er niemals zu seinen Adoptiveltern gezogen wäre. Das Unheil nimmt aber gerade erst seinen Lauf.

Das Buch wird in drei Teile gegliedert, die Richard als jungen Teenager und 15 Jahre später bei seiner Rückkehr zum Ursprung begleiten. Der Mittelteil ist aus meiner Sicht zu schwach und driftet zu sehr ins Fantasy Genre ab, dadurch verliert Nesbø auch einen Stern auf der Bewertungsskala. Hier hätte man aus meiner Sicht lieber einen mysteriösen Fokus mit mehr Gruseleffekten setzen müssen. Fast scheint es so als würde der Autor sich ein bisschen selbstironisch über sein neuestes Werk äußern, wie das Zitat eines Mitschülers von Seite 214 vermuten lässt:

"Ich muss gestehen, ich lese nicht so Fantasysachen. [...] Ich will damit aber nicht sagen, dass nicht auch solche Bücher einem Autor alles abverlangen."

Der Schreibstil entschädigt hingegen für kleine Schwächen im Plot. Butterweich fließen die Sätzen dahin und zeigen, dass jedes Wort punktiert ins Schwarze trifft - purer Leseschmaus.

Die Kennzeichnung als Roman ist schlichtweg irreführend und wird den ein oder anderen Leser leider enttäuschen. Der Autor zieht nämlich alle Register und zeigt, dass man auf 282 Seiten auch einfach mal einen kompletten Genre-Mix zu Papier bringen kann. Zwischendurch fühlte ich mich an meine geliebte Gänsehaut Reihe von R.L. Stine erinnert, allerdings für älteres Publikum aufbereitet. Dann plötzlich lassen sich Parallelen zu "Der Exorzist" finden und ein bisschen obligatorische Zombie Apokalypse rundet alles ab. Für meinen Geschmack wurden zu viele Elemente miteinander vermischt, nichtsdestotrotz ist "Das Nachthaus" unterhaltsam und lesenswert.

Bewertung vom 29.09.2023
Between Us - Die große Liebe kennt viele Geheimnisse
McFarlane, Mhairi

Between Us - Die große Liebe kennt viele Geheimnisse


gut

Roisin und Joe gehen schon seit einem Jahrzehnt als Paar durchs Leben, doch plötzlich sind da diese Zweifel, ob ihre Liebe bereits das Ablaufdatum erreicht hat. Joe ist mittlerweile ein gefeierter Drehbuchautor und verdient mit seinem neuesten Werk "Hunter" ein kleines Vermögen. Sex sells - Seitensprünge sind laut der Auftaktfolge eine grandiose Freizeitbeschäftigung und ausgerechnet Roisins' beste Freundin scheint dafür seine Fantasie beflügelt zu haben. Wie viel Wahrheit steckt in der Fiction?

Der Schreibstil war für das Genre locker, leicht und unkompliziert. Am besten haben mir die Unterhaltungen via WhatsApp von Gina, Meredith und Roisin gefallen. Wie ein lustiger Sidekick haben diese voll den Punkt getroffen.

Der Bezug zu den Protagonisten fiel mir insgesamt schwer. Zwischen den Zeilen erkennt man, dass die Autorin gerne den unverwechselbaren Vibe der Sitcom "Friends" aufleben lassen möchte - in vielerlei Hinsicht gelingt ihr das allerdings nur LOS (leider suboptimal). Roisin macht aus jeder Mücke einen Elefanten und wirkt völlig überzogen in ihrer Streitkultur. Ihr Partner Joe würde dagegen deutlich besser in einen Psychothriller passen. Man erwartet fast, dass er in der nächsten Sequenz ein Messer zückt. Lediglich Matt erwärmt mit seiner Art das Herz und ist der strahlende Held der Geschichte, indem er bei den Walters-Frauen für Ordnung sorgt.

Als Fan von McFarlane würde ich mich nach ihrer neuesten Romcom nicht bezeichnen. "Between Us" ist eine gute Durchschnittslektüre und ein kleines Manifest für den Neuanfang. Lügen haben kurze Beine, bei der Autorin haben sie dagegen lange Drehbücher.

Bewertung vom 01.09.2023
Der Wald
Rode, Tibor

Der Wald


ausgezeichnet

Marcus Holland ist auf dem Höhepunkt der Karriere angelangt und als Brandenburger Förster mit seinem neuesten Bestseller selbst in den USA ein gefeierter Star. Er provoziert bewusst mit gewagten Thesen, die der Pflanzenwelt ein komplexes Kommunikationstalent zugestehen - allein über ihr ausgeklügeltes Wurzelsystem, und sieht sie als wahre Herrscher der Erde. Kurz darauf wird er mit seiner Expertise um die Analyse eines neuartigen Gewächses gebeten, währenddessen beginnt ein Wettlauf gegen die Zeit und das unbändige Wachstum des Höllenkrautes.

Der Schreibstil hat mich besonders durch die regelmäßigen Perspektivenwechsel überzeugt. Es mischen relativ viele Nebenschauplätze mit, die allesamt durch starke und authentische Charaktere präsentiert werden. Ich fühlte mich wie in einen regelrechten Sog gezogen und konnte nicht mehr aufhören zu lesen, da auf knapp 460 Seiten ein sehr gut recherchierter Plot gesponnen wird, der wie ein feines Mykorrhiza Geflecht immer tiefer in die Materie dringt. Ich bleibe zurück und frage mich, wie unsere Zukunft wohl aussehen wird, denn jeder Fortschritt bringt bekanntermaßen auch Gefahren mit sich. War früher vielleicht doch alles besser und die Zeit der Menschheit sogar längst abgelaufen? Gesellschaftskritisch, futuristisch und ziemlich "grün" - diese drei Attribute fassen den Öko-Thriller ziemlich gut zusammen, damit ist auch mein neuestes Lieblingsgenre geboren. Ich will mehr davon!

Wer die gefeierten Bücher von Dan Brown gelesen hat, kommt meiner Meinung nach der Lektüre um einen Vergleich mit Tibor Rode nicht vorbei. Verstecken muss sich der Deutsche Autor allerdings keineswegs hinter dem großen Namen aus Übersee, denn "Der Wald" wurde von mir genauso verschlungen wie "Illuminati" oder "Sakrileg" und erhält den klaren Stempel "Leseempfehlung".

Bewertung vom 11.11.2020
Rache, auf ewig / Grall und Wyler Bd.3
Schütz, Lars

Rache, auf ewig / Grall und Wyler Bd.3


sehr gut

Ein Mann erwacht fast splitternackt auf einer Pritsche in einem Gewächshaus. Ein Mädchen besucht ihn und erklärt, dass unter ihm Bambuspflanzen unerbittlich in die Höhe wachsen und ihn gnadenlos durchbohren werden. Kurz darauf ist der Mann tot. Er gehört zu den Bestverdienern in Deutschland und steht bei einer Gruppe Umweltaktivisten ganz oben auf der „Dislike-Liste“ und es sieht so aus, als ob das Morden getreu der Liste weitergeht. Eigentlich ganz einfach oder doch nicht?

Die Morde des „Erlösers“ sind sehr ausgefeilt und punkten mit großer Finesse. Trotz ihrer Brutalität hatten die widerlichen Praktiken dennoch auf ekelhafte Weise Hand und Fuß und zielten nicht nur auf sinnloses Blutvergießen ab. Ich konnte mir regelrecht den Trailer zu der Buchverfilmung bei RTL oder anderen TV-Sendern vorstellen – am Sonntag zur besten Sendezeit.
Allerdings lockte der Täter seine Opfer insgesamt drei Mal für meinen Geschmack schlichtweg zu einfach in seine Fänge, da wir es hier beispielsweise auch mit erfahrenen Ermittlern zu tun haben, welche die Falle erahnen sollten. Ein kleiner Wehrmutstropfen und natürlich Jammern auf hohem Niveau.

Einen Punkt muss ich abziehen, weil ich aus unverständlichen Gründen statt mit den Protagonisten tatsächlich am ehesten mit dem Täter sympathisiert habe. Bei einem Serienmörder mit diesem Gewaltpotenzial fast unmöglich zu begreifen, aber die Naturliebe hinter seiner kranken Psyche haben mich dann doch eher gefesselt, als Rabea mit ihren plötzlichen Wutausbrüchen oder der grüblerische Jan, der insgesamt zu blass blieb. Ein Ableben von einem der Duo-Partner hätte ich nicht weiter dramatisch gefunden und bei einer Thriller-Reihe gilt es ja eben genau dort den Leser zu fesseln. Den Autor und seine weiteren Veröffentlichungen werde ich trotzdem sehr gerne weiter im Auge behalten.

Bewertung vom 31.10.2020
Verlorenes Vernègues / Capitaine Roger Blanc ermittelt Bd.7
Rademacher, Cay

Verlorenes Vernègues / Capitaine Roger Blanc ermittelt Bd.7


ausgezeichnet

Capitaine Roger Blanc wird im kalten Winter zu einem morgendlichen Tatort gerufen. Es handelt sich dabei um eine Weide und die Opfer sind Schafe. Der Täter - ein Wolf - ist flüchtig und die Gendamerie denkt sie sei im falschen Film. Bis sich die Lage zuspitzt..

"Verlorenes Vernègues" ist der siebte Band der Krimi-Reihe von Cay Rademacher rund um Roger Blanc und sein Team. Obwohl ich mit diesem Band eingestiegen bin, habe ich mich sofort heimelig gefühlt und die Vorgänger ruckzuck auf meine Wunschliste gesetzt.

Der Schreibstil strahlt trotz der Brisanz der Lage in Vernègues eine gewisse Ruhe aus.
Ich vermute, dass dies einerseits an der ruhigen Art des Protagonisten und andererseits an der friedlichen Landschaft und deren malerischen Beschreibung lag. Dieses Zusammenspiel löste vermutlich den ungewöhnlichen Effekt in mir aus. Ich war selten beim Lesen eines Krimis gleichzeitig so tiefenentspannt und doch so gefesselt.

Viele Tote haben wir im Grunde auch nicht zu verzeichen, dafür ein Dutzend gerissene Schafe und reichlich schräge Charaktere, die mir allesamt ans Herz gewachsen sind.

"Ich finde Wölfe sexy" erwiderte Fabienne.
"Sie züchten auch keine Schafe, Mademoiselle" (S.60)

Dialoge und Sätze wie jene bleiben mir mit einem Schmunzeln im Gedächtnis.
Der Autor hat eine grandiose Mischung aus den Prophezeiungen von Nostradamus, leuchtenden Ufos, mysteriösen Wölfen und gefährlichen Erdbeben geschaffen, die mich beim Lesen einer Rezension wohl niemals zum Kauf ermutigt hätte und deshalb bin ich froh, dass ich völlig unvoreingenommen in dieses kleine Wunderwerk eintauchen durfte.

Nach der Lektüre habe ich die Provence auf meine Urlaubsliste ganz nach oben geschrieben, um mir die eindrucksvollen Ruinen einmal selbst ansehen zu können - hoffentlich ohne wölfische Zwischenfälle.

Bewertung vom 04.06.2020
Ein halbes Herz
Lundberg, Sofia

Ein halbes Herz


sehr gut

Elin ist eine gefeierte Starfotografin im hippen New York City und hat alles erreicht – hübsche Ehefrau, elegante Mutter, keinerlei Geldsorgen und doch schrecklich unglücklich. Im Grunde ist sie nämlich noch immer die naturverbundene Schwedin, die mit Fredrik, ihrem besten Freund, barfuß zum Strand läuft, um dort beim träumerischen Gucken in den Sternenhimmel die Kindersorgen zu vergessen. Doch ein schreckliches Drama entzweite ihre Familien vor rund 35 Jahren bis ins Mark und ließ Elin fast ans andere Ende der Welt fliehen. Die Zeit heilt alle Wunden sagt man, doch wie viel Zeit ist genug für den Verlust von geliebten Menschen?

Die Autorin hat sich für die Erzählform auf zwei Zeitebenen entschieden, wobei sich das Gotland der frühen 80er Jahre und das New York der Jetztzeit abwechseln und später noch durch Passagen aus dem Paris der 90er ergänzt werden. Die Protagonistin ist in allen Ebenen sehr omnipräsent mit ihrer schweren Melancholie, die jeweils an die verschiedenen Lebensphasen einer Heranwachsenden bis zum 40Plus Alter angepasst sind. Trotzallem gelingt es für mein Empfinden auch den Nebencharakteren wie Gerd und Alice unaufdringlich zu glänzen.
Elins Trübsinn ist in der Masse manchmal nicht ganz einfach zu tragen, weil es (als Leser so einfach gesagt) so leicht zu überwinden wäre. Sympathie wird deshalb aber nur schwer zu der Starfotografin aufgebaut. Hin und wieder streut Sofia Lundberg aber sehr malerische Dialoge in den Plot, wie zum Beispiel die Erklärung für den Titel „Ein halbes Herz“, den ich mir auf Grund seiner puren Kraft glatt herausgeschrieben habe und hoffentlich den ein oder anderen jetzt neugierig macht.

Mein persönlicher Wermutstropfen liegt in der doch recht langen Zeitspanne, das sich zwischen dem Drama der Vergangenheit und dem Treffen in der Gegenwart befindet. Ich kann nachvollziehen, dass es für beide Seiten eine große Überwindung gekostet haben muss, einen ersten Schritt zu wagen. Mit Hilfe des Internets gelingt es doch heutzutage kinderleicht verschollene Verwandte, Schulfreunde und Co. zu finden und auch über den Ozean hinweg (sogar fast anonym) zu kontaktieren. Von Fredrik – na eigentlich sogar von allen Beteiligten - hätte ich da definitiv eine frühere Reaktion erwartet, zumal ein Teil der Handlung im Jahr 2017 spielt. Hier wäre es logischer gewesen, wenn die Autorin diesen Handlungsstrang in eine weniger vom Internet beherrschte Zeit verfrachtet hätte – 50 Jahre zurück beispielsweise. Insgesamt war es aber trotzdem ein schöner Roman, der die Freundschaft und die Landschaft Schwedens gebührend feiert.

Bewertung vom 25.04.2020
Der Wald, vier Fragen, das Leben und ich Von einer Begegnung, die alles veränderte
Randau, Tessa

Der Wald, vier Fragen, das Leben und ich Von einer Begegnung, die alles veränderte


sehr gut

Warum sind wir mit unserem Alltag manchmal unzufrieden, obwohl doch eigentlich alles perfekt zu sein scheint – von außen betrachtet zumindestens? Die Antwort zu diesem Dilemma sind die „Vier Fragen des Lebens“, welchen die Erzählende gemeinsam mit einer Spaziergängerin im Wald auf den Grund geht.

Nach der Hälfte der Lektüre war ich leider etwas enttäuscht, weil für meinen Geschmack die beiden ersten Fragen des Lebens viel zu kurz abgehandelt wurden. Es wirkte an manchen Stellen tatsächlich für mich so, als ob Seiten fehlen würden. Ich hätte mir da eindeutig mehr Tiefgang gewünscht, da wir durch das Leben der Protagonistin im Einfluss der Kernfragen wie im Schnelldurchgang gezogen werden, um schnell einen Haken dahinter zu setzen. Bei der dritten Frage ändert sich dieser Eindruck dann glücklicherweise wieder und die Autorin schmückte die Handlung gut aus! Aus diesem Grund ziehe ich bei der Bewertung einen Punkt ab.
Besonders schön finde ich dagegen, dass sich bei mir beim Lesen das Bild gebildet hat, dass die Protagonistin eigentlich nur ihrer inneren Stimme folgt und die alte Dame gar nicht existiert. Ich weiß nicht, ob das so gewollt war, aber den Eindruck finde ich noch immer faszinierend.

Die Gestaltung des kleinen Büchleins ist wunderbar! Mit kleinen, unaufdringlichen Skizzen und bunten Blättern, die durch die Seiten schweben, hat der dtv Verlag genau die richtige Dosierung gewählt, um das Geschriebene bestmöglich zu unterstützen.

Tessa Randaus Erstlingswerk wird einen besonderen Platz bei mir im Bücherregal einnehmen. Wenn ich eine kleine Blockade habe und einen positiven Denkanstoß benötige, werde ich mich mit der alten Dame in meinen Garten zurückziehen und neue Kraft tanken.

Bewertung vom 29.02.2020
Ein Sommer auf Sylt
Wolf, Lena

Ein Sommer auf Sylt


ausgezeichnet

Julia Hirschfeldt hat den Kontakt zu ihrem Vater Ralf wegen unüberbrückbarer Differenzen vor einigen Jahren abgebrochen. Nun ist ihr Vater tot und Julia die Erbin eines wunderschönen Friesenhauses auf Sylt. Sie und ihr Freund Jo sehen anhand dieser unverhofften Schenkung sofort die Eurozeichen in den Augen aufblitzen und planen mit dem Erlös eine Expansion ihrers kleinen Architekturbüros in den Nahen Osten. Um die Fomalitäten zu klären, reist Julia mit ihren beiden Tanten Annegret und Christiane und ihrer Mutter an die Nordsee und plötzlich fängt der glasklare Plan an zu bröckeln.

Die Autorin hat mit ihrem Handlungsgerüst zwar nicht das Rad neu erfunden, nichtsdestotrotz wollte ich den Roman vor lauter Lesevergnügen gar nicht weglegen.

Mit der Protagonistin konnte ich mich prima identifizieren und ihre beiden Tantchen brachten mich regelmäßig mit ihrer tüdeligen Art zum Schmunzeln.
Sie erzählen von den Höhen und Tiefen im täglichen Wahnsinn zwischen liebevollen Familienbanden und einem Lagerkoller, der sich bei so viel gebündelter Frauenpower breit macht – ohne dabei albern oder überspitzt zu wirken.
Ich wurde bei der Lektüre sogar ein wenig rührselig und sehnte mich danach, selbst mal wieder an das Meer zu fahren und den eigen Gedanken nachzufühlen sowie die frische Seeluft zu schnuppern.
Julia gelingt es jedenfalls sich nach Startschwierigkeiten der Entschleunigung auf Sylt hinzugeben und die Autorin garniert ihre Gefühlsreise mit einem gelungenen Schreibstil, der teilweise mit sehr malerischen Verben garniert wurde (z.B. unken), die dem verträumten Frauenroman das i-Tüpfelchen aufsetzen.
Über Mats, den schnieken Hotelbesitzer, gäbe es noch einiges zu berichten, aber davon sollten sich interessierten Damen lieber selbst ein Bild machen. Nur so viel: es darf geschmachtet werden bei so viel charmanter Männlichkeit.
Abschließend lernt man nach den knapp 380 Seiten wieder den Blick für das Wesentliche zu richten und dass man sich nicht scheuen sollte, auch mal im gesunden Maße egoistisch zu sein.

Bewertung vom 05.12.2019
#KillTheRich - Wer Neid sät, wird Hass ernten
Fassnacht, Lucas

#KillTheRich - Wer Neid sät, wird Hass ernten


gut

Die Welt steht am Abgrund! Ein Instagram Post mit dem epischen Aufruf #killtherich sorgt dafür, dass in jedem Winkel der Erdbevölkerung der Hass auf die Besserverdiener und das soziale Ungleichgewicht steigt. Der Neid entlädt sich in sagenhaften Straßenschlachten und Bürgerkriegen.
In Brasilien startet das emotionale Feuer und zieht sich stetig weiter bis hin nach Europa.
Die Diplomatin Conrada van Pauli versucht mit aller Kraft den Untergang der Demokratie aufzuhalten, doch leider stolpert sie ununterbrochen über die harten Brocken von Korruption und Machtgefügen! Schafft sie es die Welt zu vereinen und wieder lebenswert zu machen?

Ich habe mich streckenweise doch sehr durch den Plot gekämpft, weil Politthriller so gar nicht in mein Beuteschema passen. Hinzukommt, dass ich auf dem politischen Parkett einen eher schlechten Durchblick habe und ich von den zahlreichen Abkürzungen á la EAD, COREU, UNASUR und Co. nicht mal nach der Lektüre weiß, worum es schlussendlich geht.
Der Autor bietet ein wahres Potpourri an hohen Vertretern, Gesandten, Diplomaten etc. die meine Fragezeichen in Bezug auf Verstrickungen und Verbindungen nur noch mehr ausreizten, da war dann auch die Übersicht im hinteren Teil des Buches keine Hilfe mehr.

Kapitelweise wird der Blickwinkel geändert und von einem Ort der Erde zum nächten Hotspot gesprungen. Diese Dynamik wirkte gegenüber der verstaubten Ansehen von wirtschaftlichen Rednern und langatmigen Diskussionsbeiträgen sehr erfrischend. Genossen habe ich besonders die Kapitel, in denen es mal um die Töchter von Conrada oder anderen Charakteren ging, die nicht bei der EU oder der UN im direkten Arbeitsverhältnis stehen. Lucas Fassnacht hat nämlich einen runden Schreibstil, der auch manchmal witzige Paraden einstreut.

Für eine faire Bewertung war ich schlichtweg zu weit weg vom Thema und wegen meines eigenen Desinteresses an der Thematik zu gelangweilt. Ich vergebe daher ein gutes Mittelmaß an drei Punkten und denke, dass es für Lesefreunde mit mehr politischen Background schon spannend und interessant sein kann.