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nessabo

Bewertungen

Insgesamt 85 Bewertungen
Bewertung vom 07.11.2024
Exklusiv nicht zusammen (MP3-Download)
Taus, Ina; Wolf, Katharina

Exklusiv nicht zusammen (MP3-Download)


gut

Eine Geschichte, mit der ich nicht wirklich warm wurde

Zum Hörbuch: Die beiden Sprecher waren nicht so ganz mein Fall. Vor allem bei dem, der Finn verkörpert hat, hat mich die Vertonung der Nebencharaktere ziemlich genervt. Ganz besonders meine ich damit weibliche Figuren, die ich als affektiert hoch gesprochen empfunden habe. Ich erkenne an, dass sich beide sehr viel Mühe gegeben haben, die einzelnen Charaktere voneinander abzugrenzen. In meinen Augen ist das aber nicht für alle sonderlich authentisch gelungen. Toll dagegen fand ich bestimmte Soundeffekte, z. B. eine doppelte Tonspur, wenn zwei Figuren gleichzeitig sprechen. Auch die Kapitelübergänge waren sehr klar und damit leicht einzuordnen.

Zum Buch selbst: Ich mag queere Romance sehr, irgendwie konnte mich "Exklusiv nicht zusammen" aber leider nicht wirklich überzeugen und ich weiß nicht so richtig, ob das mehr an der Umsetzung des Hörbuches lag oder an der Story selbst.

Grundlegend finde ich es total lieb, dass Finn und Anton schon so lange befreundet sind. Und auch, dass Finn seinem besten Freund schon körperlich nah gekommen ist und damit kein Problem hat, mochte ich gern. Toxische Männer, die sich nach so etwas unbedingt von Homo- oder Bisexualität abgrenzen müssen, gibt es schließlich auch in der Literaturwelt genug. 🥴

Aber irgendwie konnte ich nicht so richtig warm werden mit den beiden. Obwohl Emotionen ja auch angesprochen wurden, kamen sie bei mir nicht gut genug an. Insgesamt hatte ich den Eindruck, dass es eine eher oberflächliche Beziehung ist, obwohl sie ja beste Freunde und auch Lover darstellen sollen. Die spicy Szenen fand ich gut geschrieben, aber Vieles außerhalb davon habe ich als eher hart empfunden und ich mag softe Geschichten lieber. Es gab ein paar Szenen, in denen geschrien wurde oder die sehr angespannt waren und die beiden Sprecher haben das gut umgesetzt, aber das machte das Hörerleben für mich eben auch wirklich anstrengend.

Der Epilog war auch nicht so richtig rund für mich, weil er so weit in der Zukunft liegt, dort aber Unsicherheiten zur Sprache kommen, die mir für diesen Zeitpunkt einer Beziehung eher unglaubwürdig erscheinen.

Insgesamt fand ich das Buch nur okay, weil mir charakterlich doch die Tiefe gefehlt hat bzw. ich die Figuren nicht gut genug greifen konnte.

2,5 ⭐️

Bewertung vom 05.11.2024
Empathie und Widerstand
Lunz, Kristina

Empathie und Widerstand


ausgezeichnet

Reflektiert, universalistisch und pragmatisch - ein menschliches Sachbuch

Disclaimer: Gerade gibt es Kritik an Lunz bzw. ihrer Organisation CFFP, in der ihr White Feminism vorgeworfen wird. Ich habe das nur am Rand mitbekommen und sie scheint sich auf ein Panel Ende Oktober zu beziehen. Obwohl das Buch vorher geschrieben wurde, geht Lunz auf diese grundlegende Kritik an ihrer Arbeit auch im Text ein, ohne sie zu negieren. Anhand allem, was sie im Buch schreibt, sehe ich zumindest hier keinen Grund, ihr White Feminism vorzuwerfen, wenngleich ich den Kritisierenden ihren Eindruck nicht absprechen werde.

……..

Ein Buch, von dem ich nicht wusste, dass ich es brauche. Und ich bin skeptisch in die Lektüre gegangen, weil Kristina Lunz in meiner Blase auch immer mal für einen neoliberalen Feminismus kritisiert wird. Doch die Autorin konnte mich mit ihrer Reflektiertheit sehr schnell überzeugen.

Den Einstieg findet sie über ihre Vergangenheit bzw. ihren Karriereweg. Sie listet ihre aktivistischen Errungenschaften selbstbewusst auf und ich musste mich selbst fragen, warum ich da widerständige Gefühle hatte. Sie hat viel feministische Arbeit geleistet und tut es noch - warum sollte sie das nicht teilen dürfen? Hier wurde ich mit meiner internalisierten Misogynie konfrontiert, die Frauen als bescheiden und leise klassifizieren will.

Lunz widmet sich dann den beiden Komponenten, auf denen sie guten Aktivismus begründet sieht. Empathie sei dabei wichtig, muss aber regelmäßig geprüft werden. Empathie wird sich ungesteuert nämlich immer vor allem auf unsere In-Group richten und damit selektiv sein. Als Basis dessen sollten wir Menschen offen und vorurteilsfrei begegnen, auch oder gerade wenn sie eine andere Meinung vertreten und mit Methoden des Peacebuildings Brücken schlagen. Genau diese daraus entstehenden Allianzen sind es schließlich, die der linken Bewegung inhärent sein sollte - und es leider immer weniger sind.

Empathie sollte aber dort ihre Grenze haben, wo das Gegenüber grundlegende Werte missachtet. Wo diese Grenze liegt, muss jeder Mensch für sich herausfinden und stetig neu überprüfen. Wie schwierig es ist, diese Balance zu halten - sich weder vorzumachen, alles zu wissen, noch sich von unmenschlichen Ideen korrumpieren zu lassen - beschreibt Lunz sehr greifbar. Sie unterscheidet in ihrem Vorgehen auch hinsichtlich der Macht, die eine Person hält. Ein mächtiger Minister bekommt weniger Empathie, wenn er wichtige Gesetzesänderungen blockiert, als ein Privatmensch, der durch eine Veränderung Nachteile befürchtet. Diesen Ansatz finde ich so herausfordernd wie schön.

Beim Lesen habe ich mich mehrfach selbst ertappt. Ich neige zu schneller Meinungsbildung und befeuere somit selbst Lagerdenken. Statt immer nur zu dekonstruieren, so Lunz, sollte der anschließende Schritt immer die Konstruktion einer besseren Alternative sein. Einzelpersonen, z. B. erfolgreiche Autoren, für ihren Erfolg anzugreifen, trifft oft die falsche Stelle. Konstruktive Kritik ist angemessen, Schuldzuschreibung für die Wirkweisen eines jahrtausendealten Systems eher nicht.

Kristina Lunz schreibt auf eine extrem reflektierte Weise, thematisiert Kritik an ihrer Form des Aktivismus (von innen heraus verändern) und respektiert sie, ohne den anderen Ansatz zu diffamieren. Sie meidet hochkomplexe Themen nicht und schreibt so wiederholt über die Situation in Nahost seit dem 7. Oktober 2023, besonders über den Stellvertreterkrīeg hier bei uns. Ihre Forderungen sind dabei so klar, dass sich mir nicht erschließt, wie ihr vorgeworfen werden kann, sie würde sich nicht an die Seite der Palästinenser*innen stellen. Ich bewundere ihre Fähigkeit, Grenzen zu setzen, ohne in Dogmatismus und vereinfachte Dichotomien zu verfallen. Und das kann ich, obwohl ich ihren gewählten aktivistischen Weg nicht unbedingt teile.

Der letzte Abschnitt, welcher aktivistische Frauen porträtiert, kam mir an manchen Stellen etwas zu gewollt vor. Es sollte hier gezeigt werden, wie diese Empathie und Widerstand in ihrem Aktivismus praktizieren, doch dafür waren mir die Texte zu kurz. Daher ziehe ich einen halben Stern ab, bewerte das Buch aber noch immer sehr gut.

Ich habe mich von diesem Werk in meinem Universalismus bestärkt gefühlt und gleichzeitig gemerkt, wie herausfordernd es ist, nicht einem ideologischen Denken zu verfallen, das uns vorgaukelt, wir hätten die einzige Wahrheit für uns gepachtet. Damit hat „Empathie und Widerstand“ es geschafft, dass ich mich weiter im Aushalten verschiedener Perspektiven üben möchte (Stichwort: Ambiguitätstoleranz), ohne dabei meinen Widerstand gegen Unmenschlichkeit aufzugeben.

4,5 ⭐️

Bewertung vom 04.11.2024
Book Lovers - Die Liebe steckt zwischen den Zeilen
Henry, Emily

Book Lovers - Die Liebe steckt zwischen den Zeilen


ausgezeichnet

Toller Humor, gute Charakterentwicklung, bisschen Spice - alle Erwartungen erfüllt

Wer Emily Henry liest, bekommt Emily Henry. Das ist auch bei „Book Lovers“ der Fall und ich fand es einfach nur toll.

Die Autorin hat ein Händchen für flüssige Geschichten mit Spice und einem Humor, den ich sehr mag. Und auch während dieser Lektüre musste ich einige Male laut auflachen. 😅

Ganz besonders toll fand ich hier die Meta-Ebene der Story. Als Literaturagentin benennt Protagonistin Nora nämlich so einige RomCom-Tropes - um sie dann später aber trotzdem irgendwie selbst zu leben. Henry hat wirklich einen außerordentlich zugänglichen Weg gefunden, die Klischees der Romance-Welt liebevoll auf die Schippe zu nehmen. 🫶🏻

Richtig gut gefallen hat mir außerdem, dass die Beziehung von Nora zu ihrer Schwester Libby viel Raum einnimmt und sich entwickeln darf. Auch bei Romance finde ich es lobenswert, wenn es nicht nur um romantische Liebe geht und das Band zwischen den beiden Schwestern ist spürbar eng.

Spice kommt natürlich auch in „Book Lovers“ nicht zu kurz, auch wenn er etwas sanfter ausfällt als in anderen Büchern der Autorin. Bei der Beschreibung des Protagonisten Charlie wird auch wieder auf ein paar klassische Klischees zurückgegriffen und ich fand andere männliche Hauptfiguren noch besser ausgereift, aber er ist trotzdem ein gut gezeichneter, sympathischer Charakter.

Rundum genau das, was ich erwartet habe und ein absoluter Easy-Read mit Spaß und Coziness.

Bewertung vom 31.10.2024
Lieben
Roig, Emilia

Lieben


gut

Ein interessanter Ausgangspunkt, aber definitiv keine Nebenbei-Lektüre

[Disclaimer: Ich distanziere mich ausdrücklich von den antisemitischen Positionen, welche die Autorin seit dem 7. Oktober 2023 in der Öffentlichkeit recht präsent einnimmt. In diesem Essay bekommen sie keinen Raum, deshalb beeinflussen sie meine Rezension nicht. Ich glaube aber, dass zu "Lieben" auch dazugehört, Handlungen von Menschen (hier konkret Regierungen) zu kritisieren, ohne in eine einseitige Dämonisierung abzugleiten.]

Ich habe bereits Emilia Roigs Buch "Das Ende der Ehe" gelesen und gemocht, weshalb mir einige der Gedankengänge dieses Essays bereits bekannt waren. Gerade mit einer gewissen antikapitalistischen/antirassistischen/feministischen Vorprägung sind viele Ausführungen nichts Neues und bilden so vielmehr einen Ausgangspunkt für eine tiefergehende Beschäftigung mit einzelnen Themenbereichen.

Der Essay ist zwar an vielen Stellen anekdotisch, blieb für mich aber emotional doch eher an der Oberfläche und wurde vor allem zu Beginn von recht vielen Referenzen begleitet - da hätten es für mich ein paar weniger sein dürfen. Die Gedanken der Autorin rund um die Hierarchisierung verschiedener Beziehungsformen und damit verschiedener Arten zu lieben waren mir größtenteils bekannt, aber trotzdem interessant. Vor allem das recht umfängliche Kapitel zu Freund*innenschaften hat mir sehr gut gefallen, da es hier auch konkrete Beispiele freundschaftlicher Verbindung gab, die auf mich immer sehr heilsam wirken. Romantische Liebe bekommt weniger Raum, was für mich aber angesichts des Übermaßes an Literatur in diesem Feld völlig gerechtfertigt war.

Die zweite Buchhälfte widmet sich einem viel größeren Thema, nämlich der Positionierung des Menschen innerhalb der Natur und des Kosmos. Die Gedanken zu Speziesismus fand ich sehr gut und unbedingt notwendig in einem Buch über das Lieben. Denn ich glaube fest daran, dass wir einen großen liebenden Teil in uns wegsperren, wenn wir nicht-menschliche Tiere und die Natur beherrschen und ausbeuten wollen. Manche Schilderungen, wie etwa ihre Reiterfahrung, passen in eine antispeziesistische Betrachtung der Welt allerdings nur bedingt. Das letzte Kapitel ist ziemlich spirituell, womit ich persönlich nicht viel anfangen kann. Doch die Autorin hat hier einen Ton getroffen, der mich den Abschnitt hat wertfrei lesen lassen - es ist ein Teil ihrer Lebenserfahrung und auch nicht mehr als das. Ich muss es nicht nachvollziehen können, um es zu respektieren.

Die Verbindungen zum übergeordneten Thema "Lieben" fiel schon manchmal recht abstrakt aus. Ich habe es nicht so extrem mit einer Erwartung gelesen, kann eine gewisse Enttäuschung an der Stelle aber nachvollziehen. Für mich war nicht viel neu, einiges trotzdem heilsam und manches zu fern, als dass ich dazu großartige Empfindungen hätte haben können. Eventuell ist das Thema für ein 120 Seiten langes Essay schlicht ein wenig zu komplex und die Autorin schien einen hohen Anspruch an die Vielfalt der angesprochenen Bereiche gehabt zu haben, was das Buch auch nicht unbedingt zu einer leichten Lektüre macht.

Ich empfehle es eher als anspruchsvollen Anstoß für Menschen, die sich in den Bereichen Antikapitalismus, Antikolonialismus und Feminismus trotzdem schon etwas auskennen. Für mich nicht überragend, aber auch nicht schlecht.

Bewertung vom 28.10.2024
Smash the Patriarchy
Breen, Marta

Smash the Patriarchy


sehr gut

Toll illustriertes Einstiegswerk, das noch ausführlicher hätte sein können

Thematisch und auch vom Humor her hat mich diese Graphic Novel an die von Liv Strömquist erinnert (natürlich 😅). Sie ist wirklich unglaublich schön illustriert und von einem zugänglichen Ton geprägt.

Einordnen würde ich sie eher als feministisches Einstiegswerk und ich hatte mir vom Untertitel ein wenig mehr Widerstandsgeschichten sowie Tiefe erhofft. Es werden allerdings nach einem kurzen geschichtlichen Abriss rund um Misogynie und Patriarchat (der mich sehr wütend gemacht hat - was bilden sich Männer eigentlich ein?! 🤬) eher Anekdoten von einzelnen widerständigen Frauen erzählt. Das finde ich auch nicht grundsätzlich schlecht, meine Erwartung war nur eine andere.

Für Menschen mit feministischer Vorprägung wird nicht viel grundlegend Neues dabei sein, ich fand das Buch aber trotzdem interessant - denn viele der Anekdoten waren mir noch nicht bekannt. Ein wenig mehr zu allgemeinen Widerstandsbewegungen hätte ich toll gefunden und in dem Zuge auch eine noch internationalere Sicht auf die sogenannten Wellen des Feminismus, die in ihrer Sichtbarkeit ja vor allem vom Globalen Norden dominiert werden. Die im Buch dargestellten Figuren waren aber nicht alle weiß und/oder cis, das fand ich sehr wichtig.

Eine kurzweilige Graphic Novel, die wütend macht, aber auch humoristische Elemente in sich trägt und die ein Anstoß für weiterführende Lektüre sein kann.

Bewertung vom 24.10.2024
Das Ende der Erschöpfung
Mau, Katharina

Das Ende der Erschöpfung


ausgezeichnet

Augenöffnendes Sachbuch zum Thema Degrowth mit hoffnungsmachenden Vorschlägen und zugänglicher Schreibweise

Sachbücher und ich haben gerade eine Beziehungskrise. 😅 „Das Ende der Erschöpfung“ hat mich aber trotzdem überzeugt, weil es theoretisch und praktisch wirklich sehr viel im Bereich Degrowth abdeckt.

Schon vor vielen Jahren habe ich meinen ersten Kontakt mit der Postwachstumsökonomie gehabt und in dem Zuge viel über den Rebound-Effekt, Suffizienz- sowie Subsistenzwirtschaft und die Grenzen des Wachstums gelernt. Dieses Buch bietet noch einmal so viel mehr und blickt gleichermaßen in die Welt wie auf die deutsche Situation.

Das Buch startet mit einem kurzen Abriss zu den Problemen unseres aktuellen kapitalistischen Wirtschaftssystems und thematisiert dabei auch die Verknüpfungen zu Patriarchat und Kolonialismus. Ich mochte es ausdrücklich sehr, dass Katharina Mau klare und scharfe Worte für die Verantwortung des Globalen Nordens findet. Besonders hängen geblieben ist mir hier, dass die kurzfristigen Nachteile eines lokaleren Wirtschaftens für den Globalen Süden durch Reparationszahlungen abgemildert werden müssen. Eine so grundsätzlich einfache wie wirksame Idee!

Im viel längeren zweiten Teil tangiert Mau unzählige Bereiche unseres aktuellen Gesellschafts- bzw. Wirtschaftssystems. Es geht um Gerechtigkeitsdiskurse aka „Darf es eigentlich noch reiche Menschen geben?“, um die Neu-Strukturierung von Arbeit (Stichwort: Vier-in-einem-Perspektive), um das gute Leben für alle und die Umsetzbarkeit einer allgemeinen Grundversorgung, die uns ein Denken losgelöst von BIP und Wachstum überhaupt ermöglichen könnte. Etliche Konzepte werden in diesem Buch angerissen, viele Initiativen vorgestellt und klare Maßnahmen vorgeschlagen, ohne unser hochkomplexes System vereinfacht darzustellen.

Die Sprache ist grundsätzlich leicht zu verstehen, die Kapitelstrukturierung mit Zusammenfassungen am Ende fand ich auch sehr zugänglich. Die Autorin umreißt Einiges an makroökonomischer Theorie und geht auch mal detaillierter auf den Finanzmarkt ein, was ich etwas zäh fand. Andererseits: Wer kann VWL schon juicy machen?! 😅
Viel mehr Raum nehmen jedoch konkrete praxisorientierte Lösungsvorschläge ein - einige davon noch theoretisch, andere bereits etabliert. Diese Aufteilung hat mir gut gefallen und wer tiefer einsteigen will, kann das dank der vielen Quellen ganz einfach tun.

Ich bin ehrlicherweise etwas pessimistisch eingestellt, was den Kampf gegen die Klimakrise und die Umgestaltung unseres Wirtschaftssystems angeht. Und doch hat Katharina Mau es mit diesem Buch geschafft, dass ich motiviert und hoffnungsvoll(er) in die Zukunft blicke. Weil es Menschen gibt, die Ideen haben und diese leben. Weil wir trotz der ein oder anderen Einschränkung so massiv von einem neuen Wirtschaftssystem profitieren würden. Weil ein solches schlicht alternativlos ist. Und so anstrengend diese Aushandlungsprozesse sein werden: Aufgeben ist halt einfach keine Option. Das macht dieses Sachbuch sehr deutlich. 💪🏻

4,5 ⭐️

Bewertung vom 23.10.2024
Antichristie
Sanyal, Mithu

Antichristie


gut

Interessant, aber auch herausfordernd dicht und ziemlich verwirrend

Ich mochte „Identitti“ richtig gerne und habe Einiges an Polarisierungspotential auch in Mithu Sanyals neuem Roman gefunden. Das Buch ist wirklich komplex, oft verwirrend und trotzdem witzig, weshalb ich in meinem Urteil sehr ambivalent bin. 🥴

Wirklich sicher bin ich mir darin, dass dies ein Roman für wiederholtes Lesen ist. Sanyal hat hier offensichtlich ein Recherche-Mammutprojekt bewältigt, so dicht ist das Werk. Beim ersten Lesen konnte ich unmöglich auch nur annähernd alles erfassen, was hier an Auseinandersetzung mit Identität und Kolonialisierung drin steckt. Ich habe zwar Einiges über den indischen Befreiungskampf gelernt und fand die Debatte rund um bewaffneten/unbewaffneten Widerstand sowie das Auftreten so vieler realer Figuren mit ihren diversen Positionen bereichernd. Doch hat mich die Fülle auch wirklich überfordert und ich hatte irgendwann Schwierigkeiten, der Handlung noch folgen zu können.

Die Zeitreise und Verblendung der beiden Figuren Sanjeev und Durga hat die Geschichte zwar innovativ, aber für mich auch deutlich schwerer lesbar gemacht. Ich habe mir deshalb Unterstützung vom Hörbuch geholt (Kompliment an der Stelle an die Hörbuchsprecherin! ❤️), welches die Figuren durch Stimmvarianz für mich deutlicher unterscheidbar gemacht hat. Parallel gelesen habe ich aber trotzdem, denn die vielen indischen Namen haben das Verständnis erschwert - und hier liegt gleichzeitig auch eine so deutliche Gesellschafts-/Literaturkritik: Warum kennen wir in der westlichen Literaturwelt so wenige Figuren mit indischen Namen?

Ich finde es herausragend, wie die Autorin es erneut schafft, gesellschaftspolitische Themen nicht nur innerhalb des Buches abzuhandeln, sondern damit einen Bogen zu schlagen zur lesenden Person selbst. Sicherlich kann „Antichristie“ nicht gelesen werden, ohne sich mindestens 35 Fragen zur eigenen Positionierung zu stellen. Dabei verfällt die Autorin nicht in vereinfachende Dogmen, was ich sehr schätze und auf positive Art herausfordernd finde.

Thematisch ist zwar nicht zwangsläufig Vorwissen vonnöten, ich habe aber schon gemerkt, dass auf Dauer zu viele mir unbekannte popkulturelle oder historische Referenzen drin waren. Selbst wenn diese zum Verständnis nicht wichtig sind, sorgt so etwas bei mir immer für Irritationsmomente und somit für einen gestörten Lesefluss. So spannend ich die Debatten rund um Intersektionalität, Aufarbeitung, Identität und historische Verantwortung in der Gegenwartsebene auch fand, so war mir das in der Gänze doch schlicht zu viel. Und den Krimi-Aspekt mit prominentem Gastauftritt fand ich zwar irgendwie fesselnd, aber mit allem anderen zusammen auch wieder… zu viel.

Für mehr als 3 Sterne waren es mir persönlich also einfach zu chaotisch, sodass manche Themen im Zeitreisen-Trubel untergegangen sind. Trotzdem empfehle ich das Buch allen, die Sanyals Humor mögen und sich nicht vor dichten, philosophischen Werken scheuen, welche mit Aufmerksamkeit und ggf. mehrfach gelesen werden sollten.

Bewertung vom 19.10.2024
Ein menschlicher Fehler
Kim Hye-jin

Ein menschlicher Fehler


ausgezeichnet

Ein ruhiger, sanfter und vergebungsvoller Roman

Ich war erst unschlüssig, ob ich den Roman lesen sollte, weil mich „Die Tochter“ nicht so ganz catchen konnte. Aber ich bin richtig froh, dass ich meinem Bauchgefühl hier gefolgt bin und dieses besondere und zarte Buch nicht habe an mir vorbeiziehen lassen.

Hae-Su war einst eine erfolgreiche Psychotherapeutin, verlor aber ihren Job nach einer unbedachten und folgenschweren Aussage im Fernsehen. Seit einem Jahr verbringt sie ihre Zeit allein in Seoul, ohne Kontakte zu anderen Menschen. Eines Tages trifft sie auf die zehnjährige Se-I, die ebenfalls eine Verstoßene zu sein scheint. Doch für mich viel prägender war der Kontakt zu Straßenkatze Rübe, die dringend medizinische Hilfe braucht, sich aber nicht einfangen lassen will. Es entsteht ein Band zwischen diesen drei Figuren, das mich wirklich berührt hat.

Eine große Stärke des Romans ist seine Interpretationsvielfalt. Die Autorin schreibt auch selbst im Nachwort, dass „Ein menschlicher Fehler“ hoffentlich individuell verschieden gelesen wird - je nachdem, was im Innersten der Lesenden gerade los ist. Kim Hye-jin schreibt beobachtend, wertfrei und ruhig. Der Schreibstil ist zugänglich, hat aber auch einen gewissen Anspruch. Vor allem erfordert das Lesen meiner Meinung nach Raum zum Fühlen, um die feinen Nuancen wahrnehmen zu können.

Die Protagonistin Hae-Su kämpft ihren eigenen Kampf in Bezug auf Verantwortung, Schuld und Abwehr. Deshalb schreibt sie täglich Briefe an Journalist*innen, den ehemaligen Chef, eine Kollegin oder eine enge Vertraute, von denen sie sich nach dem Fehler ungerecht behandelt fühlte. Doch sie kann nicht ausdrücken, was sie eigentlich sagen möchte und bricht alle Briefe ab. Denn was sie eigentlich sucht, ist eine Vergebung für ihren Fehler, die aus ihr selbst kommt. Dabei hilft ihr auch die fragile Beziehung zu Rübe, in dessen Schicksal als wenig beachtete bzw. verachtete Straßenkatze sie sich zu sehen scheint.

Für mich war dieser Roman ein Plädoyer für Menschlichkeit, Respekt und Sanftheit. Die Autorin webt die drei so verschiedenen Figuren auf eine unaufgeregte, liebevolle Art ineinander. Ein wirklich tolles Buch, dessen Essenz ich irgendwie nicht so ganz zufriedenstellend in Worte fassen kann. Lest es am besten selbst und nehmt euch daraus mit, was ihr gerade am meisten braucht. 🫶🏻

4,5 ⭐️

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Triggerwarnungen:
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Mobbing, Suiz-d, Wunden bei Tieren

Bewertung vom 15.10.2024
Glück
Thomae, Jackie

Glück


gut

Interessantes Thema, aber zähe und charakterlich schwache Umsetzung

Ich finde Bücher rund um das Thema Mutterschaft bzw. die gesellschaftlichen Erwartungen einer solchen immer sehr interessant. Der Roman nimmt hier vor allem Frauen Ende 30/Anfang 40 in den Fokus und damit eine Gruppe, die zudem einen biologischen Druck verspürt.

Entgegen dem Klappentext geht es nicht nur um Marie-Claire und Anahita, sondern auch noch um einige weitere Frauen, die wiederum auf irgendeine Art mit den beiden ersten verbunden sind. Und hier befindet sich für mich bei aller Relevanz des Themas die größte Schwäche des Romans: in der Vielzahl an Charakteren, die teilweise nur ein Kapitel lang Aufmerksamkeit bekommen und so schlicht viel zu viel angeschnitten wird, ohne dass ich die Chance hatte, eine Verbindung zu den Figuren aufzubauen. Phasenweise hatte ich sogar Schwierigkeiten, sie voneinander zu unterscheiden. Und sobald ich mit einer Frau mitgefühlt habe, wurde ich durch Zeitsprünge und/oder Perspektivenwechsel schon wieder völlig entfremdet.

Ich bin hier schnell zum Hörbuch gewechselt, weil mir das reine Lesen viel zu zäh gewesen wäre. Die Kapitel, die stets aus verschiedenen Perspektive erzählt werden, sind einfach zu lang und ich hatte gleichzeitig nicht das Gefühl, die Figur danach wirklich besser zu kennen. Dabei sind sie alle grundlegend wirklich spannend und in ihren Lebensrealitäten divers, wenngleich Mutterschaft bzw. das Fehlen dieser das zentrale Thema bleibt. Der Epilog war für mich das beste Kapitel, weil es sich endlich wie eine Entwicklung mit konkreter Message anfühlte, während ich bei der Handlung davor zunehmend den Eindruck hatte, dass nichts wirklich vorangeht und sich die Figuren extrem langatmig um die immer gleichen Gedanken kreisen.

Für mich persönlich war die Kinderfrage mit Ende 20 geklärt, vielleicht bin ich deshalb auch nicht die optimale Zielgruppe des Romans. Trotzdem hätte ich mir zugänglichere Figuren gewünscht und vor allem auch weniger isolierte Charaktere. Das hat mich nämlich ganz schön runtergezogen, obwohl im Alleinsein sicher auch viel Positives stecken kann, das mir hier aber schlicht nicht vermittelt wurde.

Das Thema finde ich wichtig und die Hörbuchsprecherin hat wirklich enorm viel aus dem Buch herausgeholt, aber die allgemeine Umsetzung des Romans konnte mich nicht erreichen und ich war am Ende froh, dass es geschafft war.

2,5 ⭐️

Bewertung vom 14.10.2024
Dirty Diana: Das Erwachen (MP3-Download)
Besser, Jen; Feste, Shana

Dirty Diana: Das Erwachen (MP3-Download)


sehr gut

Keine großen Überraschungen, dafür spicy wie versprochen

Zum Hörbuch: Nora Schulte hat eine sehr angenehme Stimme mit guter Varianz für die einzelnen Charaktere. Standardgeschwindigkeit ist mir immer viel zu langsam, weshalb ich auf doppelter Geschwindigkeit gehört habe. Besonders gut fand ich die Kapitelübergänge und Zeit-/Ortseinordnungen, die immer sehr klar transportiert wurden.

Zum Buch selbst: Ich habe von diesem Roman genau das bekommen, was ich erwartet habe. Die Geschichte lässt sich unglaublich flüssig lesen, ist kurzweilig und vor allem sehr spicy. 🔥

Diana fand ich besonders in Bezug auf ihre Kunst eine spannende Figur. Die vielen Ausschnitte aus den Interviews mit anderen Frauen waren wirklich toll. So schafft es das Buch meiner Meinung nach gut, Begehren als unabhängig von 6ualität und Alter darzustellen, wodurch sich sicher viele Lesende gut aufgehoben fühlen können.

Dass mit Oliver eine sympathische, nette Männerfigur mit eigenen Unsicherheiten geschaffen wurde, lobe ich auch. Zwischendrin gab es für mich ein paar Momente, wo er aus seinem Charakter gefallen ist. Diese Ambivalenz, die ich prinzipiell gut finde, hätte noch ein wenig eleganter geschrieben werden können. Gestört hat mich zudem eine bestimmte Frauenfigur, die sich nach anfänglicher Sympathie dann leider doch in ein recht plattes Klischee des „weiblichen Konkurrenzverhaltens“ verwandelte. Das hätte es für mich in einem modernen Roman nicht gebraucht.

Spice ist ein zentrales Thema des Buches und wer das mag, wird hier nicht enttäuscht. Für meinen Geschmack hätte es noch vielfältiger sein können, was die dargestellten 6ualitäten angeht und auch abgesehen davon fand ich die entsprechenden Szenen am Ende ein wenig repetitiv. Doch insgesamt fand ich den Roman extrem kurzweilig und ansprechend. Der Cliffhanger am Ende ist unfassbar gemein, aber natürlich klug gesetzt. Ich bin deshalb sehr gespannt, wie die Serie weitergeht und empfehle sie für ein unterhaltsames Lesevergnügen ohne große Überraschungen, aber trotzdem mit Spannung.