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Insgesamt 577 Bewertungen
Bewertung vom 08.12.2008
Abendland
Köhlmeier, Michael

Abendland


sehr gut

Weit ist die Geschichte gespannt, die Michael Köhlmeier in seinem Roman erzählt. Auch wenn man sich zwischendurch wünscht, er hätte den einen oder anderen Schlenker ausgelassen, um nicht jedes Feld seit der K.u.K-Monarchie zu besetzen und mit seiner Familiengeschichte zu verknüpfen, ist ihm doch ein unterhaltsamer Roman gelungen, der mit glänzenden Passagen aufwartet. Nicht zuletzt wenn ein Nachbarn den Hund des Helden tötet, obwohl er nur auf ihn aufpassen soll, der Besitzer ausrastet, sich rächen will und seinerseits in einen Gewehrlauf stiert, um als Nazi beschimpft zu werden und erniedrigt davonzuschleichen. Köhlmeiers ausgeprägter Hang zur Beschreibung einer glänzenden, von Selbstzweifeln geprägten Musikerexistenz, die detailliert Abgründe wie Triumphe eines solchen Lebens nachzeichnet, fasziniert in ihrer gnadenlosen Spiegelung. Der Begnadete Vater des Helden ist ein Genie und doch zerbricht sein Leben und das seiner Familie fast mit. So tauchen in dem Roman Figuren auf, die allesamt irrlichtern, sich begegnen, kreuzen, verlieren. Mit dem Etikett Künstlerroman ist der Geschichte schwer beizukommen. Eher hastet hier ein Sohn der Vergangenheit hinterher und versucht den Menschen gerecht zu werden, denen er darin begegnet, indem er sie aus der Zeit, den Träumen, dem Scheitern zu verstehen versucht. Nicht zuletzt, um zumindest dem Vater zu verzeihen. Bemerkenswert wie Köhlmeier dabei Fiktion und Fakten verbindet und eine Familie vor uns entsteht. Vom Sterbebett aus - und was sind Erinnerung anders als in ein Sterbebett eingebunden - lässt sich vermutlich leichter, versöhnlicher erzählen.
Polar aus Aachen

1 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 26.11.2008
Verstummt / Atlanta Police Department Bd.1
Slaughter, Karin

Verstummt / Atlanta Police Department Bd.1


weniger gut

Die Wiederkennungseffekt bei Karin Slaughters neuem Thriller Verstummt ist hoch. Das hat man alles irgendwo schon mal mitunter spannender gelesen. Der Plot vom unschuldig Einsitzenden hin zum wahren Täter ist breitspurig erzählt, während das Grand Final bemüht ist, Schrecken zu erzeugen. Lediglich bei der falschen Fährte, die John Shelley legt, um wenn er schon wieder für Verbrechen haften soll, die er nicht begangen hat, variiert das Thema von gestohlener Identität leicht. Wie dies im Verlauf mit einem Federstrich beiseite geschoben wird, um die einmal festgefahrene Linie, zu halten selbst die tödliche Gefahr überzeichnet erscheint, die am Ende lauern soll, lässt vor allem das Konstrukt aufscheinen, das unbedingt eine gängige Story erzählen will. Der Serienkiller verkauft sich gut, vor allem wenn er der eigenen Familie entwächst. Ein Thriller für Thriller-Freunde, die sich im Genre nicht allzu gut auskennen, sonst fallen einem gleich ein Dutzend Namen ein: von Gerritsen über Cornwall zu Mo Hayder, die in ihrer Büchern ähnliche Fäden folgen. Ausführliche Biographien, Beschreibungen allein, selbst wenn sie in einem moralisch verwerflichen Umfeld von Vergewaltigern und Pädophilen entspringen, reichen nicht aus, um sich das Etikett Thriller anzuheften. Es fehlt der Suspense. Man sollte das Ganze lieber eine Etage niedriger hängen, ohne dem Spektakel zu frönen, um eine blasse Geschichte etwas Farbe zu verleihen. Wie man hört, soll Karin Slaughter durchaus bessere Thriller geschrieben haben.
Polar aus Aachen

7 von 16 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 26.11.2008
Dr. Jekyll und Mr. Hyde
Stevenson, Robert Louis

Dr. Jekyll und Mr. Hyde


ausgezeichnet

Dr. Jekyll & Mr. Hyde ist ein Urahn heutiger Psychothriller. Ihm haftet etwas Manisches, ein Fieberzustand, pure Schizophrenie an, wenn der Schuldige erzählt, wie er aus Wissensdurst, Neugier sich auf abseitige Pfade begeben hat, seinem dunklen Charakter mehr und mehr verfiel. Robert Louis Stevenson beweist nicht nur in dieser Geschichte, welch hervorragender Erzähler er ist. Wenn heute von Klassikern gesprochen wird, liegt auf seinem Werk wohl der wenigste Staub. Ohne der Neigung zur Effekthascherei nachzugeben, beschreibt er minutiös den Verfall eines Mannes. Er nähert sich ihm von außen her, wegen eines seltsamen Testaments. Sein Schrecken besteht vor allem in der Frage an uns selbst, was womöglich da in jedem von uns schlummert, und das nur deswegen nicht zu Tage tritt, weil wir uns noch keinen Trank zusammengemixt haben, der es freisetzt. Heutzutage würde die Geschichte in Blut und Schrecken ertränkt werden. Der Schrecken bei Stevenson besteht in der Angst, die der Mensch vor sich selbst hat, in der Unumkehrbarkeit des einmal in Gang gesetzten Prozesses. Wer heute über Psychopathen schreibt, sollte bei Stevenson nachschlagen. Er kommt mit recht wenig aus. Er lässt seine Figuren nur zu Wort kommen.
Polar aus Aachen

2 von 3 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 17.11.2008
Der schwarze Steg / Rebecka Martinsson Bd.3
Larsson, Åsa

Der schwarze Steg / Rebecka Martinsson Bd.3


gut

Eine Tote in einer Fischerhütte, die sich als die engste Mitarbeiterin eines Bergbaumagnaten herausstellt. Asa Larssons Schwarzer Steg entwickelt sich zu Anfang verheißungsvoll. Die Autorin sprengt die Ketten der ersten Romane um die Polizeikommissarin Anna Maria Mella und die Anwältin Rebecka Martinsson und wendet sich dem Wirtschaftsverbrechen zu. Zwei Starke Frauen, von denen eine sich immer wieder in Bredouille bringt, obwohl sie ein sehr auf sich bedachtes Leben führt, geradeso als lege sie es darauf an, verletzt zu werden. Im Mittelpunkt steht Mauri Kallis, der das Verlierersyndrom auf dem Weg nach oben abgestreift hat, um in den Olymp der Reichen aufzusteigen, in dem man nur miteinander umgeht und sich abschottet. Nicht selten wird in diesem Kreis auf den Niedergang einer Aktie gewettet, ein Machtwechsel in der dritten Welt betrieben, um Schürfrechte abzusichern. So führt Asa Larsson ihre Geschichte erstmals über die Grenzen Schwedens nach Afrika und weist die Flecken nach, die ein ungebrochener Aufschwung mit sich bringt. Was in den beiden Vorgängern durch religiöse Verstrickungen zu einer komplexen Persönlichkeitsstruktur vor allem bei Rebecca Martinsson führt, verblasst in diesem Roman. Der schwarze Steg ist vorhersehbar, moralisch abgesichert, die Geschichte der Guten gegen die Bösen und endet, wie der Titel vorgibt, auf einem wackligen Steg. Wer die beiden Vorgänger nicht kennt, mag die Autorin für sich entdecken, wer bereits mehr von Asa Larssons psychologischen Abgründen gelesen hat, wird enttäuscht sein.
Polar aus Aachen

5 von 6 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 07.11.2008
Grabesgrün
French, Tana

Grabesgrün


gut

Dass ein Thriller nicht alle Erwartung erfüllt, kommt häufig vor. Mal hält der Plot nicht über die vielen Seiten, mal erscheint einem die Geschichte zu konstruiert, auf Effekt aufgebaut. Tanja French entgeht diesen Fallstricken in Grabesgrün beinah. Man möchte unbedingt herausfinden, was damals im Wald geschah. Fast erscheint es so, dass dieses Geheimnis mehr fasziniert, als der aktuelle Mordfall. French kann schreiben, sie besitzt ein feines Gespür für Charakterzeichnung und versammelte eine interessante Schar illustrer Personen um sich. Und doch stellen sich Längen ein. Das liegt teilweise am ausgedehnten Perspektivwechsel des Ich-Erzählers, der sich in zu vielen Details und Nebensträngen zu verlieren scheint - beinah so, wie bei einer Pointe, die zu sehr ausgeschmückt wird und an Kraft verliert. Der Plot auf zwei Ebenen ist immer noch gut gebaut, doch man spürt, dass weniger Abschweifen ihn kräftiger schillern ließe. Im Mittelpunkt stehen all die Lügen, die sich mit den Jahren um die geheimnisvollen Vorfälle im Wald ranken. Sie zu entschlüsseln und gleichzeitig den Mord an einem Mädchen aufzuklären, bleiben Rob und Cassie nicht viel Zeit. Die Spiegelung eines vergangenen Geheimnisses an einer Beinah-Wiederholung macht den Reiz von Grabesgrün auf. Dass nicht alle Geheimnisse ans Tageslicht gezerrt werden, macht den Charme dieses Debüts aus.
Polar aus Aachen

12 von 13 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 07.11.2008
Mafiatod
Westlake, Donald E.

Mafiatod


ausgezeichnet

Richard Starks alter Ego Donald E. Westlake stellt mit Mafiatod einmal mehr unter Beweis, mit welchem Tempo er zu erzählen versteht. Spannung stellt sich von Anfang an ein. Da ist der nach drei Jahren Abwesenheit heimkehrende Soldat, dessen Vater vor seinen Augen während der Fahrt im Auto erschossen wird, die Schwägerin, die er nie kennen gelernt hat und die überfahren wird, und da ist ein Bruder, mit dem er ein Geheimnis teilt, das es noch zu entdecken gilt. Nach diesem fulminanten Start und der Warnung, bloß nicht nach New York zurückzukehren, entwickelt sich ein blinder Racheplan, dem selbst ein Mann zum Opfer fällt, der eigentlich nichts anderes im Sinne hatte, als Ray und Bill zu warnen. Hard-Boiled nennt man die Erzählweise. Westlake bedient sich dabei der schnellen Schnitte, der nicht geschönten Darstellung von Gewalt. Vor allem versteht er etwas vom Spannungsaufbau. So enden viele der Kapitel mit einer Überraschung, die die Geschichte vorantreiben. Ohne damit gerechnet zu haben, rutscht das Familiendrama plötzlich in eine Mafiastory ab, die zwar noch viel mit Familie und Rache zu tun hat, aber die Gegenwart einer Mafia nachzeichnet, der es vor allem darauf ankommt, ehemalige Pfründe zurückzuerobern. Ein rasant erzählter Krimi. So mitreißend aus der Welt des Verbrechens zu erzählen, kann nicht jeder. Donald E. Westlake schon.
Polar aus Aachen

Bewertung vom 06.11.2008
Der schwarze Pfad
Woolrich, Cornell

Der schwarze Pfad


sehr gut

Nicht selten glaubt man sich im Paradies und findet sich in der Hölle wieder. Endlich haben es Scotty und Eve geschafft, sich vom Ehemann abzusetzen, ihre Liebe nach Cuba zu retten, da wird sie nicht nur vor seinen Augen erstochen, Scotty gerät darüber hinaus in den Verdacht, die Tat selber durchgeführt zu haben. Die Indizien sprechen in bester Hitchcock-Manier gegen ihn und natürlich gelingt ihm die Flucht, und er ist von da an bemüht, seine Unschuld zu beweisen. Nicht nur das Foto auf dem Cover ist in Schwarz-Weiß gehalten, auch die Geschichte erscheint, der klassischen Hochblüte des Kriminalfilms der dreißiger, vierziger, frühen fünfziger Jahre entnommen zu sein. Einziger Wehrmutstropfen: Die Auflösung, als der Held so richtig am Ende zu sein scheint, wird nacherzählt, statt erlebt. Das klingt nach flüchtiger Zusammenfassung, mindert den Spaß am Schwarz und Weiß einer Geschichte über Gut und Böse jedoch nicht, in der die Seiten klar voneinander geschieden sind.
Polar aus Aachen

0 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 06.11.2008
Ein rundherum tolles Land
McCourt, Frank

Ein rundherum tolles Land


sehr gut

Dass Frank Mc Court zu schreiben versteht, hat er bereits in Die Asche meiner Mutter bewiesen. Der zweite Band seiner Erinnerungen widmet sich gleichermaßen seinem zweiten Leben. Trotz mancher Downs gleicht seine Geschichte einer Hmyne auf ein Land und dessen Bewohner, das ihm nach einer bitteren Jugend die Möglichkeit eröffnete, zu sich selbst zu finden. Auch wenn er nicht vom Tellerwäscher zum Millionär aufsteigt, so durchläuft er doch viele Stationen, die ein schillerndes Bild auf dieses Amerika werfen. Er verdingt sich nicht nur als Hafenarbeiter, er dient seinem Land auch als Soldat. Vor allem ist es ein Buch darüber, wozu die Literatur imstande ist, wenn ihr jemand verfällt. Wie sie einen zu heilen versteht, einen Optimismus bestärkt, der Mc Court angeboren erscheint. Wer schmökern, sich von Geschichten entführen lassen will, ist bei dem begnadeten Erinnerer McCourt gut aufgehoben Und wie im letzten Satz der Erinnerungen, in dem er seine Mutter als Frau ehrt, die ein gutes Lied zu singen imstande war, vermag Frank Mc Court, gute Geschichten zu erzählen.
Polar aus Aachen

4 von 6 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.