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lalevi

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Insgesamt 37 Bewertungen
Bewertung vom 30.10.2023
Im Herzen so kalt / Maya Topelius Bd.1
Åslund, Sandra

Im Herzen so kalt / Maya Topelius Bd.1


sehr gut

In Schwedens Winterlandschaft findet Frida eine Leiche. Es ist der bekannte Umweltaktivist Mats Anderberg. Dieser hatte sich insbesondere für die Erhaltung von Schwedens Waldlandschaften eingesetzt und dabei auch die lokalen Forstbetriebe und deren Betreiber gegen sich aufgebracht. Um die lokalen Polizeibeamten bei den Ermittlungsarbeiten zu unterstützen, werden Maya Topelius und ihr Partner Pär Stenqvist hinzugerufen. In Östersund herrscht untern den Forstwirten zwar Einigkeit darüber, dass man Mats Anderberg nicht besonders mochte, umgebracht haben will ihn jedoch niemand. Zeitgleich muss sich Mayas Freundin Sanna den Schatten ihrer Vergangenheit stellen, was sie viel Kraft und Mut kostet. Doch es gibt Parallelen zwischen dem Fall Anderberg und Sannas Geschichte. Und so beginnen spannende Ermittlungsarbeiten in einem thematisch außergewöhnlichen Setting.

„Im Herzen so kalt“ ist der erste Teil der Reihe um die Ermittler Maya Topelius und Pär Stenqvist, wobei die Teile zwei und drei im Oktober 2024 bzw. im Oktober 2025 erscheinen werden. Die Winterlandschaft Schwedens bildet immer eine gute Grundlage für einen kalten, einsamen und düsteren Krimi. So wurden auch hier die Landschaften bildhaft beschrieben, sodass man sich gut hineinversetzen konnte. Die Geschichte ist spannend und es wird im ersten Band vor allem auf ein sehr wichtiges umweltpolitisches Thema aufmerksam gemacht: die Abholzung der Wälder in Schweden. Wo man bei illegalen Rodungen und illegalem Holzhandel als erstes z.B. an Rumänien und den südamerikanischen Regenwald denkt, sind die Rodungen leider um einiges mehr verbreitet. Dieser Krimi hat den Ausschlag für mich gegeben, mich näher mit dem Thema zu beschäftigen.

Der Schreibstil der Autorin hat mir gut gefallen, auch wenn es zeitweise ein paar Längen gab. Besonders schön geschrieben waren die verschiedensten Sprichwörter, die Maya, die deutsche Wurzeln hat, verwendet. Dies sorgt manchmal für Unverständnis oder Missverständnisse bei den Protagonisten, die sodann aber aufgeklärt werden. Dabei erfährt man als Leser auch das schwedische Pendant der Redewendung. Der Krimi kommt gut ohne viel Blut und Brutalitäten aus, ist also für alle Leser etwas. Man darf gespannt sein, welche Fälle auf Maya und Pär in den Bänden zwei und drei warten.

3 von 3 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 19.10.2023
Ein Fluss so rot und schwarz
Ryan, Anthony

Ein Fluss so rot und schwarz


weniger gut

Was passiert, wenn sechs Menschen zusammen mit einer Leiche auf einem Boot aufwachen, von denen jeder einzelne seine Erinnerung verloren hat? Die Menschen haben Operationsnarben und jeder hat ein Tattoo seines neuen Namens auf dem Unterarm. Niemand kann und niemand darf sich an sein früheres Leben erinnern. Es beginnt eine Suche danach, was mit der Welt passiert ist, durch die die Personen auf dem Boot durch das postapokalyptische London schippern. Nach und nach bekommen sie Informationen und Aufforderungen über ein Satellitentelefon, was zu tun ist. Sicher ist dabei nur eine Sache: Wer sich an sein früheres Leben erinnert, wird sterben müssen.

Leider konnte mich das Buch nicht wirklich begeistern. Ich hatte mir einen Roman mit einer Spannung, wie man sie aus Thrillern kennt erhofft. Die Endzeitstimmung, die ich mir aus der Leseprobe schon vorgestellt hatte, habe ich definitiv bekommen. Was ich persönlich aber überhaupt nicht mochte, waren die einzelnen Kampfszenen, in denen für meinen persönlichen Geschmack auch zu viele Kraftausdrücke genutzt wurden. So etwas mag ich beim Lesen leider gar nicht. Wichtig ist mir an dieser Stelle auch zu sagen, dass der Autor Anthony Ryan gerade für seine Kampfszenen bekannt und beliebt ist und in der Welt der Science-Fiction und Fantasy zuhause ist. Für Liebhaber der Genres wird das Buch daher wahrscheinlich etwas sein. Für mich hätte es etwas weniger Brutalität und Blut sein dürfen, denn ich denke, dass man aus der postapokalyptischen Stimmung viel hätte herausholen können, ohne Waffen und Gemetzel. Die Nebelstimmung auf der Themse bietet eigentlich die perfekte Atmosphäre dafür. Auch die Personen, die zusammen auf dem Boot sind, blieben für mich beim Lesen eher blass, ich konnte mir keine genauen Vorstellungen über ihre Charaktere machen.

Was dem Autor definitiv gut gelungen ist, ist die Tatsache, dass sich der Spannungsbogen für mich gut gehalten hat. Dies ist auch der Grund dafür, dass ich das Buch trotz meiner Schwierigkeiten mit Stil und Sprache zu Ende gelesen habe. Daher gebe ich dem Buch für die Idee und den wirklich gelungenen Spannungsbogen zwei Sterne.

Bewertung vom 17.10.2023
Lichtspiel
Kehlmann, Daniel

Lichtspiel


ausgezeichnet

Georg Wilhelm Pabst, der G.W. Pabst genannt wird, ist ein erfolgreicher Filmemacher der Weimarer Zeit. Seinen ersten großen Erfolg feierte er mit einem Film mit der schwedisch-amerikanischen Darstellerin Greta Garbo. Ungewöhnlich und deswegen auch so spannend ist allerdings sein weiterer Werdegang. So kam er nach der Machtergreifung nach Frankreich und zu Beginn des Zweiten Weltkriegs nach Österreich, was damals dann die Ostmark war, zurück. Dass sein Können nicht vor den Nazis verborgen blieb, war eine Konsequenz daraus. Der Propagandaminister in Berlin hat großes Interesse daran, das Filmgenie für seine Zwecke nutzen zu können. So geschieht es auch, dass beide aufeinandertreffen. Schlussendlich beginnt das Reißen um den Regisseur, was mitunter mit erpresserischen Absichten geschieht. Im Raum steht grundsätzlich die Frage, wie weit man bereit ist zu gehen und ab welchem Zeitpunkt man sich mit schuldig macht.

Ich muss zugeben, dass mir der Einstieg ins Buch auch aufgrund des außergewöhnlichen Schreibstils nicht ganz leichtfiel. Allerdings lösten sich bald die anfänglichen Startschwierigkeiten und ich konnte mich vollends auf den Roman einlassen. Lichtspiel ist ein Roman, der mit viel Lokal- und Zeitkolorit versehen ist, was ihn so besonders macht. Das schillernde Leben in Hollywood, in dem G.W. Pabst aber selbst zu dieser Zeit schon nur einer unter vielen war, bildet einen eindrücklichen Einstieg. Das Buhlen der Nazis um den Regisseur hinterlässt einen bleibenden Eindruck und die verschiedenen Perspektiven, aus denen erzählt wird, bilden eindrücklich die Gefühlslagen ab. Das Buch ist ein Roman, was auch bedeutet, dass es in vielen Teilen nicht ganz der biographischen Wirklichkeit entspricht – an den Eckdaten wird sich jedoch orientiert. Das macht das Buch zu einem lesenswerten, eindrücklichen Roman, der einem lange im Gedächtnis bleiben wird.

Bewertung vom 05.10.2023
Taubenschlag / Teit und Lehmann ermitteln Bd.2
Jürgensen, Dennis

Taubenschlag / Teit und Lehmann ermitteln Bd.2


ausgezeichnet

Während man es sich in Berlin zur Aufgabe gemacht hat, alte Bunker aus dem Zweiten Weltkrieg zu vermessen, um zu sehen, wie man sie heutzutage nutzbar machen könnte, werden in mehreren Städten in Norddeutschland Morde begangen. Im Bunker 32 Ost werden während der Vermessungsarbeit von der Firma Berlin Bunker Protocol die Leichen von drei Personen aufgefunden. Hinzu kommen die Morde, bei denen Menschen an einen Sessel gefesselt und mit toter Taube auf dem Schoß aufgefunden werden. Im Rahmen des polizeilichen Programms „CEPOL“, welches die internationale Zusammenarbeit zwischen den Polizeibehörden fördern soll, wird Lykke Teit aus Dänemark von Rudi Lehmann nach Deutschland gerufen, um die Ermittlungsarbeiten zu unterstützen. Es beginnt eine spannende Zeit der Ermittlungen, die zeitweise für die beiden Ermittler gefährlich werden wird. Um die Frage aufzuklären, wie die Leichenfunde im Bunker und die Morde mit den toten Tauben in Verbindung stehen, nehmen die beiden viele Risiken auf sich.

„Taubenschlag“ ist der zweite Teil der Reihe um die Ermittler Lykke Teit und Rudi Lehmann. Ich habe diesen Teil vor dem ersten Band gelesen. Man kommt auch in den zweiten Teil gut rein, ohne den ersten davor gelesen zu haben. In „Taubenschlag“ wird jedoch an manchen Stellen Bezug auf den ersten Fall der beiden Ermittler genommen, sodass es sich empfiehlt, vorher „Gezeitenmord“ gelesen zu haben. So wird klarer, wie die Verbindung zwischen den beiden Ermittlern zustande kommt und man hat die Möglichkeit, die beiden von Anfang an zu begleiten und kennenzulernen.

Die durchweg kurzen Kapitel sorgen für einen kontinuierlichen Spannungsaufbau. Erzählt werden diese aus verschiedenen Perspektiven, was für ein schnelles Erzähltempo und eine logisch aufgebaute Vielschichtigkeit sorgt. Der Schreibstil ist fließend, klar und an einigen Punkten auch sehr humorvoll. Gut gefällt mir auch das Verhältnis zwischen den beiden Ermittlern. So ist man es eher gewohnt, dass in Fällen, in denen verschiedene Ermittler zusammenarbeiten müssen, Rivalitäten und Misstrauen herrschen, gestaltet es sich hier gänzlich anders. Das zu lesen war für mich erfrischend anders – hierdurch hebt sich das Buch auch von anderen Krimis ab, die einen internationalen Bezug haben.

Bewertung vom 02.09.2023
Und wir tanzen, und wir fallen
Newman, Catherine

Und wir tanzen, und wir fallen


weniger gut

Ashley und Edith sind seit Kindheitstagen beste Freundinnen. Doch dann bekommt Edith Krebs und liegt im Sterben. Sie zieht in ein Hospiz, in dem Ashley sie häufig besucht und versucht, sich um sie zu kümmern. Die beiden haben einen sehr eigenen Humor, der der Geschichte einen persönlichen Touch einhaucht. Ash versucht, an ein Rezept für den berüchtigten Zitronenkuchen zu kommen, unternimmt Winterspaziergänge mit Edith und versucht ihr in diesem schrecklichen Lebensabschnitt eine Stütze zu sein und ihr beizustehen.

Ich weiß ehrlich gesagt nicht so ganz, was ich von der Geschichte halten soll. Erwartet hatte ich mir ehrlicherweise eine hochemotionale Geschichte um zwei Protagonistinnen, bei denen die Freundschaft im Vordergrund stehen würde. Anfangs hatte ich auch das Gefühl, dass hier eine besondere Geschichte erzählt werden könnte. Der Schreibstil gefiel mir hier noch sehr gut und ich konnte mich gut auf die Geschichte einlassen. Doch nach einigen Kapiteln ebbte dieses Gefühl immer mehr ab. Leider konnte mich die Geschichte insgesamt nicht wie erwartet abholen. Mit den Personen wurde ich nicht warm, sie waren für mich allesamt flach und unnahbar. Vieles wurde sehr wirr erzählt, sodass ich Schwierigkeiten hatte, der Geschichte zu folgen. Sehr häufig geht es um Ash und ihre Sex-Eskapaden, wobei sie selbst vor dem Arzt des Hospizes keinen Halt macht. Diese Handlungsstränge wirkten für mich gewillkürt und waren mir insgesamt zu drüber. Ash stellt sich sehr in den Mittelpunkt, sodass man das Gefühl bekommt, die eigentliche Geschichte ginge eher um sie als um die Freundschaft zwischen Edith und ihr. Von der tristen und melancholischen Stimmung, um die es eigentlich gehen sollte, bekommt man dann nicht mehr allzu viel mit. So bleibt mir nach dem Lesen leider nicht mehr viel von der besonderen Freundschaft der beiden im Gedächtnis. Bei mir blieben die Tränen bei diesem Buch aus – ob vor Freude oder vor Traurigkeit.

Bewertung vom 13.08.2023
Terafik
Karkhiran Khozani, Nilufar

Terafik


ausgezeichnet

Nilufar Karkhiran Khozani beschreibt in Terafik ihre berührende Familiengeschichte. Aufgewachsen in Gießen, in einer deutsch-iranischen Familie, wird Nilufar im Jahr 2016 die Reise in ein Land antreten, welches ihr bis dahin unbekannt war. Ihr Vater kam 1979 aus politischen Gründen nach Gießen und verließ Deutschland später wieder. Sie fliegt nach Iran, wo ihr Vater und die Familie väterlicherseits auf sie warten und sie mit wohlgemeinter Gastfreundschaft empfangen. Nach und nach lernt man auch die Familienmitglieder kennen: von ihrer Tante Rudabeh und ihrem Mann, Hashemian, und ihrer Tochter Narges, die sie mit Nilufars Vater zusammen direkt am Flughafen abholen, über ihre Großmutter Nanejun bis hin zu ihrem Onkel Hassan, dem sie trotz aller innerfamiliären Spannungen einen Besuch abstatten werden. Nilufar begibt sich nicht nur physisch auf die Reise nach Iran, ihr geht es auch darum, mehr über ihre Familie und ihre eigene Identität herauszufinden. Und so beginnt eine berührende und spannende Suche, an der man als Leserin teilhaben darf.
Ich mochte den Schreibstil von Anfang an und habe mich direkt abgeholt gefühlt. Besonders gut werden auch der Trubel und die Eile, die in der Hauptstadt Teheran herrschen, eingefangen, sodass man sich während des Lesens gut hineinversetzen kann. Die kurzen Kapitel und Szenenwechsel machen das Buch lebhaft und bringen ein gewisses Tempo mit sich, was absolut passend ist. Eingeflochten sind an mehreren Stellen auch die WhatsApp-Nachrichten ihres Vaters, die die Geschichte noch einmal lebendiger, persönlicher und nahbarer wirken lassen. Nilufars eigene Empfindungen und die innere Zerrissenheit, an denen sie uns teilhaben lässt, sind eindrücklich geschildert. Zudem werden auch immens wichtige Themen wie struktureller Rassismus und Alltagsrassismus behandelt. Ich bin sehr froh, diesen berührenden und mutmachenden Roman gelesen zu haben und kann ihn daher sehr weiterempfehlen!

Bewertung vom 08.08.2023
Der Trost der Schönheit
Arnim, Gabriele von

Der Trost der Schönheit


ausgezeichnet

„Denn, wenn ich Schönheit sehe, höre, lese, spüre, dann glaube ich an Möglichkeiten, an Wege, Räume, Purzelbäume.“ (S. 8)
Wenn es stimmt, dass Schönheit im Auge des Betrachters liegt, dann muss sie gleichwohl in den Ohren, der Nase, im Mund und auf der Haut des Betrachters liegen. Denn in diesem Buch geht es um die allgemeine Betrachtung dessen, was Schönheit ist oder sein kann. Denn man kann Schönheit auch riechen, schmecken, fühlen.
Gabriele von Arnim nimmt hier mit auf eine Reise zu sich selbst, eine Suche nach der Schönheit und in welchen eigentlich banalen und alltäglichen Dingen sie zu finden sein kann. Es wird die beeindruckende Geschichte einer Frau erzählt, die es sich erlaubt und selbst zutraut, Schönheit in den kleinsten Dingen zu entdecken – und das nach auch dunklen Tagen in der Kindheit und Jugend. Damals war „Bloß nichts fühlen“ das Mantra, woraus man auch ein Verbot der Schönheit herauslesen kann. Auch nachgegangen wird der Frage, ob man es sich bei den alltäglichen weltpolitischen Entwicklungen, insbesondere beim Überfall auf die Ukraine, überhaupt herausnehmen kann, in Dingen des persönlichen Alltags noch Schönheit zu erblicken.
Das Buch ist geschrieben in einer Form des Essays, sodass es keine Kapitel gibt, was der Thematik sehr zuträglich ist. Gespickt wird die Erzählung durch einige Zitate, die sich mit dem Thema Schönheit und allem drum herum befassen. Sehr gut gelungen sind meines Erachtens auch diejenigen Einschübe, die ich in der Kategorie „fun-facts“ unterbringen würde, da ich seitdem weiß, welches die langsamste Schnecke ist und welches Tier das schnellste der Luft ist.
Insgesamt ist dies ein Buch, das eine gehörige Portion Trost spendet, sodass es eine Leseempfehlung an wirklich jeden ist!

Bewertung vom 06.08.2023
Mattanza
Fabiano, Germana

Mattanza


ausgezeichnet

„Worte hemmen den Fluss der Gedanken und verändern sie. Die schönsten und erhabensten Dinge sind stumm, der Himmel und die Untiefen, die Klippen und die Wolken. Sie werden nur laut, wenn sie ihre Wut herausschreien müssen, sonst hinterlassen sie höchstens ein unterschwelliges Murmeln, einfach um sich zu versichern, dass sie existieren, und um das wahrzunehmen, muss man wirklich sehr genau hinhören.“ (S. 34)

Auf Katria, einer fiktiven italienischen Insel, steht ein Generationenwechsel an. Der Raìs, der der Anführer des traditionellen Thunfischfangs ist, wird bald sein Wissen über die Mattanza – wie die Jagd genannt wird – weitergeben müssen. Die Inselgemeinde wünscht sich hierzu sehnlichst einen Jungen, der dieser Aufgabe gewachsen ist. Als 1960 Eleonora, genannt Nora, geboren wird, herrschen bei den religiös geprägten Bewohnern der Insel große Zweifel darüber, ob sie in die Fußstapfen ihres Großvaters, dem aktuellen Raìs, treten kann. Dass man auch als Frau eine ebenso gute Anführerin des Thunfischfangs sein kann und damit entgegen der Erwartungen der Inselbewohner den Anforderungen standhalten kann, stellt Nora unter Beweis. Doch was ist ihr das Erbe, das ihr aufgetragen wurde, wert? Und wie weit ist sie bereit, dafür zu gehen?

Die Geschichte zieht sich durch die Jahre 1960 bis 2012. Mit leichtem, fast melancholischem Schreibstil schafft es Germana Fabiano, einen in den Bann zu ziehen und mitzunehmen in eine interessante, von Traditionen und gesellschaftlichen Normen geprägte Welt und in die abergläubischen Weltanschauungen ihrer Bewohner. Dabei geht es mitnichten nur um die Thunfischjagd im engeren Sinne – es werden auch andere Themen eingearbeitet wie Flüchtlingsbewegungen, der ausufernde Tourismus und die Umweltverschmutzung. Das macht das Buch zu einem tiefgründigen Roman, dessen Inhalt manchmal auch zwischen den Zeilen zu finden ist. So sind die anderen Ebenen, vor allem die, in der es um Flucht und Vertreibung und die damit einhergehenden Menschenrechtsverletzungen geht, gut eingearbeitet und lassen einen sicher nicht kalt.

Gut gefallen hat mir auch die Skizze am Ende des Buchs, in der die sog. Tonnara aufgezeichnet ist, mithilfe derer die Mattanza stattfindet. Dadurch kann man während des Lesens Verständnisprobleme bei einigen italienischen Begriffen ausräumen, was mir enorm geholfen hat.

Insgesamt eine stille und gleichwohl kraftvolle Erzählung über die Anforderungen und Erwartungen einer traditionellen und religiös geprägten Gemeinschaft und davon, was sie aus den Fugen bringen kann.

Bewertung vom 18.07.2023
Der Frühling ist in den Bäumen
Revedin, Jana

Der Frühling ist in den Bäumen


gut

In „Der Frühling ist in den Bäumen“ erzählt Jana Revedin über Renina, ihre Mutter. Vor der malerischen Kulisse des Steigenberger Inselhotels in Konstanz braut sich ein Sturm im Leben ihrer Mutter zusammen. Renina ist vierundzwanzig Jahre alt und die jüngste Assistentin Martin Heideggers, als sie beschließt, den Sprung in die Selbstständigkeit zu wagen und das erste Frauenmagazin Deutschlands, die Lady, herauszugeben. Ihr Mann Fred, ein Atomphysiker und wahres Scheusal, macht ihr das Leben jedoch mehr als schwer.

Erzählt werden die Geschehnisse eines Tages, des 1. Mai 1953. Wirklich schön beschrieben war Konstanz. Da ich - wie die Autorin auch - aus Konstanz stamme, konnte ich mich direkt in alle Orte hineinversetzen und hatte diese bildlich vor Augen. Das Gefühl, das die jeweiligen Orte im Buch vermitteln, wurde perfekt eingefangen. Seien es die Beschreibungen vom Inneren des Inselhotels, die Spaziergänge über die Rheinbrücke und die Seestraße bis hin zur Mozartstraße oder die Ausritte mit ihrem Pferd in den Sonnenbühl und nach Staad – exakt so sieht Konstanz aus!

Zum Teil gab es jedoch einige Passagen, die der Geschichte nicht zuträglich waren, sondern eher Nebenschauplätze beleuchteten. So zog sich die Passage, in der Renina und Basil ausreiten sind, für mich wie Kaugummi. Das mag vielleicht auch daran liegen, dass ich mit dem Dressurreiten absolut nichts am Hut habe und mir die ganzen Begrifflichkeiten daher einfach fremd sind. Denjenigen, denen Begriffe aus dem Dressursport oder allgemein aus dem Reitsport bekannt sind, dürfte diese Passage auch nicht so zäh vorkommen. Das Ende nimmt jedoch noch einmal an Fahrt auf, es kommt zum großen Knall.
Auch hätte ich mir gewünscht, dass sich das Geschehen eher in der Redaktion der Lady bzw. im Verlag abspielt. Es wird zwar klar, dass sich Renina mit ihrer Zeitschrift für ein neues Rollenbild der Frau einsetzen möchte, jedoch kam mir ihre Zeitschrift fast schon als Nebensache zwischen endlosen Gesprächen vor. Nichtsdestotrotz zeigt die Autorin sehr realistisch das Leben der Frauen in den 50er-Jahren auf und wie schwer es damals war, sich von Männern loszueisen, um ein freies und selbstbestimmtes Leben zu führen.

Bewertung vom 28.06.2023
Sommersonnenwende / Wolf und Berg ermitteln Bd.1
Engman, Pascal;Selåker, Johannes

Sommersonnenwende / Wolf und Berg ermitteln Bd.1


sehr gut

Ein spannender Kriminalroman und mal etwas Anderes – nicht im Stil des Nordic Noir. Im Gegenteil, dieser Kriminalroman spielt im Jahr 1994 in Schweden, im Sommer. Das Cover spiegelt die glühende Hitze wider, die Schweden in diesem Sommer überrollt. Dazu gesellen sich Themen wie die WM in diesem Jahr, die damaligen politischen Veränderungen in Schweden, aber auch brandaktuelle wie der Klimawandel, Rassismus und Ausländerhass.

Kriminalkommissar Tomas Wolf muss in Mordfällen ermitteln, die brutal sind. Er selbst ist traumatisiert, da er als UN-Soldat bei Auslandseinsätzen – zuletzt 1993 in Bosnien-Herzegowina – Schreckliches miterleben musste. Seine Vergangenheit wird ihn im Laufe des Buches einholen… Auch die Journalistin Vera Berg bekommt von den Mordfällen mit, sodass auch sie zu ermitteln beginnt. Vera ist eine toughe Persönlichkeit, die nicht alles mit sich machen lässt, eine sehr starke Persönlichkeit. Ihre Ermittlungen werden die von Tomas Wolf kreuzen, sodass die beiden sich zusammenschließen.

Der Kriminalroman hat mir sehr gut gefallen, den Schreibstil mochte ich auf Anhieb. Zudem hat das Buch einen tollen Farbschnitt, was es sehr wertig macht. Es kommt schnell Spannung auf, allerdings hat es zeitweise einige Längen mit Inhalten, die in der Form eigentlich nicht mehr relevant wurden, sodass man es hätte kürzer fassen können, um die Spannung vollends aufrecht zu erhalten. Alles in allem bin ich aber rundum zufrieden und kann gut nachvollziehen, warum das Buch in Schweden so beliebt ist!