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Benutzername: 
hasirasi2
Wohnort: 
Dresden

Bewertungen

Insgesamt 1163 Bewertungen
Bewertung vom 31.10.2024
Mit scharfer Klinge
Murrin, Orlando

Mit scharfer Klinge


sehr gut

Auf Messers Schneide

Als Paul von seinem alten Freund Christian gebeten wird, ihm bei einem Kochkurs zu helfen, weil der sich einen Arm gebrochen hat, kann er schlecht nein sagen. Christian ist ein berühmter Sternekoch und sie kennen sie sich schon ewig. Außerdem kann er den zusätzlichen Verdienst nach dem Tod seines Lebenspartners vor einigen Monaten gut brauchen.
Doch der Kurs entwickelt sich anders als erwartet. Die exklusive Chester Square Cookery School im wohlhabenden Stadtteil Belgravia bringt ihren Schülern sehr klassische (veraltete) Techniken und Rezepte bei, bei denen sich in Paul alles sträubt. Aber die Besitzerin Mrs Hoyt hat das schon immer so gehandhabt und so lange das Honorar stimmt … dumm nur, dass weder Christian noch Mrs Hoyt mit ihm über Geld reden (wollen), Christian am ersten Unterrichtstag erst nachmittags für ein paar Minuten auftaucht, um unter seinen Fans Hofzuhalten, und am nächsten Morgen ermordet aufgefunden wird. Leider verdächtigt die Polizei ausgerechnet Paul, also stellt der eigene Ermittlungen an und findet heraus, dass jeder der acht Kurteilnehmer sowie Mrs Hoyt ein Motiv gehabt hätten. Und dann passieren weitere Unfälle …

Orlando Murrins „Mit scharfer Klinge“ ist eine Kombination aus einem klassischen, kulinarischen Whodunit und einem Kammerspiel, den ich den Fans von Jessa Maxwells „Wer den Löffel abgibt“ ans Herz legen möchte.
Der Handlungsort ist bis auf wenige Ausnahmen die Kochschule. Alles spielt sich auf engstem Raum ab, das alte Anwesen wurde ewig nicht saniert, hat versteckte Treppen und Tapetentüren und einen uralten, quietschenden Speiseaufzug. An einigen Stellen kann man sich also durchaus ein bisschen gruseln, wenn man mag.

Paul hatte gedacht, Christian gut zu kennen, doch bei seinen Nachforschungen kommt er einigen Geheimnissen auf die Spur. Dabei muss er sich mit der Polizei, der kontrollsüchtigen Chefin der Kochschule, einer Küchenhilfe, die nicht kochen kann, und den auf Christian fixierten Kursteilnehmern rumärgern.

Orlando Murrin hat mich gut unterhalten. Ich mag den trockenen, britischen Humor und den kulinarischen Aspekt. Wer will, kann die im Buch gedruckten Rezepte sogar nachkochen.
Die Spannung hat sich kontinuierlich gesteigert. Zu den Problemen innerhalb der Kochschule kommen noch ein Stalker, der Paul das Leben schwer macht, und seine zurückhaltende Art, die ihn zu selten für sich selbst einstehen lässt. Am Ende überschlägt sich dann alles und mündet in einen rasanten Showdown. Ich bin schon sehr gespannt auf den nächsten Band der Reihe.

Bewertung vom 28.10.2024
Wohnverwandtschaften
Bogdan, Isabel

Wohnverwandtschaften


sehr gut

Wahlfamilie

„Dann bin ich jetzt wohl angekommen.“ (S. 7) Eigentlich war die WG mit Jörg, Murat und Anke nur als Übergangslösung gedacht, bis Zahnärztin Constanze nach der Trennung von ihrem Lebensgefährten eine neue Wohnung gefunden hat, doch Hamburg ist teuer und irgendwie wachsen ihr die drei schnell ans Herz. Murat ist ein echter Frauenschwarm und kocht gern für alle, am liebsten mit dem Gemüse aus dem Garten, den er von Jörg übernommen hat. Jörg hat früher mit seiner Frau Brigitte in der Wohnung gewohnt und nach ihrem Tods nicht allein leben wollen, darum kam er auf die Idee mit der WG. Inzwischen plant der Rentner eine Tour mit seinem alten Bulli nach Georgien und ist froh, dass die Wohnung in der Zwischenzeit nicht leer steht. Anke ist Anfang 50 und Schauspielerin, wird aber im Gegensatz zu ihrem gleichaltrigen Freund, der sie über seinem Erfolg vergisst, kaum noch gebucht. Zum Glück fängt Murat sie immer wieder auf und tröstet sie. Darum gefällt es ihr erst gar nicht, dass mit Constanze eine zweite Frau einzieht. Aber sie sieht bald ein, dass diese Struktur und frischen Wind in die Gruppe bringt.

Ich habe Isabel Bogdan bei einer Veranstaltung auf der Frankfurter Buchmesse erleben dürfen, darum hatte ich schon gewisse Vorstellungen von den Personen und Grundzügen der Handlung und wurde nicht enttäuscht. Ich habe mich sofort in der WG wohlgefühlt und sie mit der verglichen, in der ich während des Studium gelebt habe – unsere war nicht mal halb so toll, aber zusammen gekocht haben wir auch. Gemeinsam statt einsam im Alter ist ein Thema, das auch uns später vielleicht betreffen wird. Ich könnte mir gut vorstellen, wieder in einem Wohnprojekt zu leben, in dem sich jeder nach seinen Fähigkeiten einbringt.
Hier stellt Jörg den Wohnraum zur Verfügung, Murat ist für die gute Laune, Partys und das Essen zuständig, Anke übernimmt immer mehr Arbeiten im Haushalt, weil sie keine Jobs mehr bekommt, und Constanze organisiert gern, ist eine Macherin, die gut mit Menschen kann.
Sie haben sich gerade alle aneinander gewöhnt, als Jörg wegen einer Blinddarm-OP ins Krankenhaus muss und sehr verändert wieder rauskommt. Zu Beginn schieben sie es noch auf die Narkose, aber bald können sie nicht mehr darüber hinwegsehen, dass es ein ernsteres Problem zu sein scheint und wachsen noch enger zusammen.

Die WG-Bewohner sind echte Originale. Jörg spricht immer noch mit Brigitte, überlegt, wie sie sich verhalten hätte. Murat ist gern nackt, egal, wer ihn dabei sieht. Er will sich lebendig und nicht eingeengt fühlen. Anke lässt das kalt, aber Constanze irritiert es sehr, genau wie seine Anziehungskraft auf sich und sämtliche weibliche Wesen, in seiner Umgebung. Sie muss noch in ihrem Single-Leben ankommen.

Das Buch hat mich sehr berührt. Federleicht lässt Isabel Bogdan die wichtigen Themen unserer Zeit in die Handlung einfließen, seien es der Umgang mit Älteren, Murats Migrationshintergrund, Ankes Altersdiskriminierung oder Constanzes Neuorientierung.

Bewertung vom 26.10.2024
Die Henkerstochter und das Vermächtnis des Henkers / Die Henkerstochter-Saga Bd.10
Pötzsch, Oliver

Die Henkerstochter und das Vermächtnis des Henkers / Die Henkerstochter-Saga Bd.10


sehr gut

Kuisls Erbe

Die Türken belagern Wien, und obwohl Schongau knapp 500 km entfernt liegt, sind auch die Kusils bzw. Fronwiesers davon betroffen, denn Kurfürst Max Emanuel hat Simon und dessen ältesten Sohn Peter, der Medizin studiert, zu Feldärzten bestimmt. Magdalena begleitet die beiden, weil sie seit 2 Jahren nichts von ihrem jüngeren Sohn Paul gehört hat und seit einiger Zeit träumt, dass er in den Kampf verwickelt und schwer verletzt oder sogar tot ist. Sie hofft, ihn auf dem Schlachtfeld zu finden. Soweit kommen sie allerdings gar nicht, da Kaiser Leopold der I. Simon in Passau zu seinem Leibarzt macht und Magdalena dessen hochschwangere Gattin als Hebamme betreuen muss.
Ihre Tochter Sophia wähnt Magdalena bei ihrem Vater in Sicherheit, dem ehemaligen Schongauer Scharfrichter Jakob Kuisl. Den allerdings erreicht der Ruf seines alten Freundes Nepomuk aus Passau. Er hat neue Hinweise auf einen Schatz entdeckt, den sie vor 50 Jahren schon mal gesucht haben. Also macht sich Kuisl auf seine letzte große Reise. Er hofft, dass er seiner Familie mit dem Schatz das Bürgerrecht erkaufen kann und sie keine Henker mehr sein müssen. Doch als er in Passau ankommt, ist Nepomuk tot und er und 4 Freunde, die den gleichen Brief bekommen haben, schweben in Lebensgefahr. Einer von ihnen will anscheinend nicht teilen.
In Passau trifft die Familie aufeinander und muss wieder alles geben, um den Mord an Nepomuk aufzuklären und weitere zu verhindern, doch der Mörder scheint ihnen immer 3 Schritte voraus zu sein. Erst als sie sich alle auf ihre Fähigkeiten und Kenntnisse besinnen, kommen sie ihm auf die Spur.

Leider ist das der (vorerst) letzte Teil der Henkerstochter-Saga, aber Jakob Kuisl hat inzwischen auch wirklich ein stolzes Alter erreicht und sich von seinem Schlaganfall vor zwei Jahren nie ganz erholt. Und vielleicht kommt er ja doch irgendwann wieder. Außerdem habe ich das Gefühl, dass er in seiner Enkelin Sophia eine würdige Nachfolgerin hätte. Sie lernt von ihrer Mutter alles über Heilkräuter etc. und hat von ihrem Großvater die Intelligenz und das um die Ecke denken gelernt. Zudem ist sie eine sehr gute Zuhörerin und Beobachterin und bleibt dabei selbst meist unauffällig im Hintergrund. Und sie liebt ihre Freiheit, lässt sich von ihrer körperlichen Behinderung nicht einschränken.

Ihre Eltern und der Henker haben es da deutlich schwerer. Simon muss sich um die Zipperlein der höfischen Gesellschaft kümmern. Aufgrund der Hygienebedingungen gehen die Ruhr und andere Erkrankungen um. Magdalena muss der schwangeren Kaiserin die Zeit und Angst vor der Geburt vertreiben, weil die sich schrecklich langweilt und ihre Gelüste nach Pampelmusen im Heerlager nicht gestillt werden können.
Peter war bisher ein eifriger Student und Einzelgänger, jetzt hat er zum ersten Mal einen Freund, der es ehrlich mit ihm meint und ihm die Freuden des Lebens schmackhaft macht, darüber vergisst er seine Familie und die Ermittlungen leider manchmal.
Jakob Kuisl holen die Schrecken des dreißigjährigen Krieges und seine Verfehlungen wieder ein. Er kämpft mit illegalen Substanzen gegen seine Albträume und trifft eine alte Liebe wieder. Außerdem setzt er alles daran, den Mörder zu stoppen und den Schatz zu finden.

„Die Henkerstochter und das Vermächtnis des Henkers“ ist ein gelungener Abschluss der Reihe, auch wenn ich als Fan der ersten Stunde natürlich hoffe, wieder von dem einen oder anderen Familienmitglied zu lesen.

Bewertung vom 23.10.2024
Live, Love, Bake
Forti, Melissa

Live, Love, Bake


ausgezeichnet

Philosophie des Backens

„Mein Name ist Melissa Forti, und ich backe Kuchen.“ (S. 7) Auch wenn sich Melissa Forti in ihrem dritten Backbuch sehr bescheiden und schnörkellos vorstellt, ihre Backwerke und Bücher sind kleine Kunstwerke, denen ich seit „Dolci, Tartes und zauberhaft Kuchen backen“ verfallen bin.

Sie lässt ihre Leser hier sehr nah an sich heran, erzählt von ihrer Kindheit in Rom, die schon früh ihre Fantasie angeregte, wie sie von dem einfachen, traditionellen Essen geprägt wurde. Sie berichtet von ihren verschiedenen Jobs auf der ganze Welt, wie sie wegen ihres ersten Partners nach Sarazena ging und dort ihre Liebe zum Backen entdeckte, ihren ersten Laden eröffnete, im Fernsehen auf trat und ihre ersten beiden Bücher schrieb. Dann kam die Pandemie und es wurde Zeit für ein neues Kapitel – ihr Café Duse in Kopenhagen.

„Ein perfektes Gebäck muss alle Sinne ansprechen. Noch wichtiger finde ich allerdings, dass es Emotionen weckt.“ (S. 7) Darum ist ihr neues Backbuch auch in drei Kategorien unterteilt: Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft.

Zu den Rezepten ihrer Vergangenheit gehören z.B. der Cassola Romana, ein unglaublich leckerer Ricottakuchen, frittierte Apfelringe, verschiedene Brandteig-Varianten, Mini-Pizza, Krapfen, Puddings, klassische Kuchen und Plätzchen – eben alles, was sie aus ihrer Kindheit kennt und liebt.

In der Gegenwart hat Melissa Forti gelernt, im Moment zu leben, nicht über Vergangenes zu grübeln und keine Angst vor der Zukunft zu haben. Das alles spiegelt sich im Café Duse wider: Das Café und ihre Backwerke besteht nur aus besten Zutaten. Seien es Scones, Windbeutel, Tartelettes, klassische Torten und Gebäck oder ein Marmorkuchen mit Matcha und Kokosnuss, der sehr gesund klingt, es kalorientechnisch aber in sich hat.

In der Zukunft will Melissa Forti Traditionen bewahren, aber Essgewohnheiten und Unverträglichkeiten stärker berücksichtigen. Sie verwendet z.B. vegane Butter, Pflanzen- oder Kokosöl, Pflanzenmilch, Muscodavo-Zucker, Melasse oder Apfelmus zum Süßen, Mandel- oder Dinkel- statt Weizenmehl, Agar-Agar statt Gelatine. Die Rezepte sollen einfach sein und Spaß machen – und niemand auf etwas verzichten müssen. Dieser Ansatz gefällt mir gut und die Biscotti moribidi alle mandorle sind ein Gedicht.

„Live, Love, Bake“ ist nicht nur ein wunderschönes Backbuch, sondern gewährt auch einen tiefen Einblick in Melissa Fortis Leben und Philosophie.

Auch die Aufmachung des Buches ist wieder etwas ganz Besonderes. In einem stilvollen Umschlag mit leinegebundenem Rücken, setzen die großartigen Fotos von Giovanna Di Lisciandro die ewige Stadt und Melissa Fortis Backwerke perfekt in Szene, das Auge isst schließlich mit.

Bewertung vom 22.10.2024
Ruth Blaue - Die Axtmörderin mit dem Madonnengesicht
Hanke, Kathrin

Ruth Blaue - Die Axtmörderin mit dem Madonnengesicht


sehr gut

Eher biographischer Roman als Krimi

Am 18.11.1955 wird die 41jährige Ruth Blaue wegen dem Mord an ihrem Mann John zu lebenslanger Haft verurteilt, dabei steht gar nicht fest, dass sie es auch gewesen ist. Ihr langjähriger Geliebter Horst Buchholz hatte die Schuld auf sich genommen, bevor er im Gefängnis Selbstmord begangen hat. Wie es dazu kam, erzählt Kathrin Hanke sehr ausführlich in diesem Buch.

Ruth verliebte sich mit 19 in einen deutlich älteren Mann und hängte sich sklavisch an ihn. Sie log und betrog, um ihn halten zu können, und konnte nicht von ihm lassen, obwohl sie schnell kapierte, dass er nur auf ihr Geld aus war (sie stammte aus einem wohlhabenden Elternhaus). Wegen ihm wurde sie verurteilt und landete in der Gosse, aus der ihre Eltern sie wieder aufklaubten.
Erst, als sie John kennenlernte, konnte sie von ihrem ersten Geliebten lassen. John war ganz anders, ein eher schlichtes Gemüt, aber er betete sie an und sie bauten zusammen eine erfolgreiche Firma auf. Als dann der Krieg ausbrach und er an die Front musste, heirateten sie, um sich regelmäßig besuchen zu können. Doch nach dem Krieg kam ihr Mann verändert zurück und Ruth war längst in Horst verliebt, mit dem sie körperlich und geistig auf einer Ebene war.

Kathrin Hanke zeichnet das Bild einer Frau, die einerseits sehr intelligent zu sein schien, andererseits aber bewundernd zu Männern aufschauen und ihnen dienen wollte. Sie hat sich ihnen bis zur völligen Selbstaufgabe unterworfen und alle eigenen Bedürfnisse hintenangestellt. Ihr genügten winzige „Gegenleistungen“ in Form von Aufmerksamkeit, schon ein Nicken oder Zwinkern hat gereicht, ein Lob war die absolute Krönung für sie.
Dass sie die neue Art ihres Mannes nicht hinnehmen konnte, hat sie nie bestritten, wohl aber den Mord. Doch da Buchholz nicht mehr zur Rechenschaft gezogen werden oder für sie aussagen konnte und sie zumindest beim Entsorgen der Leiche geholfen haben musste, wurde sie letzten Endes wegen Mordes verurteilt.

Ihre Geschichte ist wirklich interessant, aber ich hatte mir mehr Spannung als Biographie erhofft, die es in meinen Augen letztendlich war. Der Kriminalfall wird nämlich nur in groben Zügen im letzten Drittel behandelt.

Bewertung vom 20.10.2024
Coco und die Revolution der Mode
Johannson, Lena

Coco und die Revolution der Mode


ausgezeichnet

Die Diva der Modewelt

„Mit dem Nähen konnte Gabrielle Geld verdienen, mit ihrer Stimme wollte sie berühmt werden.“ (S. 97)
Nachdem sich ihre Mutter im wahrsten Sinne des Wortes totgearbeitet und ihr Vater sie und ihre Schwestern einfach in ein Waisenhaus abgeschoben hat, steht für Gabrielle Chanel klar, dass sie später mal reich und berühmt werden will – eine Diva. Bei den Nonnen lernt sie Nähen und Singen, aber so sehr sie auch übt, sie ist einfach nicht gut genug, um professionelle Sängerin zu werden. „Talent hast du keines, dafür Charme.“ (S. 112)
Als ihre Tante ihr bei bringt, wie man aus Rohlingen Hüte fertigt, stellt sie fest, dass Gabrielle ein besonderes begabt ist. Im Gegensatz zu den üblichen überladenen Modellen, zeichnen sich ihre durch zurückhaltende Eleganz aus. Diesen Stil übernimmt sie später für ihre Mode. Kleidung soll schön sei, aber auch praktisch und ihre Trägerin nicht einengen oder behindern.

Cocos Anfänge auf dem weiten Weg zur gefeierten Designerin beschreibt Lena Johansson in „Coco und die Revolution der Mode“. Sie zeichnet das Bild einer jungen Frau, die es besser haben will als ihre Mutter. Dabei denkt sie immer an ihre große, weitläufige Familie, stellt einzelne Mitglieder ein oder unterstützt sie mit Geld. Lenas Gabrielle ist eine träumende, zielstrebige junge Frau, die sich nicht unterkriegen lässt und mit Fleiß, Disziplin und Zielstrebigkeit ein Imperium aufbaut. Aus der kleinen Näherin, wird durch jahrelange harte Arbeit eine selbstbewusste Künstlerin.

Gabrielle hat kein Geld, sieht aber gut aus und verdreht den Männern mit ihrer offenen und unkonventionellen Art den Kopf, so wie dem jungen Offizier und Erbe Étienne Balsan. Sie zögert lange, sich mit ihm einzulassen, da er ihr von vornherein klarmacht, dass er sie zwar unterstützen, aber nicht heiraten würde. Er finanziert ihre Hutmacherei, sieht das aber nur als Hobby und nicht als Berufung oder gar Kunst – er musste noch nie Geld verdienen, das Konzept scheint ihm fremd zu sein. Als er Gabrielle Boy Chapel vorstellt, knistert es sofort zwischen ihnen, wahrscheinlich, weil Boy ebenfalls ein Arbeitstier ist und versteht, was sie antreibt. Aber ist er auch ein Partner fürs Leben?

Lena Johansson hat mich von der ersten Seite an in Cocos Bann gezogen. Sie schreibt extrem mitreisend über deren Leben zwischen Hunger und Überfluss, harter Arbeit und Jetset, Étienne und Boy. Ich habe das Buch an nur 2 Abenden regelrecht „durchgesuchtet“. Übrigens, falls ihr wissen wollt, wie es nach dem Ende des Buches weitergeht, kann ich Euch „Mademoiselle Coco und der Duft der Liebe“ von Michelle Marly empfehlen.

Bewertung vom 15.10.2024
Wiener Zuckerbäckerei
Wörndl, Bernadette

Wiener Zuckerbäckerei


ausgezeichnet

Zuckersüße Köstlichkeiten

Ich kann mich noch gut an meinen ersten (und bisher leider auch einzigen) Besuch in Wien erinnern. Das war im Sommer 1990 während der Wende (ich stamme aus der DDR). Wir haben haben in einer Jugendherberge in einer alten Kirche geschlafen, alle möglichen Sehenswürdigkeiten und Cafés besucht und natürlich Sachertorte, Marillenknödel und Palatschinken gegessen. Seitdem ist Wien für mich untrennbar mit dem Genuss von zuckersüßen Köstlichkeiten verbunden.

Bernadette Wörndl hat jetzt die handschriftlichen Rezepte ihrer Vorfahren vom Beginn des 19. Jahrhunderts in die heutigen Maßangaben und zeitgemäße Verhältnisse übersetzt und ein echtes Kleinod geschaffen. Schon beim Betrachten der Fotos und Durchlesen der Rezepte läuft einem das Wasser im Mund zusammen und man weiß nicht, welches man zuerst nachbacken möchte.

Ich kann Euch z.B. die Linzertorte empfehlen. Das Rezept ist kinderleicht, weil der Kuchen aus nur einer Sorte Teig für den Boden und das Gitter besteht. Auch bei der Marmelade kann man rumprobieren und eigentlich nichts falsch machen.

Die Mohntorte hat meine Familie besonders begeistert, vor allem die zitronige Note. Und auch sie verzeiht kleine (Anfänger)Fehler bei der Zubereitung.

An was denkt Ihr eigentlich, wenn Ihr „Hausfreunde“ hört? Hab ich es mir doch gedacht … Dabei sind das Kekse, die Cantuccini ähneln, aber viel weicher sind. Sie werden mit gehackten Nüssen, in Rum eingelegten kandierten Früchten und Rosinen verfeinert. Außerdem ist Anis und bittere Schokolade dran, das klingt ungewöhnlich, schmeckt in Kombination aber echt lecker.

Und wenn ein Rezept perfekt zum Titel des Buche passt, dann sind es die extrem flaumigen Topfenknödel mit Zwetschgenröster. Die Knödel werden nach dem Kochen in einer Zuckerbrösel-Mischung gewälzt, die so richtig schön knackt beim Draufbeißen. Sie sind auch recht schnell gemacht, aber Vorsicht, sie gehen im Topf extrem auf, also wirklich einen großen nehmen.

Knapp 80 Rezepte sind in diesem Buch vereint, aufgeschlüsselt nach Kuchen & Tartes, Torten, Schnitten & Rouladen, Teegebäck, Mehlspeisen, Weihnachtsgebäck und Puddings, Cremes & Eingekochtes. Dazu gibt es den perfekten Wiener Eiskaffee und ein Glossar für die Österreichischen Begriffe.

Hab ich Euch jetzt Appetit gemacht? Dann besorgt Euch das Buch und werft den Backofen oder Herd an. Gutes Gelingen und guten Appetit.

Bewertung vom 15.10.2024
Lückenbüßer / Kommissar Kluftinger Bd.13
Klüpfel, Volker;Kobr, Michael

Lückenbüßer / Kommissar Kluftinger Bd.13


ausgezeichnet

Politiker oder Polizeipräsident?

„Das alles hier war viel zu laut, viel zu hektisch, viel zu viel. Noch dazu für ihn, der nur durch ungünstige Umstände ins Amt des Interims-Polizeipräsidenten hineingerutscht war.“ (S. 6)
Kluftinger ist leider immer noch im Amt, und die ganze Büro- und Organisationsarbeit wird ihm langsam echt zu viel, doch ein neuer Polizeipräsident scheint noch nicht in Sicht. Als dann auf einer von ihm geplanten und organsierten Antiterror-Übung ein Kollege aus der Abteilung Personenschutz ums Leben kommt, der für die Übung gar nicht eingeteilt war, übernimmt Kluftinger die Ermittlungen natürlich selbst. Zuerst sieht es noch nach einem Unfall aus, aber er findet schnell einen Hinweis auf ein Verbrechen. Die Frage ist nur, warum der Mann sterben musste.
Außerdem ist da noch die Doppelbelastung durch Kluftingers Kandidatur für den Gemeinderat. Ursprünglich war er nur der Lückenbüßer, damit die Liste voll wird. Aber als sein Intimfeind Dr. Langhammer ebenfalls kandidiert, kämpft Klufti mit allem ihm zur Verfügung stehenden und zum Teil recht ungewöhnlichen Methoden um den Sieg.

„Lückenbüßer“ ist bereits der 13. Teil der Reihe und der Titel passt perfekt dazu, wie Klufti zu seinem Posten als Polizeipräsident und auf die Wahlliste gekommen ist. Wobei er in seinem Job bei der Polizei inzwischen Routine hat, aber die Politik Neuland für ihn ist. Und dass, wo er chronisch Termine vergisst und sich nie darauf vorbereitet – einfach alles „intuitiv“ angeht. So wie Social Media, wo er mit seinen Posts mehr als einen Shitstorm auslöst und von seinen Kollegen gerettet werden muss. Aber je tiefer er in die Geheimnisse des Wahlkampes eintaucht, desto mehr wird ihm klar, dass er sich wirklich engagieren und etwas verändern will, bzw. dafür sorgen, dass sich eben nichts ändert und Altusried das verschlafene Dörfchen bleibt und kein Touristenhotspot wird.

Aber nicht nur der Wahlkampf, auch die Ermittlungen zum Tod des Kollege sind spannend. Der war ein Einzelgänger, über den seine Kollegen kaum etwas erzählen können. Trotzdem kommen bei den Nachforschen einige Geheimnisse ans Licht. So hatte er z.B. einen Nebenjob und triftete immer mehr in die rechte Szene ab, nach Corona wurde es wohl noch schlimmer. Und so sehen sich Klufti und sein Team plötzlich mit Corona-Leugnern, Querdenkern, Rechtsradikalen und den Geheimnissen der alten NS-Ordensburg Sonthofen konfrontiert.

Für mich lebt die Reihe auch von Kluftis etwas ruppiger Art, seinem unbeholfenen Umgang mit modernen Medien (wenigsten kann er inzwischen WhatsApp) und den Fettnäpfchen, in die er mit geradezu traumwandlerischer Sicherheit oft tritt. Es ist einfach extrem unterhaltsam, ihn im Berufs- und Privatleben zu begleiten. Apropos: Nach dem Ende bin ich natürlich gespannt, wie es im nächsten Buch weitergeht – also, Volker Klüpfl und Michael Kobr, lasst uns bitte nicht wieder 2,5 Jahre auf die Fortsetzung warten …

Bewertung vom 13.10.2024
Die weiße Stunde / August Emmerich Bd.6 (Audio-CD)
Beer, Alex

Die weiße Stunde / August Emmerich Bd.6 (Audio-CD)


ausgezeichnet

Spannende Jagd auf einen Serienmörder

„Was hat die Frau nur getan, um so zu enden?!“ Kriminalinspektor August Emmerich und sein Mitarbeiter Ferdinand Winter haben ja schon einiges gesehen, aber die tote Marita Hochmeister erschreckt sie trotzdem. Ihre Zugehfrau hat sie zugedeckt im Bett gefunden, darunter war Marita nackt und blutverschmiert, alle Glieder wurden verrenkt und ihr Gesicht bis zur Unkenntlichkeit zerstört. Dabei hat der Täter keine Spuren hinterlassen, scheint nicht eingebrochen zu sein, hat nichts gestohlen und sich auch nicht an ihr vergangen. War es einer der Gäste, die am Vorabend Maritas Geburtstag mit ihr gefeiert haben?
Während Emmerich und Winter erste Überlegungen anstellen, mischt sich Heinrich Wertheim, der ehemalige Leiter der Abteilung Leib und Leben, in ihre Ermittlungen ein. Sein letzter Fall vor der Pensionierung vor 10 Jahren war ein Frauenmörder, der auf genau die gleiche Art und Weise dreimal getötet hat. Es gab damals einen Verdächtigen, dem sie die Taten allerdings nie nachweisen konnten und der dann plötzlich verschwunden war. Wertheim ist überzeugt, dass er jetzt zurückgekehrt ist und es nicht bei der einen Toten bleiben wird. Ein Wettlauf gegen die Zeit beginnt.

Doch das ist nicht Emmerichs einziges Problem. Er hat beim letzten Fall endlich herausgefunden, wer sein Vater war, und ihn auch beerbt. Leider stellt sich die Villa als Fass ohne Boden heraus. Emmerich fehlt das Geld für den Unterhalt des alten Gemäuers. Seine ganze Hoffnung liegt auf einem Schlüssel, der mit zum Erbe gehört und ihm hoffentlich die Tür zu einem Schatz öffnet – wenn er sie nur endlich finden würde.
Außerdem hängt ihm sein alter Freund Veit Kolja im Nacken. Der Schwarzhändler ist inzwischen in der Politik und wird (vermutlich von den Hakenkreuzler) wegen seiner Vergangenheit bedroht. Emmerich soll die Beweise dafür vernichten, dann sagt ihm Kolja, wo der Schlüssel passt …

Winter hat es ebenfalls nicht leicht. Seine Großmutter will ihn endlich unter die Haube bringen und trifft einfach Verabredungen für ihn. Das wiederum findet Emmerich gut. Die Damen sind nämlich aus besseren Kreisen und kannten Marita, Winter könnte also das (Un-)Angenehme mit dem Nützlichen verbinden. „Aber bei dem Gedanken, ein Rendezvous für solche Zwecke auszunutzen, fühle ich mich schmutzig, bissl wie … eine Hure.“

Auch „Die weiße Stunde“, der 6. Fall von August Emmerich, ist wieder wahnsinnig spannend. Wertheim fokussiert sich auf den Täter von damals und mischt sich dauernd in die Ermittlungen ein, die Emmerich und Winter in die High Society von Wien, in die sich Marita hochgearbeitet hatte, und auf den Friedhof der Namenlosen führen. Denn mit einem hatte Wertheim recht, es folgen weitere tote Frauen. Ich hatte mich übrigens auch irgendwann auf einen Täter eingeschossen – und lag grandios daneben. Chapeau, wie Alex Beer den Fall am Ende aufgelöst hat, die literarische Referenz hat mir sehr gut gefallen. Außerdem will ich nach dem Cliffhanger natürlich wissen, wie es in Emmerichs Leben weitergeht.

Ich mag auch die Einbindung der privaten Hintergründe der Ermittler und wie sie von den gesellschaftlichen und politischen Entwicklungen beeinflusst werden. 1923 beherrscht die Hyperinflation den Alltag und Emmerich und seine kleine Familie versuchen sich als Selbstversorger.

Auch dieser Band wurde wieder grandios von Cornelius Obonya eingelesen. Er schafft es, jeder Figur ihre ganz eigene Stimme zu geben und die charakterlichen Merkmale herauszuarbeiten. Das ist ganz großes Hör-Kopf-Kino.

Bewertung vom 12.10.2024
Übermorgen schreibe ich mein Happy End
Barone, Lucia

Übermorgen schreibe ich mein Happy End


sehr gut

Aschenputtel wird Bestsellerautorin

Vera ist Anfang 40, Mutter zweier Teenager und mit einem Italiener verheiratet, der leider seine Mutter mit ins Haus gebracht hat, um seine Frau bei der Hausarbeit und Erziehung der Kinder zu unterstützen, da er beruflich viel unterwegs ist. Seitdem ist Vera die Handlangerin von Donna Gina, darf staubwischen, putzen und das Geschirr von Hand spülen, einkaufen und alles schnibbeln, aber den Kochlöffel schwingt nur ihre Schwiegermutter. Als „Ausgleich“ betreibt Vera einen kleinen Kiosk und hat diverse Kurse an der Volkshochschule ausprobiert – bis sie beim Schreiben hängen geblieben ist. Ihr erotischer Liebesroman, dem Nonna Ginas Rezepte die richtige Würze verleihen, ist unter einem Pseudonym erschienen, und als er durch die Decke geht und auf der Bestsellerliste landet, hat Vera mindestens drei Probleme. Wie bringt sie das ihrem Mann bei und verheimlicht es vor der Schwiegermutter, die für diese Art Literatur so gar kein Verständnis hat? Und wie schafft sie es, dass das Pseudonym auch für der Öffentlichkeit gewahrt bleibt, weil plötzlicher jeder wissen will, wer sich hinter Lucia Barone versteckt?

Vera hat sich in ihrem gemütlichen Leben eingerichtet und mit allem abgefunden. Sie steht unter der Fuchtel ihrer Schwiegermutter, ihre Kinder nehmen sie nur selten ernst, weil sie von Oma und Papa nach Strich und Faden verwöhnt werden, und ihr Mann reist sehr viel und schläft nur selten zu Hause. Das Schreiben ist ihre Flucht aus dem Alltag, wenigstens ihre Hauptfigur hat wahnsinnig tollen Sex und verführt ihren Lover mit ihren Kochkünsten. Dass sie mit dem Buch Erfolg hat, hätte Vera nie gedacht, zum Glück hatte sie wenigstens auf einem Pseudonym bestanden. Doch jetzt kann sie ihren weltfremden Verleger (das Buch ist auch sein erster Erfolg) nur schwer bremsen, ihr Geheimnis zu wahren, denn die Anfragen für Interviews und Übersetzungsrechte lassen seinen Posteingang überquellen.

Ich fand die Idee witzig, dass die Autorin mit ihrer eigenen Geschichte spielt, denn Lucia Barone ist nicht nur das Pseudonym von Vera, sondern auch das der Autorin. Auch der Plot war mal was anderes und der Schreibstil schön flüssig. Aber Vera war mir stellenweise zu naiv und wankelmütig, hat bei allem, was schief geht, zuerst die Schuld bei sich gesucht – auch bei Fehlern ihres Mannes. Das passte weder zu der Frau, die sie früher mal war und eigentlich noch sein will, noch zu ihrem Alter Ego im Buch, das deutlich selbstbewusster und taffer durchs Leben geht.
Außerdem ging es vor allem am Ende des Buches ein bisschen zu viel hin und her. Dafür gibt es als zusätzliches Schmankerl 5 Kapitel aus dem Erotikroman, die in die Handlung eingebunden sind.

„Übermorgen schreibe ich mein Happy End“ ist ein unterhaltsamer Liebesroman mit einer witzigen Grundidee, für den ich 3,5 Sterne vergebe.