Die dritte Hälfte eines Lebens

gut

Habe das kurzweilige Buch an einem gemütlichen Nachmittag verschlungen. Durch den markanten Schreibstil lässt es sich auch leicht in einem Rutsch durchlesen, wenngleich der prägnante Schreibstil aus meiner Sicht das Dorfleben gut wiederspiegelt. Kurz und auf den Punkt, nicht groß drum herum reden (oder überlegen, wenn es um Dorftratsch und Vorurteile geht). Das Buch deckt wichtige Themen des Lebens ab, mich persönlich hat es zum Teil sehr getroffen, wie das Dorfleben insbesondere für "Andere/Fremde" - leider zum Teil realistisch- dargestellt wird. Insgesamt ein sehr nettes und wichtiges Buch, dennoch für mich kein Jahreshighlight, da Spannungsbögen und Persönlichkeitsentwicklungen fehlen. Obwohl das Buch recht schmal erscheint, ist es dennoch kein Buch, das auf die leichte Schulter genommen oder unterschätzt werden sollte, wenn man sich ernsthaft darauf einlassen möchte und die Schicksalsschläge nicht als fiktiv für sich stehen lässt...

Der Papierpalast

ausgezeichnet

Ein unfassbar packendes und emotionales Buch. Selten hat eine Autorin es so gut verstanden, alle Sinne anzusprechen (ich hatte das Gefühl, an einem Sommermorgen mit am See sein zu dürfen). Eine ausgezeichnete, bildhafte Sprache, die schnell auch eine emotionale Bindung zur Protagonistin entstehen lässt. Eine Geschichte, die wichtige Lebensentscheidungen hinterfragen lässt und mit Unsicherheit und auch Hilflosigkeit spielt. Es wird ein transgenerationaler Blick eingenommen, der nachvollziehbar und authentisch skizziert, wie wir Menschen Entscheidungen und Lebensgestaltungen einnehmen, weil der Weg so vorbestimmt zu sein scheint. Elle, die Protagonistin, hinterfragt dies jedoch für sich und nimmt uns mit auf diese fragende Reise -"Status quo oder Veränderung, Sicherheit oder Unsicherheit?".
Eine absolute Lesensempfehlung für alle, die die Mischung aus leichten Sommerabenden und emotionalen Anregungen/Schwere schätzen!

Das Vorkommnis / Biographie einer Frau Bd.1

ausgezeichnet

Kopfstand im eigenen Leben

Ich habe das Buch an zwei Abenden (und das nur, weil ich unterbrochen wurde) regelrecht verschlungen.
Julia Schoch hat eine authentische Protagonistin geschaffen, die durch das Zusammentreffen mit ihrer Halbschwester aus der vertrauten und haltgebenden Bahn geworfen wurde und ihr Leben, ihre Vergangenheit, wie auch ihre Zukunft mit Zweifeln und Unsicherheit betrachtet. Eine Frau, die das Vertrauen in sich und in die Welt um sie herum hinterfragt, regelrecht anzweifelt.
Julia Schorchs Schreibstil ist präzise, auf den Punkt und schafft dadurch - zumindest aus meiner Sicht - einen tollen Spagat aus kurzatmig lesbar, fesselnd und zugleich emotional und auf eine schöne Art aufwühlend. Manchmal braucht es einfach nicht viele Worte oder lange Sätze, sondern das Gegenteil - so schnelllebig und vergänglich wie das bekannte Leben der Protagonistin.
Ein Roman, der zum Nachdenken einlädt und Heimatlosigkeit aus einem anderen Blickwinkel betrachten lässt. Ich empfehle das Buch uneingeschränkt an alle weiter, die ein Buch suchen, was nachhallt. Allein Sätze wie "es ist gut, hin und wieder ängstlich sein zu dürfen" (S. 129) begleiten mich lange.