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BücherändernLeben
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Alt Ruppin

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Insgesamt 60 Bewertungen
Bewertung vom 01.08.2024
Churchill und die Deutschen
Pieper, Dietmar

Churchill und die Deutschen


ausgezeichnet

"niemals zurückweichen, niemals ermatten, niemals verzweifeln"

Wer sich auch nur ein klein wenig in der Geschichte des letzten Jahrhunderts auskennt, der hat den Namen Winston Churchill mehrfach gehört. So ging es mir bis ich dieses Buch des Hamburger Journalisten Dietmar Pieper gelesen hatte. Der Autor schafft es mühelos den englischen Politiker so zu beschreiben, dass er viel mehr als nur eine wichtige historische Person bleibt. Churchill hat uns auch heute etwas zu sagen.

Vor 150 Jahren ist Churchill geboren, vor fast 60 Jahren gestorben, ohne ihn wäre Deutschland heute nicht was es ist. Der Draufgänger Winston Churchill hat als erster englischer Politiker eine Ahnung davon gehabt, wie bitter ernst Hitler all seine Ankündigungen meinte. Churchill wusste was zu tun ist. Und als Leser bin ich beim Lesen mit meinen Gedanken mehr als ein mal in der Gegenwart.

Es gibt so viele Facetten an der schillernden Person mit ewig stinkender Zigarre im Mund. Vielleicht war er der erste wirkliche große Europäer. Mit großer Neugier lese ich von der guten Zusammenarbeit zwischen ihm und dem damaligen Bundeskanzler K. Adenauer.

Wer will, bekommt hier eine Anleitung im Umgang mit Putin. Genau dies war für mich das reizvolle an dieser Churchill-Biografie: Ich lerne Churchill neu kennen und gleichzeitig bin ich mit meinen Gedanken oftmals in der Gegenwart.

Bewertung vom 30.07.2024
Front gegen die Freiheit
Geiges, Adrian

Front gegen die Freiheit


ausgezeichnet

Ich bin nicht immer derselben Meinung wie A. Geiges, aber sein Buch ist Spitze.

Der Journalist Adrian Geiges zeigt mit seinem Buch, dass der Ostblock im militärischen Sinn gerade wieder neu entsteht. Das klingt zunächst mal ein wenig durchgeknallt, aber liest man dieses Buch, ist jene Zeit des Kalten Krieges tatsächlich wieder im kommen. Als Ossi ist mir diese Zeit noch sehr deutlich vor Augen und was Adrian Geiges über die damals funktionierende militärische Abschreckung geschrieben hat kann ich nur bestätigen. Damals hat sie funktioniert und das Resultat war Frieden. Heute wüsste ich nicht womit wir abschrecken könnten . . .

Auch auf einer ganz anderen Ebene ist dieses Buch sehr spannend. So beschreibt Geiges die seit vielen Jahrzehnten langen ideologische Verbundenheit zwischen Russland/Sowjetunion und China. Es gab in diesen engen Beziehungen immer mal wieder ein Auf und Ab und der ehemals große Bruder Sowjetunion schaut heute auf den großen Bruder China, weil man ihn dringend braucht, aber noch immer sind diese beiden Länder ideologisch wichtige Partner. Der Autor beschreibt dies aus der Geschichte heraus, bis hinein in unsere Gegenwart. Macht eine Linie deutlich die wir lange nicht bereit waren zu sehen.

Viel erfahre ich in diesem Buch auch darüber, wie die beiden Länder sich immer weiter zu perfekten Überwachungsgesellschaften ihren eigenen Bürgern gegenüber entwickelt haben und Adrian Geiges weiß sehr genau wovon er schreibt, hat er doch in beiden Ländern gelebt.

Gegen Ende seines Buches beschreibt der Autor ein wenig den Krieg in der Ukraine. In vielem bin ich selbst ein wenig ratlos, manchmal neige ich dazu den Thesen des Autors zu folgen, manchmal lehne ich sie ab. Auf alle Fälle merkt man diesem Sachbuch an, dass es einer geschrieben hat, der Ahnung hat und deshalb bin ich dem Autor sehr gerne gefolgt und es bekommt von mir volle Punktzahl!

Bewertung vom 23.07.2024
Der Fall Nawalny - Mord im Gulag
Sweeney, John

Der Fall Nawalny - Mord im Gulag


ausgezeichnet

"Was wirklich geschah" wird wohl nie komplett zu erfahren sein

John Sweeney ist bekannt und seine Bücher muss man ganz einfach in einem Stück durchlesen. Der Fall Nawalny hat auch im Westen viel Staub aufgewirbelt. Warum die Person Nawalny allerdings nicht wirklich zum großen Helden hier im Westen taugt, wird im Buch schnell sichtbar. Nawalny hat Ecken und Kanten und damit meine ich nicht nur seine Ausflüge an den politisch rechten Rand in Russland.

Auch ein John Sweeney kann nicht alle seine Behauptungen im Buch belegen oder nachweisen, wie soll dies auch in diesem Fall möglich sein. Ebenso spannend wie das Leben Nawalnys, sind auch die Schilderungen Sweeneys aus der russischen Gesellschaft heraus. Der Autor hat Verbindungen, kennt sich bestens aus und ich vertraue ihm, dass er mir nur gesicherte Sachverhalte auftischt.

Auch über die Person Putin, erfahre ich als Leser eine Menge. Am Ende des Buches ist eine ganze Reihe von bekannten und unbekannten Leuten genannt, die Feinde Putins waren und vielleicht genau deshalb sterben mussten. Auch wenn John Sweeney nicht alle seine Aussagen beweisen kann, so zeichnet er hier ein Bild Russlands, in dem Meinungsfreiheit nichts gilt und wer dennoch seinen Mund nicht hält, der wird halt aus dem Weg geräumt.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 23.07.2024
Haus aus Wind
Naumann, Laura

Haus aus Wind


ausgezeichnet

Lauf ruhig weg, deinem Leben entkommst du nicht.

Johanna haut ab aus Berlin. Sie landet in einem Surfcamp an der Algarve. Ja surfen will sie lernen, aber eigentlich läuft sie einfach so vor ihrem Alltag weg, vielleicht auch vor ihrer vor kurzem beendeten Beziehung zu Rosa.

Ja, so ein wenig hat dieser Roman auch mit dem Leben in der DDR zu tun. Immer wieder mal kommt ein Einschub in dem Johanna aus ihrer Kinderzeit berichtet.

Auch wenn an der Algarve neue Freundinnen hinzukommen und Liebschaften entstehen, auch wenn Johanna länger als geplant in diesem Urlauberparadies bleibt, langsam aber sicher wird ihr klar, dass weglaufen nicht die beste Idee war. Als Leser erfahre ich wie sie sich innerhalb weniger Wochen verändert und weiter entwickelt, Laura Naumann behandelt besonders diese Protagonistin sehr schön tiefründig und verständnisvoll.

Was mir bei diesem queeren Roman allerdings besonders auf den Senkel ging: Immer wieder und dies zieht sich wirklich durch den gesamten Roman, schreibt die Autorin auch englisch. Es kann sein, dass ich als alter Knacker nicht die Zielgruppe für dieses Thema bin, aber darf ich nicht erwarten in einem deutschen Roman deutsche Sätze lesen zu dürfen? Manchmal sind die englischen Passagen drei Buchzeilen lang und ich frage mich, was ich wohl alles in diesem Roman verpasst habe.

1 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 23.07.2024
Künstliche Beziehungen
Devers, Nathan

Künstliche Beziehungen


ausgezeichnet

Ein starker Gegenwartsroman und eine Kritik am Möglichen

Von Nathan Devers hatte ich noch nichts gelesen und die Internetwelt ist auch nicht meine Welt und dennoch fühlte ich mich allein vom Cover und vom Klappentext dieses Romans angesprochen. Meine Lektüre habe ich nicht bereut.

Eigentlich beginnt alles völlig harmlos, wer hat nicht schon mal eine Runde irgendeines Spieles im Internet mitgespielt? Aber der erste Klick unseres Helden Julien Libérat führt ihn in eine Welt, in der er scheinbar alle Niederlagen und Enttäuschungen unserer Welt entfliehen kann. Er darf sich einen neuen Namen geben, er wird unter einer neuen Identität in dieser neuen Antiwelt gut leben können.

Während ich noch staune was bereits alles mit der KI möglich ist oder schon in Kürze alles machbar sein wird, verfolge ich wie gebannt wie aus Julien Libérat immer mehr Vangel wird und wie er als Vangel plötzlich eine große Karriere startet und weltweit millionenfach Klicks bekommt. Er verdient durch sein Tun in der Antiwelt inzwischen sogar so viel Geld, dass er seine Arbeit kündigt und sich in seiner Wohnung immer mehr vergräbt.

Und während ich noch staunend weiterverfolge wie Julien immer mehr mit Vangel zu einer Person verschmilzt, und was alles möglich ist, steigt die Spannung im Roman und ich hoffe sehr, dass wir Menschen uns doch mehr für unsere reale Welt engagieren und nicht irgendwelchen fremden Welten hinterherlaufen.

Bewertung vom 19.07.2024
Ein menschlicher Fehler
Kim Hye-jin

Ein menschlicher Fehler


ausgezeichnet

Was können wir Menschen doch für garstige Wesen sein . . .

Als ich die ersten Buchseiten gelesen hatte, dachte ich: Ach du lieber Himmel, auf was habe ich mich denn hier eingelassen. Im wesentlichen gibt es nur zwei Protagonisten und als besonders actionreich kann man die Romanhandlung auch nicht bezeichnen.

Aber dann nahm mich die entstehende Freundschaft zwischen der Psychotherapeutin Hae-Su und einem kleinen Mädchen doch immer mehr gefangen. Langsam erkannte ich, dass sich hier zwei einsame Wesen auf der Straße miteinander verbündeten um Straßenkatzen zu helfen. So ganz nebenbei, im menschlichen Miteinander, bin ich Zeuge einer faszinierenden Freundschaft geworden.

Die Psychotherapeutin hat in ihrem Leben bisher einen einzigen Fehler gemacht und dafür wurde sie außgestoßen, darf weder in ihrem Beruf weiterarbeiten noch hält irgend ein Kollege oder Freund zu ihr, alle meiden sie. Menschen können grausam sein.

Auf 200 Buchseiten fängt die koreanische Autorin Kim Hye-Jin die ganze Bandbreite menschlicher Regungen ein. Menschen können sowohl garstig und gehässig, aber auch freundschaftlich zueinander sein. Beides hat Konsequenzen, ich bekomme sie hier präsentiert und ich begreife erst während meiner Lektüre welch einen literarischen Schatz ich in meinen Händen halte.

Bewertung vom 14.07.2024
Romantic Comedy
Sittenfeld, Curtis

Romantic Comedy


ausgezeichnet

Man sollte schon wissen auf was man sich hier einlässt

Dieser Roman kann wohl nur in Amerika so laufen wie hier beschrieben. Sally selbst erzählt uns von der Late-Night-Shows für die sie seit Jahren lebt und arbeitet. Sie schreibt Sketche, sie hat Sehnsüchte und Wünsche und vor allem fragt sie sich: Warum gerade ihr Kollege jetzt so ein ausverschämtes Glück hat und auf eine berühmte Schauspielerin trifft die sich für ihn interessiert.

Und während der ganze Laden schon seit Jahren mit Sally läuft, kommt jetzt in diesem Moment scheinbar auch das Glück für Sally. Natürlich werde ich nichts verraten.

Man darf sich bei dieser Lektüre gern zurücklehnen. Ohne dies zu kritisieren, behaupte ich: Romantic Comedy ist ein leichter Unterhaltungsroman. Sehr genau hat Curtis Sittenfeld in dieses spezielle Millieu hineingeschaut und vermittelt ihren Lesern sehr schön was dort abgeht. Ganz eigenen Regeln ist diese Fernsehwelt unterworfen. Die Autorin verurteilt nichts. Sie beschreibt und lässt ihre Leser urteilen, wenn diese dies überhaupt möchten.

Für mich war diese Lektüre ein zum Teil humorvoller Ausflug in eine Welt, in die ich nicht möchte, aber unterhalten habe ich mich dennoch sehr gut.

Bewertung vom 10.07.2024
Die Welt der Gegenwart
Aubry, Émilie;Tétart, Frank

Die Welt der Gegenwart


ausgezeichnet

Anhand des Kartenmaterials wird Vieles noch eindrücklicher

Das Werk von Émilie Aubry und Frank Tétart ist deshalb so spannend, weil mit der Sicht auf das Kartenmaterial vieles noch viel eindrücklicher in mein hirn gelangt oder es sogar zu einem Aha-Erlebnis kommt. Oder wussten Sie, dass die eurasische Eisenbahnstrecke in Madrid beginnt, sich über Deutschland und Polen, bis hin nach Moskau, Kasachsten und China erstreckt?

Die große Themenvielfalt die die beiden Macher hier anpacken ist genial und für mich als Betrachter, der sich nicht der Reihe nach das Material anschaut, sondern nach Interessen auswählt, wird schnell sichtbar, dass nicht nur Konflikte und Kriege dargestellt werden, sondern auch eine ganze Reihe von anderem Allgemeinwissen hier per Kartenmaterial vermittelt wird.

Oft ist es mit einem Blick auf die jeweilige Karte nicht getan, dann begleitet ein aussagekräftiger Text das Thema. Für mich ist die Idee zu diesem Buch und seine Umsetzung sehr gut gelungen !!!

Bewertung vom 10.07.2024
James Baldwin
Aguigah, René

James Baldwin


ausgezeichnet

Aktivist und Autor trafen sich in James Baldwin

Pünktlich zum 100. Geburtstag erscheint nun ein Porträt zu James Baldwin. Es ist keine herkömmliche Biografie, aber der Titel dieses Buches lautet ja auch: James Baldwin Der Zeuge. Folgt man diesem Konzept wird man sofort hineingezogen in den amerikanischen Alltag des James Baldwin. Und auch wenn die Jahrzehnte seines Alltags längst Geschichte geworden sind, so sind seine großen Themen doch gleich geblieben und werden sich wohl mit der absehbaren Wiederwahl von Trump noch verschärfen.

James Baldwin war ein aufmerksamer Beobachter. Er nahm den Alltagsrassismus wahr und erlebte ihn immer wieder auch selbst. Der großartige schwarze Autor Baldwin war schwul und nahm kein Blatt vor den Mund, dies war für viele ein weiterer Grund ihn zu hassen. Aber Baldwin nahm den Kampf auf. Er traf auf prominente politische Mitstreiter und wurde so zum politischen Aktivisten. Der Autor René Aguigah beschreibt den Werdegang von James Baldwin und zeigt ihn als Autor und eben auch als Aktivist.

So erlebe ich Baldwin mitten in seiner amerikanischen Gesellschaft, in der Schwarze und Schwule bis heute einen schweren Stand haben. René Aguigah beschreibt dann einzelne Romane von Baldwin. Viele dieser Romane spielgeln den amerikanischen Alltag und mir wird klar, warum im Titel so viel Wert auf den Zusatz Der Zeuge gelegt wird. Für mich gehören die Romane von James Baldwin seit Jahren zur Lektüre. Glücklicherweise veröffentlicht DTV immer wieder Romane von James Baldwin. Dieses Porträt würdigt James Baldwin hervorragend und zeigt, dass sein Kampf noch lange nicht beendet ist.

Bewertung vom 09.07.2024
Schicksalsstunden einer Demokratie
Ullrich, Volker

Schicksalsstunden einer Demokratie


ausgezeichnet

Es liegt allein an uns . . . .

Volker Ullrich ist einer der Historiker denen ich als Laie sehr gut folgen kann. Bei diesem Titel kommt hinzu, dass es mir gelegentlich eiskalt über meinen Rücken läuft. Wenn er bspw. die entscheidenden Schicksalsstunden der Weimarer Republik beschreibt und die Fehler die gemacht wurden und in deren Folge dann die Demokratie dahin war, dann kommt mir unsere heutige Situation in den Blick. Teilweise läuft innerhalb unserer Gesellschaft genau das ab, was schon vor rund 100 Jahren in Deutschland ablief. Haben wir wirklich nichts gelernt?

Aber all das sind keine Gesetzmäßigkeiten. Volker Ullrich schreibt wie Hitler verhindert hätte werden können. Und er analysiert sehr genau warum Hitler letztlich doch an die Macht kam. Der Autor schaut sich sehr genau die anderen Parteien der damaligen Zeit an. Weil sie den Ernst der Lage nicht erkannten, machten sie Hitler zum mächtigen Mann. Während ich diese Zeilen von Ullrich lese, denke ich, er beschreibt unsere Gegenwart.

Sehr genau arbeitet Volker Ullrich die Fehler der damaligen Zeit heraus und ich hoffe und wünsche mir unsere demokratischen Parteien sind heute hellwach. Vorsichtshalber sollte der Historiker ein Exemplar seines Buches an Fr. Merz und S. Wagenknecht schicken. Und vielleicht werden im Herbst ja auch die dann kleinen und abgestraften Parteien von O. Scholz und A. Baerbock wichtig, weil sie beweisen müssen ob sie mit anderen zusammenarbeiten können um AFD Regierungen in Ländern bzw. später dann im Bund zu verhindern.

Und während der Autor andere politische Ereignisse der Weimarer Republik beleuchtet, wird mir einmal mehr bewusst, dass wir an einem Scheideweg stehen, dass unsere Demokratie heute auf dem Spiel steht. Dieses exzellente uns sehr aktuelles Sachbuch begreife ich als eine Art Werkzeugkiste. Volker Ullrich gibt die Demokratie noch lange nicht verloren. Er weißt darauf hin, wie unsere Demokratie zu retten ist. Dazu wird jeder Einzelne von uns gebraucht und erst wenn wir dies begreifen, dann wird unsere Demokratie Zukunft haben.

Das Entscheidende an dieser Lektüre war für mich nicht unbedingt, dass historische Faktenwissen. Vieles ist ja seit langer Zeit bekannt. Das beeindruckende an diesem neuen Buch des Historikers ist, dass aus jeder einzelnen Buchseite uns die Gegenwart anschaut. Ich bin mir sicher, dass sich kein Leser diesem Eindruck entziehen kann.