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Benutzername: 
Yernaya
Wohnort: 
Linz

Bewertungen

Insgesamt 50 Bewertungen
Bewertung vom 11.10.2023
Solothurn hüllt sich in Schweigen
Gasser, Christof

Solothurn hüllt sich in Schweigen


ausgezeichnet

Es ist der 6. Fall um Hauptmann Dominik Dornach, und wieder einmal trifft sich das Böse im beschaulichen Solothurn. Diesmal führen die Mordermittlungen der Kriminalpolizei in das Milieu der arabischen Clan-Kriminalität und der italienischen Mafia. Aber auch Wagner-Söldner und Kriegsverbrechen in der Ukraine spielen eine Rolle. Dem Autor ist es gut gelungen, dies Themen in "Solothurn hüllt sich in Schweigen" zusammenzuführen. Das Böse trifft sich in Solothurn.

Über 366 Seiten gelingt es Christof Gasser, einen Spannungsbogen von Beginn an aufzubauen und konstant aufrecht zu erhalten. So möchte man das Buch nicht mehr aus der Hand legen. Alle Handlungsstränge lösen sich auf und beliebte Motive der Solothurn-Serie begeistern erneut die Leserschaft. So begibt sich Tochter Pia mal wieder in Gefahr, und Dornach Selbst hat alle Hände voll zu tun, um seine Frauengeschichten nicht durcheinanderzubringen. Mir gefällt daran besonders gut, dass die Frauen in Gassers Romanen starke Persönlichkeiten sind, neben denen Dornach hier sogar deutlich verblasst. Die Persönlichen Verwicklungen sind mir fast ein bisschen zu viel, aber eben nur fast. Eine kleine Kritik habe ich dahingehend, dass sich ein bestimmtes Schema wiederholt und dadurch am Ende keine Überraschung mehr darstellt. Da es insgesamt aber wieder ein richtig starker Pageturner geworden ist, lasse ich das Pendel zu fünf ⭐⭐⭐⭐⭐ Sternen ausschlagen.

Bewertung vom 03.10.2023
Picassos Friseur
Czernin, Monika;Müller, Melissa

Picassos Friseur


sehr gut

Erinnerungen an einen Freund

Pablo Picasso lebte von 1881 bis 1973. 1948 lernte er Eugenio Arias kennen, der von 1909 bis 2008 lebte. Arias war Picassos Friseur und sehr bald schon sein Vertrauter und Freund. Monika Czernin und Melissa Müller gelang es, Arias über diese Freundschaft zu interviewen. Das Ergebnis ist ein erstmals 2001 bei Kiepenheuer & Witsch publiziertes Buch mit dem Titel "Picassos Friseur - Die Geschichte einer Freundschaft", dass nun anlässlich des 50. Todestages von Pablo Picasso vom Diogenes-Verlag erneut erschienen ist.

Was verbindet einen einzigartigen Künstler und einen Friseur? Wie kreuzten sich ihre Lebenswege und wie kam es zu ihrer Freundschaft? Wer hier einen Enthüllungsroman erwartet, oder pikante Details aus dem Privatleben von Pablo Picasso, der wird sicherlich enttäuscht sein. Damit wäre beim Diogenes-Verlag aber auch nicht zu rechnen. Und über das Zusammenleben mit Picasso hat Françoise Gilot in ihrer Autobiographie "Leben mit Picasso" bereits ausführlich berichtet. Ein Umstand, den Eugenio Arias übrigens ausdrücklich missbilligt hat. Er selbst hat Zeit seines Lebens kein Kapital aus seiner Freundschaft zum berühmten Künstler geschlagen, sondern die zahlreichen Kunstwerke, die Picasso ihm geschenkt hat, dazu verwendet in seiner spanischen Heimatstadt Buitrago del Lozoya ein Museum zu gründen.

Privat wird es dennoch, denn Arias berichtet von den Gemeinsamkeiten, welche die beiden Männer verbunden haben: Das Leben im französischen Exil infolge des Spanischen Bürgerkrieges und der Franco-Zeit, die gemeinsame antifaschistische und antifranquistische Grundhaltung, der Kommunismus (Picasso trat 1944 in die Parti communiste français ein, Arias war Mitglied der Partido Comunista de España) und ihre gemeinsame Passion, der Stierkampf. Außerdem gibt es einige interessante Fotographien, welche ihre Gemeinsamkeiten dokumentieren.

Czernin und Müller lassen Arias selbst zu Wort kommen und kennzeichnen durch Kursivdruck, welches die Worte ihres Interviewpartners sind. Diese Mosaiksteine der Erinnerung werden angereichert durch eine Darstellung historischen Ereignisse und biographischer Daten. Das individuelle Erlebnis verdeutlicht das historische Geschehen und macht es nachfühlbar. Dabei wirken die Lebensgeschichten von Arias und Picasso oft wie Gegenentwürfe. Picasso mit einem bourgeoisen Hintergrund gelangt schon früh zu Ruhm und Reichtum. Er betrachtet sich als beinahe göttliche Schöpfergestalt und behandelt seine Mitmenschen, insbesondere die Frauen in seinem Leben, auf eine unerträgliche Weise. Viele seiner Marotten sind bizarr und exzentrisch, wenn nicht gar krankhaft. Die Autorinnen bewerten dies ebenso wenig wie seine andere Seite, seine stille Großzügigkeit und Unterstützung für politische und soziale Zwecke. Arias hingegen ist ein bodenständiger Mann, ein Mann mit Prinzipien, für die er zeitlebens eingetreten ist, ein Intellektueller, der sich seine Bildung erkämpfen musste. So unterschiedlich wie ihre Lebenswege ist auch ihr Verständnis des Kommunismus: für Picasso eine Art sozialromantische Heimat, für Arias die logische Antwort auf die sozialen Gegensätze des frühen zwanzigsten Jahrhunderts und die Gräueltaten, welcher die Landbevölkerung im Spanischen Bürgerkrieg und in der Franco-Zeit ausgesetzt war.

Sympathieträger des Buches ist eindeutig Eugenio Arias. Tatsächlich ist mir das Wesen dieser Freundschaft insbesondere im letzten Kapitel, in dem es um den Tod Picassos geht, deutlich geworden. Auch wenn in diesem Buch insgesamt viel von Picasso berichtet wird und nicht ganz so viel von seinem Friseur, so ist dennoch der Mensch Arias vor meinem inneren Auge lebendig geworden.

Bewertung vom 03.10.2023
Nebel über der Uckermark
Brandes, Richard

Nebel über der Uckermark


ausgezeichnet

Wieder einmal ist es Richard Brandes gelungen, einen hervorragenden und spannenden Kriminalroman zu verfassen, der mich von der ersten bis zur letzten Seite begeistert hat.

Carla Stach, die Hauptfigur seiner Serie, ermittelt diesmal aufgrund eines Hinweises, mit dem sie selbst gar nichts anfangen kann. Der Initialhinweis kommt von einer Wahrsagerin, und Carla hält Hellseherei schlichtweg für Hokuspokus. Doch dann finden sich Hinweise darauf, dass Maria Kaiser, die Hellseherin, tatsächlich einen Mord "gesehen" hat.

Brandes gelingt es, dass Thema Hellseherei mit all seinen Facetten aufzuzeigen - der Faszination für das mystische, ethnologische Aspekte, aber auch die kommerzialisierte Seite der Esoterik und sogar das interessante Thema der Zusammenarbeit der Polizei mit Hellsehern - ohne dass "Nebel über der Uckermark" zu einem Sachbuch wird. Durch den häufigen Perspektivwechsel, den der Autor hervorragend beherrscht, kommt es auch nicht zu einem Be- oder gar Herabwerten der unterschiedlichen Sichtweisen. Vielmehr entwickelt sich zwischen den Protagonisten ein interessanter Diskurs zum Für und Wider und zur Glaubwürdigkeit von Maria Kaiser.

In einem zweiten Strang ermittelt Carlas Kollege Maik ondercover in einer rechtsextremen Organisation, der brutale Morde zugeschrieben werden. Auch hier hat Brandes hervorragend recherchiert und bezieht eindeutig Stellung gegen demokratiefeindliche Umtriebe wie den Reichsbürgen und Verschwörungserzählern.

Exkurs: Die rechtsextreme Bewegung war schon zu ihren Anfängen im späten 19., beginnenden 20. Jahrhundert nicht einheitlich, und ist es bis heute nicht. Das ändert jedoch nichts an ihrer Gefährlichkeit. Wer mag, kann sich darüber im Verfassungsschutzbericht informieren oder in historischen und politischen Publikationen. Vorausgesetzt man geht nicht von vornherein davon aus, dass es sich bei Staatsorganen, Wissenschaftlern und Presse lediglich um gleichgeschaltete Institutionen handelt.

Im Roman werden bestimmte Themen angerissen wie etwa die Renaissance rechtsextrem-esoterischen Gedankenguts bei Klima-Leugnern und Gegnern der Corona-Schutz-Maßnahmen, und Brandes liefert auch eine interessante psychologische Erklärung für die Hinwendung zu einfachen Lösungen. Er zeigt aber auch auf, dass sich hinter einer Hinwendung zum Rechtsextremismus ein individuelles Schicksal verbergen kann.

Der Krimi selbst ist von Anfang an fesselnd, wozu der an einen Thriller erinnernde Schreibstil mit kurzen Kapiteln und Cliffhängern beiträgt. Ich konnte gar nicht anders, als das Buch in einem Rutsch durchzulesen. Dabei blieb der Spannungsbogen bis zum Schluss erhalten. Und natürlich spielt auch die Natur, diesmal die Wälder der Uckermark, auch wieder eine wichtige Rolle, durch welche die besondere Atmosphäre der Bücher von Richard Brandes unterstrichen wird.

Bewertung vom 12.09.2023
Die Details

Die Details


ausgezeichnet

Fragmente der Erinnerung

Eine Frau erinnert sich im Fieber an Personen, die im Laufe ihres Lebens eine wichtige Rolle gespielt haben. Wir begegnen

- ihrer großen Liebe Johanna
- einer ehemals eng befreundeten WG-Gefährtin namens Niki
- ihrer heißen Liebe Alejandro
- sowie ihrer Mutter Birgitte

Die Frau selbst bleibt bis zum Ende ohne Namen, nicht verwunderlich, denn es sind ausschließliche ihre Erinnerungen, aus denen „Die Details“ besteht. Weder gibt es einen anderen Blickwinkel noch eine chronologische Handlung. Stattdessen erleben wir, wie sich die Gedanken und Erinnerungen aus Fragmenten, Details eben, zusammenfügen. Mal sind es Anekdoten, mal Gedanken und Gefühle, aber immer auch Beschreibungen aus der heutigen Sicht der Erzählerin. Dieses fragmentarische Ensemble passt sehr gut zum beschriebenen Fieber-Setting. Woran erinnert man sich? Wie betrachtet man Begegnungen in der Rückblende? Was bewirken Begegnungen? Auf mich wirkt das Erzählte echt und authentisch. Ia Genberg gelingt es, eine großartige Geschichte aus Lebensabschnitten zu zeichnen, wunderbar beschrieben und formuliert in einer sehr feinen und belesenen Sprache. So verwundert es nicht, dass sich die Liebe und Auseinandersetzung zum geschriebenen Wort wie ein roter Faden durch „Die Details“ zieht. Zugleich erleben wir eine kleine Zeitreise in menschliche Begegnungen vor dem Internet, als man auf Reisen nicht erreichbar war und als es möglich war, sich vollständig aus den Augen zu verlieren.

Gelesen wird „Die Details“ von Marion Elskies, der es gelungen ist, mich als Zuhörerin so zu fesseln, dass meine Gedanken nicht zu anderen Dingen abgedriftet sind. Als Stimme der Erzählerin ist sie eine authentische und glaubwürdige Besetzung.

Ich spreche eine unbedingte Hörempfehlung aus, hätte mir manchmal aber das Buch gewünscht, um einzelne Passagen anzustreichen.

Bewertung vom 10.09.2023
Rheinkinder
Aydin, Veronika

Rheinkinder


ausgezeichnet

Emmerich ist eine Hansestadt am unteren Niederrhein. Der Hafen spielt auch heute eine wichtige Rolle für die wirtschaftliche Situation der Stadt. Hier hat Veronika Aydin ihren Familienroman "Rheinkinder" verortet mit Emmerich als Heimathafen der Familie Bremel. Vater Bremel ist Kapitan des Küstenmotorschiffs Lucetta und wir lernen die Familie in ihrem Schicksalsjahr 1965 kennen. Ist die Kindheit zunächst unbeschwert und ein einziges großes Abenteuer, verändert sich durch ein dramatisches Ereignis plötzlich alles.

Weitere Zeitebenen sind die Jahre 1990 und 2010. Die Kapitel sind wie Logbucheinträge betitelt, und Ort- sowie Zeitangaben erleichtern die Orientierung. Obwohl alles aus der Sicht von Hanne erzählt wird, ergeben sich Perspektivwechsel: Hanne als Kind, Hanne mit Anfang dreißig und Hanne mit Anfang fünfzig. So entsteht nach und nach aus den Puzzlestücken der drei Zeitebenen eine faszinierende Familiengeschichte mit Krimi-Elementen, der es nicht an Spannung mangelt. Zugleich ist es ein schöner Rückblick in die 60er Jahre, und vieles hat mich an meine eigene Kindheit erinnert.

Am Ende war ich etwas wehmütig, dieses gelungene Buch aus der Hand legen zu müssen.

Veronika Aydin ist nicht nur Autorin, sondern tatsächlich Tochter eines Kapitäns, gebürtig aus Emmerich, und und hat einen Teil ihrer Kindheit auf einem Kümo verbracht. Mit diesem Buch hat sie ihren Eltern - ihnen und der Großmutter sind die "Rheinkinder" gewidmet - ein wunderschönes Denkmal gesetzt, auch wenn die Geschichte fiktiv ist. Man merkt dem Buch an, dass es auf eigenen Erfahrungen beruht und dass manche Erlebnisse in die Geschichte eingeflossen sind. Ebenso wie die Kinderfotos auf dem wunderschön gestalteten, leicht nostalgischen Cover, leben die "Rheinkinder" von einer beeindruckenden Authentizität.

Bewertung vom 27.08.2023
Die Akte Madrid / Lennard Lomberg Bd.2
Storm, Andreas

Die Akte Madrid / Lennard Lomberg Bd.2


ausgezeichnet

Welche Verbindung gibt es zwischen einem surrealistischen Gemälde aus der Franco-Zeit und einem deutschen Verteidigungsminister im Jahre 2016? Der Kunsthistoriker Lennard Lomberg ermittelt in seinem zweiten Fall “Die Akte Madrid” und stößt dabei auf deutsch-spanische Verstrickungen, alte Nazi-Seilschaften, politische Intrigen der Bonner Republik, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und das Thema Beutekunst.

Autor Andreas Storm hat einen sehr komplexen, anspruchsvollen und detailreichen Roman geschrieben, der sich souverän auf verschiedenen Zeitebenen bewegt und unterschiedliche Handlungsstränge und Handlungsorte aufweist, ohne sich dabei zu verheddern. Mir hat diese dichte Beschreibung sehr gut gefallen, denn ich mag Bücher mit einem gewissen Anspruch. Gerade deshalb ist “Die Akte Madrid” aber kein Krimi, den man mal eben nebenbei weglesen kann. Dabei spielt Storm mit den Genres, ist mal Krimi, mal Politthriller, mal ein historischer Roman. Kurze Unterkapitel im Stil eines Thrillers erhöhen die Spannung, aber auch die Anforderungen an die Aufmerksamkeit der Leserschaft. Sie sind jedoch immer mit genauen Orts- und Zeitangaben versehen. Orientierung gibt zudem ein Figurenverzeichnis am Ende des Buches ebenso wie Überblickspläne im Innencover, welche die wichtigsten Handlungsorte in Granada und Bonn anschaulich werden lassen. Man merkt dem Buch mit seinen vielen Details an, dass Storm sehr gut und intensiv recherchiert hat.

Bei alledem bleibt “Die Akte Madrid” aber immer eine fiktive Geschichte, die sich so oder ähnlich hätte zutragen können. Deshalb macht es trotz der Spannung auch immer wieder sehr nachdenklich und hat bei mir zu Gänsehaut-Momenten geführt. Gut gefallen hat mir, dass uns Andreas Storm am Ende seine Beweggründe zum Schreiben dieses Buches erzählt hat und dass der Anhang dabei hilft, Fiktion und Realität wieder zu trennen.

Das Cover ähnelt dem des ersten Bandes der Lomberg-Reihe und ist sehr schön und mit einem gewissen Wiedererkennungswert designt. Rundum also ein sehr gelungenes Buch, welches man auch sehr gut lesen kann, ohne Band eins zu kennen. Mich hat es neugierig gemacht auf den Vorgängerband, den ich mir auf jeden Fall noch kaufen werde. Und natürlich hoffe ich auf eine Fortsetzung, die sich am Ende bereits ankündigt.

Bewertung vom 22.08.2023
Meine Auszeiten - Westerwald
Steffens, Nicole

Meine Auszeiten - Westerwald


ausgezeichnet

Nicole Steffens lädt uns ein, uns eine Auszeit im Westerwald zu nehmen. Wer wie ich im Einzugsgebiet der Region wohnt und sich nach genau dem sehnt, was der Untertitel verspricht - nämlich "Durchatmen & Kraft schöpfen" , der hält mit diesem Band der Reihe Auszeiten einen kleinen Schlüssel zum Wohlergehen in den Händen. Weitere Bände der Reihe sind im Droste-Verlag von anderen Autorinnen zu den Regionen Ruhrgebiet, Chiemgau, Hamburg, Pfalz und München erschienen, und ich bin neugierig, auch diese in Urlauben auszuprobieren.

Der Westerwald ist die Region zwischen Dill, Lahn, Rhein, Sieg und Heller und erstreckt sich über die Bundesländer Hessen, NRW und Rheinland-Pfalz. Ein waldiges deutsches Mittelgebirge, durchzogen von tiefen Flusstälern und alten Verkehrs- und Handelswegen, und trotzdem heute eher abseits des allgemeinen touristischen Interesses gelegen; vielleicht auch, weil es keine klare Umgrenzung und geteilte politische Zuständigkeiten gibt. Umso beachtenswerter ist die schöne Sammlung, die Nicole Steffens uns in diesem Band präsentiert. Aufgeteilt in vier Kapitel mit den Überschriften " Meine Atempause", "Meine Kraftquelle", "Mein tag Urlaub" und "Meine Frei-Zeit" bieten sich der Leserschaft Möglichkeiten von unterschiedlicher Länge und Intensität, um aus dem Alltag auszubrechen, durchzuatmen und Kraft zu schöpfen. Dies kann kreativ, besinnlich, sportlich, kulinarisch, voller Kunstgenuss oder wissensbegierig geschehen. Alles ist möglich im Westerwald. Unterbrochen werden die 70 Vorschläge, die jeweils mit Kontaktdaten, Webseiten oder Anschriften versehen sind, von Achtsamkeitsübungen. Alles kann, nichts muss. Es ist für jeden etwas dabei. In der hinteren Buchklappe findet sich eine Übersichtskarte, so dass man eine regionale Zuordnung hat. Ich hätte mir ergänzend noch einen Kalender gewünscht, wann sich welcher Tipp besonders lohnt oder eher nicht.

Einige der Tipps kannte ich schon, aber durch das Durchblättern und neu betrachten kam mir die Idee, das eine oder andere neu zu entdecken, neu zu kombinieren oder einfach mal um die Seele baumeln zu lassen in der eigenen Verbandsgemeinde einen Wochenendurlaub zu verbringen.

Fazit: Ein Reise- und Erholungsführer für die Bedürfnisse unserer Zeit.

Bewertung vom 22.08.2023
Perle vom Wienerwald
Smrzka, Barbara

Perle vom Wienerwald


ausgezeichnet

Was bitte ist ein Gartenkrimi? Ein Krimi für Gartenliebhaber*innen? Ein Roman, in dem der Tatort in einem garten situiert ist? Und ist nicht am Ende sowieso der Gärtner immer der Mörder (m/w/d)?

"Die Perle vom Wienerwald" entpuppt sich nicht nur als eine historische österreichische Prachtrosenzüchtung, sondern liefert auch den Titel für den ersten Band einer neuen österreichischen Gartenkrimireihe um die Gärtnerin Toni und ihren Familienclan. Ein Wiener Cozy Crime mit vielen spannenden und liebenswerten Charakteren, bei dem es die Autorin Barbara Smrzka problemlos schafft, weder in die Kitschfallen des Cozy Crime noch in die Oberflächlichkeiten mancher Regionalkrimis hineinzutappen, die nur aus einer Aneinanderreihung regionaler Stereotypen in Kombination mit Straßen- und Restaurantnamen zu bestehen. Frau Smrzka kann mehr! Und sie hat die Pandemie dazu genutzt, dies unter Beweis zu stellen. Sie brilliert mit ihrem Debütroman vollkommen überzeugend und präsentiert der Leserschaft einen durch und durch gelungen Kriminalroman. Die Handlung ist stimmig. schlüssig und durchdacht, die Hintergründe sind erkennbar gut recherchiert, so wie man es sich von einer Ingenieurin und Bibliothekarin erhofft. Es ist ein spannender Krimi zum Miträtseln - das klassische Whodunit - und doch zugleich ein Wohlfühlkrimi.

Die Hauptperson Toni Schubert ist Teil einer Mehrgenerationen-Patchwork-Familie mit starken Frauen, interessanten Konstellationen und wirklich liebenswerten und lebensechten Charakteren, in der es aber natürlich auch Differenzen und zum teil ungelöste Konflikte gibt. Hier ist nicht alles Friede, Freude, Eierkuchen. Die Familienkonstellation ist modern, und auch das Thema der sexuellen Orientierung nimmt einen Raum ein, der der heutigen Lebensrealität entspricht. Der klassische Bruderzwist kommt ebenso vor wie der Konflikt zwischen Generationen, und auch ein Nachbarschaftsstreit darf nicht fehlen. Es gibt historische Bezüge, botanische und kulturelle Wissensvermittlung und das ganze immer getragen von einer angenehmen Portion Humor und Wiener Schmäh.

An mancher Stelle hätte mir als "Piefke" (gibt es dafür eigentliche eine weibliche Form?) ein Glossar gewünscht, aber zumeist hat sich der Sinn aus dem Zusammenhang erschlossen. Dafür gibt es sowohl ein Personenverzeichnis, was anfangs recht hilfreich ist, als auch einen Faktencheck am Ende des Buches, was ich hervorragend finde, um aus der Romanfiktion wieder in die Realität zurückzukehren. Rein optisch und gestalterisch möchte ich das Cover erwähnen, welches tatsächlich zum Buchtitel und -inhalt passt, ebenso wie die schöne Idee der Kapiteluntertitel, die jeweils eine im Text vorkommende Pflanzenart beinhalten. So ist die "Perle vom Wienerwald" ein Buch für alle Sinne, optisch, linguistisch, kulinarisch, mit einer Idee vom Duft der Gartenwelt.

Voller Überzeugung vergebe ich 5 Sterne und freue mich auf einen Nachfolgeband.

Bewertung vom 21.08.2023
Düstergrab / Frida Paulsen und Bjarne Haverkorn Bd.6
Fölck, Romy

Düstergrab / Frida Paulsen und Bjarne Haverkorn Bd.6


sehr gut

Es fällt schwer, ein Buch zu bewerten, auf das mit großer Vorfreude gewartet hat, und das dann die hohen Erwartungen nicht ganz so erfüllt, wie erhofft. "Düstergrab" ist der sechste Band der Elbmarsch-Krimireihe um Frida Paulsen und Bjarne Haverkorn. Als Fan der Reihe und der Autorin weiß ich, dass ich bei Romy Fölck sehr gute und spannende Unterhaltung erwarten kann. Ich mag ihre Beschreibungen von Land und Leuten, ihre gekonnten Plots, die immer bis zum Ende spannend sind und die gut recherchierte Darstellung der polizeilichen Ermittlungsarbeit. All das begegnet uns auch in diesem Band. Romy Fölck spielt mit unterschiedlichen Zeit- und Handlungssträngen und schafft es immer wieder, die Leserschaft auf falsche Fährten zu führen. Auch die Erzählstränge zum Privatleben der beiden Hauptprotagonisten sind, wie gewohnt, gut in die Geschichte integriert. Frida und Bjarne sind sympathische Menschen, und wenn man die Vorbände gelesen hat, dann ist es ein bisschen wie ein Treffen mit alten Bekannten.

Aber leider kommt "Düstergrab" aus meiner Sicht nicht an die fünf Vorgänger heran. Der Plot wirkt mir zu konstruiert und die Auflösung kommt mir dann einfach zu schnell und überraschend. Ein bisschen wirkt es so, als ob das Buch unter Zeitdruck fertig werden musste. Außerdem gibt es diesmal einige Redundanzen im Text, die durch ein sorgfältigeres Lektorat hätten vermieden werden können.

Zudem bleibt ein wichtiger Charakter bis zum Ende für mich zu unscharf, seine inneren Konflikte und Beweggründe erschließen sich mir nicht.

Das macht "Düstergrab" nicht zu einem schlechten Buch, und ich vergebe vier Sterne. Ich freue mich auf Band 7 und werde ihn auf jeden Fall lesen.

Neulingen empfehle ich zuerst die anderen fünf Bände zu lesen und verspreche ihnen großartige Krimiunterhaltung.

Bewertung vom 23.07.2023
Dienstmädel in Bella Italia
Peer, Sabine

Dienstmädel in Bella Italia


ausgezeichnet

Geschichten, die die Armut schrieb

Sabine Peer hat erneut vier Lebensgeschichten aus Südtirol zu einem lesenswerten Buch zusammengefasst. Wie schon im ersten Band von "Dienstmädel in Bella Italia - Südtirolerinnen erzählen" begegnen wir in "Dienstmädel in Bella Italia - von den Bergdörfern in die Palazzi" jungen Frauen, die in den 50er und 60er Jahren als Haus- und Kindermädchen in die "Walsch" gegangen sind. "Walsch" ist der nicht freundliche gemeinte südtirolerische Ausdruck für das italienischsprachige Italien. Dank eines ausführlichen Glossars erklären sich solche Begriffe ebenso wie italienische Wörter, die in den Text eingeflossen sind. Schon allein dadurch wirken die Lebensgeschichte authentisch. Vor jeder Geschichte findet sich ein Foto aus der damaligen Zeit, so dass ich mir als Leserin auch optisch ein Bild von Rosa H., Waltraut, Lena und Rosa O. machen kann. Die Kapiteluntertitel verraten mir das Geburtsjahr und die Herkunft der jungen Frauen ebenso wie Zeitraum und Ort ihrer Dienstjahre.

So unterschiedlich die Lebensgeschichten auch sind, gemeinsam sind ihnen die Ausgangsbedingungen. Die Mädchen kamen allesamt aus armen Bergregionen Südtirols, aus kinderreichen Familien und waren an ein hartes bäuerliches Leben gewöhnt. Sie haben kaum eine Schulbildung erhalten, die den Namen verdient, sind dafür aber tief im katholischen Glauben verwurzelt und zu Gehorsam den Eltern gegenüber erzogen worden. Von Kindesbeinen an mussten sie in Haus und Hof mithelfen und sehr früh ihren eigenen Lebensunterhalt verdienen. Gerade die Beschreibung dieses sozialen Hintergrunds ist eine der großen Stärken des Buches. Außerdem wird die Geschichte Südtirols, die damalige politische Lage aus zeitgenössischer Sicht erfahrbar.

Wie schon im ersten Band verdient auch hier eine jede Geschichte meine ganze Aufmerksamkeit und ich habe mir Zeit gelassen, diese nachwirken zu lassen. Ich würde mich sehr freuen, wenn es einen weiteren Folgeband geben würde.