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asc259
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OELSNITZ/ERZGEBIRGE

Bewertungen

Insgesamt 36 Bewertungen
Bewertung vom 21.08.2024
Nur nachts ist es hell
Taschler, Judith W.

Nur nachts ist es hell


ausgezeichnet

Irgendwo im Text ist der Buchtitel zu finden allerdings im Past „Nur nachts war es hell“ als Nebensatz. Das ist aber vielleicht auch der Kontext zu diesem Buch. Die Geschichte nahm ihren Lauf, doch man lebte irgendwie weiter. So wie unsere Protagonistin Elisabeth. Sie erzählt der Enkelin ihres Bruders ihre Familiengeschichte. Sie geht zwar chronologisch vor, schwenkt aber manchmal voraus und dann wieder erklärt sie ein Ereignis aus der Vergangenheit, dass sie in der Chronologie nur kurz erwähnt hatte. Das macht das Buch spannend. Manchmal blätterte ich zurück, um mir die Passage nochmal durchzulesen. Die tragischen Ereignisse in den beiden Kriegen erzählte sie zunächst einfach so, um sie an anderer Stelle wieder genauer zu durchleuchten. Genauso zum Thema Schwangerschaftsabbruch hat sie sehr ausführlich die Situationen von den Betroffenen geschildert. Und dann noch das Durcheinander in der eigenen Familie. Ein gelungenes Buch, wie man es bei der Autorin nicht anders kennt.

Bewertung vom 16.07.2024
Mitternachtsschwimmer
Maguire, Roisin

Mitternachtsschwimmer


ausgezeichnet

Grace lebt bis auf eine kurze Zeit in London schon ihr ganzes Leben in Ballybrady, einem kleinen Dorf an der nordirischen Küste. Sie ist eigenbrötlerisch und hat eine scharfe Zunge. Ihr Elternhaus vermietet sie an Urlauber. Und in dieses zieht Evan für voraussichtlich eine Woche ein, um sich und seiner Frau von den Problemen des Alltags eine Auszeit zu nehmen. Seine kleine Tochter ist in seinen Armen gestorben und er gibt sich dafür die Schuld. Seine Frau redet nicht mehr mit ihm.
In Ballybrady lebt er in den Tag hinein. Dann beginnt der Lockdown. Corona selbst wird hier nicht thematisiert. Das Leben im Lockdown in diesem kleinen Ort so ohne Touristen schon. Langsam kommt er an im Dorf, unterhält sich mit den Bewohnern, nur zu Grace findet er keinen Zugang. Wenn sie ihm begegnet, wirft sie ihm im Vorbeigehen ironische Sätze zu, mehr nicht. Die Menschen halten sie für durchgeknallt.
Immer mehr Menschen kommen in dieser Konstellation zwischen Grace, Evan und den Dorfbewohnern dazu. Doch ich möchte mehr nicht verraten um die sich langsam aufbauende Spannung nicht kaputt zu machen. Es ist ein lesenswertes Buch in dem man sich immer weiter in die Protagonisten hineinfindet.

Bewertung vom 02.07.2024
Geile Zeit
Seydack, Niclas

Geile Zeit


sehr gut

Gelesen aus der Sicht der Boomer Generation habe ich dieses Buch mit großem Wohlgefallen. Es geht hier um die Generation meiner Kinder, deren Heranwachsen und Jugend. Gemeinsam sind wir diese 20 Jahre nach 9/11 gegangen und haben viele der Ereignisse und Umbrüche genau so oder ähnlich erlebt und gefühlt. Niclas‘ Sicht auf die Elterngeneration kann ich für uns Ostdeutsche jedoch nicht teilen. Aber das ist ein anderes Kapitel, das zehn Jahre vor 9/11 begann. Wiedergefunden habe ich mich in der Sorge wegen der radikalen Rechten und Linken und der Zerstörung unseres Planeten und dessen Konsequenzen. Aber auch in der sorgenfreien Kindheit, wo man immer bei jemanden klingeln konnte, um gemeinsam draußen zu spielen. Wetten, dass?... – Ja, lief auch bei uns – Stefan Raab und diese Reality-Shows bei RTL dagegen weniger. Viele Musikgruppen sind mir unbekannt, aber nicht die titelgebende Gruppe Juli. Ein gelungenes Buch, auch wenn es gegen Ende etwas wehleidig wird.

Bewertung vom 09.05.2024
Die Kranichfrauen
Greil, Renate

Die Kranichfrauen


sehr gut

Das Buch entführt uns an den Ammersee im Sommer 1947. Die US-Amerikanischen Besatzer organisieren in dem beschlagnahmten Segelclub der Fabrikantenfamilie Seitzinger einen Freizeitclub für die Kinder und jugendlichen der Umgebung. Tochter Paula bekommt die Gelegenheit, dort mit den Kindern zu arbeiten. Gemeinsam mit Anna aus dem Ort setzten sie so manche gute Idee in die Tat um.
Sehr gut sind die Unterschiede zwischen der wohlbehüteten Fabrikantentochter Paula und Anna zu erkennen. Paulas Einschränkungen beziehen sich nur auf eine abgespeckte Speisekarte im Hause Seitzinger. Anna musste mit ihren drei Geschwistern im letzten Winter schon an so manchem Tag hungrig zu Bett gehen.
Am Anfang werden nur die täglichen Ereignisse erzählt, was ein bisschen langweilig ist. Etwas Spannung kommt jedoch auf, als Paula die Idee hat, die „Kranich“ zu verstecken.
Die Lovestory zwischen Paula und Wolf ist ein wenig flach. Sie soll einen reichen Erben heiraten, damit Kapital in die Firma kommt und dafür kommt Wolf nicht infrage.
Die Stellung der Mädchen und Frauen in jener Zeit ist jedoch recht anschaulich aufgezeigt worden.

Bewertung vom 20.04.2024
Astrids Vermächtnis
Mytting, Lars

Astrids Vermächtnis


ausgezeichnet

Der dritte Band der Schwesternglockentrilogie ist nicht minder spannend als die beiden vorherigen. Die Verflechtungen von der Sage zur Gegenwart im Buch sind gut gelungen. Gleich zu Beginn wird noch einmal zurückgeschaut auf die Ereignisse von vor vierhundert Jahren, was der Pfarrer Kai Schweigaard dann später auch recherchieren konnte. Mit der Astrid, die man als Reinkarnation ihrer Großmuttern sehen könnte, lebt man auf dem Hekne Hof und geht man durch die Zeit durch Realität und Mystik. Was verbirgt der Teppich für Prophezeiungen? Das Mystische wird glaubwürdig.
Die Zeit der deutschen Besatzung in ihrem Alptraum ist dann der blanke Kontrast zu der beschaulichen Welt in Butangen.
Gut finde ich, dass zum Schluss noch die Geschichten der wichtigsten Charaktere zu Ende erzählt werden, was aus ihnen geworden ist usw. Und dass in einer Art Glossar noch einmal alle Personen und Begriffe erläutert sind.

Bewertung vom 11.04.2024
Wo die Asche blüht
Que Mai, Nguyen, Phan

Wo die Asche blüht


ausgezeichnet

Der Vietnamkrieg war in den Sechzigern und Siebzigern des letzten Jahrhunderts immer wieder Thema der Berichterstattung. Man denke nur an das Foto mit dem weinenden nackten Kind, das vor den Napalmbomben flieht und das um die Welt ging. In diesem Roman geht es um die Menschen und es ist nicht aus Sicht einer Partei geschrieben. Da ist Phong, ein sogenannter „Amerasier“, der es aufgrund seiner dunklen Hautfarbe besonders schwer im Leben hatte und der mit seiner Familie in die USA ausreisen möchte, weil er sich dort bessere Chancen für seine Kinder erhofft. Und auf der anderen Seite Dan, der als Neunzehnjähriger in diesen brutalen Krieg ziehen musste und dort eine zarte Liebesbeziehung mit Kim hatte. Sie arbeitete als Barmädchen um die Eltern zu Hause mit dem Geld zu unterstützen. Dan war vom Krieg traumatisiert und Kim war schwanger, als er zurück die USA flog. Jetzt, nach mehr als vierzig Jahren reiste er mit seine Frau nach Vietnam, um mit dieser Reise vielleicht sein Trauma zu überwinden und er ist auf der Suche nach Kim und dem Kind. Sein Guide hat im Krieg an der Seite der USA in der Vietnamesischen Armee gekämpft. Und sie treffen auf einen Sohn eines Vietkong Veteranen. Jeder schildert seine Erlebnisse des Krieges.
Es geht um die Suche nach Angehörigen mittels DNA-Tests, um die Lebenslügen der ehemaligen Barmädchen, um Liebe, Betrug und Erniedrigung. Ein gelungenes Werk!

Bewertung vom 20.03.2024
Gussie
Wortberg, Christoph

Gussie


ausgezeichnet

Die Biografie von Auguste Adenauer, genannt Gussie, wird nicht chronologisch erzählt. Die sterbende Gussie denkt über ihr Leben nach. In Rückblenden zieht das Leben an ihr vorbei, wie Flashlights kommen ihre Gedanken. Da ist die erste Begegnung mit dem Witwer Dr. Konrad Adenauer, Kindheitserinnerungen, Gespräche mit ihrem Vater, das Ja-Wort, der Tod ihres ersten Kindes. Die glücklichen Zwanzigerjahre werden nur gestreift und Erinnerungen an die schwärzeste Zeit Deutschlands im letzten Jahrhundert mit Angst, Gefängnis und Verrat, als sie sich zwischen dem Mann oder ihren Kindern entscheiden muss nehmen viel Raum ein.
Jedes Kapitel beginnt mit einem Ausschnitt aus einem Brief, meist aus einer Korrespondenz mit dem Vater versehen mit einem Datum wie eine kurze Einleitung. Und immer wieder die Episoden aus dem Leben im Krankenhaus. Ein lesenswertes Buch.

Bewertung vom 16.03.2024
Issa
Mahn, Mirrianne

Issa


ausgezeichnet

Issa ist fünf Jahre alt, als ihre Mutter einen Deutschen heiratet und mit ihm nach Deutschland geht. In der Schule wird sie gemobbt und zu ihrer Mutter hat sie nicht gerade ein gutes Verhältnis, weil diese sie einerseits mit Liebe überschüttet andererseits unverhältnismäßig hart bestraft. Mit 18 zieht sie zu Hause aus und mit ihrem Freund zusammen. Als sie schwanger ist, nötigt sie ihre Mutter in den Kamerun zu fliegen zu ihren Großmüttern um die Rituale für ein gesundes Baby über sich ergehen zu lassen. Zunächst halbherzig lässt sie sich darauf ein. Wir erfahren eine Menge über die Kultur im Kamerun, über Sagen, Eigenheiten in den zwischenmenschlichen Beziehungen und über Polygamie, welche an keiner Stelle so bezeichnet wurde, sondern völlig normal ist.
Parallel dazu verfolgt der Leser das Leben der Urgroßmutter Marijoh und ihrer Mutter Enaga und gibt ihm einen Einblick in die Geschichte des Landes im letzten Jahrhundert mit all den politischen Verwicklungen. Es waren immer die Frauen, die den Laden am Laufen hielten. Die Männer machten Geschäfte, betranken sich und schlugen ihre Frauen, was als Normalität galt.
Das Buch ist eine Hommage an die starken afrikanischen Frauen.

Bewertung vom 01.03.2024
Kosakenberg
Rennefanz, Sabine

Kosakenberg


ausgezeichnet

Ein gelungenes Buch!
Kathleen hat ihr brandenburgische Provinznest hinter sich gelassen und lebt zufrieden ihr Singleleben in London mit einem tollen Job als Graphikdesignerin, Markenklamotten, angesagten Restaurants, einer tollen Wohnung. Riesig ist der Kontrast, den sie bei ihren Besuchen in Kosakenberg empfindet. Doch niemand bewundert sie, Gespräche mit ehemaligen Freundinnen verlaufen im Sand – man redet aneinander vorbei. Auch die Telefonate mit ihrer Mutter langweilen sie. Am gegenwärtigen Kosakenberg lässt sie kein gutes Haar. Trotzdem lässt sie das Dorf nicht los. Ihre Wurzeln kann sie einfach nicht kappen. Die Heimfahrten, in die die Kapitel eingeteilt sind, kann man nicht immer als eine Reise bezeichnen. Manchmal ist es auch ein Sinnieren über die Kindheit, die so schlecht gar nicht gewesen ist. Diese Heimfahrten sind trotz allem nicht „nach Hause kommen“.

Bewertung vom 23.02.2024
Kantika
Graver, Elizabeth

Kantika


ausgezeichnet

Eine wunderschöne Geschichte. Am Beginn einiger Kapitel ist ein Schwarzweißfoto, das man sich zunächst eine Weile anschaut, bevor man zu lesen beginnt und irgendwo in dem Kapitel findet man dann etwas über die Entstehung dieser Fotos.
Elizabeth Graver hat das Leben ihrer Großmutter Rebecca in diesem außergewöhnlichen Roman verarbeitet. Sie verlebte eine unbeschwerte Kindheit in einer jüdischen Unternehmerfamilie in Konstantinopel, aus dem dann Istanbul wurde. Ab 1914 begann sich das Leben in der Familie Stück für Stück zu verschlechtern, am Ende blieb ihnen nur das Exil nach Barcelona, wo die Familie nie so richtig angekommen ist. Aus Mangel an geeigneten Kandidaten, sie mussten aus jüdischen Familien stammen, wurde Rebecca mit einem Mann verheiratet. Dieser war gesundheitlich stark eingeschränkt, ein Überbleibsel aus dem Ersten Weltkrieg. Das Paar bekam zwei Kinder, dann starb der Mann. Als Witwe schlug sich Rebecca mit Näharbeiten durchs Leben. Rebeccas Schwester, die in New York lebte, machte sie mit dem Witwer von Rebeccas Kindheitsfreundin bekannt. Was sie nicht wusste, er hatte eine von Geburt an stark behinderte Tochter. Rebecca setzte sich mit der Behinderung von Luna auseinander und mit viel Energie und jeder Menge Rückschläge holte sie das Mädchen ins Leben, sodass es sogar auf eine normale Schule gehen konnte. Rebecca und ihr Mann führten eine gute Ehe und sie lebten in bescheidenen Verhältnissen. Es kamen noch drei gemeinsame Kinder. Der Leser wurde in jede Station ihres Lebens mitgenommen, ob in Istanbul, Barcelona oder New York, erlebte die harte Zeit mit Luna die kleinen Erfolge und Rückschläge. Ein großartiges Buch! Leider gibt es nur fünf Sterne zu vergeben, ich hätte gerne mehr gegeben.