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reisende
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frankfurt

Bewertungen

Insgesamt 26 Bewertungen
Bewertung vom 27.10.2022
Shorty
Maurer, Jörg

Shorty


ausgezeichnet

Was für ein herrlicher Lesespaß mit bitterernsten Anklängen. Jörg Maurer ist mit diesem Roman der ganz große Wurf gelungen - davon bin ich überzeugt. Sein Protagonist Shorty nimmt uns mit in Welten, die ganz und gar unvorstellbar für uns sind. Immer neue Lebensformen tauchen auf, die Handlung wird schneller und schneller - das lässt einen nur so durch die Zeilen, Zeiten und Welten fliegen. Die ganze Story gespickt mit der Nennung dauerpräsenter Zeitgenossen vergnügten mich ein ums andere Mal. Es wird klar: auch in der Wissenschaft gewinnt der medial Erfolgreiche. Und die allgegenwärtige Handy-Abhängigkeit lässt den Konsum durchaus kritisch betrachten.

Als im Roman wegen einer Anomalie am Himmel das Chaos ausbricht, ist es durchaus denkbar: Genauso könnte es in der Realität passieren: Die verschiedenen Ordnungsbehörden würden, während geplündert und gemordert wird, sich gegenseitig die Kompetenzen abstreitig machen, die Politik ist hilflos, die Medien stacheln alles noch mehr an, die Schwurbler kommen mit eigenen Theorien, der Lautesteste wird gewinnen - also, alles wie im echten Leben. Das Ende des Romans ist angenehm überraschend. Allerdings: SI INTELLEXERIS, SERO EST.

Bewertung vom 20.09.2022
Kerl aus Koks
Brandner, Michael

Kerl aus Koks


gut

Das Cover mit dem dreckigverschmierten Lümmel, der nur so vor Lebensfreude strotzt, verbunden mit dem Namen des Schauspielers Michael Brandner machen Lust aufs Lesen.

Zunächst beschrebt er seine frühe Kindheit und wie er aus seinem warmherzigen bayrischen Zuhause von der leiblichen Mutter herausgerissen und in den Pott verfrachtet wird, für den sich die geltungssüchtige Mutter doch nur schämt, so wie auch für ihren Mann und ihren Sohn, der nicht die von ihr erhoffte Schullaufbahn einschlägt.

Die beschriebene Kindheit und Lebensumstände gleicht Millionen anderer Nachkriegskindern. Spannend wird es erst, als der autobiographisch angelehnte Roman vom unsteten Leben des Protagonisten berichtet: Drogen, Alkohol, Frauen. Er rutscht in alle Jobs rein, Freundschaften und Wohngemeinschaften ergeben sich von alleine, er ist ein absoluter Glückspilz und übersteht auch schwere Krankheiten und Unfälle fast unbeschadet. Mir persönlich ist das alles zu glatt und oberflächlich. Von Schwierigkeiten, Einsamkeit, Traurigkeit, Geldmangel ist hier nie die Rede - das hätte dem Roman wesentlich mehr Tiefe verliehen. Sprachlich hat man das Gefühl, als würde man einem Mann seinen Erzählungen zuhören. Das gefällt mir sehr gut, weil es aus diesem Grund leicht und schnell zu lesen ist. Wer dieser Gemeration angehört und/oder gerne Biographien liest, liegt mit diesem Buch richtig. Drei gute Sterne und eine Leseempfehlung von mir.

Bewertung vom 19.09.2022
Bullauge
Ani, Friedrich

Bullauge


gut

Dieser Roman ist bemüht, Misstände zu beschreiben, die bei der Polizei herrschen, aber auch Zustände, unter denen die Polizei zu leiden hat. Dies wird mit einem Fall erzählt, bei dem ein Beamter bei einer Demostration der "Spaziergänger" das Sehvermögen an einem Auge verliert und durch die, von dem Protagonisten selbst herbeigeführte Begegnung mit einer Dame, die durch Schuld von Polizisten gehbehindert wurde. Es folgt eine scheinbar endlose Beschreibung, wie sich der Polizist quält, trostlos, einsam, verzweifelt. Wie sich die beiden Versehrten einander stützen. Wie man dann gemeinsam versucht, ein bevorstehendes Attentat duch die rechte Szene zu verhindern. Das Ende war dann allerdings vorhersehbar und auch recht schnell auf den letzten Seiten erzählt. Dieses Tempo hätte ich mir bei manchen Längen in dem Roman gewünscht. Schade.
Warum hier alle von einem Krimi schreiben, ist mir ein Rätsel. Das ist dieser Roman definitv nicht und wird so auch nicht eingeordnet. Auf dem Cover steht es übrigens sehr deutlich zu lesen. Für Fans von Friedrich Anis Schreibe sicher ein Genuss, für mich war es zu langatmig und dröge.
PS Halfter haben nur Pferde. Solche Fehler dürfen dem Lektorat eigentlich nicht durchrutschen.

Bewertung vom 14.08.2022
Elternhaus (eBook, ePUB)
Mentges, Jennifer

Elternhaus (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Atemlos
Das düstere Cover hält, was es verspricht.
Den Barpianisten Tobias Hansen zieht es immer wieder in den noblen Hamburger Vorort zu einer verlassenen, dem Verfall preisgegebenen, herrschaftlichen Villa. Eines Tages besichtigt ein Paar aus Österreich das Haus, um nach Hamburg überzusiedeln.

Die Protagonisten sind alle so wunderbar plastisch beschrieben, dass man sofort die Menschen vor Augen hat. Bereits bei der Besichtigung der Villa spürt man durch vorsichtige Andeutungen, dass dieses Haus eine besondere Bedeutung für Yvette Winkler, die Gattin eines vielbeschäftigten Geschäftsmannes und vierfachen Mutter, haben muss. Diese Ahnung lässt einen atemlos durch das Buch fliegen. Die Geschichte ist ruhig und unaufgeregt erzählt, doch gerade das macht die Spannung unerträglich und ist mit großem Genuss zu lesen.

Yvette, die ursprünglich aus Hamburg stammt, erhält eine Empfehlung für die Haushaltshilfe Consuelo Strunz durch ihre alte Freundin Melanie. Auch diese Frauen sind so lebendig beschrieben, als würde man sie persönlich kennen. Die einsame und naive Consuelo, mit sehr konservativen und sittenstrengen Ansichten über die Ehe, lebt für die Familien, bei denen sie arbeitet. Sie klammert sich an die Hoffnung, auch eines Tages die Liebe kennenzulernen. Manipuliert durch Tobias Hansen, schafft er es durch sie, in das Haus der Winklers zu kommen, um den Kindern Klavierunterricht zu geben.

Die Figurenzeichnung ist geradezu Bravourös. Die Handlung besteht hauptsächlich aus Sicht der drei Hauptpersonen Tobias, Yvette und Consuelo. Durch die Kapitel, die in der Vergangenheit spielen (kursiv gesetzt), kommt Puzzleteil um Puzzleteil zusammen, wie alles verbunden ist und welche Geheimnisse tief in diesem Haus vergraben sind.

Ich bin durch diesen Thriller geflogen. Die Geheimnisse eines Hauses, welche nach und nach ans Tageslicht kommen, und die immer schneller werdenene Handlung hat mich von der ersten Seite an gefesselt. Tolle Story, toller Schreibstil. Perfekt! Absolute Leseempfehlung von mir.

Bewertung vom 14.08.2022
Frieda unter Verdacht / Hohe-Tanne-Krimi Bd.3 (eBook, ePUB)
Gebhardt, Heidi

Frieda unter Verdacht / Hohe-Tanne-Krimi Bd.3 (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Wieder ein kurzweiliger Krimi um Tante Frieda, der mit überraschenden Wendungen punktet und deshalb bis zur letzten Seite spannend ist. Mittlerweile fiebert man schon richtig mit, wenn es um das Glück Lenas, der immer hungrigen Nichte, geht. Die, ob sie will oder nicht, von der Tante immer mit rein gezogen wird. Doch auch das Ermittler-Duo Bruchfeld und König sind so lebendig beschrieben, dass man bei den Ermittlungen richtig mitfiebert. Absolute Leseempfehlung von mir.

Bewertung vom 14.08.2022
Düstermühle / Hauptkommissar Hambrock Bd.5
Holtkötter, Stefan

Düstermühle / Hauptkommissar Hambrock Bd.5


weniger gut

Zäh und ohne jede Spannung werden die Ermittlungsarbeiten eines Verbrechens beschrieben, dessen Grund weit in der Vergangenheit liegt. Dazu eine große Menge an Namen und Familienverstrickungen, dass man kaum folgen kann und mag. "Atmosphärisch geschrieben" wird im Klappentext angekündigt. Die Atmosphäre besteht gefühlt auf jeder Seite aus Frost: angekündigter, herannahender, klirrender, weißer, kalter, eisiger... Spannend wird es erst im letzten Viertel des Buches.

Bewertung vom 12.08.2022
Auf See
Enzensberger, Theresia

Auf See


ausgezeichnet

Ein kluges Buch!
Das Cover hat mich zunächst etwas irritiert: Erinnert es doch stark an die Schinken in Großmutters Bücherschrank. Erstmal in der Hand finde ich es einfach stark in der Gestaltung. Retro ja, aber eindringlich und gut gemacht.
Es war eine reine Freude die Geschichten der zwei unterscheidlichen Frauen im Wechsel zu lesen. Zwischendurch das "Archiv", welches deutlich macht, wie leichtgläubig und voller Hoffnung sich Menschen an Versprechen klammern und Wahnsinnigen folgen - und was daraus wird. Den Hype um Personen, die plötzlich aus dem Nichts durch soziale Medien aufsteigen, und was daraus entstehen kann, wird auch mit der Protaginistin deutlich vorgeführt. Das Archiv liefert die Parallelen zu der Entwicklung von Seestatt. Seestatt wurde von Menschen mit Visionen einer besseren Welt und Heilsversprechen gegründet. Nach und nach wird deutlich, dass es genau die gleichen Problemen gibt, wie auf dem Festland, welches angeblich im Chaos versinkt. Aber was haben die zwei unterschiedlichen Frauen miteinander zu tun? Das ist die überraschende Wendung in diesem Roman. Zum Ende hin bekommt jeder der Protagonisten ein Kapitel, auch das hat mir sehr gut gefallen, kann man doch so die Motivation jeder Person sehr gut nachvollziehen. Und die Politik bekommt auch noch ihr Fett weg. Für mich jetzt schon das Lesehighlight 2022!

Bewertung vom 18.07.2022
Das letzte Grab / Carla Winter Bd.1
Erler, Lukas

Das letzte Grab / Carla Winter Bd.1


sehr gut

Der Titel und die Cover-Gestaltungen passen gut: Geht es doch um ein Grab auf dem Frankfurter Hauptfriedhof. Sehr temporeich geschrieben, die Geschwindigkeit der Ereignisse lässt nicht nach - selbst örtliche Beschreibungen werden rasant wiedergegeben. Der Spannungsbogen bleibt bis zum Schluss erhalten. Super! Das Thema: Der Handel mit Raubkunstschmuggel und eine detaillierte Beschreibung, wer da alles mit drin hängt: Galerien, Auktionshäuser und Museen und wie viel Geld man damit machen kann. Das ist sehr interessant und wirkt gut recherchiert. Die Kreise ziehen sich von Frankfurt bis in die Türkei.
Bis auf die Hauptperson, die Anwältin Carla, waren alle Protagonisten nachvolllziehbar beschrieben: Der grantige Professor, die zickige Sekretärin, die ermittelnden, die ruhig gestellten und auch die korrupten Beamten in der Türkei. Nur bei Carla wurde arg dick an Coolness aufgetragen, sodass für mich einige Handlungen nicht verständlich waren und ich so gar keinen Zugang zu ihr finden konnte. Dann bin ich über den Anruf bei Carlas Helfer in der Türkei von der Tochter eines Partners ihres Ex-Mannes gestolpert, der ist so offensichtlich konstruiert und ohne jegliche Erklärung, wie der Kontakt zustande kam, doch für die weitere Handlung wichtig - wie so manches andere. Bei den brisanten Situationen hätte ich am liebsten gerufen: Nothilfe! Das ist Nothilfe und keine Notwehr. Auch die Romanze gegen Ende hätte man sich sparen können. Ansonsten: Klare Leseempfehlung, schon alleine für die ausgesprochen gute Story.

Bewertung vom 13.07.2022
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Bervoets, Hanna

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ausgezeichnet

Bereits beim Titel wird klar, um was es geht. Dieser Roman hat es in sich: Die Protagonistin berichtet einem Anwalt in der Ich-Form über ihre Arbeit bei "Hexa". Es wird mit jeder Seite beklemmender: Die Beschreibung von abartigen Arbeitsbedingen, das Beurteilungssystem von Beiträgen die überprüft werden müssen - und bei jedem Satz weiß man: Genauso ist es. Denn natürlich hat man schon einiges über die Arbeit der Menschen, die solche Beiträge überprüfen gehört oder gelesen, allerdings hat die Autorin für dieses Buch sehr genau recherchiert und das Erkennen, das es noch Schlimmer ist, als man es sich vorstellen konnte, lässt einen Ratlos zurück. Den einen oder anderen kranken Beitrag hat man vielleicht selbst schon gesehen und vielleicht auch gemeldet, man kennt die Antworten. Selbst einige wenige Beiträge, die man kurz gesehn hat, sind unvergessen, haben vieleicht schockiert, erschreckt, verwundert. Die psychischen Belastungen, welche die "Content-Manager" ausgesetzt sind, kann man sich nicht vorstellen. Wie das Geschehen im virtuellen Raum im realen Leben Einzug nimmt, wie es die Sichtweisen verändert, was es mit der Persönlichkeit macht, das wird in diesem Buch sehr gut beschrieben. Hoffentlich hilft das Buch dabei, die sozialen Medien kritisch zu hinterfragen.