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Benutzername: 
Andie
Wohnort: 
Sauerland
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Bewertungen

Insgesamt 11 Bewertungen
12
Bewertung vom 12.09.2008
Schrei nach Stille
Chaplet, Anne

Schrei nach Stille


sehr gut

Sophie Winter, eine Schriftstellerin, die zurückgezogen in einem einsamen Haus mit Vergangenheit lebt, Giorgio DeLange, ein bei der Verfilmung ihres Buches beratender Polizist (nebenbei alleinerziehender Vater) und Paul Bremer, ein ehemals erfolgreicher Marketing-Mensch, der nun zurückgezogen im selben kleinen Dorf lebt wie die Schriftstellerin - diese drei Perspektiven wechseln sich ab in dieser Geschichte über den 'Summer of Love' 1968, in dem Hippies für Unruhe in einem kleinen hessischen Dorf sorgten, bis eines der Mädchen auf rätselhafte Weise verschwand. 40 Jahre später werden immer noch alle Beteiligten, darunter auch einige der Dorfbewohner und indirekt auch ein verschwundener Junge, von dieser Geschichte verfolgt.

Anne Chaplet (alias Cora Stephan) erzählt hier eine spannende Geschichte, in der sich nach und nach enthüllt, wie die Schicksale drei Protagonisten und zahlreicher Nebenfiguren, die auf den ersten Blick anscheinend nichts miteinander zu tun haben, doch miteinander verwoben sind. Nach und nach wird das Bild enthüllt, mit manchmal verblüffenden Wendungen. Auch wenn ich manchmal das Gefühl hatte, dass es nun an Erzählsträngen doch langsam reicht, sind die einzelnen Fäden so miteinander verflochten, dass man nicht den Überblick verliert. Das Buch ist bis zum Ende spannend und überrascht immer wieder aufs Neue mit Auflösungen oder Nebensträngen, die man so nicht erwartet hätte. Trotz der Traurigkeit wegen der Todesfälle zum Schluss endet die Geschichte doch in einer versöhnlichen, hoffnungsvollen Stimmung.

In "Schrei nach Stille" sind nicht nur die Charaktere lebendig und einfühlsam beschrieben, so dass man teilweise das Gefühl hat, ihre Gedanken mitzulesen. Auch die düstere, unheimliche Atmosphäre des alten Hauses, die Enge des Dorflebens und die hinter idyllischen Fassenden lauernden Abgründe sind äußerst treffsicher dargestellt. Der Wechsel zwischen den sprachlich ausgefeilten Beschreibungen z.B. des Weges, den ein Wassertropfen ganz zu Anfang des Buches nimmt, und der fast "abgehackten" Denk- bzw. Sprechweise verdeutlicht die wechselnden Perspektiven auf eine sehr gelungene Art.

Fazit: "Schrei nach Stille" war nicht nur vom intelligent konstruierten Spannungsbogen her, sondern auch sprachlich ein echter Lesegenuss.
Andie aus Sauerland

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