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leseeule
Wohnort: 
Eisenhüttenstadt

Bewertungen

Insgesamt 30 Bewertungen
Bewertung vom 04.02.2024
Heinz Labensky - und seine Sicht auf die Dinge
Tsokos, Anja;Tsokos, Michael

Heinz Labensky - und seine Sicht auf die Dinge


sehr gut

Zeitreise mit einer besonderen Sicht auf die Dinge

Häufig trifft man auf Reisen Menschen, mit denen man auch ins Gespräch kommt. Und bei einer dieser Begegnungen trefft ihr auf einen Mann, der euch so abenteuerliche Geschichten aus seinem Leben und einer längst vergangenen Zeit berichtet. Sie kommen euch so abstrus vor, wie ein Wolkenkuckucksheim.
Dieser Mensch ist Heinz Labensky. Aufgewachsen in einem kleinen Dorf in Brandenburg, erlebte er die Nachkriegszeit, sowie die Ära der DDR. Mittlerweile ist Heinz ein 79-jähriger Feierabendheimbewohner, der nie den Osten Deutschlands geografisch wie gedanklich verlassen hat und es bestimmt auch nie getan hätte. Eines Tages erreicht ihn aber ein Brief, der ihn dazu veranlasst, die Geschehnisse von damals zu betrachten. Auf seine ganz eigene Weise beleuchtet Heinz dabei die Geschichte der DDR und zeigt uns und seinen Mitreisenden seine Sicht auf die Dinge.
Heinzi, der bei der Hirnvergabe nicht schnell genug war, hatte kein leichtes Leben. Als förderungsunfähig nahm ihn niemand wirklich ernst. Doch aufgrund seiner Denkweise und seiner besten Freundin Rita machte ihm dies nie viel aus. Sein Beschützerinstinkt Rita gegenüber, trieb ihn sein ganzes Leben an, auch wenn er sie immer wieder aus den Augen verlor.
Heinzi war mir von Beginn an sehr sympathisch. Seine herzerwärmende Fürsorge und Loyalität, in Verbindung mit seiner kindlich naiven Denkweise, machten ihn zu einem ganz besonderen Charakter, dem ich gern persönlich zuhören würde. Aufgrund seiner einfacheren Intelligenz wird Heinzi oft nicht ernst genommen und ausgenutzt. Oft hat er die richtigen Gedankengänge, die dann aber, wie in einem Kreisverkehr, die falsche Ausfahrt nahmen. Er versteht nicht immer alles oder aber falsch. Seine Allgemeinbildung stammt quasi aus einer Frauenzeitschrift. Doch weiß er, was Recht und Unrecht ist, wodurch viele unerwartete und irrwitzige Dinge passierten. Heinz zeigt uns die Geschichte der DDR, durch seine Augen, bei der er unbewusst und in zahlreiche historische Ereignisse involviert zu sein scheint, ohne dass er wirklich etwas davon mitbekam. Auch
Auf der Suche nach seiner besten Freundin, der er sich geschworen hatte auf ewig zu beschützen. Doch Rita war ein Mensch, der es ihm nicht leicht machte, dieses Versprechen zu halten. Ich konnte nicht verstehen, wie sie den einzigen Menschen, der sich so um sie sorgte, derart behandeln konnte.
Ich persönlich habe mit dem Ausgang der Geschichte nicht gerechnet. Es gab der Geschichte einen völlig neuen Blickwinkel und hat mich tief berührt. Leider wirkten auf mich einige Dinge unlogisch, abstrus und wirkten zu konstruiert. Ein ums andere Mal wusste er selbst nicht mehr, was der Realität entsprach oder doch seinem Wolkenkuckucksheim entsprang. Beispielsweise ist Heinzi Analphabet und kann dennoch komplizierte Wörter einer Geheimakte entziffern und teilweise begreifen.
Der Aufbau der Geschichte hat mich während des Lesens sehr überrascht. Ich wusste zwar, dass es viel um die DDR gehen würde, doch ahnte ich nicht, dass dieser geschichtsträchtige Teil Deutschlands derart viel Raum einnehmen würde. Auf der einen Seite war es wirklich interessant diese Historie nachzuerleben. Aber manchmal war es einfach nur anstrengend. Des Öfteren benötigte Ich eine Pause, um das Gelesene sacken zu lassen. Manches Mal waren es, in meinen Augen, lange Aufzählungen starrer Fakten, die eher an ein Geschichtsbuch aus der 9. Klasse erinnerten. Als wäre dieses Buch eine Zeitleiste und Heinzi wäre der rote Faden darin. Auch wenn ich ein Ostkind bin, so bin ich doch zu jung, um zu sagen, wie viel Korrektheit in der geschichtlichen Abfolge steckt. Mir kam sogar der Gedanke das Buch abzubrechen. Der Schreibstil war an einigen Stellen, aufgrund vieler Geschichtsfakten, recht trocken. Doch wenn Heinzi uns seine Sichtweise dazu zeigte, war es teilweise unfreiwillig komisch und versprühte eine gewisse Ostalgie. Viele Redewendungen und Bezeichnungen weckten in mir Erinnerungen und ich frage mich, warum man nicht mehr von Fisimatenten oder Erdmöbel spricht.
Trotz Heinzis besonderer Sicht auf die Geschehnisse der DDR Geschichte, wird dennoch nichts verklärt oder beschönigt. Es wurden auch viele negative Aspekte beleuchtet und dargestellt.
Für mich persönlich hatten die Mitreisenden keinen besonderen Mehrwert. Sie waren eher ein nettes Beiwerk, die Heinzi zuhörten und ab und an die richtigen Fragen stellten. Wäre ich an ihrer Stelle gewesen, so hätte ich es glaube nicht geschafft, diese Unterhaltung abzubrechen, ohne das Ende der Geschichte gehört zu haben.
Auch wenn ich mich öfters zwischen all den starren Fakten verloren fühlte, bin ich froh Heinzi auf seiner Reise durch die Vergangenheit in die Gegenwart begleitet und seine Sicht der Dinge erlebt zu haben.

Bewertung vom 14.01.2024
Der Spurenfinder
Kling, Marc-Uwe;Kling, Johanna;Kling, Luise

Der Spurenfinder


ausgezeichnet

Sherlock Holmes mit einem Hauch Magie

„Wer sicher gehen möchte, dass in seinem Leben garantiert nichts Aufregendes mehr passiert, dem empfehle ich nach Friedhofen zu ziehen.“ So steht es in „Wanderungen durch das Königreich Dreibrücken“ von Deidra Harfner. Ich denke, dass jeder von uns mehr oder weniger solch ein Kaff kennt. Dabei stellt sich unweigerlich die Frage, weshalb es jemanden an solch einen Ort ziehen sollte. Die Antwort scheint ganz simpel. Menschen, denen zu viel passiert ist. Aber egal, wo man hinreist, man hat sich immer selbst im Gepäck.
Aus diesem Grund zieht es auch Elos von Bergen, bekannt als der beste Spurenfinder in den umliegenden Provinzen, in dieses stille Örtchen. Nach einem missglückten Mordanschlag auf ihn und seine Familie, hängt er seinen Beruf an den Nagel und setzt sich, mit seinen Kindern in Friedhofen zur Ruhe. Doch dann geschieht das Unfassbare und es findet ausgerechnet im langweiligsten Dorf Dreibrückens ein Verbrechen statt. Während Elos sich dem Spurenfinden widmet, sind seine Zwillingskinder, Ada und Naru, Feuer und Flamme ihren Vater bei der Lösung des Falles zu helfen. Ob dieser das nun will oder nicht. Denn, wenn man bedenkt, wer ihr Vater ist, ist es nicht verwunderlich, dass beide den Wunsch hegen in die Fußstapfen ihres Vaters zu treten. Ada und Naru sind zwei unglaubliche Wildfänge. Obgleich sie Zwillinge sind, könnten beide nicht unterschiedlicher sein. Ada ist ruhiger und besitzt einen cleveren Verstand, dagegen ist Naru etwas tollpatschig und manchmal schwer von Begriff. Und wie Geschwister nun einmal sind, necken sie sich mit Vorliebe, wodurch viele komische Momente entstehen. Es war eine wahre Freude den Dreien bei Suche nach dem Täter über die Schulter zu schauen. Elos geht relativ ruhig und gelassen an die Sache. Er hat ein gutes Gespür für Details und kann auch komplizierte Gegebenheiten kombinieren, wodurch er meist den Spuren nur zu folgen braucht. Ada und Naru dagegen sind natürlich impulsiver. Auch, wenn es dadurch öfter brenzlig wird, ergänzen die Drei sich wirklich gut. Es gab einige Sackgassen, die mich verzweifeln ließen und Wendungen, die mich sehr überraschten. Ein paar Details konnte ich gut erahnen aber auf die Auflösung des Falles wäre ich im Leben nicht gekommen. Bis zum Ende bleibt es spannend. Die größte Wendung gab es für mich im Epilog, der mich hoffen lässt noch mehr Abenteuer vom Spurenfinder und seinen Kindern zu lesen.
Die Welt, in die ich eintauchen durfte, empfand ich als sehr gut aufgebaut und beschrieben. Es hatte für mich eine mittelalterliche Atmosphäre, verwoben mit einem Hauch Magie und Mystik. Auch ein kleiner Gruselfaktor und spannungsvolle Momente wurden mit eingebaut. Der Schreibstil passte sich, in Satzbau und Wortwahl, dieser altertümlichen Umgebung bestens an und wurde untermalt mit viel Wortwitz und Ironie. Besonders lebhaft wurde es durch die vielen Skizzen, die es im Buch zu entdecken gab und den Eindruck verstärkten einen Märchenkrimi in den Händen zu halten.
Zusätzlich zum Buch habe ich mir die Hörbuchfassung angehört. Diese wurde vom Autor höchstpersönlich eingelesen. Ich muss zugeben, dass Marc-Uwe Kling hier ganz besondere Arbeit geleistet hat. Seine Darbietung unterstrich die Charakterzüge der handelnden Personen wirklich sehr gut und sorgte für noch mehr Spannung.
Marc-Uwe Kling hat mit seinen Töchtern, einen für mich sehr überzeugenden All-Age Märchenkrimi geschaffen, von dem ich gerne mehr lesen möchte.

Bewertung vom 20.11.2023
Kein guter Mann
Izquierdo, Andreas

Kein guter Mann


ausgezeichnet

Was macht (k)einen guten Menschen aus?
Dieses Buch ist wie der Hauptprotagonist selbst. Auf den ersten Blick hat man ein klares Bild davon, was einen erwartet. Doch je mehr man sich auf beides einlässt, umso deutlicher wird, wie sehr man sich vom ersten Eindruck täuschen lässt.
Walter ist Postbote mit Leib und Seele. Mit seiner Überkorrektheit und Regelkonformität, die er akribisch auch von anderen einfordert, eckt er natürlich im Privaten sowie Beruflichen ziemlich an. Er ist geschieden, das Verhältnis zu seinen Kindern mehr als angespannt. Seine Chefin möchte ihn einfach nur in den Vorruhestand schicken. Als letzten Ausweg bleibt ihm nur die Versetzung in die Christkindfiliale. Für einen beinahe misanthropen Menschen wie Walter, scheint dies die Höchststrafe zu sein. Doch als ihn der Brief vom kleinen Ben erreicht, verändert dies das Leben beider. Beginnt hier ein Weihnachtswunder? Es scheint alles nach dem altbekannten Schema abzulaufen. Ein griesgrämiger alter Mann, wird durch den Einfluss eines Kindes an Weihnachten mit der Welt versöhnt und für beide wird am Ende alles gut. Doch lasst euch nicht täuschen. Dies ist bei Weitem kein Weihnachtswohlfühlroman, wie man ihn sonst kennt. Es kommen viele ernste Themen zu Sprache, die mir auch im Nachhinein noch sehr unter die Haut gingen.
Trotz seiner zynischen Art, war mir Walter von Anfang an sehr sympathisch oder vielleicht gerade auch deswegen. Ich ertappte mich sogar zu Beginn dabei, dass ich mir wünschte, er wäre noch etwas bissiger in seinen Äußerungen. Dennoch ist Walter schon sehr direkt und sagt frei heraus, was er denkt, ohne darauf zu achten, ob er die Gefühle anderer damit verletzten könnte. Eigentlich ist es ihm schlichtweg egal was andere von ihm denken. Trotzdem spürt man bei Walter, besonders in Bezug auf seine Familie eine tiefe Verbitterung. Man könnte meinen, dass er es durch die Art wie er seine Mitmenschen behandelt verdient hätte allein zu sein. Doch wird niemand so geboren. Zum größten Teil formt erst das Leben selbst einen Menschen. So ist es auch bei Walter. Die Rückblicke seines Lebens nehmen einen Großteil der Geschichte ein. Auch wenn einige Passagen belanglos erscheinen, so ist doch jedes Puzzleteil wichtig, um am Ende das große Ganze erkennen zu können. Man lernt Walter als jungen Burschen kennen, der freundlich, beliebt und voller Träume war. Er war zeit seines Lebens stets ein loyaler Mensch, der die Bedürfnisse und Wünsche anderer stets über die seine gestellt hat.
Und in den Augen anderer war er immer ein guter Mann. Doch was macht einen zu einem guten Menschen? Ist es unser Wesen, unser Leben an sich oder ist es die Gesellschaft, die uns diesen Titel verleiht? An Walter merkt man nur zu deutlich, wie schnell man vor anderen in Ungnade fallen kann. Gerade gefährliches Halbwissen und verletzte Gefühle tragen meist dazu bei. Diese Stigmatisierung kann das ganze weitere Leben prägen. Es machte mich betroffen und wütend, womit sich Walter alles konfrontiert sah. Und je mehr ich in seine Vergangenheit eintauchte, desto bedeutsamer wurde mir sein Lieblingssatz „Nicht meine Schuld“, der sich wie ein Mantra durch sein gegenwärtiges Leben zog. Der kleine Ben war ein sehr faszinierender Charakter. Trotz der Last auf seinen Schultern war Ben so unfassbar freundlich und hoffnungsvoll. Ich bewundere ihn für seine innere Stärke und Verantwortungsbewusstsein. Sein Schicksal ging mir sehr nah.
Die Konversationen zwischen Walter und Ben waren trotz der Schwere sehr unterhaltsam. Diese auch optisch in Briefform darzustellen mochte ich sehr. Mir gefiel es außerdem, dass Walter zwischendurch Gewissensbisse hatte, sich als Gott in Bens Leben einzumischen. Denn, wie er einige Male feststellen musste, ist gut gemeint nicht immer auch gut gemacht. Ich bin sehr froh, dass die Beiden sich gefunden haben. Man könnte es glatt Schicksal nennen. Aber macht es nicht auch ein wenig traurig, dass man durch eine fremde Person manchmal mehr Halt findet, als durch einen Nahestehenden?
Der Schreibstil war sehr angenehm und flüssig. Humor und Tragik waren gut herausgearbeitet. Ich habe die Personen und deren Gefühle förmlich spüren können. Der unaufgeregte Erzählstil machte die Schwere der angesprochenen Themen sehr dramatisch. Die psychologischen Aspekte gaben die besondere Spannung. Dennoch hatte die Geschichte ein paar Längen.
Besonders das Ende hat mich schwer getroffen und ich weiß bis heute nicht, wie ich damit umgehen soll. Es traf mich völlig unvorbereitet und ließ mich ein wenig zerbrochen zurück. Wie ich anfangs schon sagte, dies ist kein Weihnachtswohlfühlroman.

Bewertung vom 24.09.2023
Heldenhörnchen und Drachenfreund
Scheffel, Annika

Heldenhörnchen und Drachenfreund


ausgezeichnet

Das kleine Eichhörnchen lebt mit vielen anderen Tieren zusammen auf einer Lichtung. Zum ersten Mal erlebt es den Herbst und versucht es zu verstehen. Die anderen Tiere im Wald sind ihm dabei keine große Hilfe. Erwachsenen ähnlich, nehmen sie die Gedanken des kindlichen Eichhörnchens nicht ernst und sehen mehr über ihn hinweg, als dass sie es wahrnehmen. Ständig wird ihm vorgehalten, was es doch alles nicht weiß. Niemand nimmt sich wirklich Zeit. Durch einen Zufall lernt das kleine Eichhörnchen einen Drachen kennen. Die Waldtiere haben große Angst vor diesem Ungeheuer und beschließen, dass das Eichhörnchen den Drachen fortbringen soll. Es versteht zwar deren Beweggründe nicht, doch um endlich einen Platz in der Gemeinschaft zu erhalten fügt es sich seiner Aufgabe. Während ihrer Reise kommen dem kleinen Eichhörnchen immer wieder Zweifel, ob das was er tut wirklich richtig ist. Als er endlich am Ziel seiner Wünsche angekommen ist, muss es aber feststellen, dass es trotzdem nicht glücklich ist.
Heldenhörnchen und Drachenfreund ist eine sehr poetische Geschichte für Groß und Klein. Die Art und Weise, wie hier Gefühle in kindlicher Logik erklärt werden ist einzigartig. Die Bildhaftigkeit der Sprache ist gewaltig und lädt zum Philosophieren über das wirklich ist ein. Die Geschichte an sich hat mich sehr berührt. Auch wenn das kleine Eichhörnchen nicht immer richtig gehandelt hat, so waren seine Handlungen doch für mich sehr nachvollziehbar. Es war so hin und hergerissen zwischen seinen Gefühlen und Wünschen. Es dachte wirklich, wenn es die Wünsche anderer erfüllt, dass man es dann mehr beachtet. Manchmal ist das was wir uns wünschen, nicht genau das was wir auch wirklichen brauchen. Und am Ende hat es das auch verstanden. Es hat gelernt für sich einzustehen und für andere Verantwortung zu übernehmen. Das kleine Eichhörnchen wusste es eigentlich vorher schon instinktiv aber durch den Druck von außen hat es sich sehr beeinflussen lassen. Die Reise mit dem Drachen hat es innerlich wachsen lassen, da es das erste Wesen war, das es ernst nahm und für wichtig ansah. Es hat viel über sich selbst gelernt. Manchmal ist es wichtiger, wer uns auf einer Reise begleitet, als der Weg oder das Ziel selbst.
Ich habe dieses Buch regelrecht gefühlt. Die Philosophie darin hallt noch lange nach und lässt einen schwer los. Ich empfehle dieses Buch allen, die sich auf das wirklich Wichtige besinnen wollen. Es handelt von Freundschaft, Angst, verschiedenen Arten von Einsamkeit und Mut. Es zeigt, das Zuhause kein Ort, sondern ein Gefühl ist.

Bewertung vom 09.09.2023
Weil da war etwas im Wasser
Kieser, Luca

Weil da war etwas im Wasser


weniger gut

Verworren wie das Spiel der Tentakelarme

Gleich zu Beginn der Geschichte wurde ich in die unendliche Tiefe des Meeres gezogen. Mir bot sich eine unvorstellbare neue Welt, die aufgrund seiner einzigartigen Schreibweise eine psychedelische Umgebung a la Jules Verne in meinem Kopf entstehen ließ. Die Idee, die Geschichte aus der Sicht eines Riesenkalmars zu erzählen empfand ich als sehr innovativ und versprach eine besondere Authentizität. Anfangs noch euphorisiert durch das traumhafte Setting, verlor ich aufgrund der eigenwilligen Erzählweise immer häufiger den Faden. Sobald ich mich wieder einigermaßen in der Geschichte zurecht fand, wurde ich aufgrund zahlreicher Einschübe wieder unterbrochen. Die Dialoge der Tentakelarme machten es mir da besonders schwer. Auch wenn sie Namen hatten, konnte ich sie nicht auseinanderhalten. In Fußnoten drängten sie sich noch mehr in die laufende Geschichte und ich wusste nie, ob es besser wäre diese komplett zu ignorieren oder ihnen zu folgen.
Jeder Tentakel erzählt seine eigene Geschichte, wird von den anderen unterbrochen oder nimmt Bezug auf ein geschichtliches Ereignis. Dazwischen kommen auch menschliche Stimmen zu Wort, die auf spezielle Weise mit dem Riesenkalmar verbunden sind. Auch der Autor selbst schiebt sich selbst in die Erzählung mit. Die einzelnen Erzählstränge sollten eigentlich ein großes Ganzes ergeben, doch konnte ich es nicht ganz finden. In meinen Augen wurde zu viel in diesen Roman gepackt. Auch wenn jedes dieser Themen an sich wichtig ist, so fühlte ich mich doch von der Masse erschlagen. Ich hatte vermehrt das Gefühl ein Sachbuch vor mir zu haben, als einen Roman. Diese vermehrt eingeschoben Sachtexte bezogen sich auf Geschichte, Wirtschaft, Wissenschaft, Umweltproblematik und Nachhaltigkeit. Zu vielem hatte ich einfach keinen Bezug und konnte dementsprechend vieles nicht wirklich verstehen.
Mein Fazit: Dieses Buch hat mich mehr verwirrt als unterhalten. Ich war des Öfteren davor einfach abzubrechen. Die Idee des Autors ist an sich wunderbar. Ich verstand auch, dass alles auf der Welt in Verbindung steht. Dennoch empfand ich es als sehr mühselig mich zwischen Tentakelarmen durch zu schlängeln. Vielleicht war ich einfach nicht die richtige Zielgruppe für diese Art von Roman.

Bewertung vom 30.07.2023
Die Erinnerungsfotografen
Hiiragi, Sanaka

Die Erinnerungsfotografen


sehr gut

Am Ende zählt nur der Moment
Wenn du stirbst, dann zieht dein ganzes Leben an dir vorbei. So oder so ähnlich stellen sich viele ihre letzten Augenblicke im Leben vor. Auch, wenn die Idee dahinter nicht neu ist, hat Sanaka Hiiragi in ihrem Roman diesem Thema eine ganz neue Bedeutung gegeben.
Dreh- und Angelpunkt dieser Geschichte ist ein ganz besonderes Fotoatelier. Es scheint auf den ersten Blick ganz gewöhnlich zu wirken, doch ist es ein mystischer Ort. Hier arbeitet Hirasaki und empfängt seine besonderen Kunden. Diese sind zeitnah verstorben und befinden sich nun in einer Art Zwischenwelt. Um weitergehen zu können, müssen sich seine Kunden aus den Fotografien ihres Lebens, ihre eigene Diashow voller Erinnerungen erstellen. Während dieses Prozesses steht Hirasaki stehts mit Rat und Tat zur Seite. Dabei kann es vorkommen, dass gewisse Fotografien abgegriffen wie Erinnerungen sein können. Hirasaki gibt seinen Kunden die Möglichkeit, zu diesem Tag zurück zu reisen und ihren besonderen Moment erneut aufzunehmen.
In 3 kurzen Episoden erhalten wir einen Einblick in Hirasakis Arbeit und deren Bedeutung dahinter. Ich muss gestehen, dass ich nach dem Besuch der alten Dame ein wenig Sorge hatte, dass es nun langweilig werden könnte beziehungsweise die Handlungen sich zu sehr ähneln würden. Meine Sorgen waren aber unbegründet. Natürlich sind Hirasakis Arbeitsabläufe in gewisser Weise stets gleich, doch macht die Individualität seiner Kunden den Unterschied.
Es kam mir so vor, als würde die Zeit hier wirklich still stehen. Auch wenn das Thema Tod kein fröhliches ist, so fühlte es sich nie schwermütig an. Ich empfand die hier geschaffene Atmosphäre eher heimelig, als würde ich selbst auf eine Tasse zu Besuch sein. Dies lag vor allem an Hirasaki selbst. Er besitzt eine unglaublich ruhige empathische Art. Während er seinen Kunden ihre Erinnerungen wiederherstellt, bleibt sein eigener Hintergrund blass wie eine abgegriffene Fotografie. Sein eigenes Schicksal wird am Ende nur dem Leser in kleinen Details offenbart. Dies machte mich doch traurig, da ich mir wünschte Hirasaki einen Teil seiner Erinnerungen wiedergeben zu können.
Die Idee mit den Fotografien war einfach nur bezaubernd. In unserer heutigen schnelllebigen Welt werden Erinnerungen meist nur noch digital festgehalten und schnell wieder vergessen. Diese aber in den Händen zu halten, macht sie aber wieder viel realer.
Man erfährt nur das Allernötigste über Hirakis Arbeit und dass es anscheinend noch mehr Ateliers dieser Art zu geben scheint. Normalerweise würde es mich stören, nicht mehr über das große Ganze dahinter zu erfahren. Doch hier lag der Fokus auf dem Leben an sich und die Bedeutung des Einzelnen. Daher mochte ich es, dass nicht das gesamte Leben der Verstorbenen beleuchtet wurde und ihr Leben nicht in Schwarz und Weiß unterteilt wurde. Ihr letzter Gedanke sollte eine besondere Bedeutung für sie haben. Es macht mich glücklich zu wissen, dass es die Möglichkeit gibt, mit seinen bedeutenden und vielleicht längst verblassten Erinnerungen von dieser Welt zu gehen. Und dabei zu bemerken, dass das eigene Leben doch nicht sinnlos oder vergeudet war. Es reicht meist eine vermeintlich bedeutungslose Tat, die für andere die Welt bedeuten. Ebenso zeigt diese Geschichte, wie unscheinbare Momente uns unbewusst beeinflussen können.
Es ist erstaunlich wie sehr ein Bild etwas in uns auslösen kann. Man fühlt sich in den Augenblick zurück versetzt, als er entstanden ist. Der Moment von einst ist fast körperlich spürbar mit all seinen Empfindungen, Gerüchen und Geräuschen. Selbst nach Beendigung des Buches ließ mich die Geschichte nicht los. Ich stellte mir selbst die Frage, wie ich entscheiden würde, sollte ich eines Tages in Hirasakis Fotoatelier erwachen. Welche Fotos meines Lebens würde ich für meine letzte Reise auswählen? Vor allem wie würde dieses letzte besondere Foto aussehen, deren Moment ich noch ein Mal rückblickend erleben dürfte?
Was die japanische Literatur ausmacht ist die Tatsache, dass sie sich nicht mit vermeintlich überflüssigen Details aufhält. Sie erzählt auf eine nüchterne Art und dennoch unterschwellig poetisch. Es mag zwar oft unspektakulär wirken, doch berührt mich diese ruhige Direktheit umso mehr. So passierte es, dass mich während des Lesens ein paar Sätze unvorbereitet tief getroffen haben. Für andere mag diese Szene unbedeutend erscheinen, doch mir wird sie noch lange im Gedächtnis bleiben. Am Ende hätte ich mir vielleicht noch mehr Episoden gewünscht, um noch länger in dieser Zwischenwelt zu verweilen.
Ein Buch für alle die das Entschleunigte suchen und sich auf das Wesentliche besinnen wollen.

Bewertung vom 30.07.2023
Genial normal
Sutcliffe, William

Genial normal


sehr gut

Wenn alle besonders sind, dann sind am Ende doch alle gleich
Heutzutage versucht jeder irgendwie besonders zu sein und sich von der Masse abzuheben. Durchschnittlichkeit gilt als verpönt und bedeutet quasi langweilig zu sein. Doch es gibt sie, diese Menschen, die sich damit wohlfühlen und nicht herausstechen müssen. Der 15jährige Sam ist einer von ihnen. Er lebt mit seiner Familie in einer ganz normalen Stadt in England, hat ganz normale Freunde und ist damit mehr als zufrieden. Nur leider ist seine Familie alles andere als normal. Sein älterer Bruder Ethan ist ein begeisterter Musiker und scheint sehr talentiert zu sein. Zusätzlich ist seine kleine Schwester Freya ein kleines Zeichentalent und schreibt dazu Geschichten. Sams Mutter dagegen hat ständig wechselnde Interessen, in denen sie Bestimmung sucht. Sam scheint der einzige talentfreie in der Familie zu sein. Bisher hat ihn dies auch nie gestört, bis sein Vater der Familie eine beträchtliche Geldsumme einbringt und damit Sams bisheriges Leben auf den Kopf gestellt wird. Unerwartet zieht die gesamte Familie in einen noblen Vorort von London. Dies bedeutet natürlich auch, dass Sam seine Freunde verlassen muss und eine neue Schule besuchen muss. Als wäre dies nicht schon schlimm genug, muss es für seine Mutter unbedingt eine Schule für besonders kreativ-begabte Kinder sein. Für einen normalen Jungen wie Sam eine Katastrophe.
Auch, wenn ich eigentlich nicht mehr zur Zielgruppe gehöre, konnte ich mich sehr gut in Sam hineinversetzten. Ich muss gestehen, dass mich Sam wirklich beeindruckt hat. Er ist wirklich ein ganz normaler Teenager, der mit ganz normalen Umständen zu kämpfen hat. Nur dass seine Familie und seine Schule es ihm noch schwerer machen. Der Neue irgendwo zu sein ist schon nicht leicht. Mir selber wäre es glaube auch echt schwer gefallen mich in einer solchen Umgebung einzuleben.
Er hat gelernt nur sich selbst etwas beweisen zu müssen. Denn auch, wenn du etwas besonders gut kannst, macht es dich nicht automatisch zu einem besseren Menschen. Du kannst dich zwar vor anderen verstellen um akzeptiert zu werden aber es macht dich auf Dauer nicht glücklich. Schön war, dass Sam etwas gefunden hatte in dem er gut war aber nicht versuchte sich darüber zu definieren.
Sams Familie gegenüber bin ich doch etwas zwiegspalten. Von außen betrachtet wirkten die Gespräche schon sehr skurril und sehr witzig. Aber je mehr Zeit man in Sams Kopf verbrachte, desto belastender wurde es für mich. Was mich wirklich störte, war die Tatsache, dass sie doch sehr aneinander vorbei leben. Auch wenn der Vater nicht immer präsent ist, so empfinde ich es doch als sehr unglaubwürdig, dass keines der Kinder wusste beziehungsweise daran interessiert war, was ihr Vater beruflich macht. Aber am meisten hat mich die Mutter aufgeregt. Sie scheint sich in einem Selbstfindungsprozess zu befinden, um etwas Besonderes aus sich heraus zu holen. Dabei überträgt sie anscheinend vieles unbewusst auf Sam. Ich meine es ist schon schlimm von seinem sozialen Umfeld das Gefühl zu bekommen ungenügend zu sein. Wenn man dies aber auch noch von seiner eigenen Mutter zu spüren bekommt, sei es auch nur unbewusst, dann macht mich das echt wütend. Mich wundert es wirklich, dass Sam trotz allem so normal geblieben ist. Ich an seiner Stelle wäre längst durchgedreht. Zwar gab es auch einen Moment, in denen seine Geschwister sich für ihn eingesetzt haben. Dennoch hatte ich dabei kein schönes Gefühl, da ihm quasi vorgeworfen wurde, dass seine Probleme (Mobbing) von ihm selbst verschuldet wurden.
Der Schreibstil war sehr faszinierend. Durch die Ich-Perspektive war man direkt an Sams Gefühls- und Gedankenwelt beteiligt. Es wurde alles sehr bildreich geschildert. Für einen 15jährigen hat Sam recht tiefgreifende Gedankengänge. Aber gerade zum Ende hin, wurde es mir doch manchmal zu umgangssprachlich und auch ein bisschen zum fremdschämen. Dennoch gefiel mir der Erzählstil, da er auf der einen Seite sehr humorvoll aber dennoch einen melancholischen Grundton besaß.
Für mich ein sehr inspirierendes Buch über Akzeptanz und die eigene innere Stärke für Jugendliche ab 15 Jahren.

Bewertung vom 07.07.2023
Vom Ende der Nacht
Daverley, Claire

Vom Ende der Nacht


sehr gut

Eine Freundin sagte letztens zu mir, dass sie daran glaube, dass es Seelenverwandtschaft wirklich gäbe. Dass zwei Menschen für einander bestimmt seien aber manchmal einfach nicht der richtige Zeitpunkt oder Ort sei. Nicht jede Reise sei dafür gemacht, sie gemeinsam zu bestreiten. Dass diese zwei Menschen dann voneinander getrennt wachsen müssten, um zu denen zu werden, die sie füreinander sein sollten.
So in etwa könnte man die Beziehung der beiden Protagonisten Will und Rosie beschreiben. Ihre ersten Begegnungen haben mich wirklich tief berührt. Es war von Anfang an eine derartige Anziehungskraft zwischen ihnen vorhanden, die sich kaum in Worte fassen lässt. Es ging mir förmlich unter die Haut. Es bestand zwischen den beiden eine Art Intimität, die man nie durch eine körperliche Verbindung erreichen könnte. Doch manchmal reicht dies leider für ein Happy End nicht aus. Dafür hatte jeder von ihnen einfach zu viel Ballast auf seinen Schultern. Ihre unterschiedlichen Lebenswelten und Zukunftspläne, machte die Sache auch nicht gerade leichter. Und außerdem hat das Leben auch noch ein Wörtchen mitzureden und schlug mit aller Härte zu. All dies sorgte dafür, dass es aufhörte, bevor es überhaupt beginnen konnte. Doch ganz stimmt das nicht, denn wenn die Seele sein Gegenstück gefunden hat, dann ist man auf ewig verbunden. Und so passiert es, dass sich ihre Lebenswege zwar trennen aber nie ihre innere Verbundenheit. Über viele Jahre hinweg, kreisen sie wie zwei Planeten umeinander, deren Umlaufbahnen sich ab und an kreuzen und den Sternenstaub des jeweils anderen mit sich tragen.
Doch je mehr Jahre ins Land gingen und mit jedem weiteren Aufeinandertreffen, schlichen sich bei mir immer mehr Zweifel ein, ob zwischen ihnen wirklich die unsterbliche Liebe besteht. Meine eigene Gefühlswelt war eine reine Achterbahnfahrt. Es lag nicht unbedingt an dem ständigen Auf und Ab der beiden, sondern vielmehr an Rosies Verhalten währenddessen. Will und Rosie hatten jeder für sich schon einiges zu verkraften. Rosies innerer Drang es alles Recht machen zu müssen und sich selbst dabei zu verlieren konnte ich noch nachvollziehen. Auch ihr schwerer Verlust machte es nicht besser. Doch hatte ich oft das Gefühl, dass je mehr sie sich für andere aufopfert, sie egoistischer Will gegenüber wurde. Will war ihr in all der Zeit immer bedingungslos gegenüber und hat sie bei allem unterstützt. Er ahnte, wenn sie ihn brauchte und lies für Rosie alles stehen und liegen. Rosie hingegen suchte eigentlich nur Kontakt zu Will, wenn sie ihm von einem wichtigen Ereignis berichten wollte oder ihr Seelenleben in Trümmern lag und er es wie selbstverständlich zusammen kehrte. Oft schlichen sich Worte, wie Notfallplan oder Ankermensch in meine Gedanken. Hielt Rosie an Will so fest, da sie sich bei ihm einfach fallen lassen konnte? War in Will einfach nur die Sehnsucht nach der Vorstellung was hätte sein können? Genau diese Aspekte nahmen mir leider im Laufe der Geschichte die starken Empfindungen, die ich anfangs durch die beiden empfunden hatte. Die Geschichte lebt dennoch vor allem durch seine Charaktere, deren starke Gefühls- und Gedankenwelt gut herausgearbeitet wurden. Die ständig wechselnde Erzählsicht gab mir wirklich das Gefühl, dass sie das was in ihrem Inneren verborgen liegt nur mir preis gaben. Der Schreibstil ist durchgehend schwermütig. Selbst in den kleinen gestohlenen Momenten des Glücks schwang eine tiefgreifende Melancholie mit, die tief in mir etwas zum Klingen brachte. Die teils sehr großen Zeitsprünge waren ein sehr effektives Stilmittel. Durch sie wurde noch deutlicher, dass selbst jahrelange Funkstille ihrer inneren Verbindung nichts anhaben konnte. Dennoch, trotz all der Schwermut, erklang zwischen den Zeilen eine immerwährende Hoffnung, dass am Ende der Nacht, ein für immer möglich sein könnte. Allerdings bin ich mir irgendwie unsicher, ob beide wirklich im sicheren Hafen angekommen sind oder es nicht einfach nur die Ruhe vor dem nächsten Sturm ist. Letzten Endes war ich aber froh, dass Rosie es aus eigener Kraft geschafft hat sich weitestgehend selbst zu reparieren und jetzt für sich und ihre Wünsche einsteht.
Eine Geschichte voller Momente, verpassten Chancen und innerer Zerrissenheit. Es war ein Auf und Ab der Gefühle, das ich so noch nie erlebt habe.

Bewertung vom 18.06.2023
Die Wölfe von Pompeji
Harper, Elodie

Die Wölfe von Pompeji


sehr gut

Schattenseite einer leuchtenden Stadt

Wir schreiben das Jahr 74 v. Chr. und befinden uns mitten im alten Pompeij. Jeder kennt diese antike griechische Stadt, die durch einen Vulkanausbruch vollständig zerstört wurde. Man verbindet sie ebenfalls mit Demokratie, Philosophie und Kultur. Doch hinter all dieser zivilisierten Fassade, lauerten Schatten innerhalb dieser Stadt und besonders in den Köpfen der damaligen Menschen. Dieser Roman schildert das unwürdige Leben der Sklaven, insbesondere derer die in die Prostitution geschickt wurden.
Im Zentrum der Geschichte steht die junge Amara. Aufgewachsenen als wohlbehütete Arzttochter, landet sie durch widrige Umstände im berühmt berüchtigten Stadtbordell Pompeijs, der Wolfshöhle. Ein erniedrigendes Leben unter dem grausamen Zuhälter Felix wartet auf sie. Doch statt sich ihrem Schicksal zu ergeben oder gar daran zu zerbrechen, setzt sie alles daran diesem Leben entfliehen und wieder frei zu sein. Immer an ihrer Seite sind 4 weitere Leidensgenossinnen. Die „Wölfinnen“ könnten in ihren Charakteren und Lebensgeschichten nicht unterschiedlicher sein. Jede von ihnen geht anders mit ihrem Schicksal um und war dabei absolut nachvollziehbar. Ihr Leben wird eindringlich geschildert und der harte Alltag wird in all seinen Facetten dargestellt. Trotzt des enormen Konkurrenzdrucks herrscht eine unglaubliche Solidarität zwischen den Frauen, ohne die wohl keine lange durchgehalten hätte. Und auch von anderen Sklaven erfährt man einiges. Es berührte mich sehr, diese Menschen über ein Jahr zu begleiten und ihre Ängste, Leiden, Träume und Hoffnungen zu teilen. Die kleinen unerwarteten oder gestohlenen Momente von Glück, die manchmal schneller platzten als eine Seifenblase waren teilweise genauso schlimm wie all die Grausamkeiten, die sie zu ertragen hatten. Es wird auch ebenfalls gut dargestellt, dass nicht jeder der grausam ist auch so geboren wurde, sondern dass gewisse Umstände eine Persönlichkeit dazu bringen können. Bis zum Schluss blieb es unklar, ob Amara jemals wieder ein freies Leben führen würde. Das Ende kam für mich völlig abrupt. Erst im Nachhinein wurde mir klar, dass dies der Auftakt einer Trilogie sein sollte und Amaras Reise noch nicht zu Ende erzählt ist.
Die Beschreibung des Alltags und der Umgebung empfand ich als sehr lebendig und so konnte ich mir alles viel bildhafter vorstellen. Ob jetzt alles historisch korrekt war, kann ich leider nicht sagen aber es wirkte zumindest alles sehr authentisch. Anfangs tat ich mich wirklich schwer in die Geschichte hineinzufinden. Gleich zu Beginn wurde man so vielen Namen konfrontiert und es war zunächst nicht klar wer wer ist, sodass ich schnell den Überblick verlor. Ich brauchte etwas, um mich zurecht zu finden. Der Sprachstil an sich ist relativ derb gehalten, was aber aufgrund der Umgebung doch passend war. Dennoch war er mir stellenweise zu modern gehalten. Es wird nichts beschönigt aber ich bin froh, dass in vielen Dingen nicht zu sehr ins Detail gegangen wurde. Teilweise war das Unausgesprochene erschreckend genug.
Sprachlich gesehen konnte mich Elodie Harper nicht vollständig abholen, dennoch bin ich neugierig welche Wege das Schicksal für Amara und die Wölfinnen noch vorgesehen hat.

Bewertung vom 21.05.2023
Sieben Männer später
Vine, Lucy

Sieben Männer später


weniger gut

Aufgewärmt schmeckt eigentlich nur Gulasch...
Was wäre, wenn man nur sieben Chancen im Leben bekommt, den richtigen Partner zu finden?
Esther jedenfalls glaubt an diese Theorie. Endlich hat sie eine Erklärung dafür gefunden, warum es beziehungstechnisch einfach nicht bei ihr klappen will und jedes Date in einer Katastrophe endet. Eigentlich ist sie ja glücklich in ihrer kleinen WG mit ihren besten Freundinnen und ihrem Job. Trotzdem ist da die Sehnsucht nach einer festen Partnerschaft. Und so kurz vor ihrem 30. Geburtstag beginnt ihre biologische Uhr immer lauter zu ticken. Wild entschlossen daran etwas zu ändern, macht sie sich auf die Suche nach ihren sieben Ex-Partnern, da einer von ihnen schließlich ihr Mann fürs Leben sein muss. Mir gefiel der Einstieg in die Geschichte sehr und ich mochte Esther und ihre verrückten Freundinnen sofort. Nach den ersten Kapiteln, erwartete ich eine schräg-sarkastische Mischung aus Sex and the City und How I met your Mother. Die Grundidee war wirklich toll und mal etwas ganz anderes. Der Schreibstil war angenehm locker und hatte stellenweise einen wirklich trockenen Humor. In Rückblenden erhält man Einblicke, wie die jeweiligen Beziehungen abliefen und woran es letztendlich scheiterte. Hierbei bekommt man aber zunächst nur Esthers subjektive Wahrnehmung gezeigt, die sich erst im Laufe der Handlung aufklärt. All dies hätte den Roman zu einem echtem Sommerhighlight für mich machen können.
Doch leider hielt meine anfängliche Begeisterung nicht sehr lange. Das Problem lag einfach an der Protagonistin selbst, die in meinen Augen alles ruiniert hat. Von Kapitel zu Kapitel kristallisierte sich immer mehr ihr nerviger Charakter heraus. Anfangs hatte ich noch Mitleid mit Esther, da man schon merkte wie sehr ihr die fehlende Nähe eines Partners zusetzte. Doch je mehr ich von ihr und ihren früheren Beziehungen erfuhr, desto mehr konnte ich verstehen, warum sie immer noch Single war. Betrachtet man die Rückblicke genauer, lässt sich erkennen, dass Esther die Hälfte ihrer Beziehungen eigentlich selbst torpediert hat, da sie mit sich selbst nicht im Reinen war. Ihre stetige Unentschlossenheit und das ständige Hineininterpretieren in alles und jeden war furchtbar anstrengend. Aber nicht nur ihr Beziehungsverhalten machte Esther mir so unsympathisch. Auch als beste Freundin war sie für mich eine unglaublich toxische Person. Sie verrennt sich so sehr in ihre Mission und stellt dafür alles hinten an. Nicht nur, dass sie dadurch vollkommen blind für die Bedürfnisse ihrer Mitmenschen wird, auch verlangt sie die bedingungslose Unterstützung ihrer besten Freundinnen. Sie verhält sich ihnen gegenüber unfassbar egoistisch und absolut selbstgerecht. Esther badet förmlich in Selbstmitleid und erwartet ihre ständige Anteilnahme. Verhalten sich die anderen nicht so wie gewünscht, dann benimmt sie sich wie ein trotziges Kind, ist nachtragend und wird dann regelrecht verletzend. Sie gönnt wirklich niemandem sein Glück und empfindet alles persönlichen Angriff. Und dass sie am Ende immer noch jeder lieb hat, ist für mich nicht nachvollziehbar.
Die sogenannten Running Gags machten das Ganze auch nicht besser und gingen mir nach kurzer Zeit wirklich auf die Nerven. Ich war oft davor dieses Buch abzubrechen, da ich beinahe ein Schleudertrauma vom Kopfschütteln hatte. Doch leider war ich zu neugierig darauf, wer am Ende an ihrer Seite stehen wird. Im Nachhinein hätte es auch gereicht, bis zum letzten Kapitel vor zu blättern. Mit dem Ausgang ihrer Suche konnte ich mich dann wieder anfreunden. Und auch ihr Blick auf dieses ganze Thema hat sich stark weiterentwickelt. Am Ende wirkte die Geschichte auf mich weniger wie eine Liebesgeschichte, als eine Auseinandersetzung mit Esthers eigener Vergangenheit. Man könnte eigentlich sagen, dass alles in ihrer Vergangenheit seinen Sinn hatte. Ohne all diese kleinen und großen Begebenheiten, wäre sie nicht dort wo sie jetzt ist.
Zwischen all den Peinlichkeiten kamen auch gesellschaftskritische Themen zur Sprache, in Verbindung mit wirklich tiefgründigen Gedanken. Auch wenn es wichtig diese anzusprechen, wirkten diese ernsten Worte in all dem kindischen Kontext leider irgendwie deplatziert.
Das Beste an diesem Buch war in meinen Augen einfach der Prolog. Jedes einzelne Wort strahlte so viel Sehnsucht und Hoffnung aus, dass es mich tief berührte. Ich wünsche jedem, der es auch möchte, diesen besonderen Menschen zu finden, bei dem solche Gedanken der Vergangenheit angehören.
Mein Fazit zu der ganzen Geschichte ist leider nicht so wie gehofft. Die Idee, der Aufbau und Schreibstil waren echt gut aber die Protagonistin machte leider alles zunichte. Solch eine Freundin wünsche ich niemandem.