Benutzer
Top-Rezensenten Übersicht

Benutzername: 
MaJo

Bewertungen

Insgesamt 32 Bewertungen
Bewertung vom 13.02.2014
Teufelsgrinsen / Anna Kronberg & Sherlock Holmes Bd.1 (eBook, ePUB)
Wendeberg, Annelie

Teufelsgrinsen / Anna Kronberg & Sherlock Holmes Bd.1 (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Das „Teufelsgrinsen“ der Toten – und das der Lebenden

Angesiedelt im späten 19. Jahrhundert gestaltet Annelie Wendeberg in ihrem Krimi „Teufelsgrinsen“ einen neuen Fall für Sherlock Holmes. Ihm zur Seite stellt sie die Figur der Anna Kronberg, einer jungen Frau die ihrer Zeit weit voraus ist: Aufgewachsen im ländlichen Deutschland studiert diese trotz aller kritischen Blicke Medizin und wandert schließlich nach London aus, wo sie sich eine männliche Scheinidentität (Dr. Anton Kronberg) zulegt um als Mediziner praktizieren zu dürfen. Dabei ist sie so erfolgreich, dass sie schnell zum führenden Bakteriologen Londons aufsteigt. Der Schutz Ihrer Scheinidentität bedeutet für sie dennoch alles, denn in der damaligen Zeit wäre sie als Ärztin inhaftiert worden. Selbstverständlich verlangt ein solches Leben nach einem äußerst intelligenten und wachen Geist, über den Anna Kronberg allerdings verfügt und der vom ersten Zusammentreffen an auf Sherlock Holmes große Faszination ausübt - welcher sie selbstverständlich binnen weniger Minuten durchschaut hat.

Im Vordergrund des Kriminalromans steht dann auch der Charakter der Anna Kronberg mit ihren vielfältigen Beziehungen, immer wichtiger werdend die Beziehung zu Sherlock Holmes. Nichtsdestotrotz ist auch der Verlauf der Krimihandlung gut gewählt und spannend angelegt – es werden Tote gefunden, die dank des scharfen Blicks von Holmes und Dr. Kronberg als mutwillig mit Cholera und Tetanus infiziert erkannt werden. Die Suche nach den Tätern und das Bemühen darum, eine Ausbreitung dieser damals hochgefährlichen Seuchen zu verhindern, bindet Sherlock Holmes und Doktor Kronberg aneinander und führt auf die dunkle Seite der medizinischen Forschung. Dabei müssen sich sowohl Doktor Kronberg als auch Sherlock Holmes mehrfach in Gefahr begeben und der Leser lernt den Unterschied zwischen dem „Teufelsgrinsen“ eines Tetanus-Toten und dem teuflischen Grinsen der Drahtzieher des „Clubs“ kennen – einem Teil des kriminellen Netzes von Professor Moriarty.

Annelie Wendeberg schafft mit ihrem flüssigen Schreibstil eine unkomplizierte, leichte Geschichte. Dabei schafft sie es, in die spannende und für den Leser mit amüsanten Dialogen gespickten Beziehung zwischen Sherlock Holmes und ihrer Protagonistin eine leise Romanze einfließen zu lassen, ohne dies jedoch zu übertreiben. Auch an ihrer Darstellung der damaligen Zeit im Allgemeinen wie der Rolle der Frau im Spezielleren gibt es keine Auffälligkeiten, was für die Logik des Buches sehr wichtig ist. Diverse mögliche Fallstricke des Plots umschifft Annelie Wendeberg galant und gestaltet ihre Charaktere lebendig und realistisch. Ich möchte dies Buch im Fazit als eine sehr gelungene Ergänzung der Sherlock Holmes-Reihe benennen, eine unkompliziert geschriebene, wirklich unterhaltsame Lektüre die man kaum aus der Hand legen mag!

Bewertung vom 03.01.2014
Blutiger Engel / Alice Quentin Bd.2
Rhodes, Kate

Blutiger Engel / Alice Quentin Bd.2


gut

Kate Rhodes präsentiert mit diesem Thriller den zweiten Fall für ihr Ermittlerduo Detective Inspector Don Burns und Dr. Alice Quentin, und obwohl es für mich das erste Buch von ihr war habe ich den Einstieg schnell gefunden.

Die Autorin wählt einen rasanten Beginn ihrer Geschichte und der Leser erlebt die letzten Augenblicke im Leben eines Londoner Bankers aus dessen Perspektive, spürt seinen Schrecken als er urplötzlich vor die einfahrenden U-Bahn gestoßen wird. In der nächsten Szene wird dann Dr. Alice Quentin vorgestellt, die nach einigen Querelen mit einem Patienten aus ihrem Job als Psychologin in einem Klinikum in London herausgerufen wird um DI Don Burns bei seinen aktuellen Ermittlungen zu beraten. Dieser hält den Tod des Bankers für den Auftakt einer Serie, da in dessen Jacket eine Postkarte mit dem Bild eines Engels sowie weiße Federn gefunden wurden. Da er aufgrund einiger früherer Ermittlungsfehler aber gerade in ein neues Team versetzt wurde welches demonstrativ nicht auf seiner Seite steht, sucht er die Hilfe von Dr. Quentin um sich seinen Kollegen und seiner Vorgesetzten gegenüber zu behaupten. Wie von DI Burns vermutet geschehen tatsächlich weitere Morde bei denen Engelpostkarten und Federn gefunden werden und die Ermittlungen nehmen Fahrt auf. Dabei arbeiten Alice Quentin und DI Burns eher neben- als miteinander, was auch erklärt warum Alice Quentin trotz auftauchender persönlicher Verstrickung nicht von dem Fall abgezogen wird.

Kate Rhodes schafft es dabei schnell, dem Leser die wichtigen Charaktere darzustellen, verpasst aber meiner Meinung nach an einigen Punkten die Chance, diese realistischer, lebendig und nachvollziehbar werden zu lassen und sie damit aus der Masse ähnlicher Ermittlerteams hervorzuheben. Und obwohl letztendlich nicht mein erster Verdächtiger der Serienkiller ist, bleibt auch der Plot für den erfahrenen Leser recht vorhersehbar. Der Schreibstil der Autorin ist insgesamt aber durchaus flüssig und ansprechend so dass ich dies Buch trotz fehlender Hochspannung doch gern gelesen habe.

Bewertung vom 04.11.2013
Unruhe / Kommissar Steen Bd.1
Stein, Jesper

Unruhe / Kommissar Steen Bd.1


sehr gut

Jesper Stein, der sich in Dänemark bereits als Journalist und Kriminalreporter einen Namen gemacht hat, veröffentlicht mit dem Buch „Unruhe“ seinen ersten fiktiven Kriminalroman. Er erschafft mit Axel Steen einen Kommissar im Kopenhagener Morddezernat, der – typisch für Kommissare in Kriminalserien – aufgrund seiner unbeugsamen, mürrischen Art vor allem bei seinen selbst eher unfähigen Vorgesetzten wenig beliebt ist, aber eine Erfolgsquote aufweist die ihn trotzdem bisher im Sessel gehalten hat. Auch die Vorschriften aus dem Polizeihandbuch interessieren Axel Steen wenig, im Gegensatz zu seinem Kollegen John Darling, der seinem Namen alle Ehre macht. Komplettiert wird die durchaus bekannte Aufstellung der Hauptpersonen durch eine geschiedene Ehefrau und die Freundschaft Steens zum Chef-Pathologen des Korps. Auch wenn Charakterisierung und Konstellation der Hauptpersonen Jesper Steins sich en detail am erfolgreichen Klischee orientieren, kommt durch die Ansiedlung der Geschichte inmitten der Unruhen durch protestierende Autonome in Kopenhagens Problemviertel Norrebro ausreichend Neues ins Spiel, um auch den erfahrenen Leser zu interessieren. Kurze politische Hintergründe liefern Fakten zum Alltag in Dänemarks Krisengebieten. Der Schreibstil Jesper Steins ist dabei gekennzeichnet als der eines erfahrenen Schreibers, die Sätze sind schnörkellos flüssig und der Text springt nicht zu sehr zwischen verschiedenen Handlungssträngen/ -zeiten hin und her.

Im vorliegenden Buch, Axel Steens ersten Fall, geht es konkret um einen Mordfall, der zunächst wie ein polizeilicher Übergriff erscheint und entsprechend sensibel behandelt wird. Jesper Stein bindet dabei den Leser in die Gedankenwelt seines Chefermittlers ein und greift auch durch die Rahmengeschichte kaum vor. Die Ermittlungen sind realistisch geschildert und stellen nach einiger Zeit eine Verbindung zu einer Spezialeinheit der Kopenhagener Polizei her, die zu einer Zusammenarbeit im aktuellen Fall führt und als einen weiteren Charakter Henriette Nielsen ins Spiel bringt, welche uns in noch folgenden Büchern dieser Reihe durchaus wieder begegnen könnte. Die internen Querelen zwischen den verschiedenen Armen der Exekutive entsprechen dabei den aus amerikanischen Krimis bekannten, erscheinen mir als Dänemark-Laien aber durchaus nachvollziehbar und realistisch. Seinen eigenen Berufsstand, den des Kriminaljournalisten, bringt Jesper Stein im Verlauf der Ermittlungen ebenfalls recht rasch ins Spiel. Auch nutzt er diese Schiene um weitere politische Einblicke in die Geschichte Dänemarks zu gewähren und ruft einen alten Konflikt auf: In den Autonomen-Unruhen von März 1993 waren Axel Steen und ein heutiger Chefredakteur der autonomen Presse, Martin Lindberg, heftig aneinandergeraten. Die bis heute anhaltende Antipathie führt Axel Steen wie auch das komplette Team des Morddezernats zunächst auf eine falsche Fährte. Jesper Stein schafft es aber im Verlauf seines Krimis, die vorher scheinbar festgeschriebenen Rollen seiner Charaktere aufzuweichen und zu verändern, so dass zum Beispiel auch Schmeichler wie John Darling durchaus sympathische Züge bekommen und sich Martin Lindberg und Axel Steen einander annähern. Die letztlich Auflösung der Geschichte führt zwar erneut über klischeehafte Wege, ohne jedoch den realistischen Zug zu verlieren. Dabei mischt Jesper Stein immer wieder tatsächliche dänische Politik mit seinem Mordfall und erhöht damit noch den realistischen Charakter.

Als Fazit möchte ich ziehen, dass das Buch sich positiver entwickelt hat, als ich es ihm anfangs zugetraut habe. Als Minuspunkt rechne ich Stein die klischeehafte Charakterisierung seiner Hauptpersonen an, Pluspunkte bekommt er für Schreibstil und einen logisch nachvollziehbaren und realistischen Plot. Sollte Jesper Stein im Verlauf seiner geplanten Serie mit der Entwicklung seiner Charaktere fortschreiten wie er es im ersten Teil beginnt, würde diese durchaus Einzug in mein Bücherregal halten dürfen.

Bewertung vom 22.11.2010
Das Wesen
Strobel, Arno

Das Wesen


sehr gut

Das Wesen (des Mörders?)

Arno Strobel überzeugt in seinem neuen Krimi mit wieder seiner flüssigen, unkomplizierten Schreibweise. Sein Sprachstil offeriert zwar keine stilistischen Finessen, ist aber abwechslungsreich und grammatikalisch korrekt – was in der heutigen Zeit selbst in Veröffentlichungen nicht immer gegeben ist.

Gleich zu Beginn der Geschichte werden dem Leser drei Personen vorgestellt, die im kompletten Handlungsstrang aktiv bleiben. Es sind der Psychiater Dr. Joachim Lichner, der als verurteilter Kindsmörder eingeführt wird sowie die beiden Polizeibeamte Bernd Menkhoff und Axel Seifert. Diese beiden haben 15 Jahre zuvor im Fall eines ermordeten Mädchens ermittelt und die Indizien zusammen getragen, die zur Verurteilung von Dr. Lichner geführt haben – welcher steif und fest behauptet, unschuldig zu sein und damit bei Axel Seifert immer wieder Zweifel an der Korrektheit der Ermittlungen und dem nachfolgenden Urteil schürt. Die Geschichte kommt in Fahrt, als wieder ein verschwundenes Mädchen gemeldet wird und ausgerechnet die beiden Beamten Seifert und Menkhoff aufgrund eines anonymen Hinweises ausgerechnet vor der Tür Dr. Lichners landen, der wenige Tage zuvor aus dem Gefängnis entlassen wurde.

Bis etwa zur Mitte des Thrillers muss der Leser damit leben, dass Strobel zwischen der früheren Ermittlung und der aktuellen hin und her springt. Nach und nach wird so das damalige Verbrechen aufgerollt und die Zweifel Seiferts werden nachvollziehbar. Schließlich taucht auch eine vierte Person von früher im aktuellen Vermisstenfall auf, Nicole Klement als Lebensgefährtin von Dr. Lichner – und auch von Bernd Menkhoff, der sich während der ersten Ermittlungen in diese verliebte. Der neue Fall um das verschwundene Kind löst sich nach uns nach in Nichts auf, da scheinbar eine Intrige hinter der Meldung steckt und das betroffene Kind in Wirklichkeit nie existierte. Den Höhepunkt erreicht die Geschichte, als die Tochter Bernd Menkhoffs tatsächlich verschwindet und schnell klar ist, dass sie sich in den Fängen des gleichen Kindsmörders befindet, der schon früher tötete.

Arno Strobel säht, ausgehend von der Person Axel Seiferts, im Verlauf der Geschichte auch beim Leser Zweifel an der Schuld Dr. Lichners und rückt Nicole Klement und sogar den nach dem ersten Fall mit ihr liierten Bernd Menkhoff ins Visier der möglichen Schuldigen bzw. Mitschuldigen. Bis zum Schluss, einem filmreif inszenierten Showdown vor einer einsamen Waldhütte, entlarvt man als Leser den wahren Mörder nicht. Zum Glück verzichtet Arno Strobel in diesem Krimi auf ähnlich verwinkelte Handlungszüge wie im vorausgehenden „Der Trakt“, so dass die Auflösung des Falles zwar leicht konstruiert wirkt, aber die Bodenhaftung nicht gänzlich verliert. Einer der wirklich lesbaren Thriller des Jahres!

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 17.09.2010
Sieh mir beim Sterben zu / Monkeewrench-Crew Bd.5
Tracy, P. J.

Sieh mir beim Sterben zu / Monkeewrench-Crew Bd.5


sehr gut

Die böse Seite des Internets
Wieder einmal landen alle an einem Tisch: Detectives Leo Magozzi und Gino Rolseth vom Morddezernat des Minneapolis Police Departement und das skurrile Team der Software-Entwicklerfirma Monkeywrench, bestehend aus Grace MacBride, Roadrunner, Annie Belinsky und Harley Davidson. In diesem Fall sieht sich das FBI aufgrund einer landesweiten Mordserie gezwungen, mit allen erreichbaren Hackern des Landes zusammen zu arbeiten. In Gestalt vom FBI-Special-Agent John Smith wird auch bei Monkeywrench ein Ermittler platziert, um die Entwicklung einer bestimmten Software zu überwachen. Schnell ist klar, das der im Internet auf verschiedenen öffentlichen Plattformen wie YouTube und MySpace platzierte Kurzfilm wirklich nicht der einzige ist, der einen echten Mord zeigt – es scheinen sich mehrere Täter auf diese Weise mit ihren Taten profilieren und die ihnen ihrer Meinung nach zustehende Bewunderung sichern zu wollen. Dank der Entdeckung eines Codes in den bereits veröffentlichten Filmen können im weiteren Verlauf ältere, als Unfall eingestufte Fälle aufgedeckt und zwei weitere Taten verhindert werden.
Neben Agent Smith, der mit seiner zurückhaltenden, sehr ruhigen Art und dem im Verlauf des Zusammenseins immer häufiger aufblitzenden Sinn für feinen Humor schnell von allen respektiert wird, erscheint eine weitere neue Ermittlerfigur auf der Bühne, in Person der klassischen kalifornischen Schönheit Chelsea Thomas. Ist es am Ende der Geschichte John Smith, der Grace MacBride barfuss laufen sieht, so ist es wohl Chelsea Thomas, die dem Leser als Profilerin mit deutlichem Interesse an Leo Magozzi wieder begegnen wird.
Der Fall, den es in diesem Krimi zu lösen gilt, sorgt vor allem aufgrund der Verbreitung der Taten über das Internet für Aufsehen. Die Gefahren dieses Mediums in Bezug auf die Beeinflussung von Kindern und Jugendlichen sowie in Punkto Nachahmungstäter werden durch die Geschichte besonders betont. Um alle Aspekte der uns reell bedrohenden Gefahr aufzuzeigen verzeigt sich der Fall in verschiedene Richtungen, über die der Leser aber gut den Überblick behalten kann und die durchaus sinnvoll aufgebaut und gelöst werden. Ein wenig überspitzt wird die allgemeine Warnung vor dem Internet vielleicht, da in manchen Passagen die Mordermittlung selber fast ein wenig in den Hintergrund tritt.
Wie immer ist es vor allem der ironische Witz in den Dialogen der beiden Figuren Magozzi und Rolseth, der auch diesen fünften Teil der Monkeywrench Serie von P. J. Tracy so unterhaltsam macht. Alle bereits bekannten Figuren bleiben ihrer Art treu und binden den Leser ein Stück näher an sich. Den beiden neu eingeführten, auch in kommenden Bänden möglicherweise erscheinenden Charakteren kann man höchstens vorwerfen, ein wenig zu gut ins Bild zu passen. Auch wenn beide eher mit wenig Details gezeichnet sind, versprechen sie in ihrer Rolle persönliches Konfliktpotential.
Im Fazit ist dieser Thriller eine würdige Fortsetzung der Serie, verbindet gute Unterhaltung und solide recherchierte Ermittlungsarbeit in nicht zu drastisch geschilderten Mordfällen. Einziger Kritikpunkt ist die Klischeehaftigkeit der Figuren, die die ganze Geschichte sehr oberflächlich bleiben und etwas zu glatt erscheinen lässt.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 26.03.2010
Entrissen / Marina Esposito Bd.1
Carver, Tania

Entrissen / Marina Esposito Bd.1


ausgezeichnet

Ein erstaunlicher Erstling

Tania Carver hat mit diesem Krimi geschafft, was bisher kaum jemandem gelang: Bereits am Erstling habe ich nichts gefunden, was unlogisch erschien, abgekupfert wirkte oder vorhersehbar und langweilig wurde.

Mit der Geschichte rund um Marina Esposito als psychologische Profilerin greift sie zunächst eine bekannte Art von Krimi - Charakter auf. Dennoch ist „ihre“ Hauptdarstellerin anders, sie ist emotional, unsicher, verletzlich – und eine starke Frau, die trotz der besonderen Ereignisse realistisch und normal bleibt. Ebenfalls für den Stil des Krimis ungewöhnlich ist die Positionierung in einer englischen Kleinstadt, dankenswerter Weise wird Marina auch nicht zu vielen persönlichen Tragödien unterworfen.

Mit wenigen Einschüben erzählt Tania Carver eine Vorgeschichte zum Roman, die die persönliche Beziehung der Marina zum Chefermittler Phil betrifft. Auch diese Romanze letztlich ein bekanntes Stilmittel, das allerdings sehr gekonnt umgesetzt wird, neugierig auf eine Fortsetzung macht und den im Genre ungewöhnlich ernsten Aspekt der Schwangerschaft Marinas einbezieht.

Die Krimihandlung ist gekonnt aufgebaut, der Spannungsbogen wird von der ersten bis zur letzten Seite gehalten. Erscheint die Geschichte ab einem gewissen Punkt vorhersehbar, überrascht Carver mit Wendungen, die aber nicht zu abgehoben sind sondern durchaus realistisch bleiben.

Ganz Neues zu schaffen ist im Genre wohl nahezu unmöglich, ohne auf allzu künstlerische Bahnen zu schwenken. Der Plot, den Tania Carver entwickelt hat greift daher auf durchaus bekannte Charaktere und Stilmittel zurück, diese sind aber einzigartig kombiniert und auf wirklich überraschend gute Weise angewandt.

Bewertung vom 10.03.2010
Alles Fleisch ist Gras
Mähr, Christian

Alles Fleisch ist Gras


sehr gut

Christian Mähr führt den Leser seines Krimis in die mittelgroße Stadt Dornbirn in Österreich. Als einer der Hauptcharaktere wird uns Anton Galba, der Leiter der örtlichen Abwasserreinigungsanlage, vorgestellt. Von Anfang an ergeht Mähr sich dabei in ausschweifenden Einsichten in die Gedankenwelt seiner Akteure. Interessant in ihrer Offenheit sind vor allem die rechtsradikalen Ansichten des Roland Mathis, der mit seinem nur kurzen Auftritt im Handlungsstrang doch alle folgenden Ereignisse in Gang setzt. Eine unglaubliche und dennoch gar nicht so unwahrscheinliche Kette von logisch geschilderten Aktionen und Reaktionen der Handelnden bringt innerhalb des 50.000-Einwohner-Städtchens gleich ein mehrköpfiges Tribunal an verschworenen Mördern hervor, die ihre Mitmenschen anhand mittelalterlicher Rechtsprechung für Gut oder Böse befinden und radikal ausmerzen. Der Abwasserreinigungsanlage und ihrem großen Gärturm für Fleischabfälle kommt dabei eine tragende Rolle zu, sehr zum Entsetzen von Anton Galba. Ärgerlicher Weise ist die örtliche Polizei kein adäquater Ansprechpartner und Galba kümmert sich auf seine von Zufall und Glück beeinflusste Weise um ein Stoppen der Reinigungsaktion. Nicht von ungefähr lassen sich deutliche Parallelen zum Aufkommen des Nationalsozialismus im gesamten deutschsprachigen Raum des vergangenen Jahrhunderts ziehen, die Mechanismen der Überzeugung und Verbreitung sind auch in der modernen Zeit des Ortes Dornbirn die selben.

Leider ist das völlige Eintauchen Mährs in die Gedankenwelt seiner Charaktere teils sehr langatmig und überzogen, dennoch ist sein Konstrukt insgesamt überzeugend. Allein der Spannungsbogen leidet an einigen Stellen etwas, was aber wie gesagt der Intelligenz der Sprache und des Plots keinen Abbruch tut.

Bewertung vom 27.11.2009
Herr Blunagalli hat kein Humor
Colagrossi, Angelo

Herr Blunagalli hat kein Humor


gut

In diesem Roman reiht Angelo Colagrossi autobiografische Anekdoten seines Berufslebens aneinander, unterhaltsam eingebettet in die Geschichte einer Zugfahrt.

Zu einem seiner ersten, karrierewichtigen Termine will er sich nämlich mit einem Filmproduzenten in Hamburg treffen. Als trotz des herrschenden Schneechaos zuverlässigstes Transportmittel wählt er die Deutsche Bahn – und steckt schon beim Kartenkauf in Schwierigkeiten. Als Romer – nicht Römer, darauf besteht er – ist ihm wieder einmal seine nicht ganz einwandfreie Aussprache des Deutschen in die Quere gekommen. Gepaart mit seinem italienischen Temperament und der dazugehörigen Portion Gestik hat ihm diese schon mehrfach Wege verbaut – allerdings auch manchmal geebnet.

Die Zugreise besteht weiterhin mehr aus Hindernissen denn aus „freier Fahrt“ – dies im wahrsten Wortsinn ab dem Moment, in dem ein Baum unter seiner zu tragenden Schneelast zusammengebrochen, mitten auf den Schienen liegt. Und das irgendwo auf dem offenen Land vor Hamburg, in der „Pampa“, wie er tituliert. Teils berichtet er während der folgenden Zwangspause kurzweilig über die nicht wenig aufregenden Erlebnisse mit seinen Mitreisenden, teils lässt er seine Gedanken in die Vergangenheit schweifen bzw. erzählt als allwissender Protagonist aus seiner Zukunft oder er veröffentlicht dem Leser Ausschnitte aus einigen seiner Drehbücher.

So werden vor allem Fans deutscher Comedy à la H. P. Kerkeling bei diesem Buch auf ihre Kosten kommen, da Angelo Colagrossi insbesondere für dessen Sendungen und Filme geschrieben hat. Wir lesen aber auch von anderen großen Namen des Deutschen Films und erfahren, dass er sein Alter Ego „Herr Blunagalli“ niemand anderem als Heinz Schenk zu verdanken hat.

Den Abschluss des Buches bilden – wie sollte es bei einem waschechten Italiener anders sein – einige selbst kreierte Kochrezepte. Nachkochen erwünscht, lesen empfohlen!

Bewertung vom 04.11.2009
Erbarmen / Carl Mørck. Sonderdezernat Q Bd.1
Adler-Olsen, Jussi

Erbarmen / Carl Mørck. Sonderdezernat Q Bd.1


ausgezeichnet

Ein mitreißender Serienauftakt

Adler-Olsen entwickelt in diesem ersten Krimi die Figur des Carl Moerck als Leiter eines Sonderdezernats der Kopenhagener Polizei, der sich im Alleingang um größere, ungelöste Fälle Dänemarks kümmern soll. Amüsant realistische politische Verstrickungen innerhalb der Kripo ermöglichen Carl Moerck, wenigstens eine Hilfskraft einzufordern – und in Zusammenarbeit mit diesem unbeschreiblichen Assistenten Hafez El-Assad gelingt es ihm, den Fall der seit Jahren vermissten und zwischenzeitlich für tot erklärten Politikerin Merete Lynggaard zu klären.

Der Leser wird zeitgleich immer wieder in die Erlebenswelt der Merete Lyngaard mitgenommen, die entgegen aller Vermutungen lebt. In einer Druckkammer gefangen gehalten und über Jahre gefoltert schafft sie es mit großer Anstrengung, ihre geistige Gesundheit aufrechtzuerhalten und erfährt nach und nach, warum und von wem sie gequält wird.

Alle Figuren Adler-Olsens erscheinen realistisch, haben eine Vergangenheit und eine Zukunft und handeln nachvollziehbar. Bleibt der Spannungsbogen aufgrund der, für den erfahrenen Krimileser rasch erkennbaren Täterfigur zunächst auf nervenschonendem Niveau, kann man das Buch im letzten Drittel dann einfach nicht mehr aus der Hand legen. Von Carl Moerck möchte ich mehr lesen!

4 von 6 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 26.10.2009
Wo fahren wir hin, Papa?
Fournier, Jean-Louis

Wo fahren wir hin, Papa?


weniger gut

Dies ist ein Buch, das man nicht beurteilen kann, ohne Jean-Louis Fournier als Vater zu beurteilen. In Form einer über Jahre entstandenen Gedankensammlung provoziert er mit vor Sarkasmus triefenden Gedanken zu seinen beiden behinderten Söhnen und seinem seiner Schilderung nach daraus abzuleitenden Zeugungsversagen als Vater.

Tatsächliche biografische Informationen erhält der Leser nur nebenher, genauso wie man nur zwischen den Zeilen einzelne Blicke auf die Gefühle Fourniers werfen kann. Die Kommentare zu seinen Söhnen erscheinen mir ausschließlich das Ziel zu haben, den Leser durch ihre Kaltblütigkeit zu schockieren. Positive Erlebnisse mit seinen Kindern haben einen kleinen Stellenwert, werden heruntergespielt. Der immer wieder vorgenommene Vergleich seiner Söhne mit geistig normal entwickelten Kindern verstärkt die Hoffnungslosigkeit und vermittelt den Eindruck, das Leben mit „anderen“ Kindern böte nicht auch „andere“ Momente des Glücks und der reinen Freude.

Die erlebte Distanz zwischen ihm und seinen Kindern macht mich sehr traurig. Seine Söhne sind hauptsächlich im Pflegeheim untergebracht, eine Förderung erfahren sie scheinbar gar nicht. Ich glaube nicht, dass das Alltagsleben deutscher Eltern von Kindern mit schweren Behinderungen sich vergleichen lässt und diese so viele negative Gedanken zu ihren Kindern haben. Positiv aufgerüttelt hat mich Fourniers Buch sicher nicht, ich bin eher der Meinung dass er persönlich als Vater sehr viel verpasst hat.