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Julia V.

Bewertungen

Insgesamt 23 Bewertungen
Bewertung vom 26.09.2023
Die Lügnerin
Karig, Friedemann

Die Lügnerin


sehr gut

Hochintelligent und unergründlich
Das Cover hat mich sofort begeistert, ich finde es unglaublich schön! Die Gestalt einer schönen jungen Frau in Blau, verträumt und doch die Doppelbödigkeit der Geschichte schon andeutend.
Von Friedemann Karig hatte ich zuvor noch nichts gelesen, aber der Klappentext und die Leseprobe hatten mich neugierig auf diesen Roman gemacht. Ich habe ihn in einem Rutsch zu Ende gelesen und kann ohne Einschränkung sagen: Friedemann Karig ist ein toller Erzähler, von dem ich unbedingt mehr lesen möchte! Er versteht es zu fesseln, so dass man atemlos von einer Episode zur nächsten liest, und er tut es auf eine gewitzte und sprachlich gekonnte Art. Auch die blitzgescheite, unergründliche und in höchstem Maße unzuverlässige Erzählerin hat es mir angetan. Ich habe mich bei der Lektüre bestens unterhalten gefühlt. Und doch hat am Ende etwas gefehlt -- ich kann nur nicht genau sagen, was.

Bewertung vom 16.08.2023
Prophet
Blaché, Sin;Macdonald, Helen

Prophet


sehr gut

Durchgeknallter Lesespaß
Vorab möchte ich sagen, dass dieser Roman in meinen Augen falsch platziert ist: Er wird zwar als genreübergreifender Thriller angeboten, allerdings ist die Handlung doch sehr fantastisch und geht mehr Richtung Fantasy als der Agententhriller mit queerer Liebesgeschichte, als der er angeboten wird. Tatsächlich ist es ein wilder Genremix mit vielen popkulturellen Anleihen (Lost!), inklusive quantenphysischer Viele-Welten-Theorie. Wenn man sowas mag, gut!
Ich mag es, und vieles an dem Buch hat mir sehr gut gefallen. Es ist sehr spannend und ein echter Pageturner, ich habe es in einem Rutsch verschlungen. Ein Mystery-Thriller, der zwischen allen Stühlen sitzt, mit viel Dialogwitz und grandios schrägem Ermittlerduo.
Einen Stern Abzug gibt es, weil das Buch in der Mitte einige Längen hat, und weil mir persönlich die Liebesgeschichte zwischen den beiden Ermittlern zu kurz kam.
Das Cover in knalligen Farben kommt poppig daher und es ist rätselhaft, was darauf dargestellt ist; nach der Lektüre tippe ich auf das gelbe Flauschfell eines Plüschtiers.
Von dem Autorinnen-Duo kannte ich nur die eine Hälfte, Helen Macdonald mit ihrem Habicht-Buch. Auf jeden Fall werde ich die beiden von nun an im Auge behalten!
Fazit: Ein wilder und lustiger Ritt durch die Popkultur, für Fans von genreübergreifender Literatur

Bewertung vom 16.08.2023
Der Vorweiner
Bjerg, Bov

Der Vorweiner


ausgezeichnet

Humorvoll und ungewöhnlich
Den Autor Bov Bjerg kannte ich bisher nur aus der medialen Berichterstattung, sein Roman Auerhaus liegt seit Jahren ungelesen bei mir zuhause herum. Aber der ungewöhnliche Titel (der durch die typografische Gestaltung des Covers noch hervorgehoben wird) hat mich neugierig gemacht.
Es fällt mir schwer, etwas über den Roman zu sagen, ohne schon zu viel zu verraten, nur so viel: er hat mich begeistert! Das dystopische Setting dieser apokalyptischen Welt mit ihren schrägen Figuren, die Sprache mit ihren eigenen Wortschöpfungen … Allein das Inhaltsverzeichnis im Stil eines Schelmenromans! Ich mochte den Roman wirklich sehr gern und fand ihn sehr komisch. „Creativity is intelligence having fun.“ Dieses (fälschlicherweise Albert Einstein zugeschriebene) Zitat kam mir unweigerlich in den Sinn beim Lesen.
Fazit: Unbedingte Leseempfehlung für Fans des Ungewöhnlichen.

Bewertung vom 26.07.2023
Treacle Walker
Garner, Alan

Treacle Walker


ausgezeichnet

Bezaubernder Leckerbissen für Fans des Fantastischen
Alan Garner kannte ich bisher nicht, auch wenn er augenscheinlich ein altgedienter britischer Fantasy-Autor ist und sein neuestes Werk, nämlich ebendieses, für den Booker Preis nominiert war. Mich hat das Cover neugierig gemacht: Ich finde es sehr schön, diese grüne Silhouette eines Jungenkopfes, kombiniert mit der Radierung und der Strichzeichnung.
Dieses schmale Büchlein hat mich von der ersten Seite an in Bann geschlagen. Es fällt mir schwer, etwas über die Handlung zu sagen, ohne schon zu viel zu verraten (es hat nur etwas mehr als 150 Seiten!). Nur so viel: Ich fand es schlichtweg bezaubernd! Liebevolle Figurenzeichnung, interessante Charaktere. Auch der Erzählton gefällt mir sehr gut, ein wenig altmodisch und selbstironisch zugleich, im besten Sinne old school.
Fazit: Ein Leckerbissen für alle Fans des Fantastischen!

Bewertung vom 25.07.2023
Die Einladung
Cline, Emma

Die Einladung


ausgezeichnet

Roman mit Sogwirkung
Das Cover finde ich wenig aussagekräftig, und die Autorin kannte ich nicht, aber ihre Biografie und der Klappentext haben mich neugierig gemacht.
Der Roman hat eine starke Sogwirkung auf mich ausgeübt, so dass ich ihn in einem Rutsch verschlungen habe. Seine Handlung spielt sich innerhalb einer knappen Woche ab, man folgt der etwas zwielichtigen Protagonistin Alex auf ihren Streifzügen durch die Hamptons. Das Milieu der Superreichen, die dort den Sommer verbringen, mitsamt ihren Hausangestellten, Personal Assistants, Gärtnern … fand ich sehr anschaulich beschrieben. Der Erzählton ist leicht, dabei psychologisch genau beobachtet.
Ein wenig hat es mich an eine Erzählung in Candace Bushnells Four Blondes erinnert, in der die Protagonistin sich den erträumten Sommer in den Hamptons über ihre reichen Lover verwirklicht, bis alles den Bach runter geht.
Fazit: Emma Cline ist eine Autorin, die ich definitiv im Auge behalten werde!

Bewertung vom 03.07.2023
Die Erinnerungsfotografen
Hiiragi, Sanaka

Die Erinnerungsfotografen


ausgezeichnet

Grüße aus der japanischen Zwischenwelt
Das Cover finde ich ansprechend gestaltet – ein typisch japanischer Garten samt Teehaus, Kiefer und Lampion, im Stil eines Scherenschnitts oder einer Tuschezeichnung –, es hat etwas Nostalgisches und passt damit gut zum Inhalt.
Dieses Buch hat mich begeistert – als Japan-Reisende und bekennender Fan kann ich sowieso nie genug von Japan und seiner Literatur bekommen, und die Idee dieser Geschichte finde ich hinreißend! Es liest sich leicht und angenehm, die Figuren sind liebevoll gezeichnet. Und auch wenn die Botschaft, die in diesem Buch steckt, nicht unbedingt neu ist – das Leben ist kostbar, schätze es! –, so kann man sie doch gar nicht oft genug hören. Zumal wenn sie so warmherzig und mit authentisch japanischem Flair erzählt wird.
Fazit: Nachdenklich stimmendes Lesevergnügen, für Japan-Fans und solche, die es werden wollen!

Bewertung vom 03.07.2023
Du hast da dieses Funkeln
Fulwiler, Jennifer

Du hast da dieses Funkeln


ausgezeichnet

Humorvoller und inspirierender Ratgeber
Das Cover ist schlicht und relativ nichtssagend: ein paar Sternchen oder explodierende Feuerwerkskörper, mit glitzerndem Drucklack veredelt, sollen das titelgebende Funkeln illustrieren, ohne dem jedoch eine weitere Bedeutungsebene hinzuzufügen. Vielleicht ist es bewusst so schlicht gehalten, weil das, wofür man brennt, für jeden etwas anderes ist?
Den Titel finde ich dagegen großartig! Er stimmt perfekt ein auf den Ton, in dem die Autorin diesen Ratgeber verfasst hat: eben nicht bierernst, sondern mit einem Augenzwinkern. Dieses Buch hat mich begeistert! Jennifer Fulwiler ist eine, die in ihrem Leben schon vieles erreicht hat und die es geschafft hat, „sich selbst zu verwirklichen“. Ich habe ihr sofort vertraut, dass sie weiß, wovon sie spricht, und etwas zu sagen hat. Sie doziert nicht und gibt keine Ratschläge, sondern plaudert lebensnah aus dem Nähkästchen. Mit einer großen Portion Humor, der auch vor ihr selbst nicht Halt macht.
Fazit: Dieses Lebenshilfebuch macht wirklich Spaß!

Bewertung vom 21.03.2023
Der weiße Fels
Hope, Anna

Der weiße Fels


ausgezeichnet

Fesselndes und toll geschriebenes Buch einer beeindruckenden Autorin
Das Cover finde ich etwas nichtssagend. Ein Gemälde des schottischen Malers Charles Simpson, gezeigt wird aber nur ein kleiner Ausschnitt: der titelgebende weiße Felsen, nicht mehr und nicht weniger. Nun ja.

Von Anna Hope hatte ich noch nie etwas gelesen, aber der Roman beginnt spannend und hat mich sofort hineingezogen: Eine Schriftstellerin begibt sich auf eine Reise in die Wüste Mexikos, um ein archaisches Opferritual durchzuführen, zum Dank für das empfangene Kind. Und ich wurde nicht enttäuscht, der Roman hat mir sehr gut gefallen! Anna Hope kann mitreißend erzählen, und sie kann sprachlich nuanciert schreiben. Allein die Fülle des Materials, das sie für dieses Buch recherchiert haben muss, ist beeindruckend.

Die Struktur des Buches ist interessant: Es sind vier Geschichten, deren jeweilige Handlung stets auf denselben Punkt zuläuft – den weißen Felsen – und sich dort wendet. Danach werden die Geschichten in umgekehrter Reihenfolge zuende erzählt, wobei sie sich am Ende noch einmal wenden. Ich muss gestehen, dass ich die Geschichten nicht chronologisch gelesen habe (also so, wie es gedacht war, in der oben beschriebenen Reihenfolge), sondern jeweils in einem Stück, weil ich es nicht erwarten konnte zu erfahren, wie es weitergeht. Was ja für die Geschichten spricht!
Die Geschichte der Schriftstellerin hat mich am wenigsten berührt. Vielleicht, weil die Autorin hier der Protagonistin am nächsten ist (es handelt sich ja, zumindest zum Teil, um Selbsterlebtes), verliert sie sich im Kleinteiligen. Auch fehlt die existentielle Tiefe, die den Geschichten der anderen Hauptfiguren ihre Wucht verleiht. Die gefühlte Bedrohung durch die beginnende Corona-Pandemie und den Klimawandel erscheinen im Vergleich etwas schwach, da die Schriftstellerin nicht direkt davon betroffen ist und sich das Katastrophen-Szenario nur in ihrem Kopf abspielt.

Fazit: Insgesamt ein toll geschriebenes und fesselndes Buch einer beeindruckenden Autorin, von der ich sicherlich mehr lesen werde!

Bewertung vom 27.02.2023
Wir hätten uns alles gesagt
Hermann, Judith

Wir hätten uns alles gesagt


ausgezeichnet

Poetologische Einblicke oder: Nichts ist, wie es scheint

Das Cover, ein Ausschnitt aus einem Gemälde, zeigt die Innenansicht eines Zimmers: Neben einem Fenster hängen zwei Regenmäntel und ein Fernglas an der Wand, aus dem Fenster fällt der Blick auf das Meer, unter dunklen Regenwolken bricht die Sonne hindurch. Wahrscheinlich die Ost- oder die Nordsee, der Friesennerz deutet darauf hin, ebenso die Seesterne auf den Fenstersprossen. Das Stillleben passt sehr gut zu Judith Hermanns Texten, es strahlt dieselbe ruhige, leicht melancholische und etwas rätselhafte Atmosphäre aus.

Es ist dieser spezielle Erzählton, der Judith Hermanns Erzählungen in meinen Augen so besonders macht und der mir im Gedächtnis haften geblieben ist, auch wenn ich die (ohnehin dürftige) Handlung längst vergessen habe. Ihre Geschichten begleiten mich schon mein halbes Leben, seit 1998 ihr Debüt „Sommerhaus, später“ erschien. Ich habe sie alle gelesen, auch die beiden Romane.

Nun dieses Buch, das verspricht, Einblicke zu geben in das bisher verborgene Leben der Person hinter den Geschichten. Judith Hermann schreibt über ihr Leben und Schreiben, über Freunde und Wegbegleiter und wie diese, in verschlüsselter Form, den Weg in ihre Geschichten fanden. Das Buch selbst kommt autobiographisch daher (es sind Poetikvorlesungen), sie gibt vor, Einblick in ihren Schreibprozess zu geben. Wahrscheinlich ist es aber auch autofiktional, schwer zu sagen, wo die Grenze verläuft zwischen Realität und Fiktion. Zum Beispiel trifft die Erzählerin nachts im Späti ihren ehemaligen Psychoanalytiker und folgt ihm in eine schummrige Bar. Diese Begegnung erscheint einem erst plausibel, konkrete Details, die den Bezug zum Leben der Autorin herstellen, deuten darauf hin. Dann wieder glaubt man kaum, dass sie so stattgefunden haben könnte. Oder doch? Sehr spannend!

Fazit: Ein Muss für Fans von Judith Hermann und solche, die es werden wollen!