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Bewertungen

Insgesamt 13 Bewertungen
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Bewertung vom 19.08.2012
Der Junge mit dem Herz aus Holz
Boyne, John

Der Junge mit dem Herz aus Holz


ausgezeichnet

Der kleine Noah verlässt eines Morgens sein Elternhaus und begibt sich auf die Reise seines Lebens. Nachdem Noah durch mehrere Dörfer gezogen ist, steht er plötzlich vor einem ganz besonderen Baum und spricht mit einem Dackel, bis seine Aufmerksamkeit auf das merkwürdigste Haus fällt, das er je gesehen hat. Neugierig tritt der kleine Ausreißer hinein und sieht sich in dem Geschäft, das nur Holzspielzeug verkauft um. Der Inhaber des Ladens verwickelt Noah in ein Gespräch und bietet ihm etwas zu essen an. Aus diesem ersten Kontakt entwickelt sich in den kommenden Stunden eine enge Freundschaft und lebenslange Verbundenheit. Der Spielzeugmacher erzählt seine spannende Lebensgeschichte und ist seinem kleinen Gast ein Vertrauter. Wie Noah hat auch der Spielwarenhersteller als Kind sein Zuhause verlassen. Durch die Erzählungen und die Gutmütigkeit des alten Mannes fasst Noah Mut, öffnet sein Herz und spricht sich von der Seele, was ihn bedrückt, bis er schließlich sogar bereit ist, nach Hause zurückzukehren. Den alten Mann wird er jedoch nie vergessen – denn dieser ist wahrlich etwas Besonderes. Auch wir Leser kennen den Spielzeugmacher aus unserer Kindheit, doch war er damals selbst ein Kind. Wer er ist, wird erst zum Ende des Buches verraten, doch wer zwischen den Zeilen liest und Boynes feine Andeutungen richtig deutet, kommt schnell hinter die Identität des alten Mannes. Der Auflösung hätte es eigentlich gar nicht bedurft, hat Boyne doch schon in “Der Junge im gestreiften Pyjama” bewiesen, dass kleine Anzeichen, dass das Unausgesprochene mindestens ebenso wirkungsvoll sein kann, wie das Eindeutige. Doch dann ist daran zu denken, dass “Der Junge mit dem Herz aus Holz” ein Kinderbuch ist – für die Jüngsten sollte die klare Auflösung des Rätsels um den alten Mann nicht fehlen. Ein Kinderbuch … ja, aber eines, dass seinen Zauber auch bei Erwachsenen entfaltet, dass bei jenen vermutlich sogar noch viel stärker wirkt, dessen gänzliche Tiefe nur von ihnen erfasst werden kann. Als Erwachsener “Der Junge mit dem Herz aus Holz” zu lesen, ist vergleichbar mit dem Ansehen alter Fotoalben oder das Wiederentdecken einer Geschichte, die man als kleines Kind mochte und die man im Laufe der Jahre völlig vergessen hatte. Und genau wie Noah staunt man auch als Leser über den Spielzeugladen mit all seinen wunderlichen Wesen: Da gibt es Marionetten, die sich bewegen, wenn man nicht hinsieht, wandernde Fußbodendielen, eine einzige Tür, die gemeinsam mit Noah und dem Spielzeugmacher die Treppen aufsteigen muss, damit diese das obere Stockwerk betreten können, eine Türglocke, die das Klingeln immer wieder vergisst und viele andere skurrile Dinge.
Das von John Boyne geschriebene Märchen scheint auf den ersten Blick Noahs Geschichte zu erzählen; dies lässt insbesondere der wundervoll schlichte englische Originaltitel “Noah Barleywater Runs Away” erahnen. Doch fragt man sich beim Lesen, wessen Geschichte hier erzählt wird – Noahs oder die des Spielzeugmachers? Der deutsche Titel “Der Junge mit dem Herz aus Holz” ist zumindest mehr als nur eine Anlehnung an Boynes Bestseller “Der Junge im gestreiften Pyjama”. Auch wer wem am meisten hilft, lässt sich nicht eindeutig beantworten, denn dem alten Spielzeugmacher tut Noahs Gesellschaft mindestens ebenso gut. Die Geschichten dieser beiden Protagonisten sind dabei farblich voneinander abgegrenzt.
Nicht unerwähnt bleiben soll der Schreibstil: humorvoll, unbeschwert, dem Trotz und der Naivität von Kindern eine Stimme gebend und - keck.

Fazit:
“Der Junge mit dem Herz aus Holz” steckt voller Tiefgang, Gefühl und cleveren Andeutungen. Obwohl es ein Märchen mit vielen traurigen Aspekten ist, ist es doch frei von erdrückender Schwere und vermittelt Lebensfreude, Leichtigkeit und eine ganz besondere Magie.Zu empfehlen ist das Märchen von dem Ausreißer Noah und dem alten Spielzeugmacher nicht nur Kindern, sondern jedem, der zwar erwachsen ist, sich den Zauber der Kindheit jedoch bewahrt hat.

4 von 4 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 13.12.2011
Das Haus der Madame Rose
Rosnay, Tatiana de

Das Haus der Madame Rose


ausgezeichnet

Tatiana de Rosnay schafft es, den Leser schon nach wenigen Sätzen in das Paris der Protagonistin Rose zu entführen. Mitte des 19. Jahrhunderts findet dort die wohl größte Stadtmodernisierung statt: All die kleinen, verwinkelten und gemütlichen Gassen, in denen Nachbarn einander noch nah sind, verwandeln sich unter der Feder des Kaisers und seines Präfekten in breite Boulevards. Ganze Stadtviertel werden in rasanter Geschwindigkeit dem Erdboden gleichgemacht, Menschen werden ihrer Häuser beraubt. Rose Bazelet fühlt sich zunächst sicher in ihrer Straße – zu nah sind sie der Kirche, die die Bauverantwortlichen doch nie anrühren würde. Oder etwa doch?

Schon bald wird die Unerbittlichkeit des Präfekten deutlich und all die Straßen, in denen Rose und ihr verstorbener Mann Armand ihr ganzes Leben verbrachten, sind dem Untergang geweiht. Verschwinden soll die Rue d’Erfurth, in der Rose aufwuchs, ebenso wie die Rue Childebert, in der sie und ihr geliebter Armand nach der Hochzeit zuhause sind. Die Straßen, in denen sie als Kinder spielten, der Brunnen, an dem ihr Sohn Baptiste sich so gern aufhielt – nichts soll bestehen bleiben.
Dass das Viertel für seine Bewohner nicht nur Wohnort war, sondern von unschätzbarem immateriellen Wert, können die bürokratischen Drahtzieher der Modernisierungsmaßnahme nicht verstehen: Rose und Armand Bazelets Haus wurde 150 Jahre zuvor von Armands Vorfahren erbaut und befand sich seither nur im Besitz der Bazelets. Armand wuchs hier ebenso auf wie sein Vater und Großvater, später gründeten er und Rose hier ihre eigene Familie.

Nun soll also ihr Zuhause, ihre Geschichte ausgelöscht werden. Für Armand bedeutete sein Elternhaus stets sehr viel und als er verstarb, versprach Rose, sein Haus zu schützen. Nun, im Jahre 1869, muss sich Rose dieser Probe stellen und ist bereit, ihr Leben dafür zu geben. Im Keller des Hauses lebt sie fortan zurückgezogen und schreibt ihrem verstorbenen Gatten Briefe. In diesen erinnert sie sich der ersten Verliebtheit zwischen ihr und Armand, der gemeinsamen Ehejahre, ihrer Kindheit und ihrer eigenen Kinder. Jene glücklichen und schmerzhaften Jahre lässt sie neu aufleben, verarbeitet den Verlust ihres Mannes, ihres geliebten Sonnes und des Paris’, das sie einst kannte. Sie gesteht sich ihre Fehler ein und beichtet Armand schließlich ein lang gehütetes Geheimnis. Dem Leser offenbart sich dabei eine schonungslos offene und gebrochene, doch auch glückliche Frau, mit der man schon nach kürzester Zeit mitfühlt. Dabei bedient sich Tatiana de Rosnay eines sehr gefühlsbetonten, jedoch nie aufdringlich sentimentalen Stils, der so ganz anders – ja, ich möchte fast sagen: besser – ist als in „Sarahs Schlüssel“. Verstehen Sie mich nicht falsch: „Sarahs Schlüssel“ ist wohl einer der besten Romane über den Holocaust, die ich je gelesen habe, und er hat mich schockiert, berührt, wirkt sogar noch heute nach. Doch in „Das Haus der Madame Rose“ findet sich ein ganz anderer, sehr bildlicher Erzähstil – im Fokus stehen weniger die Geschehnisse, vielmehr wird Rose als Mensch in den Mittelpunkt gerückt, ihr Leben und Paris portraitiert. Tatiana de Rosnay erzählt hier nicht nur eine Geschichte, sie schreibt regelrecht Augenblicke. Augenblicke, in denen man sich verliert, in denen man aus Zeit und Raum gerissen wird und nicht mehr auftauchen mag.

Fazit:

„Das Haus der Madame Rose“ unterscheidet sich thematisch und stilistisch stark von Tatiana de Rosnays Bestseller „Sarahs Schlüssel“, ist dabei aber mindestens genauso bewegend. Von der ersten Seite an wird der Leser so gepackt, dass man einfach weiterlesen und nicht mehr damit aufhören möchte. Man sinkt hinein in Roses Welt, während um einen herum die Zeit still zu stehen scheint.
Ein Buch für alle, denen Liebe und Verlust nicht fremd ist, die sich jemals in eine Stadt verliebt haben und für die Zuhause mehr ist als nur ein Ort.

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 26.03.2010
Alice und ich
Benjamin, Melanie

Alice und ich


ausgezeichnet

Ein wunderschön geschriebenes Buch, dass den Leser ins Reich von Königin Victoria entführt und die Geschichte der Alice Pleasance Liddell erzählt - Muse von Charles Lutwidge Dodgson alias Lewis Carroll und Vorlage für dessen Kinderbuch "Alice im Wunderland".
Melanie Benjamin zeigt hier das Leben der wahren Alice - wie es zu dem berühmten Buch kam, ihre Freundschaft zu Dodgson, aber auch wie sie sich von dem kleinen Mädchen zur erwachsenen Frau entwickelt und wie das beliebte Wunderland-Märchen ihr Leben beeinflusst und überschattet hat.
DIe Charaktere sind mit sehr viel Feingefühl beschrieben, man sieht sie förmlich vor sich und auch Oxford wirkt zum Greifen nah.

Man mag den Roman kaum aus der Hand lesen, so fesselnd ist es und hinterher wird man Alice aus dem Wunderland mit ganz anderen Augen betrachten.

Melanie Benjamins Roman ist ein Muss für jeden Fan von Alice im Wunderland, aber auch für jeden anderen Literaturliebhaber!

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