Benutzer
Top-Rezensenten Übersicht

Benutzername: 
Michael Kothe, Autor
Wohnort: 
Unterschleißheim bei München
Über mich: 
Michael Kothe, Jahrgang 1953, Diplom-Kaufmann und Wirtschaftsjurist, jonglierte über 30 Berufsjahre lang mit Worten auf Deutsch und Englisch. Davon leben heute seine Bücher und Erzählungen. Seinen Ruhestand genießen er und seine Frau bei München und in Galicien, dem grünen Norden Spaniens. Neben seinen Romanen schreibt er Kurzgeschichten allerlei Genres, die nicht nur seine eigenen Bücher füllen, sondern die Verlage in über zwei Dutzend ihrer Anthologien abgedruckt haben.

Bewertungen

Insgesamt 34 Bewertungen
Bewertung vom 23.09.2023
Sünde des Schweigens
Georg, Rudolf

Sünde des Schweigens


ausgezeichnet

Sympathisch-pfiffiger Regionalkrimi aus Stuttgart

Die Idee...

... finde ich pfiffig. Einen Krimi »mit Regionalbezug« hatte ich vorher noch nicht gelesen, war also neugierig. So gewöhnte ich mich schnell an zwei Aspekte, die en vogue sind: die genaue Beschreibung von Fahrtrouten, Plätzen und Gebäuden auf der einen, die von Kochkünsten auf der anderen Seite. Beides hat mich in Stuttgarts Infrastruktur und Gastronomie eintauchen lassen. Nach Mali versetzt sah ich mich, wenn ich Margaretes Tagebucheinträge las. Georg ließ mich teilhaben an Jojas Gefühlen für seine neue Freundin Angelika, an seinem Gewissenskonflikt, den Zweifeln bezüglich seines Verdachts, an Problemen mit Kollegen und dem vorgesetzten Kanzleiinhaber und an der Beharrlichkeit, mit der er Beweise sammelt. Hilfe sucht er bei markanten Figuren. Beim Lesen war ich



Schreibstil:

Der Autor nimmt sich Zeit, den Leser mit »Joja« bekannt zu machen. Als Leser sollte man das wissen, um Jojas Gewissenskonflikt vor dem Hintergrund juristischer Vorgaben und der Gefahr richtig genießen zu können. Spannend baut Georg

seinen Kriminalfall auf und führt ihn konsequent-logisch der Auflösung zu. Dabei überrascht er den Leser stets durch neue Details. Flüssiger, teils humoriger Schreibstil mit Dialogen an der richtigen Stelle - schwäbische Mundart wie ein Gewürz bei einem kulinarischen Hochgenuss spärlich, aber pointiert eingestreut - fesselt. Nicht zu kurz kommen die Handlungsebenen um Liebe, Beruf und Gewalt. Wer dann noch ein Faible für klassische Autos hat, wird in »Sünde des Schweigens« und bei Jojas nächstem Fall erst recht auf seine Kosten kommen.



Fazit:

Georg legt uns ein rundum gelungenes Debütwerk vor. Ruhig und einfühlsam, dabei flott geschrieben, mit ausgereifter Charakterbeschreibung. Ein Augen-zwinkern hier und da verbindet sich mit der Ernsthaftigkeit des Gewissenskonflikts, der Joja schier zu zerreißen droht. Spannung ist nicht einfach da - sie wird aufgebaut und treibt den Blutdruck hoch. Dazu gibt Georg interessante Einblicke in die Welt der Paragraphen, ohne zu belehren. Das Ende ist so überraschend, dass es der juristische Laie (im Kontext der Geschichte) versteht und bewundert, dass es aber gewiss nicht jeder praktizierende Jurist erwartet oder überhaupt seine Grundlage gekannt hätte. Ich freue mich auf Jojas zweiten Fall, in dem er seine berufliche Existenz durch die Einmischung in einen Todesfall gefährdet.

Bewertung vom 23.09.2023
Sommer, Sonne, Schmetterlinge

Sommer, Sonne, Schmetterlinge


ausgezeichnet

Von Mitgefühl bis Gänsehaut


Erster Eindruck:

Nein, Love-Stories gehören gewiss nicht zu meinem Lieblingsgenre! Als aber einer der Autoren mir die kleine Sammlung vermachte, las ich gleich seine kurze Liebesgeschichte – und war begeistert. Die übrigen Erzählungen sind in einem anderen Stil geschrieben und regen andere Saiten des Lesers an. Jedoch gibt es keine einzige Geschichte, die mir nicht gefallen hätte.


Inhalt:

Sechzehn Liebesgeschichten umfasst das Büchlein, alle mit einer gefühlten Lesezeit zwischen fünf und zehn Minuten. Verschmähte Lieben, die wiedergefunden werden wollen, Enttäuschungen wegen eines verpassten oder vermeintlich unmöglichen Wiedersehens … oder auch die Geschichte »Wineglass Bay« eben jenes Autors, die so unschuldig beginnt und mit ihrem Ende bei mir eine Schockstarre auslöste. Mit diesem (hervorragenden!) Schluss hatte ich nicht gerechnet. Die meisten Enden sind jedoch – dem Genre ist’s geschuldet! – vorhersehbar. Das tut dem Lesevergnügen keinen Abbruch. Alle sind für die eine oder andere Träne der Rührung gut, wie man es erwartet. Das Päckchen Tempo muss aber nicht in Griffnähe bereitliegen.



Schreibstil:

Eine Geschichtensammlung zu analysieren, fällt sogar mir als Autor schwer, der liest, um schriftstellerisches Handwerk zu werten und daraus auch für sich „Honig zu saugen“. Britta Bendixen hat jedoch eine Anthologie zusammengestellt, die diesen Namen verdient. Jede im Buch vertretene Autorin, jeder Autor stellt ein schriftstellerisches Können unter Beweis, mit dem sie oder er sich nicht scheuen müsste, ein größeres Werk zu schreiben. Alle Geschichten fangen treffend die gelöste Stimmung einer Urlaubsidylle ein oder die Niedergeschlagenheit einer „Sitzengelassenen“ und lassen den Leser eintauchen in das geschilderte Bild etwa vom Traumstrand, vom spanischen oder italienischen Ristorante. Spritzige Dialoge wechseln mit malerischen Beschreibungen ab, Sprache und Gedanken passen zum Setting, die Figuren sind plastisch und greifbar vorgestellt. Trotz der vorhersehbaren unvermeidlichen happy Ends mag man als Leser das Buch einfach nicht zur Seite legen, so sympathisch und einfühlsam wird hier geschrieben. Deutlich wird hierbei der Unterschied in Handlung und Stil zwischen Autorinnen und Autoren. Bei der Anzahl der Geschichten hat Venus gegenüber Mars die Nase vorn.


Fazit:


Britta Bendixen, in der ich sonst eher eine Krimnalschriftstellerin sehe, legt als Herausgeberin mit »Sommer, Sonne, Schmetterlinge« ihren Leserinnen und Lesern eine Sammlung sympathischer, eindringlich und auch stilistisch gut geschriebener Love-Stories vor, die zum Mitfühlen und zum Träumen einladen. Oftmals Gänsehaut-Geschichten. Ach ja – noch eins! Was in Anthologien selten zu finden ist, findet hier meine Hochachtung: Der Verzicht auf jegliche Rechtschreib- und Grammatikfehler. Stattdessen stößt der Leser trotz der unterschiedlichen Schreibstile der versammelten elf Autor*Innen stets auf ein gehobenes Sprachniveau. Chapeau!

Bewertung vom 23.09.2023
Die Blutkönigin / Schattenelfen Bd.1
Hennen, Bernhard

Die Blutkönigin / Schattenelfen Bd.1


ausgezeichnet

Ein Thriller im Gewand eines Fantasyromans



Erster Eindruck:

Was bringt mir der neue Bestseller des deutschen Fantasyautors Bernhard Hennen? Als Verfasser eines eigenen Fantasyromans und einiger Kurzgeschichten auch in diesem Genre interessierten mich Schreibstil und Aufbau beinah mehr als die Handlung. Ich gestehe, dass ich anfangs so wenig angetan war, dass ich überlegte, das Buch aus der Hand zu legen. Doch mein Durchhalten hat sich gelohnt: Romantisches wie auch Gewalt und Brutalität machen diese Fantasy zum Thriller. Von amerikanischen Autorinnen und Autoren bin ich eine solche Mischung auf dem hohen Niveau der „Schattenelfen“ nicht gewohnt.



Inhalt ohne Spoiler:

Elfen sind niedliche geflügelte Geschöpfe, die über Blüten schweben und magischen Staub streuen, um die Natur in Regenbogenfarben erstrahlen zu lassen? Mitnichten! Langollion ist eine Idylle der Freiheit und des Wohlstands im Reich Albenmark und daher das Ziel aller ‚Albenkinder‘, Zentauren, Kobolde, Trolle und anderer Bewohner. Alles wird jedoch nur aufrecht erhalten durch die Intrigen der jahrhundertealten Elfenfürstin Alathaia und ihrer Kinder, die für sie spionieren und meucheln. Ihre Gegnerin ist die Elfenkönigin Emerelle, die die übrigen Länder mit eiserner Hand regiert, und beide sind Meisterinnen in Verrat und Hinterlist. Doch in diesem Schachspiel um die Vorherrschaft in der Albenmark und mit reichlich vielen Bauernopfern verfolgt noch ein anderes Wesen seine perfiden Pläne. Und so werden die Elfen Laurelin und Adelayne zum Spielball der Mächtigen, bestimmen aber letztendlich auch das Schicksal des ganzen Landes.



Schreibstil:

Hennen überzeugt durch einen lebendigen, handlungsgetriebenen Schreibstil. Dialoge, Gedanken und Handlung wechseln einander ausgewogen ab. Seine abwechslungsreiche Sprache harmoniert mit dem Setting, passt sich ständig der jeweiligen Umgebung an und gibt die hervorstechenden Charakterzüge der gerade im Mittelpunkt stehenden Figur treffend wieder. Thrillermäßig geschrieben, lässt der Roman den Leser nach einer dramatischen, jedoch wegen des Wechsels zwischen Elfen, Trolle und Tieren chaotisch wirkenden Eingangssequenz nicht Atem holen. Gefühlte hundert kurze Kapitel aus der jeweiligen Sicht der zahlreichen, aber nicht nur der wesentlichen Figuren offenbaren dem Leser aus ebenso vielen Blickwinkeln das Leben bei Hofe oder in der Wildnis. Nach einem Zehntel des Romans führt der Autor die Handlungsstränge so weit zusammen, dass die Geschichte dahinter verständlich wird. Dennoch spart er wichtige Details auf, um sie später häppchenweise preiszugeben. Orte und Handlungen präsentieren sich so plastisch, dass man sich hineinversetzt glaubt. Die interessant gestalteten Figuren sind dreidimensional, der Leser sieht sie vor sich, fühlt, hofft und bangt mit ihnen. Was verwundert, ist, dass Hennen zahlreiche Figuren, die ganze Handlungsstränge beherrschen und denen er oft genug mehrere Kapitel widmet, sterben lässt, nachdem der Leser lange mit ihnen gelebt hat. So erhalten die Intrigen eine weitere Betonung.



Fazit:

Durchhalten ist angesagt! Die ersten 80 der beinahe 800 Seiten füllt Hennen mit der Vorstellung einiger Figuren und der Albenmark. Obwohl hier schon reichlich Handlung einfließt, erschließen sich dem Leser die Handlungsstränge erst danach, wenn sie sich einander annähern. Dann geht es rasant vorwärts. Jedes Kapitel eröffnet einen neuen Blickwinkel und fesselt. Als Leser fiebert man nicht nur dem Fortschreiten der Handlung entgegen, sondern fragt sich auch, wann man endlich die Figuren wiedertrifft, die einen ein paar Kapitel vorher fasziniert haben. Hennen präsentiert einen hervorragend geschriebenen Thriller im Gewand bester, packender epischer Fantasy!

Bewertung vom 23.09.2023
Kuss der Dunkelheit / Night Rebel Bd.1 (eBook, ePUB)
Frost, Jeaniene

Kuss der Dunkelheit / Night Rebel Bd.1 (eBook, ePUB)


sehr gut

Lesenswerte Selbstironie zwischen Düsternis und Erotik



Überblick:

Als Autor mit gelegentlichen Abstechern in die Sub-Genres Urban Fantasy und Dark Fantasy reizte mich nach einem Blick in die Leseprobe die Frage, ob mich Jeaniene Frost mit dem Spagat zwischen dem düsteren Genre einer Vampirgeschichte und ihrem locker-frivolen Schreibstil überzeugen könnte. Kurze Antwort: Sie konnte – wenn auch anders, als ich erwartet hatte.



Inhalt ohne Spoiler:

Highlander – Es kann nur einen geben! Das war der Gedanke, der mir nach etwa dreißig Seiten kam. Zwei Kontrahenten verbünden sich notgedrungen gegen einen Dritten, und sobald sie jenen zur Strecke gebracht haben, wenden sie sich gegeneinander. So die gleich lautende Absicht der attraktiven vampirischen Gesetzeshüterin Veritas und dem sexuell ausschweifenden und nichtsdestoweniger burschikos-sympathischen Vampir Ian. Der hatte mit dem Dämonen Dagon, eigentlich einem Erzfeind der Vampire, einen Pakt geschlossen, den er annullieren möchte, Veritas hat mit Dagon auch ein Hühnchen zu rupfen und nutzt Ian als Köder. Unsterblich sind alle drei. Und sie setzen magische Kräfte ein, von denen weder der jeweils andere Protagonist noch wir uns hätten träumen lassen.



Schreibstil:

Sofort fällt auf, wodurch dieses Buch sich von anderen abhebt: Es ist ein Roman aus der Ich-Perspektive von Veritas. Schon nach den ersten Kapiteln merkt der Leser, dass er nicht gerade vom Thrill lebt. Die Aufgabe, der sich die Protagonisten annehmen, bleibt nach ihrer Vorstellung am Beginn des Buchs lange im Hintergrund, die Spannungsbögen sind jeweils recht kurz. Doch hat die Handlung bemerkenswerte Konkurrenz: Neben einem Einblick in die Welt der Vampire, in ihre Organisation, ihre Fähigkeiten und Schwächen gewährt Jeaniene Frost die intensive Teilnahme an den Gefühlen der beiden Helden – und bedient sich eines leichtfüßigen und humorvollen Schreibstils. Die Gefühle sind tief; regelmäßig zielen sie unter die Gürtellinie, Augen und Hände ebenso. Das zeigt sich in der Sprache nicht nur bei den bissig-frivolen Dialogen, die erfrischend zahlreich die Geschichte auflockern. So ist die Ausdrucksweise eindeutig erotisch, aber jugendfrei und sympathisch. Vor allem durch die Selbstironie der Ich-Erzählerin wirkt sie erheiternd. Und wenn die Protagonisten sich seufzend der Probleme aus ihrer Vergangenheit widmen, kann sich der Leser dieser Stimmung nicht entziehen. Überhaupt sind die Charaktere von Veritas und Ian so greifbar detailliert, dass ich mich sofort in beide hineinversetzen konnte, wobei es leichter fiel, mich mit der Erzählerin zu identifizieren.



Fazit:

Einen Weltbestseller hat Jeaniene Frost nicht gerade geliefert. Dafür ist schon das Sub-Genre Vampirroman in einer zu engen Nische der Literatur. Zudem bin ich mir nach dem Lesen immer noch nicht ganz klar, ob es sich um ernst gemeinte Dark Fantasy handeln soll oder eher um erotische Literatur. Beidem ist es nicht zu 100% verbunden. Wer zum Lachen in den Keller geht, sollte von diesem Buch die Finger lassen. Für Genre-Liebhaber, erst recht für Hardcore-Fans ist es kein Must-have. Es ist eine höchst sympathische Unterhaltung für alle, die sich gern hineinziehen lassen in eine geheimnisvolle Atmosphäre, die sich aber nicht finster präsentiert. Der ausgezeichnete Sprachwitz und die liebevolle Gestaltung der heldischen Kontrahenten machen »Night Rebel – Kuss der Dunkelheit« trotz der beinahe im Hintergrund ablaufenden Handlung zu einem lesenswerten Buch. Jeaniene Frost hat den Drahtseilakt zwischen düsterer Atmosphäre und flottem Schreibstil gemeistert. Dabei verdankt sie meine Punktwertung „vier wohlverdiente von fünf Sternen“ mehr der Kür der unterhaltsamen, ironisch-erotischen Ausdrucksweise als der Pflichtübung eines angekündigten spektakulären Abenteuers.

Bewertung vom 23.09.2023
Mr. Parnassus' Heim für magisch Begabte
Klune, T. J.

Mr. Parnassus' Heim für magisch Begabte


ausgezeichnet

Bestnote für ein bezauberndes Buch



Erster Eindruck

Als Fantasy-Fan und Verfasser fantastischer Geschichten und Romane wollte ich wissen, was T.J. Klune bei diesem Titel an Inhalt und Schreibstil bietet. Magisch begabte Minderjährige? Statt Hogwarts mal eben Waisenhäuser? Harry Potter lässt grüßen? Weit gefehlt! Vor dem Leser erhebt sich eine Welt fantastischer und bunter als die von Anne K. Rowling. Mit dem Fokus auf einen gewissenhaften und kleingeistigen Beamten schildert Klune Ereignisse, die nur der ängstliche Protagonist so abenteuerlich erlebt. Zwar auch für den Leser paranormal, werden die magischen Fähigkeiten der besuchten Kinder für Linus Baker zur größten Herausforderung seines Lebens, übersteigen sie doch alles, was er in seiner 17jährigen Dienstzeit erlebt hat. Die Beobachtung seiner Reaktionen, Gedanken und widerstreitenden Gefühle lassen den Leser schmunzeln und mit dem sympathischen Mann, der stets auf das Wohl der Kinder bedacht ist, mitfühlen. Auch die Ironie, die Klunes Schreibstil durchgängig innewohnt, trägt dazu bei, das Buch und seine Figuren ins Herz zu schließen.



Inhalt ohne Spoiler

Mr. Linus Baker, Beamter der Behörde für die Betreuung magischer Minderjähriger (BBMM), wird aus der Bahn geworfen, als er vom Allerhöchsten Management einen brisanten Auftrag erhält: die Überprüfung eines abgelegenen Waisenhauses unter der Leitung von Arthur Parnassus. Hat der seine Schützlinge im Griff? Schon die Fahrt ist für Linus ein unwillkommenes Abenteuer. Seine Unruhe nährt sich von der Frage, was ihn nach einer düsteren Andeutung des Managements erwartet. Natürlich reift er charakterlich mit dem Fortschritt, den er bei der Erfüllung seiner Aufgabe erzielt. Aber wird er sich nicht doch übernehmen, denn er fühlt sich nicht willkommen geheißen?



Schreibstil

Mit Linus Baker hat Klune eine Figur geschaffen, die zu begleiten sich lohnt. Die Blicke anderer auf ihn wie auch die detaillierte Beobachtung jedes seiner Handgriffe zeichnen einen anfangs überängstlichen Protagonisten. Selten hat sich mir in einem Buch ein Charakter so dreidimensional, so plastisch vorgestellt! So wirkt trotz aller Paranormalität die innere Heldenreise Bakers authentisch. Dazu trägt auch die Sprache bei. Zwar gespickt mit Adjektiven zeigt sie einen Fächer von Stimmungslagen von Urangst bis Lebensfreude, die der Welt der Magie genauso angemessen sind wie die düsteren Vorahnungen des Helden wider Willen. Die Dialoge sind herrlich, zeichnen sie doch nicht nur, was seine Mitgeschöpfe von ihm halten, sondern in ihren härter werdenden Konturen seine charakterliche Reifung. Dazu häufige Selbstgespräche, sein der Absicht entgegengesetztes Handeln und die verbalen Steigerungen! Alles sitzt, jeder Ausdruck passt. Nicht vergessen darf der Leser, dass sich Figuren in seiner Erinnerung an ein Buch stärker festsetzen als Handlungen. Hier hat der Autor alle Register gezogen, um sowohl Linus Baker wie auch seinen vermeintlichen Widersacher Mr. Parnassus und seine Zöglinge einprägsam zu gestalten. Auch den Gefühlen bei der Schilderung zweier Liebesbeziehungen gibt ein die Seele des Lesers streichelnder Schreibstil eine angemessene Bedeutung.



Fazit

Ein kurzweiliges Buch über einen wirklichen Sympathieträger. Der Leser fragt sich von der ersten Seite an, welche Herausforderung auf Linus Baker wartet und wie er sich ihr stellen mag. Schließlich ist er als Mensch hin- und hergerissen zwischen seiner repressiven Beamtenpflicht und der Überzeugung, zum Wohle der begutachteten Kinder zu handeln. Von letzterer lässt er sich ebenso überraschen wie treiben. Nicht nur, wer »Die Insel der besonderen Kinder« von Ransom Riggs gelesen oder als Tim Burtons Verfilmung gesehen hat, wird dieses Buch lieben. Die reizvolle Schilderung auch von Petitessen lädt zum Träumen ein und macht es zu einem Kleinod aktueller Fantasy. Dazu kommt ein unterschwelliger Appell an unsere Toleranz. Für dieses Lesevergnügen hat T.J. Klune die Bestnote verdient. Vom ersten Wort bis zum Epilog ein im wahrsten Sinne bezauberndes Buch!

Bewertung vom 23.09.2023
Miez Marple und die Kralle des Bösen / Miez Marple Bd.1 (1 MP3-CD)
Navarro, Fabian

Miez Marple und die Kralle des Bösen / Miez Marple Bd.1 (1 MP3-CD)


sehr gut

Tierisch gute Unterhaltung



Für Eilige:

Einen Katzenkrimi in der Hand zu halten, verspricht Spannung. Nicht nur des Genres wegen, sondern auch in Bezug auf die Realitätsnähe „tierischen“ Verhaltens. Fabian Navarro hat mich nicht enttäuscht. Dazu kommt ein sympathisch erfrischender Schreibstil.



Inhalt:

Miez Marple, die stadtbekannte Katzendetektivin, hat sich aus allen Ermittlungen zurück­gezogen und erfreut sich des Lebens als normale Hauskatze, als ihr Kamerad und Assistent Watson unter falschem Verdacht verhaftet wird. Der Produzent berühmter Katzenvideos mit Florian Silberschweif wurde ermordet, und der prominente Kater ist verschwunden. Das ist erst der Anfang einer Kette verbrecherischer Untaten durch die Katzenmafia und ihrer geheimnisvollen Gegenspielerin, durch kriminelle Hähne und einen mörderischen Hummer. Bei der Aufklärung geraten sich Miez Marple und die Katzenpolizei gegenseitig ins Gehege.



Schreibstil:

Die Vermenschlichung von Katz' & Co glaubhaft darzustellen, ist eine Herausforderung, der sich Navarro auf humorvolle Weise erfolgreich gestellt hat. Seine Darstellung kätzischer Verhaltensmuster wie auch die gut durchdachten kriminellen Handlungen und Organisationen kann ich als Katzenhalter und Autor als authentisch – zumindest als plausibel – bestätigen. Der lebhafte Schreibstil wird ergänzt durch den sympathischen Widerspruch aus detektivischem Ehrgeiz und dem unvermittelten Folgen angeborener Instinkte. Das bezieht den Leser in die Szene ein – zumindest, wenn er wirklich Katzen kennt. Das Lecken der Pfoten und das Kratzen hinter den Ohren führen gelegentlich zu abrupten Abbrüchen krimineller oder aufklärender Handlungen. Die Vielfalt der Protagonisten von Mäusen über Tauben bis hin zu Menschen, die bis auf Miez Marples Frauchen Agathe Christiansen nur schemenhaft auftreten, beschert eine weitere Auflockerung von Geschehen und Klischees. Auch die spielerisch genutzte Lautmalerei bei der Namensähnlichkeit mit real existierender Prominenz macht als Stilmittel den Roman unterhaltsam.



Fazit:



Auf einer Fünf-Sterne-Skala gebe ich „Miez Marple und die Kralle des Bösen“ gute vier Sterne. Bestens unterhalten haben mich die Idee und die Beobachtung der tierischen Protagonisten. Die Verbrechen wie auch ihre Aufklärung könnten vergleichsweise auch in der Menschenwelt geschehen, ihre Schilderung ist lebhaft und mitreißend. Spannung ergibt sich aus der Handlung ebenso wie aus der Erwartung, ob tierisches Verhalten das Geschehen unterstützt oder ihm entgegensteht. Leider zerfällt das dritte Viertel des Buches in zu viele Handlungsfäden und trübt so zeitweise den Überblick und die Spannung. Außerdem betont Navarro an diesen Stellen die Hektik und verlässt das sonst so angenehm ruhige Fahrwasser tierischer Geruhsamkeit. Das Buch empfehle ich nicht nur Katzenliebhabern, sondern allen Krimifreunden, die Freude haben an einem lebendigen Schreibstil und einem etwas skurrilen Setting.

Bewertung vom 23.09.2023
Kwa Zulu (eBook, ePUB)
C. Kutscher, Nathalie

Kwa Zulu (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Turbulent, tiefgreifend und ebenso bedrückend wie befreiend



Erster Eindruck

Weiterlesen! Im ersten Kapitel nimmt Nathalie C. Kutscher die Ärztin Alexa Lawrence in den Fokus: verwöhnt, egozentrisch, zickig und – lesbisch. So scheint sich ein x-beliebiger Ärztinnenroman zu entwickeln, der von erotischen Beziehungen lebt. Doch falsch gedacht! Am besten legt man nach dieser Einleitung das Buch kurz zur Seite und verinnerlicht, dass die Hauptfigur treffender nicht charakterisiert werden kann. Aus dieser Erkenntnis und aus einer spannend geschilderten Handlung mit einem starken Appell an das Mitgefühl von uns gut situierten Lesern mit den Ärmeren ergeben sich die Konflikte und Abenteuer, die das Buch packend, lesenswert und sympathisch machen. Ab dem zweiten Kapitel zwingt der Roman zum Weiterlesen „am Stück“.



Inhalt

Alexa Lawrence, genannt Lexi, verzogene Arzttochter aus reichem Hause in Beverly Hills und selbst Assistenzärztin mit bester Karriereaussicht, gibt aus Trotz und Verzweiflung alles auf, als die Oberärztin ihre Liebe nicht erwidert. In einer Panikreaktion stürzt sie sich Hals über Kopf in ein Abenteuer, das sie durchaus hinter ihrer spontanen Entscheidung für ein soziales Jahr in einem südafrikanischen Krankenhaus vermutet. Dennoch erschüttert sie ihr erster Eindruck, und mit ihrer neuen Chefin Dr. Rachel Walker gerät sie sofort in Streit. Unterschiedlicher könnten ihre ethischen und beruflichen Auffassungen nicht sein. Allen Unterschieden und dem anfänglichen Zickenkrieg zum Trotz eint sie ihre Aufgabe: den Ärmsten der Armen ein wenig Lebensqualität wiederzugeben. Später tritt Rachels geheimes Wissen um eine Medikamentenmafia zutage und führt zur Katastrophe.



Schreibstil

Über allem liegt erotisches Knistern, da die Autorin ihren treibenden Figuren homoerotische Züge verleiht. Wut, Trotz, Verzweiflung und das Wechselbad zwischen Annäherung und Abweisung bestimmen neben einer spannenden Handlung den Schreibstil. Authentisch ist Kutschers Sprache nicht nur in den Dialogen. An den passenden Stellen wird schon geflucht oder geschimpft. Manchmal lautstark. Oder in der Selbstreflexion der Figuren still und erkennend. Literaturschaffende sprechen von der äußeren und der inneren Heldenreise. Die äußere bestimmt die Struktur der Handlung mit den großen und kleineren Spannungsbögen, die innere widmet sich der Charakterentwicklung. Mit lebendigen, flüssig zu lesenden Formulierungen schildert die Autorin soziale Gegensätze ebenso wie die Dramatik um die humanitäre Hilfe, diesem Bild Afrikas kann sich der Leser nicht entziehen. Neben der eindringlich beschriebenen Handlung legt sie großen Wert darauf, dass ihre Leserinnen und Leser der inneren Heldenreise große Aufmerksamkeit schenken: der Charakterentwicklung Lexis von der verwöhnten, karrieresüchtigen Zicke zur ernsthaften und engagierten Helferin. In einem Roman, der sich nicht zuletzt wegen des Geheimnisses um illegale Medikamententests zum Thriller steigert, ist der Blick auf die persönliche Reifung der Figuren alles andere als selbstverständlich. Hierfür gebührt der Autorin höchstes Lob.



Fazit

Mit „Kwa Zulu“ hält der Leser ein Buch in Händen, das ihm eindringlich das Bild vermittelt vom Gegensatz seiner heilen Welt – oder der, die noch mehr bietet in Bezug auf Glamour und Reichtum – zum sozialen Elend eines für ihn exotischen Kontinents. Ohne Gefühlsduselei öffnet ihm Nathalie C. Kutscher den Blick auf Notsituationen und die problembehafteten Versuche, Hilfe zu leisten. Für mich noch wichtiger war die Beobachtung, dass die Figuren so greifbar vor meinem geistigen Auge standen, dass mich ihre Schicksale berührten und ich mit ihnen mitfieberte – nicht nur, wenn ich auf ihre Aufgabe sah, sondern vor allem auf sie selbst. Neben den unterschiedlichen Aspekten von Liebesbeziehungen über die Welt der Ärzte und Kliniken bis hin zum Thriller empfehle ich „Kwa Zulu“ wegen des emotionalen Tiefgangs und dem erfrischenden Schreibstil jedem, der sich auch nur für eines dieser Genres begeistern kann.

Bewertung vom 23.09.2023
Immaculati (eBook, ePUB)
Novalis, Esther; P., Jean

Immaculati (eBook, ePUB)


sehr gut

Detektivarbeit mit erotischem Knistern



Erster Eindruck

Die ersten Seiten – geschrieben aus der Ich-Perspektive – lassen einen Roman vermuten, der zwischen Krimi und Thriller angesiedelt ist. Mit reichlich Selbstironie und mit seinem erotischen Einschlag erinnert der Anfang vom Schreibstil her trotz des anderen Settings an den Vampir-Thriller Night Rebell – Kuss der Dunkelheit der erfolgreichen amerikanischen Schriftstellerin Janiene Frost, die Handlung um Mädchenhandel lässt Parallelen zum aktuellen Bestseller Tom Clancy - Das Reich der Macht erwarten. Beide Vermutungen führen in die Irre: Mit Immaculati hat das Autoren-Duo Esther Novalis und Jean P. ein eigenständiges Werk geschaffen – aber inhaltsmäßig genauso wie vom Schreibstil her packend wie die genannten Bestseller.



Inhalt ohne Spoiler

Als Beatrice Philipps sich in der Detektei von Marc Phillips um eine Anstellung bewirbt, spielen die Hormone verrückt. Sie erhält den Zuschlag sogar für eine Partnerschaft und wird gleich im ersten Auftrag in einen Wirbel aus Geheimnis, Gewalt und Erotik hineingezogen, wobei die Beziehung zu ihrem Partner Marc alles andere als rein geschäftlich bleibt. Nur ihre telepathische Verbindung zu ihm retten sie letztendlich aus den Fängen des Geheimbundes der Immaculati, der in klösterlichen Gemäuern mit Mädchenhandel ein weltweit florierendes Geschäft betreibt und in den sie sich einschleichen. Sollte ihnen die Aufklärung von Menschenhandel und Zwangsprostitution gelingen, wäre das nur ein kleiner Schritt, denn der erste der auf drei Teile ausgelegten Serie spielt an nur wenigen Schauplätzen.



Schreibstil

Konzentrieren muss sich der Leser, um im Mix der Perspektiven den Überblick zu behalten. Zu Beginn in der Ich-Perspektive Beas erzählt, lebt der Roman etwa ab dem dritten Kapitel von den sich überschlagenden Gefühlen beider Partner in der Detektei. Ausdrucksstark schildern die Autoren die Schwankungen des Hormonspiegels von Bea und Marc, als sich beide in den Zirkel des Geheimbundes einschleichen. Befürchtungen, Zuneigung, Verzweiflung und erotische Gefühlswallungen bestimmen stimmig den Schreibstil und setzen häufig stärkere Akzente als die Handlung: Die Abscheu vor und der Genuss von sexuellen Handlungen sind oftmals tonanbgebend. Hierbei zeigt sich eine weiteres Talent des Autorenduos: Außer, wenn die Abscheu zu groß wird, bleibt die erotikbetonte Sprache „jugendfrei“, sprich moralisch sauber. Ein ausgeprägtes „Show, don’t tell“ (Zeigen statt erzählen) lädt den Leser ein, einzutauchen in alle Szenen. So ist er stets inmitten des Geschehens und nie nur am Rande dabei: Kopfkino, dem er sich nicht entziehen kann. Darüber hinaus spielen die Autoren mit der Fähigkeit des Lesers, ihnen zu folgen: Perspektivenwechsel, Umschwung der Erzählzeit zwischen Gegenwart und Vergangenheit sowie unterschiedliche Schrift machen den Roman nochmals anspruchsvoller, kennzeichnen damit gerade den oder die Beteiligten und geben an einer Stelle ihre Beobachtung und woanders ihre Spekulationen, Erwartungen oder ihre Verzweiflung wieder. Lebendig sind Schreibstil und Sprache allemal, Andeutungen zum Handlungsverlauf halten gerade wegen ihrer fehlenden Deutlichkeit die Neugier wach. Das ist gelungen und passt zum Setting.



Fazit



Die ideale Leserschaft für Immaculati liebt Erotik und erfreut sich einer ausgeprägte Neugierde an kriminellen Machenschaften und am Abenteuer. In dem Crossover von erotischer Literatur und Thriller behält die Erotik eindeutig die Oberhand. Mitgefühl und Mit-Leiden mit den Protagonisten – allen voran mit Bea Philipps – zwingen dazu, das Buch in der Hand zu behalten. Einen mystischen Touch geben dem Roman die zahlreichen Zwiegespräche zwischen Bea und Marc, die sie auf telepathischem Wege führen. Hier offenbaren sich nicht bloß Gefühle, sondern auf dieser Ebene treiben die Entscheidungen auch die Handlung voran. Hat der Leser das Prinzip erst durchschaut, lassen ihn Esther Novalis und Jean P. mitfiebern bis zum Ende des lebhaft geschriebenen, sympathischen Romans.

Bewertung vom 23.09.2023
Grünes Öl
Riffko, Ben

Grünes Öl


ausgezeichnet

Fesselnde, realitätsnahe Fiktion



Als Mensch, der selbst schreibt, liest man Bücher anders, kritischer. Nicht mäkelnd, aber mit einem zusätzlichen Blick aufs Handwerkliche, insbesondere, wenn es sich um einen Debütroman handelt. Um es vorwegzunehmen: »Grünes Öl« ist so, wie man mir beigebracht hat, gute Bücher zu schreiben.



Für Eilige:

Ben Riffko zeichnet eine drohende Umweltkatastrophe, die ohne die schwedische Gallionsfigur der Umweltkonzerne und ohne Klischees auskommt. Wassermangel und Machtkämpfe um Öl sind die Grundlagen für einen Thriller, in dem private Unternehmen und die CIA versuchen, durch wegweisende Technologie einen Zusammenbruch zu verhindern, der ein Drittel der Menschheit mit dem Dürretod bedrohen und eine Völkerwanderung nach Europa und in die USA in Gang setzen würde. Die Jagd auf eine Terrorgruppe sorgt für weitere Spannung. Zwei gegensätzliche Ansätze zur Veränderung der Weltordnung treffen in diesem Buch aufeinander.



Gesamteindruck:

Der Prolog war mir bis zum Ende unklar: Ich-Perspektive, Gegenwartserzählung. Erst der Epilog erlaubte mir, die Verhör- und Folterszene dem Roman zuzuordnen. Dieser Rahmen machte mich betroffen, zeichnet er doch ein verlogenes Gesicht der Politik und ihrer Handlanger. Der Roman ist insofern eine Rückblende. Anders als Dan Brown steigt Ben Riffko nicht hektisch ein, sondern gibt Zeit, sich mit den Figuren vertraut zu machen. Während einem Thriller oftmals ein Merkmal abgeht, nämlich die Charakterentwicklung einer Schlüsselfigur, zeigt schon das erste Kapitel, dass mindestens eine sich wandeln wird. Als Leser darf man gespannt sein, auf wessen Seite sie sich schlägt. Auch die Handlung fesselt. Von weltweit verstreuten Schauplätzen verdichtet sie sich auf zwei südeuropäische Metropolen. Hier treffen Weltverbesserung und Terrorismus aufeinander.



Stil:

Wie schreibt man ein gutes Buch? Riffko fängt damit beim Titel an. Markant und plakativ fasst er den Hauptkonflikt in zwei Worte. Treffender geht es nicht. Strukturiert ist der Roman als Protokoll: Datum, Uhrzeit, Ort. jeder Eintrag baut vor unseren Augen eine Szene auf, in der Menschen leben mit Gefühlen, Erwartungen und Plänen. Oder er zeigt Handlungen, die sich zu Handlungssträngen verdichten. So ist »grünes Öl« komplex, aber der Leser behält dank der sich logisch steigernden Dramatik und mancher Cliffhänger den Überblick. Riffkos Sprache ist flüssig, lebendig und verführt zum Weiterlesen – neben der Spannung, die sich umso mehr erhöht, je stärker sich die Handlungsfäden einander annähern. Die Dialoge sind lebensnah, ihre Sprache ist authentisch – einschließlich der Kraftausdrücke da, wo sie hingehören. In Szenen, die andere Autoren eher im Stil einer Zeitungsmeldung präsentieren, pulsiert das Leben, wenn es auch gleich darauf zigfach ausgelöscht werden mag. Wie es sich für ein gutes Buch gehört, beanspruchen die Figuren reichlich Raum mit ihren Schwächen, Liebschaften und Träumen. So sind weder die Finanzierungsbemühungen der Firmengründer Jaques Devilliers und Louis Guigou noch die Jagd auf den kurdischen Terroristen Farqîn Birhat durch die CIA-Agenten John Lewellen und Peter Miller und den Briten Sir Henry McAllister reine Ablaufschilderungen. Vielmehr lassen sie alle uns aus ihrer Sicht am Erlebten teilnehmen. In Echtzeit, wofür die Protokollstruktur sorgt.



Fazit:



Ein realistisch anmutender Hintergrund, eine packende Story mit markanten, authentisch wirkenden Figuren und ein lebendiger, solider Schreibstil fesseln den Leser aufs Beste. Im Gegensatz zu manch anderem Thriller gönnt »Grünes Öl« ihm Verschnaufpausen, die ihn noch tiefer eintauchen lassen. Wo das heute Machbare aufhört und die Fiktion beginnt, vermochte ich nicht immer festzustellen. An den Stellen, wo ich es überprüft habe, bescheinige ich dem Autor eine solide Recherche, deren Ergebnisse er den Erfordernissen des Romans gekonnt anpasst. Ben Riffko hat mit seinem Debütroman den Bann gebrochen, der uns glauben machen will, die besten Thriller kämen von amerikanischen Autoren.

Bewertung vom 23.09.2023
Gefährliche Mittsommernacht / Cilla Storm Bd.1
Holst, Christoffer

Gefährliche Mittsommernacht / Cilla Storm Bd.1


sehr gut

Muntere Verbrechensaufklärung, kommt leider lange nicht auf den Punkt



Erster Eindruck

Krimi oder Romanze? Auch als Autor mit analysierendem Blick auf Inhalt und Stil wird mir erst zur Mitte des Romans klar, wo der Genre-Schwerpunkt dieses Cross-Over-Romans von Christoffer Holst liegt oder liegen soll. Dafür werden sofort wohltuende Assoziationen wach: Von Smørrebrød (dem Klang der Ortsnamen wegen, obwohl die Geschichte in Schweden spielt) hin zu Bestsellern aus dem Heyne-Verlag. Wegen der Ich-Perspektive und der Ironie, die einem aus jeder Zeile entgegenlacht, vergleiche ich die »gefährliche Mittsommernacht« unwillkürlich mit Karsten Dusses Reihe »Achtsam morden«.



Inhalt ohne Spoiler

Aus Frust über das Ende ihrer Beziehung entflieht die Journalistin Camilla Storm, genannt Cilla, der Großstadt Stockholm auf die winzige Insel Bullholmen, wo sie in ein Schrebergartenhäuschen einzieht. Gleich in der ersten, der Mittsommernacht beobachtet sie den heftigen Wortwechsel eines jungen Paares. Am nächsten Morgen wird die Leiche des Mädchens am Badestrand aus dem Wasser geborgen, und Cilla muss dem Polizisten Adam Rede und Antwort stehen. Das Knistern zwischen ihr und dem attraktiven Ermittler macht die Lösung des Falles nicht einfacher. Weder von der Suche nach Spuren und Motiv noch von der Achterbahn ihrer Gefühle her. Auch nicht nach einem zweiten Mord.



Schreibstil

Christoffer Holst wagt viel. Sein lockerer Schreibstil mit den vielen Dialogen und Gedanken, die zusammen gefühlt 80% des Buches füllen und oft wenig bis nichts mit den Morden zu tun haben, konkurriert mit der einem Krimi innewohnenden Spannung. Selbstzweifel und die Sehnsüchte Cillas nach einem geordneten Leben und ihre Gedankenschnipsel etwa über ihren Schrebergarten oder andere Nebensächlichkeiten lenken immer wieder von den Mordfällen ab. Das macht das Lesen unaufgeregt, denn das Entsetzen wird verdrängt, der lockere Plauderton scheint oft unangemessen. Holst nutzt unvollständige Sätze, häufige Wechsel zwischen Vergangenheit und Gegenwart oder verschiedene Schrifttypen, um Stimmungen zu transportieren. Die wirre Gefühlswelt einer 30jährigen wird durch ständige Gedankensprünge und plötzlich auf Petitessen gelenktes Augenmerk vorzüglich charakterisiert. Genau in der Mitte des Buches ändert sich das alles, Holst greift zu einem neuen Stilmittel: Furcht. Konzentriert beschrieben aus dem Blickwinkel Cillas. Zwar treten Lösung und Unhold gegen Ende ein wenig als Deus ex Machina in Erscheinung, aber wer besonders die Rückblenden aufmerksam las, wird nickend zustimmen. »Natürlich, da hätte ich auch drauf kommen können!«



Fazit

Krimiliebhaber müssen sich an den lockeren Schreibstil gewöhnen, und sie kommen erst in der zweiten Hälfte voll auf ihre Kosten. Vielleicht brauchen skandinavische Krimis die aufheiternde Stimmung eines Sommers, die sich im Stil widerspiegeln muss. Wer Romantik mag, ist mit der »gefährlichen Mittsommernacht« von Anfang an gut bedient. Keineswegs schnulzig, sondern mit der detaillierten Besinnung Cillas auf sich selbst, auf Adam und nicht zuletzt mit ihrer liebevollen Betrachtung der farbenfrohen Umgebung entführt der Roman seine Leser*Innen in eine Idylle, die alle zehn Jahre durch eine Bluttat gestört wird. Wenn ich dem sympathischen Buch dennoch nur vier wohlverdiente Sterne zuspreche, dann deshalb, weil Holst beim Spagat zwischen Schauer und Romanze zu lange unentschlossen bleibt, das erste halbe Buch in diesem Sinne zu ausschweifend ist und nicht auf den Punkt kommt. Ab der Mitte verdichten sich Inhalt und Sprache, haben mich gefesselt und für die streckenweise bezugs- und spannungslose Leichtfüßigkeit vorher entschädigt.