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kerstin_aus_obernbeck
Wohnort: 
Ostwestfalen

Bewertungen

Insgesamt 45 Bewertungen
Bewertung vom 18.02.2024
Wir werden jung sein
Leo, Maxim

Wir werden jung sein


ausgezeichnet

Sommer 2024
Für den 16-jährigen Jakob, der aufgrund einer angeborenen Krankheit schon immer nur dabei statt mittendrin war, beginnt eine neue Zeit, denn Marie beginnt sich für ihn zu interessieren.
Wenger zieht auf seinem 80. Geburtstag ebenfalls Interesse auf sich, und zwar das seiner Familie, als er ihnen mitteilt, dass bei ihm eine unheilbare Krankheit diagnostiziert wurde und seine Tage gezählt sind.
Anders geht es den jungen Frauen Jenny, die nach unzähligen Versuchen und Behandlungen nun doch endlich schwanger wird und der ehemaligen Leistungsschwimmerin Verena, die mit Mitte 30 bei einem Show-Wettkampf plötzlich einen neuen Rekord aufstellt.

Sie alle sind Probanden einer Studie für ein Herzmedikament von Professor Martin Mosländer an der Charité.

Der Rekord einer ehemaligen Olympionikin sorgt für Unruhe. Es gilt den Verdacht des Dopings zu entkräften und so werden zahlreiche Untersuchungen vorgenommen. Diese ergeben, dass das Medikament der Studie als Nebenwirkung eine Verjüngung zur Folge hat. Und diese Verjüngung ist nicht nur bei Verena festzustellen, auch Jakob, Wenger und Jenny sind durch das Medikament biologisch um acht Jahre jünger geworden.

Es ist der Beginn vieler Diskussionen, der Austausch unterschiedlichster Meinungen und das Aufeinandertreffen gegensätzlicher Interessensgruppen, als die Öffentlichkeit von dem Medikament zur Verjüngung erfährt.

„Ich meine, es ist vermutlich eine der komplextesten Fragen, die es gibt. Das ewige Leben!“ (S. 214)

Jung, leistungsfähig und quasi alterslos zu sein, wird oft als erstrebenswertes Ziel vermittelt und ein Medikament, dass dies ermöglicht, scheint zum Greifen nah.
Aber welche Konsequenzen hat es, wenn niemand mehr stirbt?

Was bedeutet es für die Gesellschaft, die Umwelt, wenn das Alter selbst bestimmt werden kann?

„Mit anderen Worten: Wenn wir keinen tödlichen Unfall haben, nicht ermordet werden oder uns selbst umbringen, werden wir ewig leben.“ (S. 105)

Und wer sollte darüber entscheiden, ob so ein Medikament verfügbar sein darf?
Die Politik, Glaubensgemeinschaften, Ethikkommissionen, Lobbyisten?
Wer gewinnt und wer verliert – und was ist mit den Menschen, die keinen Zugriff auf das ewige Leben haben?

„Na, …, dass man sein Alter kaufen kann, dass alles zur Ware wird.“ (S. 120)

Maxim Leo stellt alle diese Fragen und noch viele mehr. Er beschreibt eindringlich und nachvollziehbar, welche Auswirkungen es haben könnte, wenn jeder Mensch sein Alter selbst bestimmen kann. Das Buch ist mich fachlicher Unterstützung aus verschiedenen wissenschaftlichen Bereichen entstanden. Die medizinischen Prozesse, die beschrieben werden, verwirren nicht, sondern lesen sich sehr schlüssig.

Mir haben die Protagonist*innen gut gefallen. Jede einzelne Geschichte scheint aus dem Leben zu sein, die Charaktere sind gut beschrieben, ihr Handeln erklärbar – und Maxim Leo gelingt es vortrefflich, am Ende des Buches für jede Schlüsselfigur eine passende Situation zu schaffen.

„Was meinst du“, fragte Verena, „wovon träumen die meisten Menschen?“ (S. 268)

Maxim Leo hat eine großartige, gut lesbare und kluge Geschichte geschrieben, die mich begeistert und nachdenklich gemacht hat.

Ganz große Leseempfehlung!

Bewertung vom 18.02.2024
Frühlingsgeheimnisse / Season Sisters Bd.1
Helford, Anna

Frühlingsgeheimnisse / Season Sisters Bd.1


gut

Frühling lässt sein blaues Band

Wieder flattern durch die Lüfte

Der erste Teil der Season Sisters-Reihe erzählt von Spring. Als Kind lebt sie zusammen mit ihren Schwestern auf dem Bio-Bauernhof ihrer Eltern in Wales. Die Kinder wachsen in schwierigen Verhältnissen auf, so dass Spring beizeiten nach London abhaut. Sie schlägt sich mit Gelegenheitsjobs durch, leider klappt’s nicht ganz mit dem legalen Leben und sie wird zu Sozialstunden verdonnert.
Diese muss sie bei Sophia Fowler ableisten, einer älteren Dame, die ungewollt von einst prachtvollen in nun recht prekäre Lebensumstände gekommen ist.

Die Beiden freunden sich an und es stellt sich heraus, dass Sophia und Spring aus demselben walisischen Dorf kommen – und beide es nicht freiwillig verlassen haben. Um Licht in die Schatten der Vergangenheit zu bringen, machen sie sich auf den Weg nach Wales.
Ihr erster Besuch auf Daffodil Castle, Sophias ursprünglichem Zuhause, endet unerfreulich, sie werden von Sophias Sohn und seiner Frau herausgeworden. Aber sie begegnen Ethan, der nicht wusste, dass er eine Großmutter hat, sich aber gut an Spring, seine erste große Liebe erinnern kann. Ethan widersetzt sich seinen Eltern, gemeinsam mit Spring will er herausfinden, was zu dem Bruch zwischen Mutter und Sohn geführt hat und welches dunkle Geheimnis auf der Familie liegt.

Süße, wohlbekannte Düfte

Streifen ahnungsvoll das Land

Süß ist der Roman von Anna Helford auf jeden Fall, ein netter Roman über die Irrungen und Wirrungen des Lebens und der Liebe.

Die Geschichte von Sophias Familie führt auf die Isle of Wight in das Jahr 1869. Die Autorin hat diese Rückblenden gut in die Erzählung eingebunden und die Verbindung zwischen Vergangenheit und Gegenwart ist nachvollziehbar.
Mit viel Idealismus erzählt Anna Helford eine Geschichte, die flott lesbar ist und leichte Unterhaltung bietet, mitunter jedoch durch irritierende Verhaltensweisen der Charaktere irritiert. Es wurde oft und zu jeder sich bietenden Gelegenheit hart die Luft eingesogen, was irgendwann etwas nervig ist. Scheint eine Art Volkssport bei walisischen Frauen zu sein und ich hoffe, im 2. Teil setzt sich das nicht fort.

Ein Buch für unbeschwerte Lesestunden.

Bewertung vom 26.12.2023
Klabauternächte
Karl, Dirk

Klabauternächte


ausgezeichnet

27. November (okay, im Buch ein Samstag, aber das geht nun mal nicht immer):
Nico (28) nimmt uns mit in sein Leben. Den Kontakt zu seinen Eltern hat er auf Eis gelegt, sein auf Leistung fixierter Vater kommt mit dem eher chilligen Leben seines Sohnes nicht klar, seine Mutter bedauert, bemüht und betäubt die Situation und hat sich mit ihrem Dasein arrangiert.

„Ich habe mich ausgeklinkt aus dem gesellschaftlichen Weltbild und dessen Sichtweisen, wie etwas sein sollte und wie man zu leben hat. Wenn man nicht akzeptiert wird, wie man ist, dann eben nicht.“ (S. 8)

Nun lebt Nico irgendwo in einer netten Dachwohnung und verdient seinen Lebensunterhalt mit Grafikkram und Mediengedöns. Wenn er damit nicht beschäftigt ist, zieht es ihn zum KCK, dem Kulturcafé Klabautermann. Inhaber Eddy, die Bedienung Dani und Zapfer Floyd sind Freunde und Ersatzfamilie (im Fall von Dani vielleicht auch ein bisschen mehr).

Eigentlich ist alles okay, wobei … auch wenn Nico es noch nicht so 100% zugeben will, ist das mit der familiären Situation für ihn nur so halboptimal; zurückliegender und gegenwärtiger Substanzenkonsum in fester und/oder flüssiger Art sind auch nicht völlig spurlos an ihm vorübergezogen – und genau in diesem Moment erhält er einen anonymen Brief, mit einem Hinweis auf seine Vergangenheit.

Zunächst glaubt Nico an einen Scherz, aber Floyd, ebenfalls kein Kostverächter für allerlei Bewusstseinserweiterungssubstanzen, bekommt ebenfalls Post. Kurz danach begegnen ihnen eine Frau mit Beehive-Frisur, ein Typ mit Kavalleriehut und ein anderer mit Lederjacke und in Nicos leerstehende Nachbarwohnung zieht ein Typ mit strähnigen Haaren und Strickjacke ein. Die Vier haben eine Mission und das Leben von Nico Rawencke wird weird und spooky.
Er muss sich den Geistern der Vergangenheit stellen, um die Geister der Gegenwart loszuwerden.

Die Geschichte hat mich begeistert. In dem überschaubaren Zeitraum vom 27.11. bis 23.12. passiert eine Menge im Leben vom Nico und seinem Umfeld und die knapp 200 Seiten lesen sich ruckzuck.
Dirk Karl beschreibt die Charaktere fabelhaft - und auch wenn der Lebenswandel von Floyd sicher fragwürdig ist, ist mir dieser Freak doch irgendwie sympathisch. Ich liebe die Stelle, in der er in der Nacht bei Nico anruft, weil er sich auf eine freie Wohnung in der Lindenstraße bewerben will.
Aber das Buch erzählt nicht nur lirumlarum von ein paar Tagen einer leicht gestrandeten, von der Vergangenheit heimgesuchten Seele, es ist ein Buch über Freundschaft und eine Geschichte mit Aussagen, die ich absolut teile.

„Urteile nie über jemanden, deren oder dessen Geschichte du nicht kennst.“ (S. 183)

Musik ist für mich ein großes Thema. Davon hat das Buch eine ganze Menge.
Und Popkultur, von einem aus der Kanalisation grinsenden Clown über die Allwissende Müllhalde bis hin zu Bewohnern aus Springfield. Ich mag diese vielen kleinen Hinweise.

„Klabauternächte“ ist weird, speziell und anders im allerbesten Sinne. Ein tolles Buch und absolut lesenswert, wenn man etwas abgedreht und schräg man.

Große Leseempfehlung!

Bewertung vom 26.12.2023
Aus dem Leben eines Hörnchens
Hirthe, Matthias

Aus dem Leben eines Hörnchens


ausgezeichnet

Die Geschichte beginnt an dem Tag, an dem Hörnel zuhause auszuzieht. Ähnlich wie im richtigen Leben ist es auch im Wald mit Wohnraum so eine Sache und eine leerstehende Baumhöhle heiß begehrt. Auf das Objekt der Wohnbegierde erheben Seppel und Max ebenfalls Ansprüche und nachdem eine Runde „Blatt – Stein – Wind“ nicht zur Lösung beitragen konnte entschließt man sich, eine WG zu gründen (natürlich mit Putzplan).
Franz aus dem Süden gesellt sich dazu; zunächst ist er nicht wirklich willkommen, aber seine Bekanntschaft mit einer Eichhörnchinnen-WG macht ihn zum Vierten im Bunde.

So begegnen sich Hörnel und Anna, gründen schon bald eine Familie und 3 Töchter und 2 Söhne bringen ordentlich Leben in die Bude, bzw. die Baumhöhle. Es naht der erste Schultag, die Kinder müssen lernen, wie man sich im Wald verhält, wer Freund und wer Feind ist. Die Familie lebt ein wunderbares Eichhörnchen-Leben, bis jedoch eines Abends drei der Kinder die wilde Idee haben, ihr Heim zu verlassen, um bei Vollmond am Mondfelsen den Mond zu betrachten. In der Nacht wimmelt der Wald vor Gefahren, aber die Kinder schrecken davor nicht zurück und brechen zum Abenteuer ihres Lebens auf – und Hörnel steht vor der großen Aufgabe, sie wieder heil nach Hause zu bringen.

„Aus dem Leben eines Hörnchens“ ist eine tierische Komödie mit einer Leseempfehlung ab 10 Jahre.
Für Kinder ist es eine Geschichte, die von Mut, Freundschaft und Toleranz erzählt, für ältere Lesende enthält sie darüber hinaus viele feine Hinweise und augenzwinkernde Momente, wie z.B. die Wald-Torf-Schule oder „Rufus und Julika“ von Wilhelm Schüttelhörnchen.
Die Figuren sind lebhaft beschrieben, mir haben die beiden „unsterblichen“ Schildkröten Friedrich und Wilhelm sehr gut gefallen. Es gibt immer wieder Anmerkungen, die Leben und Kultur der Eichhörnchen auf menschliche Weise erklären und 17 tolle Zeichnungen von Maya Grünschloß runden das Buch ab.

Eine schöne Geschichte, Leseempfehlung!

Bewertung vom 26.12.2023
Der Spurenfinder
Kling, Marc-Uwe;Kling, Johanna;Kling, Luise

Der Spurenfinder


ausgezeichnet

Elos von Bergen ist ein berühmter Spurenfinder, der viele entscheidende Spuren zum Auffinden verlorener Schätze und Prinzessinnen gefunden hat. Aber so ein Leben voller Abenteuer hat auch seine Schattenseiten, ein Nachtmagier trachtet nach seinem Leben und nach einem beinahe tödlichen Zwischenfall beschließt er, es es ruhiger angehen zu lassen und zieht mit seinen Kindern Ada und Naru in das verschlafene Nest Friedhofen.
Die Zwillinge sind weniger glücklich, sie langweilen sich, aber Elos ist froh, gefahrlos zu leben und nutzt die Zeit, um seine Memoiren zu schreiben.

Eines Tages herrscht große Aufregung. Ein Jahrmarkt wird in das Nachbardorf Rabenfurt kommen und nach einiger Überredung gibt Elos nach und geht mit Ada und Naru dort hin. Sie werden von der Familie Arden und dem Dorfvorsteher Emmett Freling begleitet. Der Jahrmarkt bedeutet eine große Abwechslung, sie haben viel Spaß, trinken die Stimme verändernde Stimmonade, sehen Ursa, die stärkste Frau der Welt, erleben einen Windflüsterer und eine Feuerläuferin.

Es wird ein unvergesslicher Abend, doch zuhause wartet am nächsten Tag eine böse Überraschung: der Dorfvorsteher wird tot aufgefunden.
Elos von Bergen und seine Kinder sind plötzlich mitten in den Ermittlungen – und es wird das Abenteuer ihres Lebens.

Die Geschichte vom Spurenfinder ist fabelhaft. Der Krimi entführt den Lesenden in eine Fantasiewelt und die Klings haben diese zauberhafte Welt mit viel Liebe gestaltet, von den Göttern über die Währung, den Ortsnamen und den magischen Gestalten – alles wird lebhaft beschrieben, die Geschichte ist spannend und auf die Lösung wäre ich nie gekommen. Mir gefällt, wie viel Vertrauen Elos in seine Kinder hat und wie er Ihnen Mut macht.

Wenn du nicht weißt, was ein Schdip und ein Glotzoskop sind, dann solltest du das Buch lesen. Und falls du es weißt, dann auch.

Ganz große Leseempfehlung!

Bewertung vom 01.11.2023
The Addams Family - Das Familienalbum
Addams, Charles

The Addams Family - Das Familienalbum


ausgezeichnet

„The Addams Family“ - aber wer sind eigentlich Mortica, Gomez, Pugsley und Wednesday und wer ist ihr Schöpfer Charles Addams? Das Familienalbum erzählt die Geschichte der Familie und ihres Erfinders.

Charles Addams (1912-1988) war ein kreativer Mensch, der eine Vorliebe für Streiche und Abwegiges hatte, zwar nach Außen beinahe „normal“ lebte, aber in seiner Kunst immer wieder eine „andere Seite“ thematisierte.

„Charles Addams hatte zunächst nicht vor, eine ganze Familie zu erschaffen, er wollte eher der Frage nachgehen, wie eine Gesellschaft Charaktere aufnimmt, die einen starken Hang zur dunklen Seite spüren.“ (S. 10)

Am 6. August 1938 erschien die erste Zeichnung von Morticia im „New Yorker“. Nach und nach tauchten weitere Charaktere auf und erfreuen sich schon bald großer Beliebtheit. Die Popularität wächst durch die TV-Serie (1964-1966) - und ist bis heute ungebrochen.
Für die Serie bittet der Produzent um Charakterbeschreibungen der Familienmitglieder, Charles Addams erstellt diese und hat auch Einfluss auf die künstlerische Gestaltung der Serie.
In dem Buch werden die Familienmitglieder vorgestellt, jedes Kapitel beginnt mit der Charakterisierung im Originalwortlaut und beschreibt im Weitern die Entwicklung der Figuren. Neben dem Eiskalten Händchen und Lurch findet sich auch Charles Addams alter Ego Onkel Fester in dem Buch.

»The Addams Family: Das Familienalbum« zeigt alle Originalcartoons in einem Band. Mit mehr als 200 Comics auf über 220 Seiten wird die Geschichte der Familie und die Entwicklung der einzelnen Charaktere erzählt. Das Cover ist einfach wunderschön, schwarz und rot und mit einer Zeichnung, die an ein anderes bekanntes Bild erinnert.

Nun könnte man ja meinen, die Addams sind einfach nur Freaks, aber dem ist nicht so. Bei aller Besonderheit vertreten sie Werte wie Zusammenhalt, sie haben gemeinsame Regeln und Moralvorstellungen, unterstützen sich gegenseitig und geben einander Sicherheit.

Wie viele andere Familien müssen sie ihr Wohneigentum in Schuss halten - und gute Handwerker für Falltüren sind schwer zu finden. Die Kinder werden angehalten, sich eigenständig und verantwortlich um ihr Haustier zu kümmern, ansonsten dürfen sie den Drachen nicht behalten und die Familie freut sich gemeinsam auf Weihnachten und wärmen schon einmal den Kamin vor.

Vielleicht sind wir alle ein bisschen addams?

Dieses Buch ist zum einen informativ und zum anderen großartig, skurril, speziell, bisweilen unkorrekt, schräg, lustig, böse und absolut herrlich! 🖤

Bewertung vom 30.10.2023
Der späte Ruhm der Mrs. Quinn
Ford, Olivia

Der späte Ruhm der Mrs. Quinn


ausgezeichnet

Wenn man alt wird, hat man manchmal das Gefühl, ein einfacheres, ruhigeres Leben würde besser zu einem passen, aber Jenny hat bewiesen, dass man in jeder Phase seines Lebens Träume haben kann … und dass sie gerade wegen und nicht trotz unseres Alters wahr werden können (S. 306)

Jennifer Quinn ist 77 Jahre alt und lebt mit ihrem Mann Bernhard (82) in Kittlesham. Sie haben es gemütlich in ihrem kleinen Haus und genießen den Ruhestand. Schon 59 Jahre sind sie verheiratet, im kommenden Jahr feiern sie ihren 60 Hochzeitstag und auch nach all den Jahren sind sie einander immer noch sehr zugetan, achten aufeinander und tun sich gegenseitig gut und Gutes. Jenny backt für ihr Leben gern, immer schon. Sie kommt aus einer Familie, in der das Backen eine wichtige Rolle gespielt hat und während Bernie und sie im Fernsehen „Das Backduell“ schauen, kommt ihr die Idee, sich als Kandidatin für die Sendung zu bewerben. Aus Angst, dass sie nicht angenommen oder es eine Enttäuschung wird, hält sie ihre Bewerbung geheim – und es ist nicht Jennys einzige Geheimnis, denn schon seit 60 Jahren gibt es etwas, dass niemand erfahren darf.

„Der späte Ruhm der Mrs. Quinn“ erzählt von der fabelhaften, patenten Jenny Quinn. Mit ihrem Mann Bernhard erlebt sie intensiv „den Herbst des Lebens“, beide sind sich der Endlichkeit bewusst, gehen liebevoll und zugewandt miteinander um und aufeinander ein. Bernie ist ruhig, besonnen und liebt seinen Garten und Jenny stürzt sich mutig in das Abenteuer, an der TV-Show teilzunehmen. Diese Teilnahme wirbelt ihr ruhiges Leben durcheinander – und ist für Jenny auch auf andere Weise eine Herausforderung, da es Erinnerungen an früher heraufruft, an die Zeit, bevor sie mit Bernhard verheiratet war und aus der sie noch immer ein Geheimnis mit sich herumträgt. Diese Zeit wird in dem Roman in Rückblenden erzählt und so wird nicht nur nachvollziehbar, warum Jenny das Backen so sehr liebt.

Die einzelnen Kapitel sind mit Backwaren betitelt und in dem Buch wimmelt es nur so von Schwarzwälder Kirsch und Co;
1 Millionen liebevolle Kalorien auf 400 Seiten.

Jennys Rezeptesammlung beinhaltet Rezepte von ihrer Oma und Mutter und mit diesen Rezepten sind Erinnerungen an geliebte Menschen und besondere Momente verbunden. Es sind auch Jennys Erinnerungen und ihre Geschichte, die mich berührt haben und sie zeigen, dass es gut ist, dass sich die Zeiten in mancher Hinsicht geändert haben.

Ein Wohlfühlroman, der warmherzig eine wunderbare Geschichte von Liebe, Träumen und Mut erzählt.
Große Leseempfehlung!

Bewertung vom 07.10.2023
Mord auf der Insel Gokumon / Kosuke Kindaichi ermittelt Bd.2
Yokomizo, Seishi

Mord auf der Insel Gokumon / Kosuke Kindaichi ermittelt Bd.2


ausgezeichnet

Jane Marple, Sherlock Holmes, Kalle Blomquist, Kosuke Kindaichi.
ähm…Kosuke wer?
Genau! Mir war dieser Name zuvor auch kein Begriff. Aber nun bin ich im #teamkosuke und begeistert von den Krimis von Seishi Yokomizo, in denen Kosuke Kindaichi ermittelt.

September 1946, „Die rätselhaften Honjin-Morde“, der erste Fall von Kosuke Kindaichi liegen 9 Jahre zurück und kehrt aus dem Krieg zurück.
Auf dem Rückweg hat ihn sein Kriegskamerad und Freud Chimata Kito im Sterben liegend gebeten in seine Heimat, auf die Insel Gokumon zu reisen, um dort zu verhindern, dass seine 3 Halbschwestern ermordet werden.
Mit einem Empfehlungsschreiben an den Bürgermeister, den Arzt und den Priester der Insel reist Kosuke nach Gokumon, nicht wissend, was ihn dort erwartet.

Gokumon ist eine abgelegene Insel, die nur per Boot zu erreichen ist. Die Bewohner leben von der Fischerei und die Familie Kito betreibt den größten Fischereibetrieb, dessen Erbe Chimata gewesen wäre. Die Familienverhältnisse sind etwas wirr, neben seinem Cousin, der noch nicht aus dem Krieg zurück ist, sind die 3 Halbschwestern erbberechtigt. Ferner gibt es noch einen Seitenzweig der Familie Kito, der ebenfalls Anspruch auf eine Vormachtstellung auf Gokumon erhebt.

Bereits auf der Überfahrt trifft Kosuke den Priester und erhält die Möglichkeit, für die Zeit des Aufenthaltes bei ihm zu wohnen.
Auch wenn sich manche Bewohner ein wenig merkwürdig verhalten, Gokumon etwas weltfremd und realitätsfern erscheint, ist die Welt dort doch überwiegend in Ordnung und es scheint keine Gefahr für die Halbschwestern zu bestehen. Aber der Schein trügt, denn bald schon wird Hanako, die älteste Halbschwester, tot aufgefunden.

Ich habe bereits den 1. Fall von Kosuche Kindaichi gelesen und bin erneut total begeistert - dies ist ein richtig guter Krimi der allerbesten Sorte.
Ruhig und ausführlich wird der Lesende mit auf die Insel genommen, mit der Umgebung und den Menschen vertraut gemacht. Seishi Yokomizo erzählt wunderbar, spricht immer wieder die Leser*innen an und beschreibt lebhaft Land, Leute und Lebensart.
Die Lösung dieses Krimis ist raffiniert und absolut christie-like!

In dem Buch findet sich ein Personenregister, welches für mich recht hilfreich war. Ferner gibt es auch ein interessantes Glossar, dass dem Lesenden interessante Informationen gibt.

Große Leseempfehlung!

Bewertung vom 10.09.2023
Der Klopapierkönig
Ernestam, Maria

Der Klopapierkönig


sehr gut

Ejnar Svensson ist Beamter im schwedischen Vallerås. Fleißig und unauffällig geht er seiner Arbeit nach, dem Einkauf von Dienstleistungen und Gütern. Er macht seine Arbeit gut, wirft das Geld nicht mit vollen Händen zum Fenster raus, sondern wirtschaftet klug und umsichtig.
Doch dann ist da dieser eine Moment der Unachtsamkeit, denn bei den 4 Einheiten Toilettenpapier, die er zur Probe bestellt, handelt es sich nicht um 4 Rollen, Pakete oder Paletten – sondern um 4 volle Lkw. Und nicht nur die Menge gewaltig ist - einlagig und recycelt findet nicht jedermanns Zustimmung.

Aber nun ist es passiert. Der Bürgermeister, der die Geschichte erzählt, organisiert pragmatisch die Lagerung und bringt das Papier in Umlauf. In Vallerås öffentlichen Einrichtungen gewöhnt man sich daran und nach einem kleinen Moment der Aufregung kehrt wieder Ruhe ein.

Diese ist jedoch schlagartig vorbei, als ein Fernsehteam eine Reportage über den Umgang mit öffentlichen Mitteln plant. Die große Menge zu einem guten Preis, sowie der Einsatz von Recyclingpapier wird als sparsam und umweltfreundlich erkannt. Dass dies auf einem Fehler beruht, findet keine Erwähnung und das Schicksal nimmt seinen Lauf. Aus einem Beamten, der einfach nur seine Arbeit machen möchte, wird ein Held, ein König Widerwillen - und der ambitionierte Bürgermeister nutzt die Situation zur Erweiterung der eigenen Popularität und der Bekanntheit des Ortes.

Maria Ernestam erzählt in ihre kleinen, feinen Kurzroman eine charmante Geschichte, die jedoch nicht stumpf ist, sondern zum Nachdenken anregt, aber nicht, wie viele Lagen und welches Material es braucht, sondern wie weit der eigene Ehrgeiz gehen darf und über den Einfluss der Medien.

Zunächst habe ich gedacht, dass die Geschichte in Richtung „Guten Tag, mein Name ist Lohse, ich kaufe hier ein“ geht – aber es geht nicht um Schreibpapier und Radiergummis für 40 Jahre oder palettenweise Senf. Es geht um einen Mann, der einfach nur in Ruhe seiner Tätigkeit nachgehen will, der kein Held und König sein möchte, jedoch keine Chance hat, dem ganzen Theater, den Medien und seinem karriereorientierten, öffentlichkeitssuchenden Chef zu entfliehen.

Ein feiner, lesenswerter Kurzroman.

Bewertung vom 10.09.2023
Kleine Probleme
Pollatschek, Nele

Kleine Probleme


gut

31.12.2000irgendwas.
Ein Jahr geht munter dem Ende entgegen und auch hinter Lars liegen 365 (oder 366) Tage.
52 Wochen, in denen so allerlei hätte erledigt werden können, ja, manches sogar müssen.
12 Monate, die Lars scheinbar wunderbar verdaddelt hat.
Nun ist es 5 vor 12.
Es gibt viel zu tun und gute Gründe, dass Lars seine ToDo-Liste abarbeitet.

Leider ist Lars jedoch eher nicht der große Macher, kein Mensch, der motiviert etwas erledigt.
Nö, Lars ist vielmehr ein Großmeister von „gut Ding will Weile haben“, über Jahre hat er sich in „kommst du heute nicht, kommst du morgen“ geübt und wäre Larifari olympisch, dann wäre er ein Anwärter auf eine Goldmedaille.

Als angehender Schriftsteller, Phantast und Traumtänzer trödelt er sich so durchs Leben und vielleicht wäre das okay, wenn da nicht Johanna und die Kinder wären. Seine Familie kommt nach all den Jahren nicht mehr allzu sehr auf seine maximale Prokrastination klar und sieht das ewige Vertagen, dass einst lustig liebenswert war, inzwischen deutlich kritischer.

An Silvester bietet sich die Chance, das Ruder noch mal rumzureißen. Viel Zeit bleibt Lars jedoch nicht bis Mitternacht.

Tja, was soll ich zu dem Roman sagen? Zunächst einmal, dass Nele Pollatschek wirklich wunderbar mit Wörtern spielen kann und sich Seite um Seite feine, poetische, nachdenkliche Zeilen finden.

„Wenn alles einfach ist und einfach ist viel zu schwer.“ (S. 20)

Ich liebe diese Wortspielereien, die Gedankengänge und Abschweifungen.

Aber:
es spricht ja nichts dagegen mal 5 grade sein zu lassen –mit dem Lebenskonzept von Lars kann ich aber nichts anfangen; phasenweise hat mich seine Art ziemlich nöckelig gemacht, ich habe sein Verhalten nicht verstehen können und das kontinuierliche Fabulieren, um nur nix tun zu müssen, als ziemlich nervig empfunden.

Ich hätte das Buch wirklich gerne gemocht, es hat auch feine Momente, aber im Großen und Ganzen hat mich die Geschichte jedoch leider nicht angesprochen.