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Benutzername: 
Frau_Ke
Wohnort: 
Halle (Saale)

Bewertungen

Insgesamt 39 Bewertungen
Bewertung vom 12.06.2024
Ein sanfter Mann
Appelbe, Uwe

Ein sanfter Mann


gut

Das Buch beginnt mit dem Tod von Ruth, Renés geliebter Frau. Ihr Verlust stürzt ihn in eine tiefe Sinnkrise, aus der sich im Laufe des Buches zu befreien versucht. Lethargie und Schwermut ziehen sich durch die Kapitel; Lichtblicke gibt es leider nur sehr wenige.

Auf seiner Suche nach einem neuen Lebenssinn begegnet er verschiedenen Menschen, die aber alle ihre eigenen Päckchen zu tragen haben und allesamt eher unglücklich bzw. vom Leben enttäuscht sind. Viele Geschichten, viele Schicksale, viele Tragödien treffen aufeinander. Das ist mitunter anstrengend und wirkt teilweise bemüht bzw. konstruiert. Einige Szenen sind regelrecht bizarr. Der Leser wird konfrontiert mit Kinderprostitution im Bordell, einer intimen Liebesbeziehung zwischen Stiefgeschwistern sowie einem fanatischen, selbsternannten Priester.

Doch es gibt sie, die Lichtblicke - sowohl für René als auch den Leser. Positiv hervorzuheben sind die vielschichtigen Wendungen, die das Buch nimmt. Der Leser wird immer wieder aufs Neue überrascht. Auch der Schreibstil ist ansprechend; das Buch liest sich einfach schnell weg (positiv gemeint). Zudem stimmt das (unerwartete) Ende versöhnlich, wenngleich es kein Happy End im klassischen Sinn ist.

Fazit: Ein vielschichtiger, stellenweise sehr bewegender Roman, der allerdings dazu neigt, im Selbstmitleid zu versinken. Leider werden fast nur gescheiterte Existenzen und tragische Schicksale beschrieben.

Bewertung vom 17.05.2024
Quanten-Bullshit
Ferrie, Chris

Quanten-Bullshit


gut

Schonungslos, intelligent und urkomisch - so wird Chris Ferries Buch „Quanten-Bullshit“ im Klappentext beworben. Auf den ersten Blick bzw. nach dem Lesen der Leseprobe scheint das auch eine zutreffende Beschreibung zu sein. Der Schreibstil ist locker-flockig, fast so, als würde der Autor direkt mit einem sprechen. Das Thema ist interessant und die Aufmachung gut, denn die einzelnen Kapitel sind übersichtlich und nicht zu lang. Zudem sind die Illustrationen sehr gelungen.

Leider ging mir Ferries Stil irgendwann auf die Nerven; das war einfach zu viel. Warum will er auf Teufel komm raus witzig sein? Schwierig waren auch die vielen Einschübe, die er zwischendurch macht, z.B. zu seinem Kaffeekonsum. Er kommt zwar am Ende immer wieder zum Punkt, aber den Lesefluss stört es trotzdem. Vor allem dann, wenn er etwas erklärt - und am Ende auflöst, dass es sich dabei nur um von ihm erfundenen „Quanten-Bullshit“ handelte. Weniger davon, wäre in dem Falle mehr gewesen. Vielleicht sollte man das Buch auch nicht in einem Rutsch durchlesen, sondern immer mal wieder ein Kapitel.

Fazit: Niemand wird dümmer, wenn er/sie das Buch liest - ganz im Gegenteil, irgendetwas zum Thema bleibt definitiv hängen und wenn es „nur“ das Gedankenexperiment zu Schrödingers Katze oder die Serie von Heisenberg-Witzen ist. Allerdings ist der Schreibstil auf Dauer anstrengend und so manche Pointe verpufft im Ansatz.

Bewertung vom 03.05.2024
Happy Hour
Granados, Marlowe

Happy Hour


weniger gut

Zuerst das Positive: Das Cover ist ein echter Hingucker, vor allem aufgrund der unkonventionellen Anordnung von Buchtitel und Autorin-Name. Es wirkt modern, jugendlich, erfrischend, ebenso wie der Schreibstil und die Tagebuch-Form, die von der Autorin gewählt wurde. Die Länge der einzelnen Kapitel ist gut - das Buch liest sich so weg (im positiven Sinn).

Das war's dann aber schon in Sachen "positiv". Denn spätestens nach den ersten 50 Seiten fragt man sich: Wo geht die Reise hin? Es ist zwar anfangs noch interessant zu verfolgen, wie sich die beiden Protagonistinnen durchschlagen und mit diesem Lebensstil über die Runden kommen. Doch irgendwann hofft man doch, dass eine unerwartete Wendung kommt und sie sich irgendwie weiterentwickeln, aber - Achtung Spoiler - das ist nicht der Fall. Stattdessen tagtäglich Partys, Männer, Geldsorgen - täglich grüßt das Murmeltier...Ab einem gewissen Punkt geht einem das nur noch auf die Nerven - die banalen Dialoge, die Oberflächlichkeit...

Zudem scheint es zunehmend unrealistischer, was die beiden Mädels schon alles erlebt haben wollen - mit 21 Jahren. Wann waren sie in der Schule? Haben sie gar keine Ausbildung? Woher kommt das ganze Geld für Klamotten und Reisen, von denen in den Rückblicken immer wieder erzählt wird? Was am Ende bleibt, sind viele Fragen.

Fazit: Mehr Schein als Sein. NY als Setting kommt zu kurz bzw. könnte durch eine beliebige andere Großstadt ausgetauscht werden. Am besten trifft es ein Zitat, das im Buch steht (und sich eigentlich auf ein anderes Buch bezieht): Es ist dekadent und hat keine Handlung.

Bewertung vom 22.04.2024
Tagebuch einer Wasserleiche aus dem Canale Grande
Kruse, Tatjana

Tagebuch einer Wasserleiche aus dem Canale Grande


ausgezeichnet

Was sofort ins Auge fällt, sind die Farben des Covers und der auffällige Buchtitel. Auf den zweiten Blick sind es die vielen kleinen, liebevollen Details, die einem auffallen – und direkt Lust machen, in die Geschichte einzutauchen.

Ohne viel Vorgeplänkel, dafür mit viel Humor, startet Astrids Reise nach Venedig. Während Tag 1 noch recht harmlos vonstatten geht, bietet die „Gondel-Gaukeley“ an Tag 2 viel zum Lachen, z.B. eine Louis-de-Funès-Reminiszenz, den Anblick der „Achselhöhlenhunde“ sowie ein Blinzelduell – herrlich! Und dazu der wunderbare Sprachstil – „blümerant“ oder „Krethi und Plethi“ sind mir im Gedächtnis geblieben, das hört/liest man heutzutage (leider) nicht oft. Sehr erfrischend!

Und dann kommt Tatjana Kruse mit dem nächsten Lacher um die Ecke, z.B. „Aber egal wie viel Schokoladeneis ich in mich hineinlöffle, meine Ohrringe werden mir trotzdem passen.“ oder „Mit dem gesunden Menschenverstand ist es wie mit Deorollern – wer sie eigentlich am meisten bräuchte, benutzt sie nicht.“ oder „Meine Tante mochte keine Kinder. Höchstens gut durch und mit viel Soße, wie es so schön heißt." usw.

Doch wo sind sie den nun, die „versprochenen“ Leichen? Bis zum vierten Tag muss man sich gedulden, wird dann aber mehr als belohnt: Plötzlich regnet ein Kerl vom Himmel, ein anderer landet im Piranha-Becken und einem weiteren wird Erdnusscreme zum Verhängnis... Vor lauter Lachen bleibt einem nahezu die Luft weg.

Das Ende kommt für Fans dieser Krimödie leider viel zu früh. Gerne hätte man noch mehr mit Astrid geschmachtet, gelacht und gemordet ;-) Doch irgendwie werde ich das Gefühl nicht los, dass das Ende auch gleich der Anfang einer Fortsetzung sein könnte...

Fazit: Schwarzer Humor mit Biss, teils schräge Charaktere, feinsinnige Pointen und Sprachbilder sowie irre Wendungen - all das bleibt im Kopf und macht Lust auf mehr!

Bewertung vom 15.04.2024
Im Winter gibt es keine Stachelbeeren mehr
Mayr, Sabine

Im Winter gibt es keine Stachelbeeren mehr


gut

Sabine Mayr bietet mit ihrem Buch Einblicke in die Gedanken- und Gefühlwelt zweier Frauen, die an Krebs erkranken. Das ist trotz der Kürze der Kapitel berührend und wirkt aufgrund des tagebuchähnlichen Stils sehr authentisch. Man fühlt, hofft und leidet mit. Leider kommen das innere Hadern und (Ver-)Zweifeln der beiden Frauen für meinen Geschmack etwas zu kurz, gerade zum Ende hin. Doch nochmal zurück zum Anfang: Ohne lange Vorrede geht es los (was gut ist), aber dann wechseln die Kapitel zwischen Vergangenheit und Gegenwart hin und her. Das erschwert das Lesen, vor allem, wenn man das Buch zwischendurch auch mal aus der Hand legen muss. Zudem finde ich es etwas verwirrend, dass sich im zweiten Teil nur der Name der Hauptperson ändert und alles andere beim Alten bleibt (Ehemann, Kind, Job...). Wäre es nicht konsequent gewesen, entweder alles zu ändern oder alles beizubehalten und „nur“ zwei unterschiedliche Ausgänge zu schreiben (so wie bei dem Film „Lola rennt“)?!

Was am Ende bleibt, sind viele Fragen. Wem fühle ich mich näher - Ronja oder Sonja? Wie hätte ich mich in dieser Situation entschieden? welcher Weg ist der richtige? Beim Nachdenken darüber kam mir ein Zitat von Charlie Chaplin in den Sinn: „An den Scheidewegen des Lebens stehen keine Wegweiser.“ Und vielleicht ist das auch ganz gut so...

Fazit: Ein interessant geschriebenes Buch, das zum Nachdenken über das eigene Leben und das, was man erreichen/erleben will, anregt.

Bewertung vom 04.04.2024
Mit den Jahren
Steenfatt, Janna

Mit den Jahren


gut

In Janna Steenfatts neuem Roman prallen Welten aufeinander: auf der einen Seite die kinderlose, ledige Jette und auf der anderen Seite die zweifachen Eltern Eva und Lukas. Was sie eint, sind die Zweifel am eigenen Lebensentwurf und die Frage nach dem „Was wäre, wenn...?" Eine Frage, die sich sicher jede/r schon einmal gestellt hat. Eine allgemeingültige Antwort darauf zu finden, ist schwer, wenn nicht sogar unmöglich - und auch nicht das Ansinnen des Buches. Vielmehr bietet Janna Steenfatt einen Einblick in die Gefühls- und Lebenswelt ihrer Protagonisten - und legt damit auch (beabsichtigt oder nicht) den Finger in die Wunde ihrer Leserschaft. Man fühlt sich angesprochen, man fühlt mit, identifiziert sich vielleicht mit einem der Protagonisten und fragt sich am Ende: Wie hätte ich gehandelt?

Die großen Stärken des Buchs sind der authentische Schreibstil und die detailreichen Einblicke in das Leben der Anderen. Das sind aber zugleich auch die Schwächen. An manchen Stellen ist es einfach zu viel - zu viele Kindheitserinnerungen, zu viel Sex, zu viele verbale „Ausrutscher", wie „Ihm einen zu blasen fand sie nicht unhygienisch.“ oder „Die Kälte griff jäh nach seinen Eiern." (Wörtliche Zitate aus den Abschnitten über die erste Periode und andere Körperflüssigkeiten spare ich an dieser Stelle mal aus...)

Fazit: Der Anfang liest sich vielversprechend. Hier und da kann man tiefgründige, fast „poetische“ Zeilen finden. Und das Buch birgt ein hohes Identifikationspotenzial. Aber: aufgrund des - in meinen Augen - absurden Endes und der völlig unnötigen sprachlichen „Entgleisungen“, bleibt es zu oberflächlich.

Bewertung vom 03.04.2024
Caffè sospeso
Sthers, Amanda

Caffè sospeso


ausgezeichnet

Amanda Sthers erzählt in „Caffè sospeso“ neapolitanische Kaffeehausgeschichten. Aufhänger dazu ist der titelgebende „Caffè sospeso“ - ein in Neapel etablierter Brauch, wonach man als Gast außer dem eigenen Kaffee auch einen weiteren Kaffee bezahlt. Es ist eine Geste der Solidarität, der Nächstenliebe. Der französisch-stämmig Ich-Erzähler hat als teils stiller Beobachter teils involvierter Protagonist verschiedene Geschichten rund um den „aufgeschobenen" Kaffee gesammelt. Sie alle drehen sich (im weitesten Sinne) um die Liebe. Der Bogen spannt sich dabei von den 1980er Jahren bis zur Corona-Pandemie.

Der große Pluspunkt des Buchs liegt darin, dass Amanda Sthers einen sehr feinsinnigen und berührenden Schreibstil hat. Hinzu kommt ein Hauch von Nostalgie - man fühlt sich einfach wohl beim Lesen. Leider wirken manche Episoden etwas zu konstruiert und rätselhaft. Nicht immer konnte ich vollends eintauchen und einen Zugang finden, schade. Auch das Ende kommt für meinen Geschmack zu schnell und dadurch etwas zu kurz.

Fazit: Ein Roman voller Wärme und Menschlichkeit und einer unerwarteten letzten Seite...

Bewertung vom 03.04.2024
Liebe ist ganz anders
Schulz, Bernhard M.

Liebe ist ganz anders


ausgezeichnet

Das in Schwarz-Weiß gehaltene Cover mag auf den ersten Blick unscheinbar, fast steril, erscheinen, aber wer genauer hinschaut, sieht die Liebe (zum Detail), die darin steckt. Zudem passt das Titelbild perfekt zum Buch(titel) und den Illustrationen im Buch, die allesamt in diesem einfachen, aber wirkungsvollen, beinahe karikaturistischen Stil gehalten sind. Mit wenigen Strichen werden ganze Szenerien geschaffen, die (fast) ohne Worte auskommen.

Viele Worte verschwendet auch der Autor nicht. Die Erzählungen sind kurz und auf den Punkt. Und dabei doch recht detailliert und liebevoll. Jeder Satz sitzt. Und jede Erzählung für sich ist besonders. Die Bandbreite der Geschichten und Anekdoten reicht von himmelhoch jauchzend bis zum Tode betrübt...Liebe hat eben viele Gesichter.

Fazit: Kurze Geschichten, die mitten ins Herz gehen und im Kopf bleiben.

Bewertung vom 28.03.2024
Die Vermesserin der Worte
Seck, Katharina

Die Vermesserin der Worte


ausgezeichnet

Liebevoll und ergreifend - das ist das Buch von Katharina Seck. Mit viel Poesie erzählt sie die Geschichte der jungen Autorin Ida, die auf der Suche nach ihren verlorengegangenen Worten ist, und der älteren Damen Ottilie, die auf der Suche nach verlorengegangenen Erinnerungen ist. Auf den ersten Blick mag es ein ungleiches Paar sein, auf den zweiten Blick verbindet die beiden aber weitaus mehr, als sie anfänglich ahnen.

Es ist eine Geschichte über die Macht der Worte, die im positiven wie im negativen Sinn Menschenleben beeinflussen können. Das ist verzaubernd, teils melancholisch, aber dabei immer ausgewogen. Ebenso wie die Kapitel, die ähnlich lang sind und individuelle Überschriften tragen - auch das passt in das stimmige Gesamtbild. Nur das Cover fällt für meinen Geschmack etwas ab. Es wird dem Inhalt irgendwie nicht gerecht.

Für mich was das Buch ein Pageturner; man versinkt förmlich darin und hofft, dass es nicht allzu schnell vorbei ist. Und doch ist irgendwann Schluss.

„Und am Ende überwand man einen solchen Verlust nie ganz. Man lernte nur, die Trauer in eine Kiste zu stecken, die man öffnen konnte, wenn man bereit dafür war. Denn trotz allem waren der Schmerz und der Verlust auch für etwas gut: Sie waren Zeuge dessen, dass man geliebt hatte." (S. 249/250)

Fazit: Ein Buch, das mitten ins Herz trifft und von dort in den Kopf wandert - und dort hängen bleibt.

Bewertung vom 01.03.2024
Die Spaghetti-vongole-Tagebücher
Maiwald, Stefan

Die Spaghetti-vongole-Tagebücher


gut

Das in Leinen gebundene Buch ist optisch und haptisch schon ein echter Leckerbissen. Zudem machen Cover, Titel und Vorwort eindeutig Appetit. Allerdings bin ich nach der Lektüre - um im Wortbild zu bleiben - noch etwas hungrig.

Keine Frage, der lockere, amüsante Stil zieht sich wie eine nicht enden wollende Spaghetti durch das Buch. Man kaut sich genüsslich durch die Seiten - und hofft auf ein grandioses Dessert. Aber alles in allem bleibt es eine halb gare Geschichte ohne krönenden Abschluss.

Fisch, Fleisch oder doch vegan? Handelt es sich um ein Sachbuch, ein Kochbuch oder einen Roman? Zu allem fehlt das gewisse Etwas. Die Rezepte sind zwar schmackhaft, aber leider doch zu ungenau, als dass man sie nachkochen könnte. Für einen Roman hingegen ist die Handlung zu wässrig und am Ende bleiben Fragen offen. Und als Sachbuch wäre es wohl zu lax...

Fazit: Für alle, die sich vor Ort auskennen und somit auch etwas mit den handelnden Personen und Lokalitäten anfangen können, ist das Buch ein Genuss. Auch die Anekdoten und historischen Abstecher sind durchaus lesenswert und unterhaltsam, aber am Ende bleibt es für meinen Geschmack (zu) leichte Kost.