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Benutzername: 
hasirasi2
Wohnort: 
Dresden

Bewertungen

Insgesamt 1113 Bewertungen
Bewertung vom 26.06.2024
Mord in Shady Hollow (MP3-Download)
Black, Juneau

Mord in Shady Hollow (MP3-Download)


sehr gut

Wurde Otto zweimal ermordet?

„Otto war ein Kauz, dessen liebstes Hobby es war, anderen Tieren auf die Füße zu treten.“ Trotzdem sind die Einwohner von Shady Hollow erschrocken, als er eines Morgens erstochen im Teich schwimmt. Denn er hat sich zwar mit fast allen gestritten, aber niemandem geschadet. Und es kommt noch schlimmer. Die Leichenschau ergibt, dass der Kröterich vergiftet wurde, bevor man ihn erstach. Gibt es zwei Täter oder nur einen, der ganz sicher gehen wollte?! Die Polizei scheint nicht besonders motiviert zu sein, den Fall aufzuklären. Der Chief geht lieber angeln und Deputy Orville Brown ist überfordert. Er schießt sich schnell auf den kleinkriminellen Waschbären Lefty ein, weil sein Pfotenabdruck am Seeufer gefunden wurde. Aber die Journalistin Vera Vixen, eine schlaue Füchsin, die früher für das Verbrechensressort einer großen Zeitschrift geschrieben, sieht das anders: Lefty ist zu doof, um einen Obststand ausrauben und musste von der Polizei schon mal aus der Bank befreit werden, die er eigentlich ausrauben wollte … Also nimmt sie eigene Ermittlungen auf.

„Mord in Shady Hollow“ ist der Auftakt einer charmanten Cosy-Crime-Reihe, in der Tiere die Täter, Opfer und Ermittler sind. Das klingt zuerst zwar etwas ungewöhnlich, aber die Autorinnen haben es geschafft, für jeden Protagonisten das passende Tier zu finden.
Neben der schlauen Füchsin Vera als Ermittlerin, gibt es u.a. ein Stinktier als ihren stets muffeligen und auf Krawall gebürsteten Chef, eine immer aufgeregt quasselnde Kolibridame als Klatschreporterin, eine Eule als allwissenden Philosophieprofessor, eine Räbin als krimiliebende Buchhändlerin, einen sehr entspannten Elch, der das Café des Örtchens führt, ein Bieberfamilie als Sägewerkbesitzer, einen geheimnisvollen Pandabären, der gerade ein chinesisches Restaurant eröffnet hat und eben die beiden sehr gemütlichen Braunbären als Polizisten.
Mir gefällt zudem, dass die Tiere stellenweise unerwartet philosophisch sind: „Mord ist nicht angsteinflößend, weil er verrückt ist, sondern weil er unumkehrbar ist.“

Die Ermittlung gestaltet sich als unterhaltsamer Wettstreit zwischen Vera und Deputy Orville, denn während er noch Handbücher wälzt, kann sie auf die Unterstützung ihrer Freunde, ihre gute Nase und ihre langjährige Erfahrung im Verbrechensressort zählen. Durch einen weiteren Toten und immer neue Hinweise und Verdächtige wird die Spannung bis zum Schluss gehalten. Zudem erinnern Shady Hollwow und Jo`s Café erinnern sicher nicht nur zufällig an Stars Hollow …

Besonders erwähnen möchte ich die Sprecherin Astrid Kohrs, die es schafft, jedem Tier eine einzigartige Stimme zu geben: wenn der Kolibri sirrt und schwirrt, wird auch ihre Stimme atmelos, während sie bei den Bären behäbig klingt und bei Vera schlau und gewitzt. Eine ganz großartige Leistung.

Bewertung vom 24.06.2024
Sie tanzt am liebsten barfuß
Hucke, Petra

Sie tanzt am liebsten barfuß


sehr gut

Das Flirren eines Sommers

„Manchmal tanzt du in deinem Zimmer. Barfuß. Manchmal bist du witzig, zumindest in Gedanken – in Gesellschaft traust du dich nie.“ (S. 28)
Seit dem Tod ihres Bruders ist es still im Haus geworden. Gillian Granger, die schon immer unsicher war, hat sich noch mehr zurückgezogen. Wenn sie sich wenigstens endlich für einen Ehemann erwärmen würde, hofft ihre Mutter, immerhin ist Gillian schon über 20! Doch die empfindet sich als zu groß, hässlich und schlaksig, sowas findet doch kein Mann schön! Als dann die Nachricht kommt, dass ihr Großonkel auf Guernsey gestorben ist, schickt ihre Mutter sie zusammen mit dem Dienstmädchen Tessa hin, um sich um das Erbe zu kümmern. Bis dahin hatte Gillian noch nie von dem Zweig der Familie gehört.
Am Tag nach der Beerdigung wird eine Kiste ins Haus ihres Großonkels geliefert, die sie bei der Anreise angeblich verloren hat. Sie hat die Truhe noch nie gesehen, aber es steht ihr Namen drauf, als öffnet sie sie. Darin sind lauter Dinge, die ihr nicht gehören, ihr und der Inselbewohnern aber neue Impulse geben werden.

Petra Hucke hat für ihren Roman eine ungewöhnliche Erzählperspektive gewählt, an die ich mich erst gewöhnen musste. Sie lässt sie von der Gran`Mère du Chimquière, einer alten Statue vor der Friedhofsmauer von Grandes Roches, einem Ort auf Guernsey, erzählen. Die „Großmutter“ steht schon sehr lange da, kennt die kleinen und großen Geheimnisse „ihrer“ Kinder, der Bewohner der Insel, und ist der Meinung, dass die stille Gillian genau die richtige ist, bei der Lösung einiger Probleme zu helfen.

Gillian blüht auf Guernsey auf. Niemand sieht sie schräg an, weil sie gern barfuß läuft (zum ersten Mal in ihrem Leben am Strand) oder tanzt. Sie, die sich bisher nur ungern anfassen oder gar umarmen lässt, nimmt plötzlich andere in den Arm, um sie zu trösten oder Kraft zu spenden, und es fühlt sich völlig natürlich an. Außerdem hat sie sich immer eine Freundin gewünscht und auf die gleichaltrige Tessa gehofft. Jetzt begreift sie, dass sie die dafür gleichberechtigt und nicht wie ein Dienstmädchen behandeln muss.
Zudem lernt sie eine funktionierende Gemeinschaft kennen, in der man füreinander da ist. Zum Beispiel, als Henriettas Mann nach drei Jahren auf See wieder nach Hause kommt. Dann stehen alle Nachbarn hinter ihr und auch Gillian hilft unbewusst mit den ersten Stücken aus der geheimnisvollen Truhe.
Mit jedem weiteren Geschenk aus der Truhe hilft sie einem anderen Bewohner. Nur für ihr eigenes Problem findet sie keine Lösung. Sie hat sich in den wunderschönen Alexander verguckt, der außerhalb des Dorfes allein in einem Haus lebt und noch schüchterner als sie zu sein scheint.

Das Buch ist wie das Flirren eines Sommers, alles ist etwas unscharf, manchmal auch verwirrend wie ein Fiebertraum, wenn Gran`Mère wieder einmal eingreift und ihre Magie wirken lässt – man sollte sich auf ein phantastisches Abenteuer einlassen können …

Bewertung vom 24.06.2024
Das kleine Bücherdorf: Sommerzauber / Das schottische Bücherdorf Bd.4
Herzog, Katharina

Das kleine Bücherdorf: Sommerzauber / Das schottische Bücherdorf Bd.4


sehr gut

Das Kleid ihrer Träume

„Welche Geschichten außer meiner eigenen hast du mir zu erzählen?“ (S. 72)
Seit Jahren betreibt Ann das Vintage & Couture in Swinton, einen Second-Hand-Laden für Couture. An jedem Kleidungsstück stecken Briefe der Vorbesitzerinnen, wenn Ann sie noch darum bitten konnte, ansonsten denkt sie sich die Geschichten dazu selber aus.
Von Beginn an hängt im Schaufenster ein Brautkleid, das Valentino angeblich für Jackie Kennedy entworfen hat, bevor er berühmt wurde. Eines Tages betritt eine Kundin den Laden und will es kaufen, aber Ann würde sich nie davon trennen, weil es eine ganz besondere Bedeutung für sie hat. Die Kundin gibt sich als Lektorin eines Verlag zu erkennen. Sie hat von den Briefen gelesen und bietet ihr einen Vertrag für einen Roman an, der sich um das Valentino-Kleid dreht. Ann, die unter einem geschlossenen Pseudonym sehr erfolgreich erotische Liebesromane schreibt, ist begeistert – endlich würde ein Buch unter ihrem Klarnamen erscheinen. Doch da sie nur ungern erzählen möchte, was sie mit dem Kleid verbindet, beginnt sie nach dessen Vorbesitzerin zu forschen. Dabei hilft ihr ausgerechnet ihre erste große Liebe Ray, der ihr vor Jahren das Herz gebrochen hat und jetzt zurückgekehrt ist, um Swinton Manor in ein Luxushotel umzubauen.

„Sommerzauber“ ist der letzte Band der bezaubernden Bücherdorf-Reihe von Katharina Herzog und hat mich sofort wieder in den Swinton-Kosmos gezogen. Ich liebe ihren wunderbar leichten, mitreisenden Schreibstil, die sympathischen Protagonisten und das Prickeln, das nicht nur in Anns Büchern vorkommt – denn neben Ray bringt auch ihr Ex-Mann Colin ihr Herz plötzlich wieder zum Tanzen. Und dann ist da noch ihre Tochter Isla, die zu ihrer Hochzeit mit Alec unbedingt das Valentino-Kleid tragen möchte. Kann Ann, die das Kleid für einen Unglücksboten hält, ihr das ausreden?

„… mit jedem Buch wurde sie süchtiger nach diesen kleinen Auszeiten, die ihr die Möglichkeit gaben, ihre Gefühle und Leidenschaften auszuleben, die in ihrem Alltag auf der Strecke blieben.“ (S. 18)
Ich mochte Ann sofort, die ihre Kreativität und unerfüllten Sehnsüchte in ihren „Nackenbeißer“-Romanen auslebt. Als jetzt die Gefahr besteht, dass ihr Pseudonym gelüftet wird, hat sie natürlich Angst, was die anderen Bewohner von ihr denken – zumal die Bücher auch noch hauptsächlich als eBooks veröffentlicht werden, ein echter Frevel im Bücherdorf! Dass sie dazu auch noch plötzlich zwischen zwei eigentlich längst Verflossenen steht, macht es noch spannender. Und was sie
Über das Brautkleides herausfindet, hat mich sehr berührt und die Geschichte perfekt abgerundet.

Damit wir Leser:innen beruhigt mit der Reihe abschließen können, erzählt Katharina Herzog auch die Geschichten der anderen Einwohner weiter. So erfährt man z.B., wie es Vicky, Graham und Finlay inzwischen geht und dass sich Nanette regelmäßig mit Lord Spencer trifft. Ein gelungener Abschluss der Reihe, auch wenn es sicher noch weitere Geschichten zu erzählen gäbe.

Bewertung vom 22.06.2024
Graue Schnauze, großes Herz
Frey Dodillet, Michael;Strodtbeck, Sophie

Graue Schnauze, großes Herz


ausgezeichnet

Macht das Abschiednehmen etwas leichter

„Genauso wie es zu Beginn des Hundeleben mindestens zwei bis drei Jahre braucht, bis der Hund voll da ist, sind es am anderen Ende oft zwei bis drei Jahre, in denen er immer weniger wird. Ein Abschied in mehreren Akten.“ (S. 179)
Wenn man seinen Hund zum allerersten Mal im besten Fall als Welpen auf den Arm nimmt, denkt man nicht darüber nach, wie er mal endet. Bei unserem Buddy waren bald wir der festen Überzeugung, dass er entweder beim Spielen tot umfällt oder überfahren wird, weil er leider trotz Schleppleine immer wieder abgehauen ist. Anfang Juni diesen Jahres ist er 16 geworden und sein Ende nicht mehr weit. Wie der Beagle der Tierärztin und Autorin Sophie Strodtbeck hat er schon lange überall Tumore, inzwischen breiten sie sich von der Milz in Richtung Lunge aus. Und wie sie haben wir ihm und uns versprochen, dass er gehen darf, bevor er nicht mehr gehen kann – aber noch läuft er, wenn er inzwischen auch 25 min pro Kilometer braucht. Doch noch rennt er die letzten 200 m bis zum Fressnapf (dem Laden) wie ein junger Gott. Und auch seinen Lieblingseisalden, den es erst seit einem Jahr gibt, findet er trotz Demenz problemlos.

Als mir „Graue Schnauze, großes Herz“ letztes Jahr im Herbst auf der Buchmesse ans Herz gelegt wurde, war mir noch nicht klar, wie nah mir das Thema jetzt gehen würde. Inzwischen fühle ich sehr mit Sophie Strodtbeck und Michael Frey Dodillet mit. Sie haben (hatten) auch beide alte Hunde und kennen das Drama, wenn die lieben Kleinen immer sturer und langlebiger werden – unser Hund liegt lt. Tierarzt seit über einem Jahr im Sterben, allein seit April ist er dem Tod schon dreimal von der Schippe gesprungen.

Nach dem Lesen weiß ich, ich hätte das Buch schon vor 2 Jahren gebraucht, aber zum Glück haben wir vieles intuitiv richtig gemacht. Mit viel Humor und Kompetenz erzählen die beiden AutorInnen von ihren „Problemhunden“ und deren Älterwerden. Wie geh man z.B. mit der nächtlichen Unruhe, veränderten Fressgewohnheiten (Wir haben momentan 4 verschiedene Sorten Futter auf Vorrat und testen jeden Tag, was gerade genehm ist.), Erblinden und anderen Alterserscheinungen um? Wie lange bzw. oft lässt man den Tierarzt noch eingreifen, wenn es auf Kippe steht? All das erzählen sie mit viel Humor am Beispiel ihrer eigenen Tiere, bei denen ich mir mehr als einmal gesagt habe, dass Buddy zum Glück nicht ganz so schlimm war. Vielleicht sehe ich das inzwischen aber auch nur schon zu verklärt.

Am Ende schließt man das Buch mit einem lachenden und einem weinenden Auge und fühlt sich etwa besser auf das Abschiednehmen vorbereitet.

Bewertung vom 18.06.2024
Forgotten Garden
Gosling, Sharon

Forgotten Garden


ausgezeichnet

Wiederbelebung

Luisa ist erst 36, hat sich aber nach dem frühen Tod ihres Mannes zurückgezogen und arbeitet nicht mehr als Landschaftsarchitektin, weil sie das zu sehr an ihn erinnert. Da ruft der Patenonkel ihres Mannes an. Er hat in Collaton an der Küste Land gekauft, das er einem Wohltätigkeitsprojekt spenden will. Sie wollten damals doch einen Gemeinschaftsgarten anlegen, jetzt könnte sie das Projekt verwirklichen.
Obwohl sie schon nein gesagt hat, sieht Luisa es sich trotzdem an. Der Ort wirkt vernachlässigt, viele Geschäfte und Häuser stehen leer. Das Gelände für den zukünftigen Gemeinschaftsgarten ist komplett verwildert. Doch es hat Potential. Dann lernt sie Cas kennen, einen örtlichen Lehrer, der direkt nebenan einen Boxclub für Kinder aus schwierigen familiären Verhältnissen betreibt. Er findet die Idee toll, die Brache wiederzubeleben. Doch außer Harper, die gemeinnützige Arbeit leisten muss, hilft am Anfang niemand Luise. Erst nach und nach kommen immer mehr Bewohner und bringen ihre speziellen Fertigkeiten ein. Aus Einzelgängern wird wieder eine lebendige Gemeinschaft. Der Garten und die Einwohner blühen auf, Luisas Projekt trägt Früchte. „…Harper … hatte unversehens den Gedanken, dass Pflanzen die Welt verändern könnten.“ (S. 285)

„Forgotten Garden“ von Sharon Gosling erzählt genau wie ihre vorherigen Bücher eine sehr bewegende Geschichte.

Luisa hat sich abgeschottet und den Tod ihres Mannes nie überwunden. Sie will sich nicht wieder verlieben, um den Schmerz des Verlustes nicht noch einmal erleben zu müssen. Doch sie findet die Situation in Collaton erschreckend und erkennt sich in der Verlorenheit der Jugendlichen wieder. Und sie hofft, mit ihrem Projekt etwas bewegen zu können – doch dafür muss sie die Menschen von ihren Vorstellungen und Visionen überzeugen. Ihre ersten Unterstützer sind Cas` Schüler, denen es egal ist, ob sie sich am Boxsack oder dem Unkraut abreagieren.
Neben ihrer Muskelkraft bringen die Jugendlichen auch besondere Kenntnisse und Begabungen ein. Harper, die seit Jahren für ihren jüngeren Bruder sorgt, interessiert sich vor allem für das Problem der Klimaveränderung und Bewässerung, und Mo kennt sich mit Social Media aus. Aber der Gemeinschaftsgarten hat auch Gegner.

Der gesellschaftskritische Hintergrund hat mir sehr gut gefallen. Da sind zum einen die Jugendlichen, deren Eltern schon lange jegliche Hoffnung verloren haben und die ihre Kinder sich selbst überlassen. Seit die Fabrik vor Jahren (oder Jahrzehnten?) stillgelegt wurde, interessieren sie sich für nichts mehr. Doch die Jugend will dem Elend entkommen. Harper z.B. fiebert dem Tag ihrer Volljährigkeit entgegen, damit sie Collaton endlich zusammen mit ihrem kleinen Bruder verlassen und sich woanders eine echte Zukunft aufbauen kann.
Sharon Gosling zeigt auch, was Umweltbewusstsein bewirken kann, dass wir neuen Idee gegenüber aufgeschlossen sein sollten und dass wir von den nachfolgenden Generationen lernen können (und müssen) und was man zusammen alles erreichen kann. „… so habe ich gelernt, wie widerstandsfähig eine Gemeinschaft sein kann.“ (S. 391)

Mein Tipp für Fans von John Ironmongers „Der Eisbär und die Hoffnung auf morgen“.

Bewertung vom 15.06.2024
Promise Boys - Drei Schüler. Drei Motive. Ein Mord.
Brooks, Nick

Promise Boys - Drei Schüler. Drei Motive. Ein Mord.


sehr gut

Der Retter der verlorenen Jungen

„… einige Leute haben nicht begriffen, dass wir Männer formen wollten, und nicht kleine Jungs verhätscheln.“ (S. 28)
Die Urban Promise Prep Scholl ist eine reine Jungenschule, die benachteiligte bzw. „schwierige“ Jugendliche auf Kurs bringen und den Besuch des Colleges vorbereiten soll. Und sie scheint wirklich erfolgreich zu sein. Die Zahl derer, die es nicht auf eine weiterführende Schule schaffen, ist verschwindend gering. Um so größer ist der Schock, als Direktor Kenneth Moore eines Tages nach dem Unterricht erschossen wird. Die Verdächtigen sind drei Schüler, die an diesem Tag nachsitzen mussten: J.B., der extrem schlau ist, Trey, einer der besten Basketballspieler der Schule, und Ramón, der sehr gut kochen kann und von einem eigenen Restaurant träumt. Sie alle sind keine typischen Nachsitzer und an dem Tag wirklich wütend auf Moore – aber auch wütend genug, um abzudrücken?

„Promise Boys“ ist ein sehr spannender Jugendkrimi, auch wenn der Erzählstil etwas gewöhnungsbedürftig ist. Ich vermute, dass sich der Autor am Konsumverhalten der TikTok-Generation orientiert hat und darum immer wieder Sprüngen und Wechsel zwischen den Erzählenden in die zum Teil sehr kurzen Kapitel einbaut, um die jungen Leser bei der Stange zu halten.
Das Setting aber ist großartig. Die Promise ist ein Vorzeigeprojekt, dass sich u.a. durch Spenden finanziert und mit den Erfolgen seiner Schüler wirbt. Allerdings erreichen Moore und die Lehrer das nicht durch besonders ausgeklügelte Lehrmethoden, sondern durch militärischen Drill und absolutem Gehorsam. Nach außen spielt man sich als Retter der Jungen auf, in Wirklichkeit werden sie mit unnachgiebiger Härte und Strenge erzogen und dabei oft gebrochen. „Nicht auffallen, gute Noten schreiben und dafür aufs College kommen, weit weg von hier.“ (S. 45) Sie dürfen nicht miteinander reden oder lachen und müssen immer im Gänsemarsch auf einer blauen Linie hintereinandergehen, alle im genau gleichen Takt. Ihre Uniform hat perfekt zu sein, nirgendwo ein Schmutzfleck, eine verrutschte Naht oder fehlende Krawatten, Schuhe, in denen man sich spiegeln kann. Außerdem werden schlechte Schüler vor dem Abschluss einfach weggelobt, um die Zahlen zu beschönigen.

Nick Brooks erzählt die Handlung abwechselnd aus der Sicht der Verdächtigen, ihrer Familien und Freunde. Die drei wurden nach der Befragung durch die Polizei von der Schule suspendiert, haben Hausarrest und drehen fast durch, denn sie wissen, dass sie es nicht waren. Aber vielleicht einer der anderen beiden? Unabhängig voneinander stellen sie erste Ermittlungen an, kommen aber erst weiter, als sie sich endlich zusammenschließen. Doch das gegenseitige Vertrauen fällt den Außenseitern schwer – was, wenn der Täter doch unter ihnen ist und für seine Zwecke benutzt!?

Mich konnte der Täter am Ende überraschen – Euch auch?!

Bewertung vom 13.06.2024
So ist das nie passiert
Collins, Sarah Easter

So ist das nie passiert


ausgezeichnet

Ein denkwürdiger Abend

Vor 22 Jahren ist Willas jüngere Schwester Laika verschwunden und trotz sofortiger großangelegter Suche der Polizei nie gefunden worden. Zuerst ging man von einer Entführung aus, dann von einem Verbrechen, obwohl es keine Hinweise darauf gab. Seit 22 Jahren dreht sich Willas Leben um die Suche nach ihr, schon unzählige Male hat sie sich eingebildet, Laika zu sehen, doch sie war es nie. Während ihr Vater erschreckend kühl und rational damit umgeht, ist ihre Mutter daran zerbrochen.
Als ihre Freundin Robyn sie jetzt zu einem Abendessen einlädt lernt sie dort zwei Frauen kennen, die vom Aussehen und Alter her beide Laika sein könnten. Eine von ihnen, Liv, ist Psychologin und macht ihr mit einer Übung klar, wie sich Erinnerungen im Laufe der Zeit verändern: „Es ist tatsächlich erstaunlich, wie leicht das menschliche Gehirn getäuscht und dazu gebracht werden kann, sich an etwas zu erinnern, dass nie passiert ist.“ (S. 38)

„So ist das nie passiert“ erinnert an ein Sternfahrt, alle Handlungsstränge und Geschichten beginnen und enden mit dem Essen der Freunde und wird überwiegend aus Robyns und Willas Sicht erzählt.
Robyn hat Willa direkt nach Laikas Verschwinden kennengelernt, weil Willa „danach“ auf eine andere Schule geschickt wurde, um Abstand zu gewinnen und von der Presse ferngehaltem zu werden. Sie teilten sich ein Zimmer, wurden Freundinnen und Partnerinnen, aber mit dem Schulabschluss hat Willa die Beziehung beendet – sie stehe eigentlich gar nicht auf Frauen. Trotzdem sind sie Freundinnen geblieben. Robyn erinnert sich u.a. an den Sommer, den sie zusammen bei ihren Eltern verbracht haben und indem ihr Vater, ein berühmter Tonkünstler, ihnen Kintsugi näher gebracht hat. „Man kann alles heil machen, so lange man das richtige Werkzeug hat.“ (S. 19) Aber Willa kann auch er nicht heilen, denn obwohl sie viel aus der Zeit vor Laikas Verschwinden erzählt, hält sie noch mehr – oder hat es verdrängt.
Wenn sich Willa an die Zeit vor Laikas Verschwinden erinnert, dann sieht sie eine glückliche Familie, in der es an nichts mangelte. Aber Livs Worte über Erinnerungen geben ihr zu denken. Sie gesteht sich immer mehr ein, wie es wirklich war und warum sie sich auch so viele Jahre nach Laikas Verschwinden noch die Schuld daran gibt: „… ich war so damit beschäftigt, sie vor sich selbst zu schützen, dass ich vergaß, sie vor der Außenwelt zu warnen. Ich hätte ihr sagen sollen, dass es da draußen Menschen gab, Männer, sogar Frauen, die ihr etwas antun konnten.“ (S. 73)

Sarah Easter Collins Roman ist eine psychologisch komplexe, extrem spannende Familiengeschichte. Sie dreht sich um Willas und Laikas Kindheit und Jugend, um Willas verdrängte oder beschönigte Erinnerungen und hat mich sehr berührt. Willa scheint nämlich zu vergessen, dass sie damals beide noch Kinder bzw. Teenager waren und sie gar nicht so viel hätten machen können. Eine aufwühlende Geschichte, die zum Nachdenken anregt.

Bewertung vom 09.06.2024
Das Glück liegt am Strand
Below, Christin-Marie

Das Glück liegt am Strand


ausgezeichnet

Einfach mal raus

Liv ist gern Intensivkrankenschwester, aber langsam wird ihr alles zu viel. Sie muss oft Überstunden machen und für Kollegen einspringen, eine ältere Lieblingspatientin stirbt, eine ehemalige Mitschülerin landet auf ihrer Station und überlebt nur knapp. Dann quartiert sich auch noch ihre Mutter bei ihr ein, weil sie ihren Partner verlässt und von Teneriffa zurück nach Deutschland zieht. Liv muss einfach mal raus. Also lässt sie die geplante Weiterbildung sausen und besucht stattdessen ihre Schwester Jo(hanna) auf Norderney.

„Es ist nie zu spät, wiederzukommen.“ (S. 52)
Liv und Jo haben früher ihre Herbstferien mit Oma und Opa auf der Insel verbracht und viele schöne Erinnerungen daran, darum hat sich Jo dort auch mit einem kleinen Inselcafé selbstständig gemacht. Leider sind die Schwestern sehr verschieden und es kommt schnell zum Streit. Liv fühlt sich übergangen, weil Jo nur von ihren Problemen erzählt und nach ihrer Mutter fragt, sich aber nicht für Liv zu interessieren scheint. Außerdem nutzt sie das seltene, handbemalte Porzellan ihrer Oma, das immer nur in der Vitrine stand, im Café. Doch als Jo Liv gesteht, dass sie geschäftliche Probleme hat, raufen sie sich zusammen und nehmen an einer geheimnisvollen Schatzsuche teil, um das Café zu retten. Und dann lernt Liv auch noch Keno kennen, der längst vergessen geglaubte Gefühle in ihr weckt …

Liv steht kurz vor einem Burnout und will auf der Insel zur Ruhe kommen, aber sie steht sich wie oft selbst im Weg. Sie grübelt und kann nicht loslassen, will (schon von Berufs wegen) keine Fehler machen und nimmt sich viel zu wenig Zeit für sich.
Jo ist viel offener und mutiger, dafür verdrängt sie Probleme gern und hofft, dass die sich von alleine lösen. Sie hat viele Freunde, die ihr gern helfen, traut sich aber nicht, ihre Familie um (monetäre) Hilfe zu bitten, weil es wie ein Eingeständnis des Scheiterns klingen könnte.

Ich liebe die Bücher von Christin-Marie Below, weil ich in ihnen sofort ankomme und mich wohlfühle und sie ohne die typischen, vorhersehbaren Wendungen und Happy Ends auskommt.

„Das Glück liegt am Strand“ ist eine wunderschöne Geschichte über zwei Schwestern, die sich (wieder) zusammenraufen, mit zarten Liebesgefühlen, dem Hauch von Neuanfang in der Luft und ganz viel Norderney-Feeling. Dazu liegt über allem das Rauschen des Meeres und der Duft von Salz (und Kuchen).

Bewertung vom 07.06.2024
It's a match - Ein Update für die Liebe
Murray, Joseph F.

It's a match - Ein Update für die Liebe


sehr gut

eMail für Dich meets Sex in the City

„Fling ist völlig anonym und damit absolut diskret. Keine Fotos vom Gesicht, keine echten Namen, keine persönlichen E-Mail-Adressen, nichts, was auf die Person zurückgeführt werden kann. Unser Algorithmus findet ein passendes Match, nicht basierend auf Aussehen, sondern darauf, wonach die Personen suchen.“ (S. 34)
Nachdem auch die dritte künstliche Befruchtung nicht geklappt hat, kann und will Tara nicht mehr. Dann soll es eben (noch) nicht sein, aber ihr Mann Colin drängt sie, es weiter zu probieren. Sie streiten immer öfter, früher war das ihre Art des Vorspiels, jetzt ersetzt es den Sex. Dann erfahren sie unabhängig voneinander von einer neuen Seitensprung-App für Verheiratete, melden sich heimlich an und haben jeweils ein hundertprozentiges Match. Jack und Claire sind genauso, wie Tara und Colin sich ihre Traumpartner vorstellen, so, wie sie früher füreinander waren. Die Chats werden immer heißer und expliziter und bald überlegen sie, sich wirklich zu treffen – aber eigentlich hängen beide noch an ihrer Ehe ...

Tara ist eine echte Powerfrau, Senior-PR-Beraterin einer Werbeagentur, bekommt allerdings immer nur die „Frauenthemen“ und damit auch die kleineren Budgets. Als sich der Erfinder von Fling an die Agentur wendet, sieht sie ihre Chance gekommen. Außerdem glaubt sie an Synchronität und Vorherbestimmtheit – ein Kind soll jetzt wahrscheinlich einfach noch nicht sein, sie müssen warten, bis das Universum den Zeitpunkt für perfekt hält.
Colin ist Analytiker in einer Wirtschaftsprüfungsfirma, die seinem besten Kumpel gehört. Er glaubt nicht an Astrologie o.ä. und will ein Kind, weil er ihm das Gefühl von Geborgenheit geben will, dass er selber nie hatte. Und er will es um fast jeden Preis.
Vielleicht würde Tara sich nicht so quer stellen, wenn er im Haushalt helfen würde, denn sie verdient nicht nur deutlich mehr als er, er erwartet auch noch jeden Abend ein mit Liebe selbstgekochtes Essen von ihr. Dass sie keine Lust mehr hatte, diesem antiquierten Rollenbild zu entsprechen, konnte ich gut verstehen. Überhaupt konnte ich mich gut in beide Charaktere einfühlen, da ich selber schon sehr lange in einer Beziehung bin und da natürlich nicht immer alles eitel Sonnenschein ist und auch die Schmetterlinge nicht ständig fliegen.

Die Idee hinter „It´s a match“ fand ich super: Ein Paar, dessen Ehe kurz vorm Scheitern steht, versucht diese mittels Seitensprüngen wiederzubeleben. Allerdings war mir letztendlich vieles zu vorhersehbar und das Ende etwas zu drüber. Darum nur 3,5 von 5 Sternen.

Bewertung vom 06.06.2024
Tod in Mistletoe Manor / Miss Sharp ermittelt Bd.3 (MP3-Download)
Swann, Leonie

Tod in Mistletoe Manor / Miss Sharp ermittelt Bd.3 (MP3-Download)


ausgezeichnet

Einmal Sunset Hall, immer Sunset Hall

„Something old, something red, something stolen, something dead. Ich werde da sein, um deinen Ehrentag gebührend zu begehen. X.“
In Sunset Hall dreht sich alles um die bevorstehende Hochzeit von Bernadette und Jack, als plötzlich dieser Drohbrief aus ausgeschnittenen Zeitungsbuchstaben auf ihrem Beistelltisch liegt. Wie ist der dahin gekommen? Und wer hat was gegen Bernadette? Dabei ist die Lage sowieso schon angespannt. Sie können in DER In-Location „Mistletoe Manor“ heiraten, weil eine andere Hochzeit geplatzt ist, dafür müssen sie aber 20 Gäste zusammenbekommen. Keine leichte Aufgabe, wenn die Braut beim Geheimdienst und der Bräutigam beim organisierten Verbrechen war, gemeinsame Freunde haben sie da außer den WG-Bewohnern nämlich nicht.
Außerdem ermittelt Agnes immer noch wegen des toten des Küsters, kommt aber nicht weiter.

„Tod in Mistletoe Manor“ ist leider der Abschluss der Sunset-Hall-Reihe. Ich habe das Hörbuch mit einem weinenden und einem lachenden Auge geschlossen, denn Leonie Swann hat sich eine klitzekleine Hintertür für weitere Abenteuer gelassen, über die ich mich sehr freuen würde, weil mir die eigenwilligen Senioren und ihre Haustiere ans Herz gewachsen sind, auch wenn sich Oberon hier ein bisschen zu sehr auf Hettie fixiert.

„Die moderne Frau wirft nicht einfach mit 70 das Handtuch, die moderne Frau steht mitten im Leben und dazu gehört eben online Dating.“ Charlie versucht das Gästeproblem zu lösen, indem sie online auf einer Partnerbörse nach Begleitern für sich und Agnes sucht, dabei ist die heimlich verlobt. Und auch sonst haben die Bewohner von Sunset Hall das eine oder andere Geheimnis voreinander. So erfahren sie z.B. von einer alten Bekannten von Bernadette, wie die vor ihrer neuen Identität hieß. Dumm nur, dass die Bekannte kurz darauf tot an einer Bushaltestelle sitzt. Und leider bleibt es nicht bei der einen Toten. Aber sie haben ja Jack, der genau weiß, wie man Leichen für immer los wird.

Auch der letzte Teil hat mich wieder sehr gut unterhalten. Leonie Swann schafft es, die Spannung durch immer neue Hinweise und Verdächtige zu halten. Dazu kommen die schrulligen Rentner mit ihren Spleens, wie Edwina, deren ganzes Leben sich nur um ihre Tiere dreht, oder Charlie, die sich zu Agnes Leidwesen von einer neuen Liebe zu sehr ablenken lässt. Agnes selbst geht völlig in ihren Nachforschungen zu den diversen Todesfällen und Drohungen auf.
Natürlich kommt auch der Humor nicht zu kurz. Verfolgungsjagden via Treppenlift machen sich einfach nicht besonders gut, dafür eignen sich Schildkröten (keine echten natürlich) hervorragend als Wurfgeschosse und Schlagen … ach hört (oder lest) am besten selbst.