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Bewertungswiesel

Bewertungen

Insgesamt 39 Bewertungen
Bewertung vom 14.03.2024
Das Befinden auf dem Lande. Verortung einer Lebensart
Vedder, Björn

Das Befinden auf dem Lande. Verortung einer Lebensart


gut

Zwei Gummistiefel, einer rot und glänzend, einer schwarz und schmutzig - mit diesem Cover wird klar, dass es beim Thema Landleben nicht nur um Natur, sondern auch um politische Haltung geht.
Der Autor stellt die These auf, dass ländliche Regionen verstärkt politische Randgruppen anlocken. Gleichzeitig handele es sich bei einem Großteil der Einwohner um weniger weltoffene, auf konservative Werte bedachte Leute mit Neigung zu Ausgrenzung. So hat er es in seiner Jugend auf dem Land erlebt, was ihn trotzdem nicht abgeschreckt hat, wieder aufs Land zu ziehen.
Er betont das Wort gemein, das in Gemeinschaft steckt, und ordnet Dorfbewohnern diese Eigenschaft zu, da sie sich unweigerlich aus dem gemeinschaftlichen Miteinander ergebe. Nach ca. 100 Seiten fällt ihm dann auf, dass ein provinzieller Geist nicht unbedingt nur im bayerischen Dorf vorherrscht, sondern sogar im Kopf eines kanadischen Philosophen, und dass überregional und in sozialen Netzwerken ebenso Menschen beschämt und an den Pranger gestellt werden, wenn sie den vermeintlichen Gemeinwillen nicht teilen. Also hat das Problem sozialer Ächtung doch nichts mit Stadt und Land zu tun, sondern mit dem Menschen an sich. Warum dann dieses Buch?
Mit Zitaten unzähliger Dichter und Denker versucht er seine subjektive Erfahrung geisteswissenschaftlich zu untermauern. So spricht er vor allem Bildungsbürger an.
Er erzählt, dass er als Journalist in einem Interview mit der Süddeutschen seine neue ländliche Nachbarschaft als reichen Pöbel bezeichnet hat, wundert sich anschließend aber über deren Bösartigkeit ihm gegenüber.
Das Ganze ist kein Sachbuch, denn immer wieder rückt die persönliche (und oft selbst ziemlich gemeine) Meinung des Autors in den Vordergrund.
Es ist leider auch keine humoristische Abhandlung, für die man ein wohlwollendes Schmunzeln übrig hätte. Man kann
dem Autor nur raten, möglichst bald in ein urbanes Umfeld zurückzukehren. Ein Buch für den nächsten Philosophenstammtisch!

Bewertung vom 11.03.2024
Issa
Mahn, Mirrianne

Issa


ausgezeichnet

Außen das Bild einer afrikanischen Frau mit rituellen Narben. Damit ist das Thema unmissverständlich visualisiert. Wir lernen Issa als junge, schwangere Frau kennen. Beim Lesen kommt man ihr mittels Ich-Erzählform sofort ganz nah, kann sich wunderbar in sie hineinversetzen, nachvollziehen, warum sie sich auf die, Europäern seltsam anmutenden, traditionellen Rituale einlässt. Schon bald folgt ein Zeitsprung ins Jahr 1903.
In dem durchweg faszinierenden, teilweise erschreckenden Roman erfahren wir jede Menge über die Geschichte Kameruns der letzten 120 Jahre. Die deutsche Kolonialherrschaft und zwei Weltkriege wirken sich unmittelbar auf das Leben der Menschen dort aus. Die Autorin setzt zu Recht den Fokus auf die Rolle der Frauen. Sie sind alle stark, manche streng, nicht immer gewaltfrei, lauter glaubwürdige Charaktere mit ganz viel Energie, jedoch auch Fehlern und ehrlichen Emotionen. Die Autorin verzichtet auf Anklagen oder politische Stellungnahme, lamentiert nicht und interagiert so perfekt über Kontinente hinweg. Probleme Afrikas werden nicht verschwiegen, es wird aber auch nichts zu sehr ausgebreitet.
Die in Europa bisher kaum bekannten Informationen über Geschichte und Kultur des Landes, in diese spannende Form gepackt, machen das Buch absolut einzigartig.

Bewertung vom 09.03.2024
Das Jahr ohne Sommer
Neumann, Constanze

Das Jahr ohne Sommer


sehr gut

Das Buch präsentiert sich mit einem kopfüber schaukelnden Mädchen vor der Kulisse einer Stadt. Das wirkt zunächst einmal beschwingt, unbeschwert.
Das erste Ereignis ist allerdings die misslungene Flucht aus der DDR in die BRD, die für die dreijährige Ich-Erzählerin zunächst im Kinderheim, für die Eltern im Gefängnis endet. Damit ist klar, dass es sich um keine leichte Lektüre handelt, auch wenn es zwei Jahre später eine Familienzusammenführung im Westen gibt.
Es geht um Orientierung, Zugehörigkeit, Ankommen, Anpassung. All das bereitet dem Mädchen Schwierigkeiten. Das Ausmaß der inneren Zerrissenheit zwischen zwei so unterschiedlichen Welten zeigt sich allerdings erst im letzten Drittel.
Über mehr als hundert Seiten wird von einer abwechslungsreichen, fast beneidenswerten Kindheit mit unzähligen Reisen in sämtliche Himmelsrichtungen erzählt. Obwohl der Vater nicht mehr jung und die Mutter krank ist, gelingt es den Eltern, der Tochter überwiegend Unbeschwertheit zu vermitteln. Das erinnert an Judith Kerrs „Als Hitler das rosa Kaninchen stahl“.
Die Beschreibungen von Schule und Alltag scheinen beinahe banal, wie eine nüchterne Nacherzählung, weitgehend emotionslos, aber geprägt von einer Grundstimmung kindlicher Zuversicht. Sogar die Zugfahrt allein, über den Eisernen Vorhang hinweg, zur Oma von Aachen nach Leipzig ist nicht sonderlich aufregend oder beklemmend für die inzwischen Zehnjährige. Es kommt wenig von der Stimmung rüber, die Bürger des sogenannten grauen Landes gespürt haben müssen. Mir fehlt atmosphärische Dichte. Wer selbst die DDR nicht kannte, kann sich auch nach der Lektüre nicht viel darunter vorstellen. Die Protagonistin erlebt scheinbar eine typische West-Kindheit mit grotesk anmutenden Ostzonen-Extras, die anderen vorenthalten bleiben.
Der letzte Teil, in dem plötzlich psychische und körperliche Probleme deutlich benannt werden, ist eher wenig nachvollziehbar, da diese sich nicht in Zusammenhang zur DDR-Vergangenheit rücken lassen. Könnte das nicht eine ganz normale Pubertät sein? Sind Depressionen nicht ohnehin weit verbreitet, auch ohne DDR-Gefängnis-Erfahrung?
Obwohl hier eine sehr persönliche, gut lesbare Geschichte chronologisch, mit glaubwürdigen Charakteren, erzählt wird, bleibt eine große Distanz.
Nicht die erste Wahl für Leser, die sich über die DDR informieren möchten.

Bewertung vom 28.02.2024
Kosakenberg
Rennefanz, Sabine

Kosakenberg


ausgezeichnet

Auf dem Cover eine Eierschachtel, ein Ei ist nicht mehr darin, sondern daneben - hier geht es um Herkunft, Zugehörigkeit, Abkehr. Dann einleitend ein Zitat von Didier Eribon, der 2009 in Frankreich mit einem Buch über soziale Herkunft Furore machte. Wir befinden uns nun aber nicht im Nordosten Frankreichs, sondern in Brandenburg, Jahrtausendwende, also nach der Wende, in der der östliche Teil von Deutschland plötzlich für den globalen Westen interessant, von der Politik in den Fokus gerückt, und dennoch in der Peripherie vernachlässigt wurde.
Wie so viele junge Menschen geht die Hauptperson Kathleen fort, ihr gelingt ein sozialer Aufstieg im Ausland. Das Buch ist in zehn Kapitel eingeteilt, die jeweils eine Rückkehr beschreiben. Die Autorin ist dabei ganz nah an den Figuren, man kann sie sich wunderbar vorstellen, und auch mitfühlen, wie zwiespältig sich die Situation für Kathleen darstellt. Einerseits ist sie sehr froh, nicht mehr an diesem wenig anregenden Ort, in solch einfachen Verhältnissen leben zu müssen, andererseits erfährt sie auf schmerzhafte Art jedesmal wieder neu, dass alles, was sie so furchtbar findet, ein Teil von ihr ist und bleiben wird, aber sie selbst als Person immer weniger ein Teil dieser sozialen Gemeinschaft sein kann. Feinsinnig beschriebene Charaktere und ein fließender Erzählstil lassen Sympathie für alle Seiten aufkommen, die, die geblieben sind, und die die es nicht ausgehalten haben.
Die Geschichte verzichtet auf den Klischee-Neonazi, zeigt, dass auch Menschen, die ihr Dorf so gut wie nie verlassen haben, weltoffen sein können. Ein ermutigendes Buch für alle, die nicht immer im Reinen mit ihren sogenannten Wurzeln sind.

Bewertung vom 25.02.2024
Hinter der Hecke die Welt
Molinari, Gianna

Hinter der Hecke die Welt


gut

Das Blättermotiv auf dem Cover ist passend gewählt und farblich ansprechend. Die Themen des Buches sind sehr aktuell, es geht um Grenzen des Wachstums und den Klimawandel. Leider ist der Erzählstil extrem distanziert, die Personen bleiben schemenhaft und ohne Angebot einer Identifikation. Die beiden Kinder, die die Hoffnung symbolisieren, wirken nicht wie Kinder, allein ihre Größe zeichnet sie aus, ansonsten sind sie alters- und gesichtslos, überhaupt nicht lebendig dargestellt. Dora, die Arktis-Forscherin, lebt den Feminismus, zahlt aber einen hohen Preis und kann in der klimatischen und emotionalen Kälte nicht einmal ohne Rauschen mit ihrer Tochter telefonieren. Das sterbende Dorf könnte überall sein, unklar, warum Touristen anreisen, nur wegen dieser Hecke? Die Hecke ist ein gutes Symbol für unkontrolliertes Wachstum, der Getränkeautomat steht für menschliche Versuche, die Lage mittels Technik zu beherrschen. Trotz vieler guter Denkanstöße verharrt die Handlung in einer Starre, wiederum sinnbildhaft für den politischen Umgang mit den gegenwärtigen Weltproblemen. Alles gut gemeint, aber ohne Lösungsansätze sehr deprimierend zu lesen. Wirklich gelungen sind nur die wenig bekannten Fakten über die Arktis und die Tiefsee.
Das Buch ist ein Versuch, den Weltschmerz in eine Parabel zu packen. Leider schmerzhaft.

Bewertung vom 11.02.2024
Mühlensommer
Bogdahn, Martina

Mühlensommer


sehr gut

Das Cover mit Getreide und Schmetterling stimmt sehr harmonisch auf einen Roman über das Landleben ein. Es wirkt fast schon etwas langweilig, aber das ist das Buch überhaupt nicht. Durch den lebendigen und humorvollen Schreibstil lesen sich die 321 Seiten fast wie von selbst. Stadtmenschen erfahren sehr viel Neues und sind dabei immer mitten im Geschehen. Die Autorin wechselt zwischen zwei Zeitebenen, wobei besonders ihre Kindheitserinnerungen mit allen Stimmungen sehr packend erzählt werden. Es wird allerdings auch nichts ausgespart oder beschönigt. Einiges ist sehr derb und grausam. Da der Hof extrem abgelegen ist, können die Geschwister keine Freunde besuchen. So sind sie sich im Alltag sehr nah. Leider war aber schon damals das gesellschaftliche Ansehen der Bauern schlecht. Die Kinder spüren das nicht nur, wenn die Sommerferien nahen und wieder nur die anderen verreisen. Sie riechen nach Stall, die Hauptrolle im Krippenspiel erhält die Arzttochter. Wochenlange mühsame Ernte mit zehnstündigen Arbeitstagen, und das Geld reicht am Ende nicht einmal für einen einzigen modischen Pullover.

Bauern haben damals noch nicht gestreikt. Die Bedingungen, gute und bezahlbare Nahrungsmittel zu produzieren, werden immer schwieriger. Zeit, sich mit dem Thema zu beschäftigen.
Hier gibt es einen unterhaltsamen Einblick in bäuerliches Leben, vor ca. vierzig Jahren und jetzt, ganz ohne Moralisieren oder Lamentieren, ganz ohne ideologische Hintergründe. Die Lektüre ist wie Urlaub auf dem Bauernhof, nur authentischer!

Bewertung vom 11.02.2024
Krummes Holz
Linhof, Julja

Krummes Holz


sehr gut

Beim Betrachten des Covers spürt man bereits die drückende Sommerhitze in der westfälischen Landschaft. Und im Innern des Romans schwelen tatsächlich einige jahrelang ungelöste Familienprobleme. Jirka verlor früh seine Mutter, die zuletzt in der Psychiatrie lebte. Er wurde als Kind vom Vater und der älteren Schwester misshandelt. Außerdem hat er eine Großmutter, deren Lieblingsbeschäftigung es zu sein schien, Angst zu verbreiten - bevor sie an Demenz erkrankte. Ertränkte Katzen, erschossener Hund - der überforderte Gutsherr des heruntergewirtschafteten Hofes lässt kaum etwas aus, das man sich über die Nachkriegszeit in der deutschen Provinz so erzählt. Die deutlich später geborene Autorin hat sich hier sozusagen an einem historischen Roman versucht und dabei recherchiert: Requisiten (Taunus, Kassetten mit Italo-Pop) und schwarze Pädagogik/ Schwimmunterricht, der auf eine Art Überraschungsmoment abzielt.
Atmosphärisch ist das Buch ein klarer Fall für fünf Sterne. Die Sprache ist voller ausdrucksstarker Metaphern, die die Stimmung tief unter die Haut des Lesers transportieren. Einen Schwachpunkt sehe ich allerdings in der Handlung, die um einige wenige Personen kreist. Man rechnet mit einem Impuls von außen, aber da kommt nichts. Die tragische Verbindung der Geschwister ist zum Teil widersprüchlich, das Versagen der Eltern unwiederbringlich prägend, die Rolle des Verwaltersohnes unklar. Noch seltsamer: Henning. Die Charaktere agieren nahezu immer unlogisch. Vielleicht soll das alles auf den Grad der Verzweiflung hindeuten. Dieser ist schließlich enorm. Das Buch ist ein ganz guter Griff für Krimi- oder Horror-Fans. Es spielt, etwas unkonventionell unter freiem Himmel, mit einer Hermetik des Raumes im Stil von Edgar Allan Poe. Über allem schwebt ein Hauch vom frühen Ian McEwan/ Zementgarten.
Wer eine psychologisch durchdachte Familiengeschichte lesen möchte, stößt hier an eine Grenze.

Bewertung vom 24.01.2024
Leuchtfeuer
Shapiro, Dani

Leuchtfeuer


gut

Das Cover zeigt Blumen, doch wenn man das Buch liest, fällt auf, dass Sterne viel besser gepasst hätten, denn es geht sehr oft um Astronomie. Darüberhinaus ist es voller parapsychologischer Elemente, an die ein ansonsten sehr wissenschaftlich orientierter Junge ernsthaft glaubt.
Der im Vordergrund stehende Handlungsstrang beschreibt ein jugendliches Geschwisterpaar, das einen tödlichen Unfall verursacht. Trotz dieses traumatischen Ereignisses sind die zwei im weiteren Leben erstaunlich erfolgreich. Zwar kämpft die Tochter (erfolgreich) mit einem Alkoholproblem, das hindert sie keineswegs daran, angesehene Filmproduzentin zu sein. Ihre Ehe beeinträchtigt das alles kaum. Der Sohn verschwindet ein paar Jahre ins Ausland, macht allerdings nach seiner Rückkehr locker zwei sehr angesagte Szene-Restaurants auf. Der Vater lädt als Arzt ebenfalls eine Schuld auf sich, lebt aber viele Jahre in Ruhe und Wohlstand, quasi direkt neben dem Baum, an dem ein Mädchen durch den von seinen Kindern verursachten Unfall starb.
Und weil der Zufall und das Schicksal, die in diesem Roman enorm viel Gewicht haben, es so wollen, spielt er für seine Nachbarn den Geburtshelfer, was eine lebenslange, natürlich magische Bindung zur Folge hat. Das mit seiner Hilfe zur Welt gekommene Kind wird - welch ein Wunder - Sterbebegleiter für seine, insgesamt mehr als blass dargestellte, und zuletzt noch an Alzheimer erkrankte Frau. Bis auf Sarah sind alle Frauenfiguren schwach, so bestätigt sich damit das patriarchale Gebot: Es kann nur eine (starke Frau) geben!
Der Plot ist sehr irreal, die Sprache schwenkt häufig ins Futur.
Der allwissende Erzähler macht das Ganze zu einem stark konventionellen Roman, der auch durch etliche Zeitsprünge nicht moderner wird. Was lernt man durch dieses Buch? Wer hart arbeitet, erlangt sogar mit psychischem Trauma gesellschaftliche Anerkennung.
Wer‘s glaubt, wird selig.

Bewertung vom 24.01.2024
Weiße Wolken
Seck, Yandé

Weiße Wolken


ausgezeichnet

Auf dem abstrakten Cover zeichnen sich Schnittmengen in ganz neuen Nuancen ab, so wie auch beim Zusammenleben von Menschen unterschiedlicher Herkunft durch kulturellen Austausch das allgemeine Spektrum erweitert wird.
Im Roman erfahren wir einiges aus dem Leben zweier Schwestern mit deutscher Mutter und gemeinsamem Vater, der vor vielen Jahren aus dem Senegal einwanderte.
In Zeiten stärker werdenden Rechtsrucks ein wirklich wichtiges Thema, das von Zazie, der jüngeren der beiden Schwestern, immer wieder angesprochen wird, ist der Rassismus.
Ihr Zorn über ungerechte Strukturen setzt ergänzend auch den Feminismus in den Fokus. Fast jedes Gespräch mit ihr mündet im gesellschaftskritischen Lamento, was die - von Mental Load geplagte - ältere Schwester Dieo, Mutter dreier Söhne, oft sehr anstrengend findet. Beide haben trotzdem ein sehr enges Verhältnis zueinander. Zazie unterstützt Dieo in ihrem Alltag. Diese führt mit ihrer Familie ein komfortables Leben samt Lastenrad und Psychoanalyse. Sie hat allerdings auch einen mittelalten weißen Mann geheiratet. So denkt sie beispielsweise über ein Schwarzes Au-pair aus der Verwandtschaft nach, wovon die finanziell knappe Zazie, angehende Doktorandin, nichts hält, weil es imperialistische Strukturen verfestigt.
Die Stärke des Romans liegt eindeutig in den pointierten Dialogen.
Der Vater, von dem wir ja bereits durch den Klappentext erfahren haben, dass er im Verlauf der Handlung sterben wird, spielt über rund 250 Seiten keine tragende Rolle. Der Klappentext ist meiner Meinung nach etwas irreführend. Auch die Reise in den Senegal selbst kommt wenig ausgeschmückt, mit noch weniger Seiten aus. Es ist nicht ganz nachvollziehbar, wie diese Reise was genau bewirkt. Dieo sieht ihre Verwandtschaft zum ersten Mal, leider sind ihre Eindrücke kaum ausgearbeitet.
Man erfährt wenig über das Land Senegal, umso mehr über das Leben nicht deutsch gelesener Menschen in Deutschland. Das bedeutet zu einem Großteil die kulturübergreifend immer gleichen Alltagsprobleme im Familiären
- plus die großen Fragen nach Identität und gesellschaftlicher Akzeptanz. Letztlich stellt sich die noch größere Frage nach der Verantwortung der EU in der Welt.
Ein nachdenklich machendes Buch!

Bewertung vom 01.01.2024
Not Your Business, Babe!
Bogner, Verena

Not Your Business, Babe!


ausgezeichnet

Auf den ersten Blick erwarte ich bei einem rosa Buch nicht unbedingt Tiefgang und gut recherchierte Fakten. Mit all den englischen oder halb englischen Begriffen entsteht sprachlich zunächst der Eindruck, dass ausschließlich sehr junge Frauen die Zielgruppe sind.
Im Laufe der Lektüre werde ich komplett überrascht! Das Buch strahlt tatsächlich eine Kraft aus, die wirklich fast jede Altersgruppe ermutigen kann.
Die Autorin erzählt sehr persönlich von ihren Erfahrungen, spricht die Leser*in immer wieder direkt an und vermittelt eine Verbundenheit, die den Feminismus weiter vorantreiben kann. Dabei ist stets klar, dass es eben nicht so einfach ist, wie so manche weibliche Ikone am Beispiel ihres eigenen Erfolges propagiert: Nicht jede kann alles schaffen. Es ist eine Frage der Privilegien. Wer es nicht schafft, ist in den allermeisten Fällen weder zu faul noch zu dumm, sondern einfach gefangen in den toxischen Strukturen aus Patriarchat und Kapitalismus. Nicht nur bezahlte Arbeit ist Leistung. Die Autorin setzt den Fokus auf Solidarität unter Frauen. Und hier kann das Buch einiges bewirken. Unbedingte Empfehlung, nicht nur für Berufseinsteigerinnen.