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Benutzername: 
reimon
Wohnort: 
Vorarlberg

Bewertungen

Insgesamt 22 Bewertungen
Bewertung vom 15.03.2023
Aus ihrer Sicht
Céspedes, Alba de

Aus ihrer Sicht


gut

Eines der Bücher, die streckenweise mühsam sind – aber man will sie doch fertig lesen.
Die Autorin zeigt eine große Präzision im Beschreiben von Gefühlen und Stimmungen. Das ist einer der Gründe, warum ich den Roman bis zum Schluss geschafft habe.
Um sich ein bisschen in die Hauptperson Alessandra, eine anfangs sehr junge Römerin, versetzen zu können, ist es hilfreich, ein bisschen über die geschichtlichen Hintergründe zu wissen. Die erste Auflage des Buchs ist in Italien bereits 1949 erschienen, die deutsche Übersetzung erst jetzt. Die jungen Frauen in der Geschichte hoffen alle auf eine glückliche Zukunft an der Seite eines Mannes. Sehr bald erleben sie aber resigniert, dass die allermeisten Frauenschicksale ähnlich aussehen: Die Männer gelten was, die Frauen werden ans Haus gebunden, unabhängig von ihren Talenten und Wünschen.
Die Mutter von Alessandra nimmt sich aus unerfüllbarer Liebe das Leben. Das bestimmt weitgehend das Leben ihrer Tochter. Sie übersiedelt von ihrem verhassten Vater und dem armseligen Leben in Rom zur väterlichen Großmutter in die Abruzzen. Dort lernt sie das Selbstversorgerleben schätzen und kommt erstaunlich gut mit der strengen Großmutter aus.
Zurück in Rom verliebt sie sich und heiratet – und erlebt, wie sie dabei verkümmert. Auch sie erlebt eine (platonische) Liebesbeziehung außerhalb ihrer Ehe.
Das Buch ist ein Anti-Kriegsroman und möglicherweise in Teilen autobiografisch.
Irritierend für mich war, dass „Antifaschist“ für Alessandra eine schreckliche Bezeichnung ist. Überhaupt sind ihre Gefühlsverwirrungen und ihre sprunghaften Schilderungen schwer nachvollziehbar. Dass das schließlich in einem Verbrechen mündet, ist wohl vor allem dem System und nicht so sehr dem Opfer geschuldet.

Bewertung vom 05.03.2023
Das Meer und ich
Randau, Tessa

Das Meer und ich


sehr gut

Frischer Wind in der Lebensmitte
Anfangs habe ich mich erst einmal geärgert: „... wie meine nackten Zehen tiefer in den Sand sickerten“ – das ist mir zu schlampig lektoriert.
Die Geschichte plätschert dann nett dahin und gibt tatsächlich immer wieder Denkanstöße. Die Reise der Hauptdarstellerin auf die Insel und damit zu sich selbst ist mir aber doch zu unrealistisch. Aber, wie gesagt: Die eine oder andere Anregung zur Beschäftigung mit dem eigenen Leben ist schon brauchbar; die kann ich dann auch „sickern“ lassen.
Das Cover passt gut dazu – auch die Erzählung ist für mich pastellig.
Das Buch liest sich angenehm, eine feine Lektüre für einen Regentag oder für den Urlaub. Tröstlich ist, dass ich mich als Frau mit meinen vielen Selbstzweifeln und den (oft zu) hohen Ansprüchen an mich selbst beim Lesen wiederfinde. Und sehr gut gefallen mir die Überlegungen, wie man ab der Lebensmitte erreichen kann, dass die Zeit nicht immer schneller vergeht: Was kann ich alles zum ersten Mal machen?

Bewertung vom 27.01.2023
Bissle Spätzle, Habibi?
Alaoui, Abla

Bissle Spätzle, Habibi?


sehr gut

Spätzle Halal
Der Titel lässt schon auf den Gehalt der Geschichte schließen. Meist leicht und amüsant erzählt, werden viele interkulturelle Differenzen zwischen der marokkanisch-arabischen und der schwäbisch-deutschen Gesellschaft aufgezeigt. Immer ist dabei aber klar, dass die Eltern nur das Beste für ihre Kinder wollen. Dabei müssen sie sich allerdings eigener Fehler und Erfahrungen bewusst werden und ihre tradierte Einstellung manchmal überwinden. Der Zusammenhalt in der Familie und letztendlich auch die Aufgeschlossenheit der Eltern tragen zu einem glücklichen Ausgang der Geschichte bei.
Sehr amüsant finde ich, wie sich die marokkanische Familie mit modernen Dating-Apps beschäftigt. Unglaubwürdig ist für mich allerdings, dass die Erzählerin dann längere Zeit platonisch mit ihrem nicht-muslimischen – sogar atheistischen – Partner zusammenlebt.
Eine Leseempfehlung, die auf leichte Art anregt, sich mit den (vermeintlichen) Unterschieden zwischen den Kulturen, die immer näher zusammenrücken, zu beschäftigen.

Bewertung vom 06.11.2022
Shorty
Maurer, Jörg

Shorty


ausgezeichnet

Per Shorty zum Weltuntergang
Shorty, schon dieser Titel macht neugierig. Und dass auf dem Cover "Spiegel Bestseller" klebt, bürgt auch für Qualität. Jennerwein und das Bestatterpaar Grasegger, liebgewordene Darsteller in den Maurer-Krimis, kennt Shorty nicht. Dafür dürfte der Autor ein Fan von Douglas Adams' "Per Anhalter durch die Galaxis" sein.Trockener, oft skurriler Humor ist auch im neuen Roman deutlich erkennbar.
Mein Interesse an Außerirdischen und -irdischem hält sich in Grenzen, aber dem originellen Plot dieser Geschichte kann ich mich nicht entziehen.
Shorty ist ein Lebenskünstler, der sich mit unterschiedlichsten Jobs durchschlägt. An Karriere ist er überhaupt nicht interessiert. Als die anpassungsfähige Stimme eines Aliens Kontakt mit ihm aufnimmt, gerät er in eine aufregende und gefährliche Spirale in Richtung Weltuntergang. Noch dazu gilt er als Verursacher der Katastrophe.
Unbedingte Leseempfehlung!

Bewertung vom 13.09.2022
New Moms for Rebel Girls
Mierau, Susanne

New Moms for Rebel Girls


sehr gut

Brav und angepasst? Nein danke!
Die auffällige Farbe habe ich bisher nicht mit Gleichberechtigung verbunden. Sie hat aber unter anderem dazu geführt, dass ich das Buch gelesen habe. Es regt dazu an, sich mit der eigenen Einstellung auseinanderzusetzen und zwar am besten, bevor man Mutter wird. Dann kann man diese Erkenntnisse an künftige Töchter – und Söhne! – weitergeben.
Ganz nach dem Motto: Schützt nicht eure Töchter, erzieht eure Söhne! Dazu erscheint es mir sehr sinnvoll, das Buch auch möglichst vielen jungen Männern, zukünftigen Vätern zugänglich zu machen. Dafür ist allerdings das knallpinke Cover vielleicht nicht so förderlich.
Die seit vielen Jahrzehnten und Jahrhunderten so schwer und oft schmerzvoll erkämpften Gleichstellungsmaßnahmen scheinen mir in jüngster Zeit wieder gefährdet. Zurück zur Frauen-an-den-Herd-Einstellung? Nein danke, dagegen schreibt die Autorin sehr engagiert und gut recherchiert an. Und das in einer gut lesbaren, flott aufgemachten Form.

Bewertung vom 13.09.2022
Liebe machen
Fröhlich, Susanne;Kleis, Constanze

Liebe machen


sehr gut

Liebe machen - weit mehr als Sex

Gleich einmal zum Cover: Das knallige Pink spricht mich normalerweise gar nicht an. Aber diesmal hat es zurecht meine Aufmerksamkeit erregt, zusammen mit dem Titel. Kann man Liebe machen?
Witzig, leichtfüßig und selbstironisch schreiben die beiden Autorinnen abwechselnd die Kapitel. Dabei bleiben sie persönlich, ehrlich und bei Bedarf auch kritisch mit uns Frauen. Originell finde ich die Überleitungen zum jeweils nächsten Kapitel, dem immer auch ein Zitat einer meist bekannten Persönlichkeit vorangestellt ist. Eines lautet: "Liebe muss man sich nicht verdienen."
Sehr aktuell stellen die beiden Freundinnen verschiedene Schönheit"ideale" in Frage, auch bei Männern. Und sie plädieren immer wieder dafür, dass man in einer Beziehung miteinander reden muss. Schon alleine deswegen, damit es nicht zum "Brötchen-GAU" kommt (Was das ist, steht auf S. 66)
Das Buch kann ich allen empfehlen, besonders allen Frauen, auch den jungen.

Bewertung vom 05.06.2022
Affenhitze / Kommissar Kluftinger Bd.12
Klüpfel, Volker;Kobr, Michael

Affenhitze / Kommissar Kluftinger Bd.12


sehr gut

Hitzezäh
Der Titel ist originell. Für mein Gefühl zieht sich die Geschichte aber diesmal ein wenig ereignisarm in die Länge. Das mag der darin herrschenden Hitze geschuldet sein. Ist ja auch sicher nicht leicht, jährlich die Erwartungen der riesigen Fangemeinde zu erfüllen.
Der Klufti ist immer noch liebenswert, immer noch mit dem Langhammer nicht wirklich warm geworden, immer noch Familienmensch.
Die Querelen zwischen den Archäologinnen, dem Grundbesitzer und den Sektenmitgliedern mögen aus dem Leben gegriffen sein, entbehren für mich aber der Spannung. Lustig finde ich die Idee mit der Bürgergrabung, an der sich natürlich .... Langhammer, eh klar, höchst wichtigtuerisch beteiligt. Leider wird es trotzdem nix mit dem Allgäu als Wiege der Menschheit.
Trotzdem, der Kluftinger und seine Entourage gehören quasi zur Familie. Und da ist ja auch nicht jeder Tag aufregend.

Bewertung vom 06.03.2022
Kaiserstuhl
Glaser, Brigitte

Kaiserstuhl


sehr gut

Deutsch-französische Freundschaft?

Geschichte lernen fällt mir am leichtesten, wenn das Thema in einen Roman verpackt ist: menschliche Schicksale verknüpft mit Zeitgeschichte. Darum habe ich mich bei „Vorablesen“ um „Kaiserstuhl“ beworben. Auch das Cover hat mich angesprochen. Nach den ersten Kapiteln, die mich gleich begeistert haben, ist es mir allerdings immer schwerer gefallen, dranzubleiben. Zu häufig macht die Autorin Zeitsprünge, auch die vielen Namen haben mich eher verwirrt. Den Stammbaum an Ende des Buches habe ich da immer wieder verwendet. Wenn ich aber mehrere Stunden beim Lesen bleiben kann, tauche ich wieder in die sehr anschauliche Geschichte aus der deutsch-französischen Grenzregion ein.
Den Kern bilden eine Liebesgeschichte – und eine Flasche eines besonderen Champagners. Diese Welt der edlen Getränke hat die Autorin sehr intensiv recherchiert. Sehr gut begreifbar beschreibt Brigitte Glaser auch die Wirren und ständigen Veränderungen, die wohl für jedes Grenzgebiet typisch sind. Und sie macht auch klar, dass es niemals einfach „die Guten“ und „die Bösen“ gibt.

Bewertung vom 16.02.2022
Die dritte Hälfte eines Lebens
Herzig, Anna

Die dritte Hälfte eines Lebens


sehr gut

Wir alle sind Krimmwing
Das fiktive Dorf Krimmwing – die Namensfindung wäre interessant – kann überall sein. Wer ist „wie alle anderen“, kann so einer engen Dorfgemeinschaft vermutlich etwas abgewinnen. Aber wehe, wer nicht!
Laut Klappentext schreibt die Autorin „nah am Leben“. Das tut sie mit anschaulichen Vergleichen sehr beeindruckend: Auf das Coming-out des Sohnes reagiert der Vater „mit der Empathie eines Traktors ausgerüstet“. Oder: „Es gibt Dinge, die sind in uns hineingeschrieben, mit der schwärzesten Tinte.“
Die knappe, präzise Erzählweise und die vielen Dialoge nehmen einen mit, mitten hinein ins Geschehen. Verwirrend sind manchmal die vielen Personen und deren Namen. Aber das ist wohl beabsichtigt. Anna Herzig schaut genau hin, stellt niemanden bloß und lässt zu guter Letzt ihre Hauptfigur wiederauferstehen.
Das Cover ist schlicht und klar und passt somit zur Geschichte, obwohl ich inhaltlich keinen Zusammenhang sehe.

Bewertung vom 18.01.2022
Der letzte Sommer in der Stadt
Calligarich, Gianfranco

Der letzte Sommer in der Stadt


sehr gut

Schon das Titelbild ist ambivalent und macht neugierig: ein Blick über die dunstige, sonnengelbe Stadt, davor sitzt ein Mann in Pullover und Anzug.
Die Geschichte zieht einen rasch hinein: Der Müßiggänger – er nennt sich „Leo Gazzarra, erst mal“ – erzählt vom dolce far niente als Lebenskünstler, der nur im gerade notwendigen Ausmaß arbeitet. Für viele Mitteleuropäer klingt das fast unerreichbar.

Die Geschichte beginnt mit der Sprachlosigkeit des Vaters dem Sohn gegenüber, die sich auch im herzzerreißend beschriebenen Abschied am Bahnhof zeigt.
Immer wieder finden sich atemberaubende Formulierungen: „Die Jahreszeiten wechseln nachts, ohne das Wissen der Leute, und wir erlebten ein Schauspiel, dessen Großartigkeit nur mit der Stille vergleichbar war, in der es stattfand.“
Bald nach seiner Abreise aus dem als trist beschriebenen Mailand nach Rom lernt Leo eine atemberaubende Frau kennen, die sein Leben umkrempeln wird.

Parallelen zum Autor sind hier wohl zulässig: Dieser ist geboren in Triest, aufgewachsen in Mailand und lebte dann in Rom als Journalist.
Der Roman war nach dem Erscheinen 1973 in Italien bald ein Kultbuch, verschwand dann auf Flohmärkte und in Antiquariate, wurde 2010 von einem anderen Verlag neu aufgelegt, war wieder vergriffen und beinahe vergessen und wurde nun von einem dritten Verlag neu aufgelegt. Derzeit wird er in mehr als 20 Sprachen übersetzt.

Die Übersetzerin Karin Krieger ist LeserInnen italienischer Romane weithin bekannt (Ferrante, Camillieri, ...). Offensichtlich kann sie sich besonders gut in die Italianità einfühlen und so auch uns Deutschsprachige daran teilhaben lassen.