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Ruth Justen
Wohnort: 
Leipzig
Über mich: 
Ich lese für mein Leben gern. Daraus ist "Ruth liest", ein Blog mit kurzen und prägnanten Büchertipps einer leidenschaftlichen Leserin, entstanden. Das Webtagebuch möchte anderen Bücherfreunden Orientierung im riesigen Reich der Belletristik geben. Interessierte können daher nicht nur nach Autoren, sondern auch nach Ländern und Schlagwörtern suchen.

Bewertungen

Insgesamt 64 Bewertungen
Bewertung vom 04.03.2012
Der Schneeflockenbaum
Hart, Maarten 't

Der Schneeflockenbaum


ausgezeichnet

Maarten 't Hart beweist mit seinem Roman "Der Schneeflockenbaum" erneut seine Meisterschaft.

Im Mittelpunkt der Geschichte stehen zwei Jungs, der Ich-Erzähler und Jouri. Beide sind in den Niederlanden der 50iger Jahre Außenseiter. Der Ich-Erzähler sondert schon im Kindergartenalter gigantische Darmwinden ab und Jouri ist der Sohn eines Kollaborateurs. Zudem sind sie sehr begabte Schüler. Aus den beiden Außenseitern werden Freunde für das Leben. Doch die Freundschaft ist nicht ungetrübt. Jouri verliebt sich grundsätzlich in die Freundinnen des Erzählers. Und er belässt es nicht beim Verliebtsein, er spannt sie dem Freund auch aus, bis der scheinbar einen Weg findet, Jouri von seinen Frauen abhalten zu können.

Leise, leicht und dennoch tiefgründig erzählt Maarten 'Hart über die Bedeutung von Freundschaft, über lebenslange Lügen in der Liebe und die bigotte, niederländische Nachkriegsgesellschaft.

Bewertung vom 22.02.2012
Ab jetzt ist Ruhe
Brasch, Marion

Ab jetzt ist Ruhe


gut

Ein DDR-Kunstfunktionär als Vater und drei begabte, nach Freiheit strebende Künstler als Söhne - kein Wunder, dass sich die einzige Tochter diesen Stoff von der Seele schreibt. Mit ihrem Debütroman "Ab jetzt ist Ruhe" gelingt Marion Brasch ein berührendes Porträt ihrer extrem talentierten DDR-Künstler-Familie.

Die Eltern von Marion und ihren drei Brüdern sind nach dem Zweiten Weltkrieg aus den englischen Exil nach Ost-Berlin gezogen. Der Vater - ein überzeugter Kommunist - wird immerhin stellvertretender Kulturminister der DDR. Seine Kinder hingegen rebellieren mehr oder weniger stark gegen seine strikte Auslegung des Kommunismus. Der älteste Bruder verlässt sogar die DDR. Mit jeder öffentlichen Auflehnung der Kinder fällt der Vater ein Stück mehr in Ungnade des Regimes. Dennoch bleibt er bis zuletzt überzeugt, dass die DDR für eine gerechte Gesellschaftsordnung steht.

Die Autorin wächst als Jüngste von vier Geschwistern auf. Ihre drei Brüder sind jeder auf seine Art außergewöhnlich begabt. Thomas und Peter Brasch feiern als Schriftsteller und der mittlere Bruder Klaus als Schauspieler Erfolge. Marion bleibt immer die kleine Schwester, um deren Gunst sich alle drei Brüder streiten, und doch wird sie nie ganz ernst genommen. Eine nicht ganz einfache Familienposition für Marion, die umso schwieriger ist, als die drei Brüder mehr und mehr selbstzerstörerische Züge erkennen lassen. Alle drei können aus ihrer Kreativität keinen dauerhaften Lebensmut gewinnen und verfallen zunehmend ihren Süchten. Und so beerdigt die Autorin ein Familienmitglied nach dem anderen.

"Ab jetzt ist Ruhe" ist in zweierlei Hinsicht ein reizvoller und bewegender Roman. Zum einen gewährt er eine Innenansicht in die Brüche innerhalb der DDR-Gesellschaft. Marion Brasch urteilt nicht, sie beschreibt die Leiden und Freuden einer Gemeinschaft, die doch mal alles besser machen wollte. Zum anderen schildert der Roman die Geschichte einer ganz besonderen Familie, reich an Begabung und scheinbar arm an Glücksgefühlen. Ein literarisches Meisterwerk ist das Debüt jedoch nicht.

4 von 6 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 12.02.2012
Sand
Herrndorf, Wolfgang

Sand


ausgezeichnet

Wolfgang Herrendorf schildert in seinem neuen Roman "Sand" die Irrungen und Wirrungen seiner Hauptfiguren in der Wüstenoase eines nordafrikanischen Staates im Jahr 1972. Korrupte Polizisten, skrupellose Spione und heilssuchende Kommunenmitglieder sind teils bewusst, teils unbewusst verstrickt in die Weltpolitik. Einige bleiben im Wüstensand auf der Strecke, andere werden unbeeindruckt weiter machen. Mehr darf ich nicht verraten, denn "Sand" ist vordergründig ein ungemein spannender Krimi.

Dahinter aber seziert Herrendorf die politischen Landschaften des Jahres 1972, kurze Zeit nach dem Anschlag palästinensischer Terroristen auf die israelische Olympiamannschaft in München. Keiner kommt dabei gut weg: Nicht die Touristen aus aller Welt, mit ihren wohlmeinenden aber flachen Analysen der Weltpolitik, auch nicht die sympathischen, aber korrupten Polizisten in Nordafrika und schon gar nicht die Spione für eine "gute" Sache.

Mehr noch als der Krimiplot oder die Gesellschaftskritik beeindruckt mich die Sprache Herrendorfs. Nichts scheint ihm unbeschreiblich zu sein. Er hat eine so reiche, mächtige Sprache wie nur wenige andere deutschsprachige Autoren der Gegenwart. Kein Wunder, dass er zu den Nominierten für den Preis der Leipziger Buchmesse in der Kategorie Belletristik 2012 gehört.

22 von 30 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 22.01.2012
Die Party bei den Jacks
Wolfe, Thomas

Die Party bei den Jacks


gut

Thomas Wolfe gehört zu den großen der Weltliteratur im 20. Jahrhundert. Viel zu jung erstarb diese Stimme der amerikanischen Literaturszene mit 38 Jahren. Da liegt es nahe, den Nachlass zu durchforsten und unveröffentlichte Manuskripte zu publizieren.

In den ersten Kapitel beschreibt Wolfe die Kindheit und Jugend von Frederick Jack Anfang des 19. Jahrhunderts in einer deutschen Stadt. Er leidet unter seinem Mitschülern, für die er "der Jude" und Sohn eines reichen Privatbankiers ist. Einsamkeit und Trauer prägen seinen Charakter. Als junger Mann geht er nach Amerika und steigt dort als begnadetes Finanzgenie in die obersten gesellschaftlichen Kreise ein. Der zweite und größte Teil des Buches dreht sich um eine Party, die Jack und seine Frau Esther, in ihrem Luxus-Apartment geben. Innerhalb dieser Geschichte schildert Wolfe mit der Liebesbeziehung von Esther und ihrem Geliebten einen dritten Erzählstrang.

Alle drei Erzählungen für sich sind brilliant geschrieben. Wolfe schildert die antisemitische, engstirnige deutsche Gesellschaft ebenso meisterlich wie die mondäne, feine amerikanische Gesellschaft am Rande des Abgrundes kurz vorm großen Börsenkrach, der die Mehrheit der Partygäste ins finanzielle Unglück stürzen wird. Im jeder Zeile bricht das literarische Genie des Autors durch. Aber die Teile ergeben kein Ganzes. Das Werk ist und bleibt unvollendet und bruchstückhaft. Die Lektüre empfiehlt sich nur für Fans.

Bewertung vom 13.01.2012
Das Dorf des Deutschen
Sansal, Boualem

Das Dorf des Deutschen


ausgezeichnet

Der Nobelpreisträger überzeugt nicht nur sprachlich mit diesem hochpolitischen Blick auf die oftmals unheilvollen Verknüpfungen zwischen Europa und Nordafrika.

Die Hauptfiguren des Romans "Das Dorf des Deutschen" von Boualem Sansal sind Rachel und Malrich, Söhne eines deutschen Vaters und einer algerischen Mutter. Der Vater war im Zuge des algerischen Befreiungskrieges in dem Dorf der Mutter aufgetaucht und galt bis zu seinem Tod als Held des algerischen Befreiungskrieges. Seine Söhne schickt er jeweils im Grundschulalter zu einer Verwandten seiner Frau nach Paris. Sie sollen eine Chance auf eine Zukunft haben. Der ältere Bruder, Rache, nutzt diese und macht Karriere bei einem internationalen Konzern. Der jüngere Bruder Malrich gehört eher zu den Streunern des Viertels. Er findet in Frankreich keine Heimat, obwohl beide die französische Staatsbürgerschaft haben. Die Heimat Algerien ist aber zugleich ein fremdes, unbekanntes Land aus der fernen Erinnerung.

1994 werden die Eltern und dreißig weitere Dorfbewohner von einer islamistischen Terrorbande ermordet. Empört über diese Tat, macht Rachel sich auf nach Algerien. Dort entdeckt er Unterlagen seines Vaters, die dessen Nazi-Vergangenheit belegen. Als Chemiker war er in verschiedenen KZs tätig und wurde nach dem Ende des Dritten Reiches bis nach Algerien geschleust, wo ihm keinerlei Bestrafung drohte. Rachel reist zwei Jahre lang auf den Spuren des Verbrechers durch halb Europa. Er empfindet die Schuld seines Vaters als seine und beschließt, dass er mit dieser Schuld nicht leben kann.

Erst durch Rachels Selbstmord erfährt Malrich aus dessen Tagebuch von den Taten seines Vaters. Auch er braucht Monate und einige Reisen, um den Tod seines Bruders und das Geheimnis seines Vaters einigermaßen verarbeiten zu können. Wie er das macht? Er schreibt ein Tagebuch, dass wir als Roman lesen.

Boualem Salan erweist sich hier als Meister der Literatur. Das Buch ist nicht nur sprachlich ein Gedicht. Auch politisch legt der Autor seine Finger in die Wunde. Wie viele der Täter, der Massenmörder sind davon gekommen und konnten an anderen Orten weiter ihre tödlichen Spuren legen? Wie viel Unterstützung fanden sie in anderen Ländern? Wie groß ist der Einfluss ihrer mörderischen Taten auf die politische Nachkriegsordnung? Danke an die Nobelpreis-Jury, dass sie 2011 die Aufmerksamkeit des breiten Lesepublikums auf diesen wunderbaren Autoren gelenkt hat.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 03.01.2012
Tauben fliegen auf
Nadj Abonji, Melinda

Tauben fliegen auf


gut

Melinda Nadj Abonji schildert in ihrem preisgekrönten Roman "Tauben fliegen auf" Kindheit und Jugend von Ildiko. Ihre Familie gehört zur ungarischen Minderheit der Vojvodina in Serbien. Da ihre Eltern unter Tito wenig Entwicklungsmöglichkeiten sehen, ziehen sie als "Gastarbeiter" in die Schweiz. Dort wachsen Ildiko und ihre Schwester behütet und in relativem Wohlstand auf. Sie sind aber auch den offenen und verdeckten Anfeindungen ihrer Schweizer Nachbarn ausgesetzt. Ihr emotionales Zuhause liegt daher weiterhin in der Vojvodina. Jedes Jahr fährt die Familie zur Ferienzeit in den Heimatort zu Großmutter und Onkel, wo die Kinder eine unbeschwerte und glückliche Zeit erleben.

Ein ganz normales Emigrantenschicksal? Ja, bis sich Jugoslawien ab 1991 auflöst und die Zugehörigkeit zu welcher Volksgruppe auch immer über Leben und Tod entscheidet. Der Lärm von Vertreibung, Massaker und Krieg dringt bis in die Schweiz, so dass die Angst um die Angehörigen und Schuldgefühle immer stärker das Leben der Exil-Familie überschatten.

Melinda Nadj Abonji hat ein leises, fast schon mädchenhaftes Buch geschrieben. Einfühlsam schildert sie die Erlebnisse und Gefühle der jungen Frau. Dennoch fehlt es der Erzählung an Tiefgang. Der Roman ist zwar fesselnd zu lesen und beleuchtet ein wichtiges Kapitel europäischer Geschichte, ob er dafür aber den Deutschen Buchpreis 2010 verdient hat? Große Literatur liest sich anders.

2 von 3 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 20.12.2011
Das Scheißleben meines Vaters, das Scheißleben meiner Mutter und meine eigene Scheißjugend
Altmann, Andreas

Das Scheißleben meines Vaters, das Scheißleben meiner Mutter und meine eigene Scheißjugend


ausgezeichnet

Andreas Altmann erzählt von seiner bescheidenen Jugend im miefigen Nachkriegsdeutschland. Seine Wiege liegt in Altötting - einer Hochburg der katholischen Kirche. Der Ort wird hier als Synonym für Heuchelei und die überbordenden Machtansprüche der Kirche über Körper und Seelen der Gemeindemitglieder verwendet. Zudem ist der Vater der König der Rosenkranzhändler von Altöttingen und zugleich ein heimgekehrter Nazi. Er lässt all seine Gefühllosigkeit, Ohnmacht und Einsamkeit an seinen Frauen und Kindern aus. Die Mutter ist nicht in der LAge, sich oder ihre Kinder zu schützen. Immerhin kann sie den einen oder anderen Trost verteilen. Nach ihrem Auszug prügelt der Vater fast ein Jahrzehnt mit Unterstützung der Stiefmutter auf seine Kinder ein. Erst als 19-Jähriger kann sich Andreas gegen seinen Vater wehren und sich seiner körperlichen Macht entziehen. Aus jeder Seite des Buches schreit das gedemütigte, geschlagene, aber immer ungebrochene Kind heraus: Lasst euch nicht brechen!

Das Buch ist ein kraftvolles Stück deutscher Nachkriegsliteratur. Es ist eine Abrechnung mit der Nazi-Elterngeneration, die selber schwer traumatisiert, die nächsten Trauma verursachte. Der Roman sollte Pflichtlektüre an den deutschen Schulen werden.

15 von 20 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 11.12.2011
Die Elenden von Lódz
Sem-Sandberg, Steve

Die Elenden von Lódz


ausgezeichnet

Das Ghetto von Lodz steht für die maßlosen Verbrechen des Dritten Reiches an seinen jüdischen Mitbürgern. Es steht aber auch für die Frage, was tun, wenn man als Mensch dem unfassbar Bösem gegenüber steht? Dieser Frage geht Steve Sem-Sandberg nach, in dem er der historischen Gestalt des "Judenältesten" Mordechai Chaim Rumkowski literarisch nachspürt. Sem-Sandberg nimmt den Leser mit auf die Reise durch das Ghetto, auf eine Reise durch die Gedanken und Gefühle der eingesperrten Elenden und ihres Anführers. Es fällt schwer, dem Autor immer zu folgen: Nicht sprachlich, sondern seelisch. Zwischendurch will man sich gerne abducken und dem Grauen entziehen. Das liegt nicht nur an den furchtbaren Szenen. Es liegt vor allem an der Auseinandersetzung mit uns selber. Welche Hoffnungen hätten wir in der Situation genährt? Wie hätten wir an Rumkowskis Stelle entschieden, als die deutschen Besatzer die Alten und Kinder forderten und im Gegenzug die Sicherung der verbleibenden Arbeiter im Ghetto in Aussicht stellten? Wären wir überhaupt an Rumkowski Stelle gewesen? Klar, die Fragen sind nicht neu. Aber sie wurden zumindest literarisch selten so eindringlich gestellt. Und vielleicht führt ein Bestseller wie dieser dazu, dass sich auch Leute diese Fragen stellen, die bisher keinerlei Verbindung zwischen sich und der Nazizeit ziehen konnten oder den Naziterror von heute für eine Randerscheinung halten, die sie ja nichts angeht. Das Buch ist in jedem Falle lesenswert, aber nur in stabiler Seelenlage empfehlenswert.

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 05.12.2011
Geschichte eines Verschwindens
Matar, Hisham

Geschichte eines Verschwindens


sehr gut

Quasi Druckfrisch fiel mir Hisham Matars jüngster Roman "Geschichte eines Verschwindens" in die Hand. Die Hauptfigur des Romans ist Nuri el-Alfi. Matar begleitet ihn von der Kindheit bis zum Schulabschluss in den 60iger und 70iger Jahren. Nurus geliebte Mutter stirbt früh und hinterlässt dem Kind das Rätsel um ihren Tod und einen kühlen, ständig abwesend wirkenden Vater Kamal. Während eines Urlaubes treffen Vater und Sohn die junge und schöne Mona. Nuri ist sofort Feuer und Flamme für sie und empfindet gerade deshalb die Heirat seines Vaters mit ihr als Zumutung. So ist seine Abschiebung in ein englisches Internat Qual und Erlösung zugleich. Doch dann verschwindet der Vater spurlos in der Schweiz. Und nach einer anfänglich engen Trauergemeinschaft mit seiner Stiefmutter bleibt der Zwölfjährige allein zurück. Nach dem Abschluss des Internats findet er die Kraft, auf den Spuren seines Vaters zu wandeln und so für sich die Hintergründe seiner Familie auszuleuchten. Er erkennt die Zusammenhänge zwischen dem Tod seiner Mutter, dem Verschwinden des Vaters und der Sprachlosigkeit der Stiefmutter. So kann er seinen Frieden schließen mit sich, den Toten und den Überlebenden. Matar gelingt es, einfühlsam das private Schicksal des Jungen zu schildern und den Leser in die ägyptische Gesellschaft und ihre Werte jener Zeit einzuführen.

0 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 25.11.2011
Die Winter im Süden
Gstrein, Norbert

Die Winter im Süden


gut

In seinem Roman "Die Winter im Süden" zeichnet Norbert Gstrein literarisch die Spuren nationalsozialistischer Verbindungen zwischen Kroatien und Argentinien auf.

Ein österreichischer Polizist außer Dienst sucht neue Hoffnung in Argentinien. Er findet eine Anstellung als Sicherheitsbeamter bei einem Herrn mit zweifelhafter Vergangenheit und junger Familie.

Der alte Mann ist gebürtiger Kroate und hat das Ende des 2. Weltkrieges genutzt, um zu verschwinden. Seine Flucht vor der neuen Gesellschaftsordnung in Yugoslawien nach 1945 ist auch eine Flucht vor seiner ersten Frau und seiner Tochter. Die Wirren des Balkankrieges führen ihn zurück in die alte Heimat. Gemeinsam mit den Kämpfern von einst will er sich in den Balkankrieg einmischen. Sein Vermögen reicht aber nicht, um in Zagreb ernst genug genommen zu werden. So sucht er per Anzeige nach seiner Tochter und gleichzeitig hintertreibt er jede Begenung mit ihr.

Seine Tochter lebt seit dem Ende des 2.Weltkrieges in Wien. Sie steckt Mitten in einer Ehe- und Lebenskrise, die sie ausgerechnet in ihrer Geburtsstadt Zagreb zu Beginn des Bürgerkrieges verbringt. Das ihr Vater lebt, ist ein Schock für Sie. Und natürlich versucht sie, ihn zu treffen.

Alle Romanfiguren wirken seltsam losgelöst und einsam. Einzig der alte Kämpfer scheint einen Sinn im Leben zu entdecken, wobei er sinnlos mit den Menschen in seiner Umgebung spielt. Er hat nichts von seiner Boshaftigkeit, seinem Rassismus als faschistischer Krieger verloren. Geradezu hilflos stehen ihm die anderen Figuren im Roman entgegen. Besser gesagt, sie stehen ihm nicht entgegen, sie entziehen sich ihm. Ein treffendes Bild für die Mehrheit der demokratischen Gefüge von heute.

Hanser Verlag 2008