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Top-Rezensenten Übersicht

Benutzername: 
Dreamworx
Wohnort: 
Berlin

Bewertungen

Insgesamt 1359 Bewertungen
Bewertung vom 16.08.2024
Das Lied der Biene
Groß, Gabriela

Das Lied der Biene


ausgezeichnet

Mut steht am Anfang des Handelns, Glück am Ende. – Demokrit
Seit Jahren ist Marga geschieden und hat mit ihrer Stelle als Haushälterin bei dem Unternehmer Paul Alprecht den Lebensunterhalt für sich und ihre Tochter Conny erarbeitet. Nun geht Conny eigene Wege, der Grund für die momentane Funkstille zwischen Marga und ihr. Wenigstens ihre Freundinnen Kirsten und Eva halten ihr die Stange und versuchen Marga aus ihrem zurückgezogenen Leben zu locken. Als ausgerechnet am Tag, als Marga aufgrund der hochnäsigen und übergriffigen Verlobten ihres Arbeitgebers kündigen möchte, diese im Swimmingpool an einem Bienenstich verstirbt, wendet sich Margas Leben um 180 Grad. Marga möchte ihren Chef Paul in seiner Trauer unterstützen, deshalb schreibt sie ihm via E-Mail anonym Worte des Trostes und der Unterstützung, die Paul langsam wieder aufbauen. Er möchte unbedingt wissen, wer ihm diese Mails zukommen lässt, doch bis er durch Zufall herausfindet, dass es sich hierbei um Marga handelt, stehen sich die beiden privat schon sehr viel näher, als es jeder von ihnen es je für möglich gehalten hätte…
Gabriela Groß hat mit „Das Lied der Biene“ einen wunderschönen, unterhaltsamen Gegenwartsroman vorgelegt, dessen Handlung einerseits wie ein modernes Märchen anmutet, andererseits auch wie aus dem Leben gegriffen zu sein scheint. Der flüssig-leichte, farbenfrohe und empathische Erzählstil stellt den Leser sofort an Margas Seite, lässt diesen tief in ihre Seelenwelt blicken, während er gleichzeitig darauf hofft, dass Margas Leben vom Glück geküsst wird und sie aus ihrem Schneewittchenschlaf erwacht. Marga hat sich über die Jahre selbst immer mehr in den Hintergrund bugsiert und das Leben an sich vorbeiziehen lassen, was zwar sicher ist, aber auch schrecklich langweilig. Doch das Unglück in Pauls Haus lässt sie über sich hinauswachsen. Mutig und liebevoll formuliert sie Briefe per E-Mail an Paul, um nicht nur ihn bei seiner Trauer zu unterstützen, sondern auch, um ihre unbegründeten Schuldgefühle in den Griff zu bekommen. Dass Paul ihr auf die Schliche kommt, gleicht dem verlorenen gläsernen Schuh von Cinderella. Er musste irgendwann herausfinden, wer ihn die ganze Zeit mit sensiblen Worten und Lebensweisheit aufbaut. Die Autorin hat ihre Handlung wunderbar gestrickt und lässt den Leser Stück für Stück den Standesdünkel zwischen Haushälterin und Chef vergessen. Hier geht es um zwei Menschen, die auf der Suche nach dem privaten, erfüllenden Glück suchen und mit Unterstützung ihres Umfeldes Zugeständnisse und mutige Schritte machen müssen, damit es gelingt. Die farbenprächtigen Landschaftsbeschreibungen Portugals bilden einen schönen Rahmen und vermitteln eine aufgelockerte Atmosphäre, in der vieles passieren kann.
Die Charaktere sind ausgesprochen lebendig und authentisch beschrieben. Ihre glaubwürdigen Eigenschaften lassen den Leser glauben, sie schon lange zu kennen, weshalb er ihnen nicht von der Seite weicht, um keinen Augenblick ihres Schicksals zu verpassen. Marga ist eine patente, liebenswerte Frau, die ihr Licht viel zu sehr unter den Scheffel stellt. Sie ist hilfsbereit, zupackend und bisher leider „unsichtbar“. Doch im Verlauf der Geschichte wird sie immer mutiger, gewinnt Stärke und eine gewisse Leidenschaft – sie kämpft für sich und das steht ihr wahnsinnig gut. Paul ist ein freundlicher Mann, der trotz seines Reichtums nicht abgehoben, sondern sehr menschlich geblieben ist. Sowohl sein Freund Jörg als auch Stieftochter Inga nehmen ihm die Scheuklappen von den Augen. Aber auch Margas Tochter Connie sowie die Freundinnen Eva und Kirsten tragen zum Wohlfühlcharakter der Geschichte bei.
„Das Lied der Biene“ ist ein wundervoller Roman über Hoffnung, Mut, den eigenen Schatten zu überspringen, und vor allem Stärke, endlich für sich und sein Glück einzustehen. Ein modernes Märchen, das überall jederzeit wahr werden kann. Absolute Leseempfehlung für einen Roman, der mitten ins Leserherz trifft!

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 05.08.2024
Träume aus Meerglas und Sand
Lowe, T. I.

Träume aus Meerglas und Sand


sehr gut

Wenn du etwas wagst, wächst dein Mut. Wenn du zögerst, deine Angst. – Gandhi
Nach der Scheidung von ihrem berühmten, aber übergriffigen Ehemann Ty kehrt Sophia Prescott mit ihrem dreijährigen Sohn Collin in ihre Heimatstadt Sunset Cove zurück, um dort bei ihrer Mutter und ihren Freundinnen ihre Enttäuschung und ihren Schmerz zu verarbeiten. Derweil lässt sich der engagierte Kinderarzt Weston Sawyer in Sunset Cove nieder, um Abstand vom Unfalltod seiner Frau Claire zu bekommen und einen Neustart zu wagen. Als Sophia sich bei Weston Sawyer für einen Job als Assistentin bewirbt, um ihren Lebensunterhalt zu sichern, erhält sie schon bald eine Zusage. Doch die Zusammenarbeit zwischen den beiden ist sowohl für Sophia als auch für Weston aufgrund ihrer unterschiedlichen Ansichten eine Herausforderung. Aber Stück für Stück klappt das Miteinander zwischen den beiden immer besser und sie kommen sich immer näher. Gibt es für Sophia und Weston die Chance auf ein gemeinsames Glück?
T. I. Lowe hat mit „Träume aus Meerglas und Sand“ den dritten Teil ihrer Sunset Cove-Reihe vorgelegt, der den Leser nicht nur ins wunderschöne Örtchen Sunset Cove entführt, sondern mit einer berührenden Geschichte wunderbar zu unterhalten weiß. Der flüssige, gefühlvolle und bildhafte Erzählstil stellt den Leser schnell an Sophias Seite, wo ihre Gedanken- und Gefühlswelt kennenlernt und jeden ihrer Schritte mitverfolgt. Die Rückkehr nach Sunset Cove bedeutet für Sophia nicht nur, wieder mit ihren Freundinnen Josie und Opal vereint und ihrer Unterstützung sicher zu sein, sondern auch den Trost und die Liebe ihrer Mutter zu erhalten. Die Misshandlungen durch ihren Ehemann haben Sophia Selbstvertrauen gekostet und seelische Blessuren hinterlassen, die erst einmal verheilen müssen, aber auch Sohn Collin hat an der Trennung der Eltern zu knabbern. Die Arbeit bei Kinderarzt Weston Sawyer hält Sophia in Atem, da sie beide starke Charaktere sind und jeweils mit ihrem Schicksal hadern. Erst, als sich jeder dem anderen nach und nach öffnet und über den erlittenen Verlust spricht, wird die Zusammenarbeit harmonischer und freundschaftlicher. Die Autorin hat ein gutes Händchen für die zwischenmenschlichen Beziehungen sowie die Schicksale ihrer Protagonisten, denn mit viel Empathie und glaubhaften Handlungen sorgt sie beim Leser für warmherzige Lesemomente und eine Gefühlsachterbahn nebst Kopfkino. Der christliche Aspekt wird angenehm mit der Geschichte verwoben und handelt von Vertrauen in Gott, Vergebung, Trauerverarbeitung und Neubeginn.
Die Charaktere sind lebensecht gezeichnet und mit authentischen menschlichen Eigenschaften in Szene gesetzt worden. Aufgrund ihrer Glaubwürdigkeit folgt der Leser ihnen auf Schritt und Tritt und genießt dabei die Zeit in Sunset Cove. Sophia ist eine liebenswerte, aber etwas naive Frau, die aufgrund des ehemals wohlhabenden Lebensstils oft falsch eingeschätzt wird. Sie ist verletzt, unsicher und hadert mit sich selbst, versucht aber, sich für ihren Sohn zusammenzureißen. Weston ist ein sehr gläubiger Mann, der in seinem Beruf seine Berufung gefunden hat. Er ist hilfsbereit und fürsorglich, hat aber mit seinen Dämonen zu kämpfen. Sophias Sohn Collin ist ein Herzensbrecher und das Zünglein an der Waage. Die alten Ladies vom Strickclub sowie die Freundinnen Opal und Josie mit ihren Ehemännern sorgen für zusätzlichen Unterhaltungswert in der Geschichte.
„Träume aus Meerglas und Sand“ ist ein schöner Roman über Neuanfänge, Schicksalsbewältigung, Hoffnung, Liebe und Freundschaft. Den Leser erwartet eine gefühlvolle, abwechslungsreiche Handlung, die aufzeigt, dass der Glaube einiges bewirken kann. Verdiente Leseempfehlung!

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 23.07.2024
Anna O.
Blake, Matthew

Anna O.


schlecht

Schlaftablette ohne Risiko und Nebenwirkungen
Ein Anruf lässt den forensischen Psychologen und Schlafexperten Dr. Benedict Prince in die Schlafklinik „The Abbey“ eilen, denn dort wurde heimlich die 29-jährige Anna Ogilvy eingeliefert, die vor vier Jahren angeblich ihre besten Freunde erstochen haben soll und seit der Tat in einem komaähnlichen Tiefschlag liegt. Sie gilt als dringend tatverdächtig, muss aber erst einmal wach werden, bevor ein Gerichtstermin überhaupt in Frage kommt. Unter Aufsicht der Behörden soll Dr. Prince Anna endlich wecken. Ob es ihm gelingen wird, und welche Tatsachen kommen dann endlich ans Licht?
Matthew Blake hat mit „Anna O.“ einen Roman vorgelegt, an dem sich die Geister scheiden. Es soll tatsächlich Leser geben, die dieses Buch als Thriller bezeichnen, jedoch gibt es Gott-sei-Dank auch diejenigen, die diese Geschichte als eine der wirksamsten Schlaftabletten schlechthin ansehen. Obwohl das Thema „Morden während des Schlafwandels“ recht interessant ist und vom Autor ausgiebig recherchiert wurde, wird es innerhalb der Handlung eher wie eine Abhandlung präsentiert, was den Leser nicht fesseln kann. Der Schreibstil ist flüssig, vermag aber trotz wechselnden Perspektiven und unterschiedlichen Handlungssträngen sowie den Zeitensprüngen zwischen Gegenwart und Vergangenheit keinerlei Spannung zu vermitteln. Alles wirkt wie eine willkürliche Aufzählung, eine Aneinanderreihung an Begebenheiten, wobei man sich manchmal fragt, was sie wirklich mit dem Fall zu tun haben. Vieles wirkt sehr konstruiert und kann den Leser so gar nicht überzeugen. Die recht verworren erzählte Handlung ohne jegliche Spannung lässt Langeweile aufkommen, man quält sich regelrecht durch die doch recht stattliche Anzahl von 480 Seiten und hofft, endlich selbst aufzuwachen, um der Qual ein Ende zu bereiten.
Die Charaktere sind durchweg unsympathisch und unnahbar, der Leser fühlt sich keinem von ihnen verbunden und beobachtet daher die Szenerie eher als unbeteiligter Zaungast. Dr. Prince ist ein Karrierist, der sich von dem Fall natürlich noch mehr Ansehen verspricht. Er wirkt regelrecht besessen. Ebenfalls blass bleiben Annas Mutter, die Kommissarin sowie die Bloggerin. Keiner von ihnen kann wirklich überzeugen.
„Anna O.“ ist eine langweilige, konstruierte Story, die niemandem den Schlaf raubt. Im Gegenteil: es sollte als Schlaftablette ohne Nebenwirkungen verschrieben werden. Ansonsten Ablage P – keine Leseempfehlung!

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 13.07.2024
Schwere Entscheidungen / Blankenese - Zwei Familien Bd.2
Grünig, Michaela

Schwere Entscheidungen / Blankenese - Zwei Familien Bd.2


ausgezeichnet

Das Leben ist die Summe all unserer Entscheidungen. - Albert Camus
1939 Hamburg. Die Familien Casparius und Jacobson schicken ihre Kinder Charlotte, Max und Kurt auf einen Kindertransport nach England, wo sie diese aufgrund ihrer jüdischen Wurzeln vor den Nazis in Sicherheit sind. Die Trennung von Jugendfreundin Fanni macht Kurt schwer zu schaffen, zumal er in England in einem Heim aufwachsen muss. Max‘ Zwillingsschwester Sonja kümmert sich dagegen um ihre Mutter und die familieneigene Reederei, da der Vater einfach untergetaucht ist, um seine eigene Haut zu retten. Aber die Androhung einer Zwangsenteignung durch die Nazis macht es Sonja immer schwerer, die Reederei weiterzuführen. Eine Zwangsehe mit einem hochrangigen Nazi wäre die einzige Lösung. Derweil entwickelt Fanni als Krankenschwester bei der Zusammenarbeit mit dem Kinderarzt Otto Casparius Gefühle für diesen, während Jugendfreund Kurt sich mit falscher Identität in die Royal Air Force mogelt und schon bald gezwungen ist, Luftangriffe gegen seine Heimatstadt Hamburg zu fliegen…
Michaela Grünig hat mit „Blankenese – Schwere Entscheidungen“ den zweiten Teil ihrer historischen Blankenese-Familiensaga vorgelegt, der in punkto Spannung, großen Emotionen sowie wunderbarer Hintergrundrecherche dem Vorgängerband in nichts nachsteht und den Leser mit den ersten Zeilen völlig in den Bann zieht. Der flüssig-leichte, farbenfrohe und gefühlvolle Erzählstil lässt den Leser sofort in die Vergangenheit reisen, um die Lebenswege der einzelnen Protagonisten hautnah i mitzuerleben, während er zwischen England und Deutschland hin- und herpendelt. Der Zeitrahmen spannt sich über die Jahre 1939 bis 1949, die Kriegszeit wird sehr gut wiedergespiegelt ebenso wie die Phase der Entnazifizierung, wobei alles sehr gut mit den Handlungen der Protagonisten verknüpft ist. Sonja kämpft an allen Fronten, sie kümmert sich nicht nur rührend um ihre Mutter, sondern versucht mit allen Mitteln, die Reederei zu erhalten, obwohl die Zwangsenteignung durch die Nazis droht. Der faule Kompromiss durch den Antrag eines Nazis stellt sie vor eine gewaltige Entscheidung. Derweil muss Kurt sich in England durch die Zeit im Heim durchbeißen, doch er sieht seine Chance in der Royal Air Force, in die er durch einen Trick eintritt. Aber auch er steht vor einer großen Herausforderung, als von ihm verlangt wird, Bomben über Hamburg abzuwerfen, wo seine Jugendfreundin Fanni lebt. Die Autorin hat nicht nur den historischen Hintergrund wunderbar mit ihrer Geschichte verbunden, sondern macht sehr deutlich, vor welche tiefgreifenden Entscheidungen die Menschen damals standen. Da geht es nicht nur um Kinderverschickung ins Ausland und die Trennung von Familien, sondern auch um den Erhalt von Eigentum vor dem Schrecken der Enteignung oder die Ausführung von militärischen Befehlen wohlwissend, dass am Zielort Menschen leben, die man kennt und liebt. Diese Gewissenskonflikte werden immer wieder deutlich und bescheren dem Leser neben einem großartigen Kopfkino vor allem Gänsehaut und eine Achterbahn der Gefühle.
Die Charaktere sind liebevoll ausgestaltet und in Szene gesetzt worden. Sie besitzen glaubwürdige menschliche Ecken und Kanten und überzeugen durch ihre Authentizität. Der Leser kann gar nicht anders als ihnen auf Schritt und Tritt zu folgen. Kurt musste schnell erwachsen werden und eigene Entscheidungen für sich selbst treffen. Er hat sich zu einem guten, gewissenhaften Mann entwickelt, der sich durch Mut und Verantwortungsgefühl auszeichnet. Sonja muss einiges auf ihren Schultern tragen, zeigt neben Zähigkeit und Geschäftssinn auch eine sehr sensible und feinfühlige Seite. Aber auch Fanni, Charlotte, Max und Otto tragen viel zum Unterhaltungswert der Geschichte bei.
Der Titel „Schwere Entscheidungen“ ist in diesem Roman Programm, die nicht nur vom ausgezeichneten Erzählstil und der Recherche der Autorin lebt, sondern auch mit Familiengeschichte, Liebe und historischem Hintergrund zu fesseln weiß. Absolute Leseempfehlung für einen Pageturner der Extraklasse!

Bewertung vom 13.07.2024
Eve
Towles, Amor

Eve


sehr gut

Die Strippenzieherin von Tinseltown
1938/39. Eve Ross ist einem Zug auf dem Weg nach Los Angeles, nachdem sie sich in New York von ihrem Verlobten getrennt und alle Brücken hinter sich abgebrochen hat. Im Speisewagen lernt sie den pensionierten Inspektor der Mordkommission, Charlie Granger, kennen, der gerade überlegt, nach dem Tod seiner Frau in LA alle Brücken hinter sich abzubrechen und zu seinem Sohn zu ziehen. Schon bald ist Charlie von Eve fasziniert, bringt sie ihn doch dazu, seine Pläne noch einmal zu überdenken. Kaum in LA angekommen, mietet sich Eve im Beverly Hills Hotel ein, wo sie auf den ehemaligen Schauspieler Prentice Symmons trifft, dessen Ruhm inzwischen verblasst ist und der seinen Kummer mit Essen betäubt. Auch er fällt schnell in Eves Bann, überlässt ihr sogar seinen Chauffeur, um die Stadt kennenzulernen. Bei einem ihrer Ausflüge begegnet Eve zufällig der jungen aufstrebenden Schauspielerin Olivia de Havilland und nimmt sich ihrer an. Die beiden werden schnell Freundinnen, und als Olivia in Schwierigkeiten gerät und Eve sogar von deren Studio als Aufpasserin engagiert wird, trommelt Eve all ihre neuen Bekanntschaften zusammen, um Olivias Ruf zu retten…
Amor Towles hat mit „Eve“ eine kleine, aber feine Gesellschaftssatire vorgelegt, die sowohl mit wunderbaren Charakterstudien als auch mit einer amüsanten Story überzeugen kann, obwohl die Geschichte kaum Spannungsbögen bietet. Der flüssige und bildhafte Erzählstil lässt den Leser nicht nur ins alte Hollywood reisen, sondern stellt ihn auch mal an die Seite von Eve, Charlie und anderer Protagonisten, wo er deren Gefühls- und Gedankenwelt genau erkunden kann. Während der Leser sich voll und ganz auf die einzelnen Personen konzentriert, baut sich im Hintergrund ein Schurkenstück in Form von Erpressung auf. Eve, die sich vorgenommen hat, ihre neue junge Freundin Olivia zu beschützen, zieht ihre bereits gemachten Bekanntschaften zusammen und macht sich mit deren Hilfe daran, den Erpressern ein Bein zu stellen. Interessant ist, wie sehr es Eve gelingt, vor allem Charlie und Prentice wieder das Gefühl zu geben, gebraucht zu werden. Beide sahen sich selbst schon als abgeschrieben und für die Gesellschaft bereits unsichtbar, doch beide leben in den ihnen zugeteilten Aufgaben völlig auf und zeigen ganz neue Gesichtszüge. Towles hat seiner Geschichte zudem eine interessante Kulisse als Hintergrund beigefügt, denn das alte Hollywood mit seinen Studios fasziniert auch heute noch. Außerdem macht er deutlich, wie damals mit jungen Schauspielerinnen verfahren wurde, die eigene Vorstellungen und Wünsche hatten.
Die Charaktere sind sehr detailliert und authentisch gezeichnet, so dass der Leser sofort ein Bild vor Augen hat. Unsichtbar verfolgt er die Protagonisten bei ihren Handlungen und hofft auf einen guten Ausgang. Eves Gesicht ist durch eine einseitige Narbe gekennzeichnet und vielleicht macht dies schon neugierig auf sie. Sie umgibt etwas Geheimnisvolles, doch animiert es gerade ihre neuen Bekanntschaften, sich ihr zu öffnen. Sie spart mit Worten, gibt nicht viel von sich preis, jedoch ist alles, was sie sagt, in irgendeiner Weise genau auf den Punkt. Charlie ist ein gutmütiger Kerl, der den Polizeidienst vermisst und die Chance ergreift, wieder ins Geschehen einzugreifen. Prentice vegetiert regelrecht vor sich hin, doch mit Eves Hilfe springt er über seinen Schatten und wächst noch einmal über sich hinaus. Olivia ist noch sehr jung und unbedarft, doch durch Eve gewinnt sie an Selbstvertrauen. Aber auch Billie und weitere Protagonisten lassen ihre Fußspuren in dieser Geschichte.
„Eve“ ist nicht nur eine unterhaltsame Gesellschaftssatire, sondern auch eine Geschichte über das Miteinander sowie Geben und Nehmen. Manchmal braucht es einen Schubs aus der richtigen Richtung, um dem Leben neue Würze zu geben. Genau dies wird in der Handlung immer wieder deutlich. Verdiente Leseempfehlung für ein Buch mit Tiefgang!

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 07.07.2024
Der Ruf der Nachtigall / Eifelfrauen Bd.2
Riebe, Brigitte

Der Ruf der Nachtigall / Eifelfrauen Bd.2


ausgezeichnet

Der kluge Fuchs ist derjenige, der Stärke darin findet, sich selbst zu überlisten. – Unbekannt
1945 Altenburg/Eifel. Der Krieg hat von allen große Opfer gefordert, nach seinem Ende geht es nun an den Wiederaufbau, der nochmals für alle ein Kraftakt sein wird. Aber nun ist die Chance groß, auch eigene Träume zu verwirklichen, und gerade das möchten steht ganz oben auf dem Wunschzettel von Klara und Mia. Die beiden sind bei Johanna Fuchs wie Schwestern aufgewachsen, obwohl Mia von Johanna adoptiert wurde. Die zurückhaltende Klara ist leidenschaftlich der Musik verbunden, während der extrovertierten Mia eher Bilanzen und Zahlen liegen. Die Begegnung mit dem tschechischen Opernsänger Pavel bringt die Gefühle beider Schwestern in Wallung, verändert aber vor allem Klaras Leben drastisch. Mia dagegen findet eine Aufgabe in der Fuchs Tabakfabrik ihres Onkels Heinrich. Werden sich die Träume der Schwestern erfüllen und werden sie zudem das große Glück finden?
Brigitte Riebe hat mit „Der Ruf der Nachtigall“ den zweiten Teil ihrer historischen „Eifelfrauen“-Dilogie vorgelegt, der in Bezug auf historischen Hintergrund, unterhaltsamer Familiengeschichte, lebensechten Protagonisten und farbenfrohen Landschaftsbeschreibungen dem Vorgänger in nichts nachsteht. Der flüssig-leichte, bildhafte und gefühlvolle Erzählstil beamt den Leser sofort in die Eifel der Nachkriegszeit, um neben Klara und Mia auch Johanna auf ihren Lebenswegen zu begleiten. Über wechselnde Perspektiven erlebt der Leser mit, wie sich die introvertierte Klara von Tausendsassa Pavel überreden lässt, in Köln eine Gesangskarriere zu verfolgen und durch sie dabei die Welt der Oper näher kennenzulernen. Im nächsten Moment darf er miterleben, wie Mia Altenburg den Rücken kehrt, um sich in den Fuchs-Werken bei ihrem Onkel die ersten Sporen zu verdienen. Auch die Liebe kommt nicht zu kurz, denn jede der Schwestern trifft über Umwege auf ihren Gegenpart. Doch bis dahin sind einige Hürden zu überwinden, Gewissensfragen und Ängste zu überstehen. Wunderbar wird auch die zwischenmenschliche Beziehung der beiden Schwestern untereinander beschrieben und ihr Verhältnis zu Johanna, die immer ihr Ankerpunkt ist und deren Leben ebenfalls im Wandel begriffen ist. Die Autorin versteht es hervorragend, den ausgezeichnet recherchierten Hintergrund mit ihrer Handlung verschmelzen zu lassen und ebenso den damaligen Zeitgeist so einzufangen, dass der Leser sich als Teil davon fühlt. Überraschende Wendungen lassen den Leser regelrecht an den Seiten kleben und durch die Erlebnisse von Klara und Mia eine Gefühlsachterbahn durchlaufen, während vor seinem inneren Auge das Kopfkino auf Hochtouren läuft.
Die Charaktere sind so authentisch mit menschlichen Eigenheiten ausgestattet, so dass der Leser sie bildlich vor Augen hat, sich ihnen sofort verbunden fühlt und regelrecht an ihren Fersen klebt. Klara ist eine zurückhaltende, eher schüchterne junge Frau, die musikalisch sehr talentiert ist. Während der Handlung entwickelt sie sich vom Entlein zum Schwan, wird selbstbewusster und selbstsicherer. Mia strotzt vor Selbstbewusstsein, ihr fliegen die Herzen der Menschen schnell zu. Dafür ist sie innerlich unsicher, teils sogar zerrissen, was ihre Einstellung zu eigenen Kindern angeht. Johanna ist der Fels in der Brandung, besitzt Stärke und Mut sowie die Weisheit von jemandem, der bereits vieles erlebt und allein schultern musste. Pavel ist ein netter Kerl, der sich als Filou entpuppt. Simon dagegen zeichnet sich zu Beginn durch Neugier aus, sorgt aber dann für einige Überraschungen. Aber auch Christoph, Heinrich, Cees und weitere Protagonisten bringen zusätzliche Farbe in diese abwechslungsreiche Geschichte. Doch über allem steht die Fähe, die mit ihrem Erscheinen immer wieder für den Gänsehautfaktor und ganz besondere Momente sorgt.
„Der Ruf der Nachtigall“ steht für eine wunderbar gefühlvolle Lektüre, die alles in sich vereint: starke Frauen, die ihren Weg gehen, eine spannende Familiengeschichte, Liebe mit all ihren Freuden und Tücken, historische Recherche vom Feinsten sowie einem Erzählstil, der seinesgleichen sucht. Absolute Leseempfehlung für eine Lektüre mit Sogwirkung! Besser geht es nicht – Chapeau!!!

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 23.06.2024
Die Freundin der Braut
Barreau, Nicolas

Die Freundin der Braut


ausgezeichnet

Es gibt keine fünf oder sechs Weltwunder, sondern nur eines: die Liebe. – Jacques Prévert
Viele Jahre sind seit dem letzten Kontakt zwischen Jean-Pierre Morel und seinem ehemals besten Freund Paul vergangen. Grund für den Zwist zwischen den beiden seit Kindertagen engsten Kumpanen war der Streit um eine Frau, denn beide hatten eine Vorliebe für Blondinen und ein Tabu wurde gebrochen, als der eine mit der Freundin des anderen anbandelte. Jean-Pierre, der das Café des Poètes im Pariser Marais besitzt, hatte seitdem kein Glück mit den Frauen. Als Jean-Pierre eines Tages die Hochzeitseinladung von Paul in den Händen hält, will er diese erst ignorieren, doch dann siegt neben der Neugier auch die Sehnsucht nach dem alten Freund. Am Tag der Hochzeit macht sich Jean auf den Weg von Paris zu einem Schloss in Südfrankreich, doch vorher muss er sich noch mit seiner ungemütlichen Ex-Freundin Océane rumschlagen und seine Großmutter zum Notarzt fahren. Bei all dem Stress findet er die Einladung mit der Adresse der Hochzeitslocation nicht wieder und landet nach einer unfreundlichen Szene mit dem Rotschopf Juliette an der Tankstelle und einer Autopanne mitten in der Pampa, wo ihn ein netter Automechaniker aufgegabelt und zum Schloss bringt, damit er endlich seinen alten Freund wiedersehen kann. Auf der Hochzeitsgesellschaft trifft er erneut auf Juliette, während er seinen Freund Paul nebst dessen Frau nirgends entdecken kann…
Daniela Thiela alias Nicolas Barreau hat mit „Die Freundin der Braut“ einen wunderschönen Roman vorgelegt, der nicht nur mit seinen farbenfrohen Landschaftsbeschreibungen zu begeistern weiß, sondern auch mit einem untrüglichen Gefühl für zwischenmenschliche Beziehungen ihrer Protagonisten den Leser in den Bann zu schlagen vermag. Der flüssig-leichte und gefühlvolle Erzählstil stellt den Leser schnell an die Seite von Jean-Pierre, wo er dessen Gefühls- und Gedankenwelt ebenso gut kennenlernt wie in kurzen Rückblenden dessen wichtigste Erlebnisse mit Paul aus ihrer gemeinsamen Vergangenheit. Jean-Pierre, dessen Leidenschaft für Literatur sich an den Wänden seines Cafés wiederspiegelt, nimmt die Hochzeit seines ehemals besten Freundes zum Anlass, die alte Freundschaft vielleicht wieder kitten zu können. Allerdings gibt es im Leben immer wieder Tage, wo alles schief geht, egal, wie gut man sie geplant hat. Gemeinsam mit Jean-Pierre erlebt der Leser eine Achterbahn der Gefühle, und die Uhr tickt, bis er sich endlich auf den Weg zur Hochzeit machen kann, wobei auch die Reise ein Abenteuer ist. Schon bei einer ersten Sichtung der Gäste beschleicht den Leser das Gefühl, vielleicht am falschen Ort zu sein, doch Jean-Pierre ist nicht nur geduldig, sondern verfällt immer mehr dem Charme von Juliette, die ihr Herz auf der Zunge trägt. Komisch, romantisch, ja geradezu faszinierend nimmt der Leser die anwesenden Gäste mit ihren kleinen Marotten wahr und fühlt sich selbst als Teil von ihnen, Polonaise tanzend und Kontakte knüpfend, wie es bei jeder solcher Gelegenheiten der Normalfall ist. Dass Jean-Pierre spät in der Nacht unter magischen Bedingungen sogar einen Heiratsantrag bekommt, wirkt hier gar nicht kitschig, sondern eher als eine logische Schlussfolgerung.
Die Charaktere verzaubern vom ersten Moment an mit ihrer Authentizität, der Leser lässt Jean-Pierre keinen Moment aus den Augen, man möchte ihn einfach vor allem Unbill beschützen. Jean-Pierre ist ein liebenswerter Mann, dem es allen recht machen will. Insgeheim vermisst er Paul schon lange, aber der Stolz hat ihn in seinen Klauen. Er ist recht schlagfertig, wenn es die Situation erfordert, besonders bei Océane. Diese ist einfach unerträglich in ihrer Art, und in mancher Situation möchte man sie an den Haaren wegschleifen ob ihrer Dreistigkeit. Juliette ist herzerfrischend, offen, unkonventionell und überraschend, was auch für einzelne Mitglieder der Hochzeitsgesellschaft gilt.
„Die Freundin der Braut“ ist wunderbar kurzweilig, romantisch, überraschend, lebendig und jede Zeile unterhaltsam. Eine zauberhafte Reise von Paris nach Südfrankreich mit skurrilen, liebenswerten Protagonisten, mit denen man als Leser immer wieder gerne eine Hochzeit feiern möchte. Absolute Leseempfehlung für einen Roman, der die französische Lebensart in jeder Silbe wiederspiegelt!

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 23.06.2024
Der Totenarzt / Detective Robert Hunter Bd.13
Carter, Chris

Der Totenarzt / Detective Robert Hunter Bd.13


ausgezeichnet

Gewalt ist die letzte Zuflucht des Unfähigen. – Isaac Asimov
Ein Verkehrsopfer, das auf dem Autopsietisch der Gerichtsmedizinerin Dr. Hove gelandet ist, liegt wenig später als Mordfall auf dem Tisch von Detective Robert Hunter und seinem Partner Carlos Garcia, denn der Tote ist nicht durch einen Unfall gestorben, sondern wurde vorher brutal gefoltert und dann auf Eis gelegt. Während Hunter und Garcia sich noch mit dem ungewöhnlichen Fall beschäftigen und im Leben des Toten nach Hinweisen suchen, wird ein zweites Opfer per Autopsie durch eine Medizinstudentin identifiziert. Nr. 2 war ein angeblicher Suizidkandidat, der allerdings schon tot war, als er von der Brücke sprang. Schnell wird Hunter und Garcia klar, dass die getarnten Unglücksfälle einem Serienmörder zuzuordnen sind. Aber wie sollen sie den Täter aufspüren und vor allem: wie viele Opfer gibt es noch, die bisher nicht entdeckt wurden? Hunter und Garcia machen Jagd auf den Killer, der schnell einen von ihnen im Visier hat…
Chris Carter hat mit „Der Totenarzt“ den 13. Fall seines Ermittlerduos Hunter und Garcia vorgelegt, der diesmal weniger blutig, dafür psychologisch raffiniert und spannend daherkommt. Der flüssige, bildhafte und rasante Erzählstil lässt den Leser kaum zum Luftholen kommen, denn gleich mit den ersten Zeilen ist er mitten in der Szenerie und begibt sich gemeinsam mit den Ermittlern nicht nur in die Räume der Autopsie, sondern auch auf Recherche über das Leben der Opfer, die kaum Kontakte hatten und von jemanden vermisst wurden. Nach und nach gibt es kleine Anhaltspunkte, die das zu lösende Puzzlebild plausibel erscheinen lassen, doch kaum schlagen Hunter und Garcia endlich die richtige Richtung ein, fällt einer von ihnen dem Killer in die Hände. Carter weiß ganz genau, welche Knöpfe er bei seinem Leser drücken muss, dass dieser das Buch kaum aus der Hand legen kann, zumal er sich mit der Handlung an einen wahren Fall anlehnt. Fiebrig versucht der Leser, des Rätsels Lösung zu finden, um weiteres Unheil zu verhindern und den Killer zur Strecke zu bringen. Der Ausflug in den Kopf des Mörders und dessen Geschichte lässt einerseits Mitleid aufkommen, allerdings auch Abscheu gegenüber allen, die sich dann gewaltsam an allem und jedem dafür rächen. Der Spannungslevel ist während der Handlung durchweg auf hohem Niveau, wozu auch die unterschiedlichen Schauplätze beitragen sowie die recht kurz gehaltenen Kapitel.
Die Charaktere von Robert Hunter und Carlos Garcia kennt der Leser nach bereits 12 „gemeinsam“ gelösten Fällen in und auswendig. In dieser Geschichte konzentriert sich der Autor mehr auf die Opfer. Hunter ist ein Einzelgänger und Allround-Genie mit ungewöhnlichen Denkansätzen, die ihn verschiedene Aspekte aufgrund ihrer Plausibilität beleuchten lassen. Dabei ist er bis zu einem gewissen Grad empathisch, jedoch gibt sein messerscharfer Verstand auch Anlass zu dem Gedanken, dass er selbst ebenfalls der perfekte Serienkiller wäre. Garcia ist die gute Seele des Duos, der mit Hunter umzugehen weiß. Dr. Hove ist eine intelligente Frau, die auch als Uni-Professorin eine gute Figur abgibt.
„Der Totenarzt“ ist diesmal weniger blutig, jedoch ist die Handlung bildhaft, fesselnd, rasant, atmosphärisch-düster und durchaus verstörend, wenn man bedenkt, dass sie auf einer wahren Geschichte beruht. Der Leser hat wieder einmal eine schlaflose Nacht, bis die letzte Seite gelesen und das Rätsel gelöst ist. Absolute Leseempfehlung für diesen atemberaubenden Pageturner!

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 19.06.2024
Das Lied des Schmetterlings
Cambron, Kristy

Das Lied des Schmetterlings


ausgezeichnet

All Eure Stunden sind Flügel, die durch den Raum schweben von Ich zu Ich. – Khalil Gibran
Die New Yorker Galeristin Sera James ist seit ihrer Kindheit von einem Gemälde besessen, das eine junge kahlköpfige Geigerin zeigt. Sie hat das Bild nur einmal gesehen, seitdem ist sie auf der Suche danach. Die Kontaktaufnehme des kalifornischer Geschäftsmann William Hanover, der ebenfalls aufgrund einer Millionenerbschaft nach dem Bild sucht, lässt sie hellhörig werden. William und Sera machen sich gemeinsam auf die Suche nach dem Gemälde und landen bei ihrer Recherche in der Zeit des Zweiten Weltkrieges und dem Schicksal der jungen österreichischen Geigerin Adele von Bron…
Kristy Cambron hat mit „Das Lied des Schmetterlings“ einen wunderschönen und sehr berührenden Roman vorgelegt, der den Leser nicht nur mit wechselnden Zeitebenen zwischen Gegenwart und Vergangenheit pendeln lässt, sondern auch das grausame Schicksal der Menschen in Auschwitz sehr lebhaft skizziert. Der flüssige, bildhafte und empathische Erzählstil nimmt den Leser sofort für sich ein, der regelrecht in die Handlung hineingesogen wird. Während er in der Gegenwart Sera und William bei ihrer Recherche über die Schulter sieht, ist es vor allem die Vergangenheit und das Schicksal der jungen Adele von Bron, das den Leser durch eine wahre Achterbahn der Gefühle jagt. 1942 ist Adele bereits eine gefeierte Violinistin in Wien. Sie stammt aus gutem Hause, ihre Eltern sind jedoch glühende Anhänger der NSDAP. Adele dagegen unterstützt ihre große Liebe Wladimir Nicolai heimlich, der mit allen Mitteln versucht, jüdischen Menschen zur Flucht zu verhelfen. Leider wird ihnen dies zum Verhängnis und nicht nur Wladimir wird deportiert, auch Adele wird von ihren Eltern als Erziehungsmaßnahme als Gefangene in das Konzentrationslager Auschwitz geschickt. Einzig ihre Geige darf sie mitnehmen. Was als Aufenthalt von 2 Monaten geplant war, zieht sich bis zur Befreiung 1945. Adele kommt in Auschwitz sofort unter die Fittiche der Jüdin Omara, die zur Leitung eines Orchesters beauftragt ist. Die Musikerinnen leben nur so lange einigermaßen sicher, so lange sie spielen können. Sie müssen bei der Selektierung am Auschwitzer Bahnhof ebenso spielen wie beim Apell oder bei besonderen Anlässen der Nazis. Während die Autorin das Geschehen im KZ, basierend auf wahren Begebenheiten des Orchesters von Auschwitz, sehr plakativ beschreibt, ist es gerade der Zusammenhalt der Musikerinnen sowie die Gedanken- und Gefühlswelt von Adele, die den Leser mitten ins Herz treffen. Ihre Liebe zu Wladimir ist in all der Zeit ungebrochen, hält sie sogar mit Hilfe einer Schmetterlingshaarspange regelrecht am Leben. Der überraschende Epilog entschädigt den Leser für alle Grausamkeiten, die Adele und ihre Mitstreiterinnen in Auschwitz erleben mussten. Der christliche Aspekt ist in dieser Geschichte wunderschön eingearbeitet worden und spiegelt vor allem Hoffnung und den Glauben an Gott wieder.
Die Charaktere sind glaubwürdig und lebensecht skizziert, der Leser kann gar nicht anders, als sich an ihre Fersen zu heften. Während er leichtfüßig William und Sera bei der Recherche über die Schulter schaut, ist es ihm dauerhaft flau im Magen, wenn er Adele im mörderischen Auschwitz Gesellschaft leistet. Adele ist eine liebenswerte und sehr talentierte junge Frau, deren moralische Ansprüche an das Leben an sich sehr hoch sind. Sie ehrt jedes Leben, und gerade das bringt sie in Schwierigkeiten. Mutig erträgt sie alles, ritzt sich sogar selbst eine Nummer in den Arm und hält ihre Hoffnung am Leben, obwohl die Schrecknisse um sie herum sie brechen müssten, wobei ihr gerade die Musik sehr hilft. Omara ist zwar eine strenge Lehrmeisterin, doch ebenso fürsorglich und friedfertig. Sera und William sind beide auf ihre Weise auf der Suche, wobei das Gemälde nur ein Teil ihrer Suche ist.
„Das Lied des Schmetterlings“ ist ein wunderschöner, atemraubender Roman, der eine Historie wieder lebendig macht, die leider in heutigen Zeiten schon sehr verblasst ist. Nicht nur die Schicksale der Protagonisten hinterlassen beim Leser Spuren, sondern vor allem deren Seelenmalerei bleibt unvergesslich. Absolute Empfehlung für ein echtes Lese- und Gefühlshighlight – Taschentuchalarm!!!

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 10.06.2024
Das Licht in den Birken
Fölck, Romy

Das Licht in den Birken


ausgezeichnet

Die kräftigsten Bäume wachsen unter den schwierigsten Bedingungen. - John Willard Marriott
Vor 25 Jahren floh Thea Lorenz nach einer unglücklichen Beziehung von der Lüneburger Heide nach Portugal, ohne einen Blick zurückzuwerfen. Nun ist für sie die Zeit gekommen, ihre Arbeit als Ziegenhirtin aufzugeben und in ihre alte Heimat zurückzukehren. Mit zwei Ziegen im Gepäck mietet sie sich bei Benno Findeisen ein, der einen abgehalfterten Gnadenhof für Tiere führt und dem finanziell das Wasser bis zum Hals steht. Nur kurz nach Theas Hofeinzug bekommen sie und Benno Gesellschaft von der jungen Rucksackreisenden Juli, die eigentlich auf dem Weg nach Amsterdam war, nun jedoch aufgrund eines verletzten Knöchels unfreiwillig auf dem Hof verbleiben muss, bis es ihr besser geht. Das Trio sieht sich schnell einigen Herausforderungen gegenüber, die es zu meistern gilt…
Romy Fölck hat mit „Das Licht der Birken“ einen wunderschönen, warmherzigen Roman vorgelegt, der nicht nur mit hervorragend gezeichneten Charakteren den Leser für sich einnimmt, sondern mit einer völlig real wirkenden Handlung zu unterhalten weiß. Der flüssige und atmosphärische Erzählstil lädt den Leser mit wenigen Sätzen in die schöne Landschaft der Lüneburger Heide ein, wo er als unsichtbarer Beobachter das Treiben auf Bennos Hof verfolgen darf. Durch sich abwechselnde Perspektiven lernt man sowohl Thea als auch Juli und Benno kennen und erfährt viel über ihre Wünsche, Sorgen und Geheimnisse. Thea hat sich nach einem seelischen Schiffbruch 25 Jahre in Portugal „versteckt“ und will nun nicht nur ihren angeschlagenen Gesundheitszustand in der Heimat abklären lassen, sondern sich auch ihren Ängsten stellen. Benno hat sich nach einem Unfall von allem zurückgezogen, so dass selbst Frau und Kind es nicht mehr mit ihm ausgehalten haben. Nun türmen sich die Schulden, und er steht kurz davor, auch noch den letzten Rest seines Lebensinhalts zu verlieren. Und dann ist da auch noch Juli, die nach dem Tod des geliebten Großvaters aus den Fängen ihrer Mutter flieht, die sie mit ihren Vorhaltungen zu ersticken droht. Fölck hat diese ungleiche und unfreiwillige „WG“ wunderbar zusammengestellt und lässt diese durch einige Höhen und Tiefen langsam zusammenwachsen. Als Hintergrund wirkt die landschaftliche Schönheit wie ein Zauber, der die Handlung zwischen den Protagonisten unterstreicht. Der Leser hört regelrecht, wie die Birken sich im Wind wiegen und ihre Blätter ein leises Konzert anstimmen, während die Stimmungen der Protagonisten ihn durch ein Wechselbad der Gefühle jagen.
Die Charaktere sind liebevoll und sehr wirklichkeitsnah gezeichnet, so dass der Leser sie sofort vor Augen hat. Die Mittfünfzigerin Thea ist eine pragmatische und liebenswerte Frau, die zupacken kann und sich so schnell nicht aus der Ruhe bringen lässt. Die Geister ihrer Vergangenheit verfolgen sie und warten auf Konfrontation. Benno ist ein alter Brummbär, der sich in seiner Zurückgezogenheit eingerichtet hat und erst wieder mit den Menschen warm werden muss. Er braust schnell auf, hat jedoch einen sehr weichen Kern, der ihn sehr sympathisch macht. Juli ist mit ihren 18 Jahren schon recht erwachsen, leidet unter der abweisenden Art ihrer Mutter und muss sich erst einmal selbst finden. Sie ist mutig, vielleicht manchmal etwas naiv, jedoch ist sie in diesem Dreiergespann diejenige, die die Balance hält zwischen ihnen.
„Das Licht in den Birken“ ist ein wunderbar unterhaltsamer und kurzweiliger Roman, der nicht nur die unterschiedlichsten Protagonisten mit ihren Eigenarten für sich sprechen lässt, sondern das neue Miteinander von allen Seiten beleuchtet, um am Ende als eine Einheit dazustehen. Absolute Empfehlung für ein Buch, das einen regelrechten Sog beim Lesen entwickelt!

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