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Belles Leseinsel
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Mainz

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Insgesamt 24 Bewertungen
Bewertung vom 07.11.2013
Die Blüten der Freiheit
Anthony, Iris

Die Blüten der Freiheit


ausgezeichnet

Frankreichs König Ludwig XIII. verbot im Jahre 1636 das Tragen von Spitze. Wer gegen das Verbot verstoß, konnte unter anderem aus dem Königreich verbannt werden. Durch diesen Erlass dauerte es nicht lange bis Spitze zu einem Statussymbol wurde und der illegale Handel zwischen Flandern und Frankreich blühte. Und auch die Schmuggelvarianten wurde immer einfallsreicher: So wurden Hunde auf grausame Weise missbraucht, aber auch die Grenzüberschreitung mithilfe eines Sarges mitsamt der Leiche war ein bewährter Weg nach Frankreich. Mithilfe von sieben ganz unterschiedlichen Personen erzählt Iris Anthony den Weg der Spitze von Flandern nach Frankreich, beginnend hierbei bei ihrer Herstellung bis zum neuen Empfänger des edlen Tuches.

Ihre Geschichte beginnt die Autorin bei der Klöpplerin Katharina, welche in Flandern in einem Kloster unter schier unmenschlichen Bedingungen Spitze herstellt. Katharina ist zwar erst 30 Jahre alt, läuft aber gebeugt wie eine alte Frau und ist mittlerweile erblindet. Ihre Schwester Heilwich weiß nur zu genau, was mit den Klöpplerinnen passiert, die nicht mehr fähig sind, Spitze herzustellen und versucht alles, ihre Schwester aus dem Kloster freizukaufen. Auf dem Chateau Souboscq in der Gascogne wächst Lisette als Tochter eines verarmten Adeligen auf. Schwer trägt sie an ihrer vermeintlichen Schuld, welche ihren Vater in die Hände des sadistischen Grafen von Montreau spielte, dessen Spitze sie Jahre zuvor zerstört hatte. Alexandre Lefort, welcher seit Kindertagen im Chateau lebt, versucht alles, um Lisette diese Schuld zu nehmen. Zur selben Zeit hadert der französische Soldat Denis Boulanger mit sich, da er immer noch keinen Schmuggler auf frischer Tat erwischt hat. Sein Vorgesetzter droht ihm mit Versetzung. Und dann verfolgt man noch dem erbärmlichen Leben eines Hundes im ländlichen Flandern, der Spitze über die Grenze schmuggelt.

Mithilfe dieser so unterschiedlichen Charakteren, die scheinbar in absolut keiner Verbindung zueinander zu stehen scheinen, erzählt Iris Anthony ihren wundervollen Roman über den illegalen Handel von Spitze im 17. Jahrhundert. Dabei stellt man sehr schnell fest, dass Iris Anthony das Thema äußerst genau recherchiert hat und die Autorin vermittelt ihren Lesern ihr fundiertes Wissen äußerst interessant. Die Geschichte entwickelt sich langsam analog zur aufwendigen Herstellung von Spitze. Anfangs ahnt man nicht, in welche Richtung sich die Geschichte entwickeln wird, doch so nach und nach erkennt man die Zusammenhänge und wie von selbst findet man sich plötzlich in einer überaus spannenden wie unterhaltsamen Geschichte wieder, welche Iris Anthony bildhaft, eindringlich, gefühlvoll, tiefsinnig und lebendig vermittelt.

Die unterschiedlichen Handlungsstränge erzählt die Autorin jeweils aus Sicht der jeweiligen Protagonisten und hierbei ist nicht nur die Geschichte um Katharina eindringlich beschrieben. Durch diesen Erzählstrang erhält man eine sehr gute Vorstellung über die schier unmenschlichen Bedingungen, welchen die Klöpplerinnen im Kloster ausgesetzt waren. Die jungen Frauen aus ärmlichen Verhältnissen werden wie Sklavinnen gehalten, sobald sie keinen Nutzen mehr für die Nonnen haben, werden die erblindeten Frauen einfach vor die Klostertür gesetzt. Umso eindringlicher werden diese Beschreibungen noch durch die facettenreich beschriebenen Charaktere. Emotional am ergreifendsten war jedoch der Erzählstrang des Hundes aus dem ländlichen Flandern. Überaus grausam, dabei aber leider wirklich authentisch beschreibt Iris Anthony das Leben eines Schmugglerhundes in Flandern. Wenn man seine Lebensumstände liest, verwundert es einen nicht, als man in einem Interview mit der Autorin liest, dass innerhalb von 15 Jahren rund 40.000 Hunde für den Schmuggel von Spitze ihr Leben lassen mussten.

Fazit: Ein faszinierender, unterhaltsamer, spannender wie eindringlicher Roman über den Schmuggel von Spitze im 17. Jahrhundert.

Bewertung vom 03.11.2013
Die rote Lene
Habets, Renate

Die rote Lene


ausgezeichnet

Die ruure Lene

Lene ist ein Kind der Natur, sie liebt die Tiere auf dem Hof, spricht auch oft mit ihnen und wenn sie traurig ist, flüchtet sich zu ihrem Apfelbaum. Durch ihre Außenseiterstellung im Dorf ist Lene entsprechend wortkarg, auch gegenüber ihrer Familie. Sie gilt als seltsam. Nur Klaas findet Zugang zu ihr und ab und an auch die gleichaltrige Louise, mit der Lene zusammen zur Schule geht. Doch als Lene ihren Rudi trifft, scheint das Glück endlich auf ihrer Seite zu sein. Die erste Zeit mit Rudi ist eine Unbeschwerte. Doch dieses Glück hält nicht lange an. In Köln muss Lene nun ein ganz anderes, ihr absolut fremdes Leben führen. Fortan ist die junge Frau von Luxus umgeben und muss entsprechende gesellschaftliche Umgangsformen erlernen. Somit ändert sich ihr bisher gewohntes Leben von Grund auf, selbst ihr Name wird ihr nicht gelassen, da er nach Meinung ihrer Schwiegermutter zu bauernhaft sei. Ab sofort wird Lene von ihr nur noch Magda genannt, was schnell auch von ihrem Ehemann übernommen wird. Je länger Lene in Köln lebt, umso mehr verliert sie ihre eigene Identität, zumal ihr größter Wunsch nicht in Erfüllung zu gehen scheint. Aus dem fröhlichen Bauernmädchen Lene wird die mondäne, wunderschöne Magda. Mit der Zeit wird Lene immer verschlossener, zieht sich mehr und mehr in sich selbst zurück und bald ist die Katastrophe nicht mehr aufzuhalten. Doch keiner erkennt dies oder will es wahrhaben, schließlich muss die Etikette, der gute Ruf gewahrt werden.

Renate Habets schildert das Leben von Lene aus unterschiedlichen Perspektiven, was diesen Roman sehr abwechslungsreich gestaltet. Anfangs zumeist von Lene selbst erzählt, rückt diese mit der Zeit immer mehr in den Hintergrund und ihre Geschichte verfolgt man bald schon mehr aus der Sicht von Klaas, wie auch von Louise, welche zwischenzeitlich auch nach Köln gezogen ist und dort ihr Glück finden soll. Aber auch Lenes Ehemann Rudi kommt zu Wort und schildert seine Sicht zum Zusammenleben mit Lene. Auch Peter darf nicht fehlen. Der Bruder, welcher Lene abgrundtief hasst und felsenfest davon überzeugt ist, dass seine jüngste Schwester eine Hexe ist und Lene für jeden noch so kleinen Unbill verantwortlich macht. Sein Aberglaube zerfrisst ihn regelrecht und nachdem Lene heimlich mit Rudi nach Köln geflüchtet ist, darf ihr Namen auf dem Hof nicht mehr genannt werden. Erst zum Ende der Geschichte tritt Lene selbst wieder mehr in den Vordergrund. Dieser Erzählstil ist bezeichnend, denn je mehr sich Lene in sich selbst zurückzieht, umso weniger tritt sie in der Geschichte ihres Lebens selbst in den Fokus.

Einfühlsam, tiefsinnig, bedrückend und versehen mit viel Lokalkolorit aus dem Westerland erzählt Renate Habets ihren wunderschönen Roman über die ruure Lene, deren Schicksal ihre roten Haare werden. Zudem erhält man problemlos eine Vorstellung über das Dorfleben im 19. Jahrhundert wie auch das luxuriöse, gesellschaftliche Leben in Köln, bei dem sich Lene immer geziemt zu verhalten hat. Und Renate Habets lässt ihre Charaktere auch immer mal wieder im Dialekt sprechen, diese Szenen sind jedoch jederzeit nachvollziehbar, auch wenn man kein Kölsch oder den Westerwälder Dialekt versteht.

Fazit: Ein emotionaler, feinfühlig erzählter Roman über eine Frau, deren roten Haare ihr zum Schicksal werden sollen.

Bewertung vom 31.10.2013
Kein Opfer ist vergessen
Harvey, Michael

Kein Opfer ist vergessen


sehr gut

Der Unbekannte mit den gelben Augen

In den Sommerferien wird an der Medill Journalistenschule in Chicago ein Seminar angeboten, beim dem von ausgewählten Studenten alte Mordfälle bearbeitet werden, welche zwar abgeschlossen sind, möglicherweise aber ein Unschuldiger für eine Tat büßen muss, die er nicht begangen hat. Die Studenten Sarah, Jake und Ian wurden von Professor Judy Zombrowski für das von ihr geleitete Seminar ausgewählt und Jake bringt am ersten Tag gleich einen eigenen Fall mit. Unter seiner Haustür wurde Tage zuvor ein Zettel mit der Nachricht „98-2425 … Ich hab den Jungen gekilt“ durchgeschoben. Hinter der Fallnummer verbirgt sich der Mord an einem kleinen Jungen, der in einem nahegelegenen Naturschutzgebiet aufgefunden wurde. Der Täter wurde vor Jahren verurteilt und ist mittlerweile verstorben. Professor Zombrowski gibt den Studenten ein paar Tage, um neue Indizien zu sammeln und die Drei begeben sich daraufhin sofort zum damaligen Tatort und entdecken prompt in der Nähe eine weitere Kinderleiche.

Der rätselhafter Brief seiner verstorbenen Mutter, den Ian eigentlich gar nicht lesen möchte. Damit beginnt der Thriller von Michael Harvey, um dann sofort in die eigentliche Story einzusteigen. Doch den Inhalt des Briefes oder gar, warum Ian sich gegenüber seinen Mitstreitern ein wenig reserviert verhält, dies verrät der Autor einem erst auf den letzten Seiten seines Thrillers. Und auch Jake umschwebt eine etwas geheimnisvolle Aura, man traut ihm nicht so recht über den Weg. Einzig Sarah scheint keine Geheimnisse aus ihrer Vergangenheit mit sich herumzutragen und geht mit den beiden Studenten recht locker und offen um. Somit geben nicht nur der mysteriöse Zettel, sondern auch das undurchsichtige, verschlossene Verhalten der beiden Studenten gleich zu Anfang einige Rätsel auf.

Aber auch der Fall um den Mord an den kleinen Jungen entwickelt sich recht komplex und unvorhersehbar. Die Recherchen in dem Fall erlebt man aus Sicht von Ian, was einem aber nicht wirklich hilft, den jungen Mann näher kennenzulernen. Und Entdeckungen, welche Ian im Verlauf der Ermittlungen anstellt, verrät einem der Autor auch nicht immer sofort. Wie auch die Rechercheergebnisse von Jake, welcher bei dem Fall eine Eigeninitiative entwickelt und teilweise nur bruchstückhaft seine Erkenntnisse mit Sarah und Ian teilt. Bald schon müssen die drei angehenden Journalisten jedoch feststellen, dass sie mit ihren Nachforschungen in dem alten Fall in ein wahres Wespennest gestochen haben und irgendwer fortan versucht, die drei Studenten mundtot zu machen.

Die Story entwickelt sich interessant, zumeist jederzeit nachvollziehbar und Michael Harvey erzählt seinen Thriller durchaus spannend und fesselnd. Mithilfe kurzer Kapitel treibt der Autor die Story zügig voran und immer wieder taucht auch ein Unbekannter mit gelben Augen auf, der scheinbar ein gesteigertes Interesse an der Arbeit der jungen Leute hat. Aber auch hier ist anfangs erst einmal Rätselraten ob der Identität dieses Mannes angesagt. Was mich allerdings etwas gestört hat, war der doch recht einfache, simple Sprachstil des Autors, was auch dazu beitrug, dass ich nur schwer eine Vorstellung der einzelnen Mitwirkenden erhielt und gerade Jake und Ian anfangs immer wieder verwechselt habe.

Aber die Story, die besonders zum Ende hin ziemlich rasant und wendungsreich erzählt wird und zusätzlich mit einer ordentlichen Portion Spannung aufwarten kann, lässt einen dann doch hierüber hinwegsehen.

Fazit: Spannende und wendungsreiche Story, wobei der Sprachstil doch wenig anspruchsvoll gehalten ist.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 29.10.2013
Die Tote von Schönbrunn
Kneifl, Edith

Die Tote von Schönbrunn


ausgezeichnet

Der "Jack the Ripper" von Schönbrunn

Ehe man es sich versieht, fühlt man sich in das Österreich des 19. Jahrhunderts zurückversetzt mit seinem Gaslaternen, den Fiakern, den Kaffeehäusern und der Wiener Schmäh‘ ist auf jeder Seite zu spüren, auch geizt die Autorin nicht mit Anekdoten und Wissenswertes rund um die Stadt Wien. Man hat praktisch sofort die prächtigen Roben der Damen, die glamourösen Salons und die pompösen Villen und Schlösser Wiens vor Augen, aber Edith Kneifl führt ihre Leser auch in die ärmeren Stadtteile von Wien. So abwechslungsreich das Leben in Wien ist, so unterschiedlich und facettenreich sind auch die Mitwirkenden des Krimis.

Mit tatkräftiger Unterstützung seiner Tante Vera und deren Patentochter Dorothea ermittelt Gustav fortan in den aristokratischen Kreisen Wiens nach dem Mörder, der seinem Morden kein Ende zu setzen scheint. Und immer wieder fallen ihm Frauen zum Opfer, die eine frappierende Ähnlichkeit mit der jungen Kaiserin aufweisen. Edith Kneifl gibt ihren Lesern kaum Anhaltspunkte an die Hand bezüglich der Identität des Täters. Klar ist eigentlich nur, dass der Täter dem Hochadel angehören muss bzw. in diesen Kreisen verkehrt. Und so dauert es auch fast bis zum Ende des Historischen Krimis, bevor man eine Ahnung in Bezug auf den Mörder erhält.

Aber der Schwerpunkt der Geschichte liegt nicht auf der Ermittlungsarbeit von Gustav. Fast mehr Wert legt die Autorin darauf, einem das Privatleben und das gesellschaftliche Umfeld ihres Protagonisten näher zu bringen. Hierdurch lernt man einen Mann kennen, der sich gewandt in den Kreisen der Aristokratie bewegt und ein eher schwieriges Verhältnis zu seinem Vater Baron von Bethany pflegt, obwohl dieser verstärkt Kontakt zu seinem unehelichen Sohn sucht. Sein schwacher Magen kommt ihm gerade bei den Tatortbesichtigungen nicht zugute und zudem ist Gustav sich noch nicht ganz schlüssig darüber, welche Gefühle er nun gegenüber der rebellischen Dorothea hegt, die wahrlich ohne Rücksicht auf Etikette frei ihre Meinung äußert. Deren Traum ist es, Medizin zu studieren, doch dies wird ihr in Wien verwehrt, nun wartet sie ungeduldig auf die Aufnahme an einer Universität in der Schweiz. Hinzu kommt noch die nicht minder resolute und modern denkende Tante von Gustav, welche sich für die Frauenrechte stark macht und von Gustav sehr geschätzt wird.

Der Sprachstil der Autorin ist dem ausgehenden 19. Jahrhundert angepasst, immer wieder durchsetzt mit Wiener-Begrifflichkeiten. Dies, wie auch der bildhafte Erzählstil sorgt für eine atmosphärische Dichte, wodurch man gerne darüber hinwegsieht, dass der Krimi sich lange Zeit wenig spannend entwickelt. Dafür aber äußerst amüsant, unterhaltsam, kurzweilig und informativ. Edith Kneifl vermittelt sehr gut die dekadente, herablassende Lebensart der österreichischen Aristokratie, die sich ihrem Monarchen entsprechend zumeist gegen jegliche Moderne ausspricht. Wogegen gerade Tante Vera und Dorothea Palme immer wieder nur zu gerne rebellieren.

Fazit: Ein faszinierender wie unterhaltsamer Einblick in die aristokratischen Kreise Wiens des ausgehenden 19. Jahrhunderts, gewürzt mit einer Prise Spannung und einer äußerst interessanten wie komplexen Handlung.

Bewertung vom 26.10.2013
Der Ungnädige / Maeve Kerrigan Bd.2
Casey, Jane

Der Ungnädige / Maeve Kerrigan Bd.2


sehr gut

Alles auf Anfang

In London werden zwei verurteilte Pädophile auf grausame Weise zu Tode gefoltert. Bevor DS Kerrigan und ihr Kollege DI Josh Derwent richtig mit ihren Ermittlungen beginnen können, gibt es bereits das nächste Todesopfer. Betreibt hier jemand Selbstjustiz oder warum mussten ausgerechnet diese drei Männer sterben? Noch während Zeugen befragt und ersten Ermittlungsansätzen nachgegangen wird, nimmt der Fall eine überraschende Wendung.

Für Maeve Kerrigan hätte es wirklich nicht schlimmer laufen können. Hat sie privat schon genug Probleme mit ihrer on/off-Beziehung zu Kollegen Rob, bekommt sie mit DI Derwent auch noch einen ranghöheren Partner zur Seite gestellt, der Maeve nur als schönes Beiwerk betrachtet und sie anfangs während der Ermittlungen mehr oder weniger ignoriert. Doch dies lässt sich Maeve auf Dauer nicht gefallen, wodurch natürlich Reibereien vorprogrammiert sind.

Aber nicht nur die Zusammenarbeit mit Josh Derwent gestaltet sich schwierig, ebenso der vorliegende Fall. Akribisch wird der noch so kleinsten Spur nachgegangen, ohne dass diese jedoch Hinweise auf den Täter liefern. Dann allerdings verhilft Maeves Hartnäckigkeit dem Fall zu einer neuen Wendung und von da an entwickelt sich der Fall vollkommen anders als anfangs erwartet.

Jane Casey legt in ihrem neuesten Thriller, den ich eher als soliden englischen Krimi bezeichnen würde, die Schwerpunkte gleichmäßig auf die Ermittlungsarbeit wie auch auf das Privatleben von Maeve Kerrigan. Zumeist in der Ich-Form geschrieben verfolgt man die Gedanken der jungen Polizistin und erhält somit auch einen ausführlichen Einblick in ihre Gefühlswelt, die momentan ziemlich konfus ist. Zwar hegt sie starke Gefühle zu ihrem Kollegen Rob und dieser offensichtlich auf für sie, aber eine Beziehung zu einem Kollegen ist für Maeve eigentlich undenkbar. Hinzu kommt auch noch, dass die Ehe ihres Bruders Declan gerade vor dem Aus steht und Maeves Mutter sie mit entsprechenden Anrufen nervt. Und erst das machohafte Verhalten ihres Kollegen Josh Derwent. Allerdings ist Maeve auch nicht gerade auf den Mund gefallen und die Schlagabtausche der Beiden regen stellenweise wirklich zum Schmunzeln an.

Aber natürlich geht es auch um den aktuellen Fall. Spannung kommt eigentlich sehr lange Zeit so gut wie keine auf. Dennoch versteht es Jane Casey sehr gut, einen während des gesamten Buches bestens zu unterhalten. Mit ein Grund ist die Entwicklung, welcher der Fall mit der Zeit annimmt und im weiteren Verlauf wendungsreich und unvorhersehbar verläuft. Zudem ist der Schreibstil von Jane Casey sehr einnehmend, lebendig und fesselnd. Da sieht man dann gerne einmal darüber hinweg, dass von mitreißender Spannung keine Rede sein kann. Wer also einen hochspannenden Thriller erwartet hat, wird hier enttäuscht sein.

Da das Privatleben von Maeve eine fast eine genauso große Rolle spielt wie der Fall selbst, lernt man die eigensinnige Polizistin, die ganz eindeutig unter Beziehungsängsten leidet, immer besser kennen. Aber auch die weiteren Charaktere sind facettenreich beschrieben, gerade Josh Derwent. Das Raubein, der mit seinen überheblichen, oft auch herablassenden Sprüchen Maeve schier zur Weißglut treibt, hat auch durchaus seine netten Seiten, die er allerdings zumeist gekonnt zu verstecken versteht.

Fazit: Ein Thriller ist etwas anderes. Aber wer solide englische Krimis mit einer gut durchdachten Story und ausgereiften Charakteren bevorzugt, wird von „Der Ungnädige“ nicht enttäuscht sein.

Bewertung vom 22.10.2013
Schaurige Weihnacht überall
Schmöe, Friederike

Schaurige Weihnacht überall


sehr gut

Amnesie als Selbstschutz?

Ihre Spielsucht immer noch nicht richtig überwunden, muss die Drummerin Ilsa gleich den nächsten Tiefschlag hinnehmen. Ihr Mann Piet hat eine Freundin. Kurzentschlossen beschließt Ilsa, in ihr Ferienhaus in der Fränkischen Schweiz zu fahren. Als sie unterwegs einen Zwischenstopp an einer Tankstelle einlegt, fällt Ilsa eine junge Frau auf, die völlig verstört und blutüberströmt am Straßenrand sitzt. Moni kann sich an die letzten Stunden nicht mehr erinnern, weiß nur noch, dass es irgendeinen Unfall gegeben hat. Kurzerhand nimmt Ilsa die junge Frau mit ins Ferienhaus. Doch hier fangen die Probleme erst an, als unerwartet ein Fremder auftaucht.

In der Ich-Perspektive geschrieben, verfolgt man fortan wie Ilsa auf ihre wenig einfühlsame, aber dennoch charmante Art versucht, mehr aus Moni und über den mysteriösen Unfall herauszubekommen, doch völlig erfolglos. Und es dauert auch nicht lange, da wird Ilsa das Gefühl nicht mehr los, beobachtet zu werden. Doch wer sollte das sein, weiß doch eigentlich niemand, dass Moni und Ilsa sich in dem Ferienhaus befinden.

In einem weiteren Erzählstrang lernt man zudem nach und nach Monis Freund Gerolf und dessen Familie kennen. Und das ist wahrlich keine nette. Gerolf selbst studiert Jura, hat hierbei auch Moni kennengelernt und soll wohl in die Fußstapfen seines erfolgreichen Vaters treten. Dieser verprügelt in schöner Regelmäßigkeit seine Frau und ist zurzeit wutentbrannt darüber, dass er seinen Sohn nicht erreichen kann. Dies bekommt seine Frau Jenna leidlich zu spüren.

Und dann gibt es noch einen etwas rätselhaften Studenten, dessen Namen einem die Autorin erst später präsentiert, sowie was sich hinter seinem gesteigerten Interesse an Moni verbirgt. Er besucht Partys, auf denen Moni ist und beobachtet sie heimlich. Offensichtlich scheinen Beide sich zu kennen, doch ob er Moni aus lauter Freundschaft und Besorgnis beobachtet oder ob es gar hierfür einem völlig anderen Grund gibt, bleibt ebenfalls lange ein Rätsel.

Zumeist wird der Krimi jedoch von Ilsa selbst erzählt und so erlebt man, wie die freundschaftliche Geste von Ilsa sich für sie bald zu einem massiven Problem ausweitet. Friederike Schmöe erzählt die Story zügig, unterhaltsam und fesselnd. Der rätselhafte Unfall, das Verhalten von Moni wie auch das von Gerolfs Familie und nicht zu vergessen der namenlose Student, werfen mit der Zeit viele Fragen auf und so nach und nach verbinden sich diese losen Enden zu einer sehr spannenden Story. Die Autorin versteht es hierbei sehr gut, die Spannung kontinuierlich voranzutreiben und den Krimi atmosphärisch dicht und wendungsreich zu erzählen.

Neben der fesselnden Story überzeugen auch die Charaktere. Wobei so mancher sein wahres Gesicht erst im Verlauf des Krimis zeigt. Im Fokus steht klar die Drummerin Ilsa, eine sehr energische, selbstbewusste, ungeduldige Frau Mitte Dreißig, die gerade dabei ist, wieder Ordnung in ihr Leben zu bringen. Das sie dabei die Probleme der vollkommen verschüchterten und verschlossenen Moni nicht gebrauchen kann, die hoffnungslos verstört ist und regelrechte Panikanfälle bekommt, wenn sie sich außerhalb des Ferienhauses aufhalten muss, steht außer Frage. Aber Moni so einfach auf die Straße setzten, das bringt Ilsa dann auch wieder nicht übers Herz.

Fazit: Ein eiskalter Krimi zur Adventszeit, der mit einer spannenden Story überzeugt.

Bewertung vom 21.10.2013
Das Schwert des Normannen / Normannensaga Bd.1
Schiewe, Ulf

Das Schwert des Normannen / Normannensaga Bd.1


ausgezeichnet

Das gelobte Land

Ulf Schiewe erzählt in seinem neuesten Roman die Anfänge der Besetzung Süditaliens durch die Normannen und beschreibt hierbei interessant und unterhaltsam die komplizierte politische Lage Süditaliens zur damaligen Zeit. Hervorragend recherchiert und sehr anschaulich erlebt man so das aufregende, gefahrvolle wie abenteuerliche Leben des Normannen Robert Guiscard von Hauteville (ca. 1015 – 1085), welcher den Beinamen das Schlitzohr trug. Die Geschichte selbst erlebt man aus Sicht des jungen Gilbert, der als Fünfjähriger in das Haus de Hauteville kam.

Die Normannen nehmen den beschwerlichen Weg ins Mezzogiorno gerne auf sich. In ihrer Heimat, der Normandie, haben sie keine Zukunftsperspektiven und Süditalien verspricht Reichtum und Einfluss. Doch die Ankunft bei Roberts Halbbruder fällt ernüchternd aus. Die Neuankömmlinge sollen auf ein weit entlegenes Lehen in Nordkalabrien ziehen. Damit unzufrieden, beginnt Robert wieder mit seinen Raubzügen, die immer wagemutiger werden und schließt sich zeitweise als Söldner dem streitsüchtigen Pandulf von Capua an, sehr zum Ärgernis seines Halbbruders.

Problemlos gelingt es Ulf Schiewe seinen Lesern das gefahrvolle, entbehrungsreiche Leben des 11. Jahrhunderts vor Augen zu führen, in dem ein Menschenleben oft nicht viel zählt. Die Geschichte ist durchsetzt mit einer Fülle von Informationen aus dieser Zeit. Absolut ungeschönt, abwechslungsreich und fesselnd bringt Ulf Schiewe einem so das Leben von Robert Guiscard de Hauteville und seinen Gefährten näher.

Robert tritt äußerst selbstsicher und zielstrebig auf, ist der geborene Anführer und wie selbstverständlich nimmt der Normanne sich das, was ihm seiner Meinung nach zusteht. Sein Führungsstil bleibt auch nicht lange den lombardischen Fürsten verborgen und so haben Robert und seine Gefährten bald einen starken Verbündeten. Sein Streben nach Macht und sein unbarmherziger Wille treiben Robert immer weiter in Richtung Herrschaft und Reichtum.

Aber in dem Roman geht es nicht ausschließlich um das Leben von Robert Guiscard de Hauteville und dessen Anfänge im Mezzogiorno, dem komplizierten, zerrissenen politischen Machtgefüge in Süditalien und den vielen Raubzügen und Kämpfen, hier auch die Schlacht von Civitate, bei der Robert und seine Normannen gegen Papst Leo IX. in den Kampf zogen.

Die Liebe kommt ebenfalls nicht zu kurz, wirkt aber eher etwas zurückhaltend in der Umsetzung. Bei der Flucht aus der Normandie ist von Anfang an auch die junge Gerlaine mit dabei, Gilberts hellsichtige Freundin, welche sehr entschlossen und selbstbewusst auftritt und bald unter den Gefährten als deren Maskottchen angesehen wird. Auch Robert, kaum in Süditalien angekommen, verliebt sich sofort in die schöne Alberada, eine Tante seines Wohltäters, dem normannischen Anführer Girard von Bonauberge.

Somit hält man neben einer authentisch und überzeugend erzählten Geschichte über die Eroberung Süditaliens durch die Normannen auch einen atmosphärisch dichten Roman in Händen, in dem Emotionen und die Liebe nicht zu kurz kommen, diese sich dabei aber nie in den Vordergrund drängen.

Fazit: Ein opulenter, spannender und äußerst interessanter Roman über die Besiedelung Süditaliens durch die Normannen.

Bewertung vom 17.10.2013
Verdis letzte Versuchung
Singer, Lea

Verdis letzte Versuchung


sehr gut

Verdis letzte Liebe

Seit mehr als zwölf Jahren verheiratet lebten Giuseppe Verdi und seine Frau Giuseppina ein glückliches, zufriedenes Leben, bis Verdi die Primadonna Teresa Stolz kennenlernte. Bei den Proben zu seiner Oper „Macht des Schicksals“ traf Verdi auf die deutlich jüngere Sopranistin. Mit der Zeit wird die Stolz immer wichtiger für Verdi und seine Frau musste dies erdulden. Die Situation schien sich zuzuspitzen als Verdi die Sopranistin für seine neue Oper „Aida“ engagieren möchte.

Es ist ein ruhiger, leiser und tiefsinniger Roman, in dem Lea Singer die letzten Jahre von Verdi erzählt. Nach einer kurzen Einführung startet der Roman im Jahr 1868 und endet 1879.

Lea Singer erzählt ihren Roman sehr einfühlsam und auf eine etwas eigenwillige, eher ungewohnte Art. Der Roman ist wie ein Tagebuch angelegt, in dem Giuseppina, Verdi und Teresa immer abwechselnd ihre Gedanken niederschreiben. Die Geschichte wird in Etappen erzählt und umfasst dabei wichtige, einschneidende Ereignisse zwischen den Jahren 1868 - 1879.

Obwohl der Roman eher ruhig angelegt ist, spürt man aber bei Verdi immer wieder seinen aufbrausenden Charakter. Unverblümt und direkt äußerste er sich, gerade auch in seinen reichlichen Briefen, ungeachtet dessen, wie die Empfänger seiner Worte diese auffassten. Bei seiner Ehefrau dagegen, von Verdi liebevoll Peppina genannt, fühlt man deren bohrende Eifersucht auf die Kontrahentin, auch wenn sie Teresa gegenüber zumeist immer äußerst freundlich und zuvorkommend auftrat. Aber innerlich brodelte es in Giuseppina, eifersüchtig beobachtete sie jede Regung von Verdi. Teresa dagegen fühlte sich verloren in der Opernwelt, in Böhmen aufgewachsen und nirgends richtig zu Hause, hatte die Sopranistin Angst um ihre Zukunft und wurde teilweise von ahnungsvollen Alpträumen geplagt.

Es kam zwischen den drei Protagonisten niemals zu einer Konfrontation, die wahren Gefühle wurden voreinander zurückgehalten, nur in ihren Gedanken konnten sie diese schweifen lassen, sich ihnen hingeben und oft habe ich mir gewünscht, dass ein reinigendes Gewitter die Fronten klar geschliffen hätte. Aber dies gehörte bei keinen der Drei zu ihren Charaktereigenschaften, war möglicherweise auch den gesellschaftlichen Ansichten der damaligen Zeit geschuldet.

Natürlich kann bei einem Roman über Verdi dessen Musik nicht zu kurz kommen und man merkt bei jeder Zeile, dass Lea Singer nicht nur das private Leben von Verdi bestens recherchiert hat, sondern sich sehr gut in dessen Kompositionen und Opern auskennt. Das intrigante, machthungrige, und voller Missgunst beseelte Leben der Opernwelt führt Lea Singer einem ebenso bildlich vor Augen wie das Privatleben von Verdi, welches sich oft auf einem Landgut in Italien abspielte. Und auch das anspruchsvolle Mailänder Opernpublikum, welches nicht davor zurückschreckte, eine Oper, einen Sänger oder Sängerin in der Scala gnadenlos auszubuhen, kommt in dem Roman nicht zu kurz.

Fazit: Ein emotionaler wie tiefsinniger Einblick in die letzten Jahre von Giuseppe Verdi und seiner letzten Versuchung.

3 von 3 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 11.10.2013
Im Zeichen des Aries / Morbus Dei Bd.3
Zach, Bastian;Bauer, Matthias

Im Zeichen des Aries / Morbus Dei Bd.3


ausgezeichnet

Gelungener Abschluss der Trilogie

Österreich im Jahre 1704: Elisabeth ist die Gefangene von General Gamelin, der einen perfiden Plan mit ihrer Hilfe verfolgt, der nicht nur tödlich für Elisabeth enden kann, sondern auch für Turin äußerst gefährlich werden könnte. Währenddessen macht sich Johann List zusammen mit dem Preußen und weiteren Freunden von Wien aus auf die Suche nach Elisabeth. Doch ihre Wege trennen sich bald, denn auch das Tyroler Dorf von Elisabeth ist einer tödlichen Bedrohung ausgesetzt. Während Johann sich zusammen mit Leutnant Wolf an die Fersen von General Gamelin heftet, begeben sich Heinz der Preuße und seine Mitstreiter in die Tyroler Berge.

Wie bereits im 2. Teil fügt sich auch der Abschluss der Trilogie nahtlos an den Vorgängerband an und hierdurch befindet man sich sofort wieder mitten im Geschehen.

Gnadenlos ist Elisabeth der Willkür des grausamen französischen Maréchal Gamelin ausgesetzt, dessen Ziel die mächtige Festung Turin ist. Elisabeths Gedanken kreisen dabei immer wieder um Johann, ihrem ungeborenen Kind und einer möglichen Flucht. Dabei ist ihre Krankheit allgegenwärtig und der Aufenthalt bei Tageslicht wird zusehends schwieriger für sie.

Währenddessen ist Johann nur von einem einzigen Gedanken erfüllt. Er muss um jeden Preis Elisabeth retten. Stellenweise recht kopflos möchte er hier vorgehen und wird von seinem Freund, dem Preußen, immer wieder gezügelt. Unerwartete Unterstützung erhalten die Freunde bald von Georg Maria Wolf, einen Leutnant, der ebenfalls die Spur von Gamelin verfolgt und den Freunden bald tapfer zur Seite steht.

Der dritte Band führt einen quer durch Tyrol bis nach Italien, aber die Autoren führen ihre Leser auch wieder zum Ursprung der Geschichte zurück, in das Dorf von Elisabeth, wo alles begann. Die Ausgestoßenen leiden nicht nur unter ihrer Krankheit und können Arbeiten nur nach Sonnenuntergang verrichten, zudem sind sie auch einer tödlichen Gefahr in Form des kirchlichen Abgesandten Antonio Sovino ausgesetzt, der die Krankheit und somit die Dorfbewohner ein für alle Mal vernichten will.

Und somit wechselt die Story ständig zwischen Elisabeths Erlebnissen, Johanns verzweifelter Suche nach seiner großen Liebe und den Ausgestoßenen, bei denen so langsam so etwas wie Normalität einkehrt. Der Schreibstil des Autorenduos Bauer / Zach ist wieder gewohnt bildhaft, lebhaft und fesselnd. Gebannt verfolgt man die Abenteuer ihrer Protagonisten, die Story wird jederzeit schlüssig erzählt und die Spannung ebbt nur selten ab. Die Stimmung des Romans ist etwas düster, fast schon beklemmend, aber dieser gruselige Hauch des ersten und teilweise auch noch des 2. Bandes fehlt dieses Mal vollkommen. Geschuldet ist dies natürlich durch das Wissen, wer „die Anderen“ sind.

Fazit: „Morbus Dei – Die Stunde des Aries“ ist ein absolut gelungener, atmosphärisch dicht umgesetzter und fesselnd geschriebener Abschluss einer grandiosen Trilogie.

12 von 21 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.