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Lilian

Bewertungen

Insgesamt 31 Bewertungen
Bewertung vom 26.12.2023
Unter den Masken (eBook, ePUB)
Mauritz, Hannah

Unter den Masken (eBook, ePUB)


sehr gut

Der Booksnack "Unter den Masken" hat mir echt gut gefallen.
Ohne zu sehr ins Detail zu gehen kreiert die Geschichte eine Zukunftswelt, in der Roboter so hochentwickelt sind, dass sie um die Gleichberechtigung zu den Menschen kämpfen.
Dabei werden so viele Fragen aufgeworfen und Themen angeschnitten, wie wir -vorallem als westliche Wirtschaftsmächte- uns eigentlich als Gesellschaft verhalten und verhalten haben.
Wäre ich Lehrer in der MIttel-/ Oberstufe eines Gymnasiums (Geschichte/ Gesellschaftskunde/...) würde ich den Booksnack auf jeden Fall einmal in die Klasse mitnehmen.

Der Booksnack regt unter anderem dazu an über folgendes einmal nachzudenken: Identitäts-Findung, ANpassung an die Gesellschaft vs Selbsthass, Kapitalismus vs. Menschenrechte/ Wohlergehen Aller, Angelichung von Minderheiten (zB Whitewashing), Parallelen zum Sklaventum und der Arbeiterbewegung während der Industrialisierung, Arbeitsbedingungen in der dritten Welt (zb Textilfabriken Asien), Umgang mit Menschen bzw Minderheiten (gesellschaftlich und wirtschaftlich) in Zeiten der post-Sklaverei und post-Kolonialismus (white supremacy), technische Debatte inwiefern Roboter und KI jemals menschenähnlich werden könnten.

Mein einziges Manko waren die kleinen Plotholes - zB wie schafft es der Roboter mehrere menschliche Identitäten parallel aufrechtzuerhalten. Jeder Tag den er eine Identität wählt würden alle anderen doch auf ihrer Abreit fehlen, das fällt soch sofort auf? Da der Anspruch eines Booksnacks aber nicht ist eine vollständige Story zu liefern kann ich "Unter den Masken" nur empfehlen.

Bewertung vom 22.11.2023
Die sieben Monde des Maali Almeida
Karunatilaka, Shehan

Die sieben Monde des Maali Almeida


gut

3.5/ 5 Sterne

Nach seinem Tod "erwacht" Maali im Dazwischen. Zwischen Leben und Tod hat er 7 Monde lang Zeit auf sein Leben zurückzublicken, Frieden zu finden und weiter zu gehen.
Da Maali während dem Bürgerkrieg 89 in Sri Lanka sein Ende gefunden hat und auch schon in den tumultreichen Jahren zuvor als Kriegsfotograph unterwegs war, gibt es einiges worauf er zurückblickt.
Seine Fotographien zeigen die Unmenschlichkeit des Bürgerkrieges, die Untaten die alle beteiligten Seiten einander angetan haben - und könnten einige Politiker ihr Amt Kosten sollten sie gefunden und publiziert werden.
Maali versucht seine engsten Vertrauten zu seinen Fotos und Negativen zu lotsen, um durch diese den Krieg und die Unruhen hoffentlich zu beenden. Dabei kommen ihm immer wieder auch Geister und Erinnerungen aus seinen Lebzeiten in die Quere.

In diesem einzigartigen Werk zeigt Shehan Karunatilaka eindrucksvoll auf, was für unmenschliche Konflikte sich in Sri Lanka 1980-90 abspielten. Ein unfassbar wichtiges und augenöffnendes Werk!
Durch die Kombination der Kriegsgeschichte mit der fiktiven Handlung des "Dazwischen" wird das ganze aufgelockert und die schwere Kost der Historie deutlich zugänglicher. Außerdem lernt man so auch die Mythenwelt kennen, was ich persönlich auch sehr interessant finde.
Mit den Charakteren bin ich leider nicht so ganz warm geworden - die konstante Misskommunikation zwischen jedem und allem und die stellenweise Unreife haben mich hier etwas gestört. Durch die verschiedenen Charaktere wird allerdings auch das Alltagsleben mit seinen Problemen und Vibes in Sri Lanka beleuchtet. Ich finde es bemerkenswert, wie eine handvoll Charaktere die wichtigsten Themen um Politik, Religion, Kolonialismus, finanzielle Ungleichheit und Umgang mit LGBTQ abbilden.
Der Schreibstil ist gut und lebendig, wenn auch für meinen Geschmack stellenweise etwas "artsy".

Das Thema ist keine leichte Kost, jedoch sehr gut verpackt und fesselnd präsentiert. Das Buch wird zwar nicht zu meinen all-time favourites, ist aber absolut empfehlenswert. Vorallem wenn man bislang noch keinen Kontakt mit Sri Lanka undseiner Geschichte hatte ein absolutes must-read.

Da die Handlung im Bürgerkrieg stattfindet enthält das Werk naturgemäß einige Trigger: Krieg, Folter, Gewalt, (Massen-)Mord, Kriegsverbrechen, Rassismus/ Tribalismus, Spielsucht, angedeuteter Missbrauch, Homo- (&Trans-)Feindlichkeit, (versuchter) Selbstmord



Lieblingszitate:
Alle Geschichten sind wieder aufgekocht, und alle Geschichten sind unfair. Viele werden mit Glück versorgt und viele mit elend. Viele wachsen in Häusern mit Büchern auf, viele im Sumpf des Krieges. Und am Ende wird alles zu Staub. Bei jeder Geschichte geht am Schluss das Licht aus.

[Du] fragst dich, warum manche Menschen Plakatwände kriegen und andere nichtmal Gräber. In all diesem Wahnsinn gibt es nur ein Wesen, an dessen Existenz du zweifelst. […] Jenes unmöglichste aller Fabelwesen: den ehrlichen Politiker.

Warum ist Sri Lanka denn Nummer eins bei den Selbstmorden? […] Weil wir gerade genug Bildung haben zu verstehen, dass die Welt grausam ist. Und gerade genug Korruption und Ungleichheit, um uns machtlos dagegen zu fühlen.

Du denkst an böse Ziele und an gute. An die Chancen, dass Gewalt Gewalt beendet, nämlich eins zu nichts, eins zu null, eins zu vergiss es.

Hab keine Angst vor Dämonen; die Lebenden sollten wir fürchten. Menschliche Monster übertrumpfen alles, was Hollywood oder das Jenseits zu bieten haben.

Jeder von uns braucht einen aussichtlosen Zweck, für den er leben kann, denn warum sonst überhaupt atmen?

Ich weiß nicht, warum Menschen zerstören, wenn sie auch erschaffen könnten. Solche Verschwendung.

Bewertung vom 17.11.2023
Whitehall Manor (MP3-Download)
Anders, Marlena

Whitehall Manor (MP3-Download)


gut

Flo ist als Waise auf der Suche nach ihren Wurzeln und Erinnerungen an ihre Mutter. Diese sucht sie, indem sie als Schülerin auf das Internat wechselt, an dem ihre Mutter einst unterrichtet hatte.

Dort entfaltet sich ein ganz klassischer "dark" academia Plot: Es gibt Zickereien, Streiche, unerwartete Freundschaften, Rivalitäten und nicht Zuletzt die Konkurrenz um ein Stipendium, dass Flos fnanzielle Zukunftsprobleme lösen würde. Dass sie sich in ihren Konkurrenten verknallt und mit ihm ihre erste Romanze erlebt, gehört natürlich auch dazu. Von Konkurrenten entwickeln sie isch zu Freunden zu Verknallten zu Konkurrenten zum Paar, verstreiten sich und kommen wieder zusammen - man könnte es enemies to lovers nennen.

Bei dem ganzen Fokus auf den Alltag fällt die Suche nach den Spuren ihrer Mutter leider etwas unter den Tisch, bis es am Ende ein grande reveal gibt, das ich mir ehrlich gesagt unwahrscheinlicher nicht hätte ausdenken können.

Es hat mich nur etwas gestört, dass der eigentliche Handlungsstrang um Flos Mum eher im HIntergrund abläuft. Die jugendlichen Charaktere haben sich für mich etwas zu erwachsen gegeben und die Erwachsenen (bzw hauptsächlich das grande reveal) zu kindisch und unreif. Dass Flo scheinbar kaum davon beeindruckt ist, dass sie kürzlich erst ihren Vater verloren hat und damit jetzt eine Vollwaise ist, fand ich auch eher merkwürdig. Die Sprechstimme fand ich etwas zu mechanisch, aber man gewöhnt sich nach ein paar Minuten dara.

Insegsamt ein unterhaltsames YA Buch.


Triggerwarnung: fahrlässige Tötung/ Unfall mit Todesfolge

Bewertung vom 31.10.2023
Kein guter Mann
Izquierdo, Andreas

Kein guter Mann


weniger gut

An sich erzählt das Buch eine echt herzige, mitnehmende Geschichte - bei näherer Reflektion allerdings mit ein paar "red flags", die mir persönlich etwas den Lesespaß genommen haben.

Mit Walter & Ben schafft Andreas Izquierdo ein humoristisches Charakter-Paar, das er auch sehr lebendig schreibt. Auch der Aufbau des Buches gefällt mir recht gut- man lernt nach und nach den grummeligen Walter in der Gegenwart kennen, erlebt mit wie er mit Ben einen Zugang zu seinem doch ganz weichen Herz findet und nach und nach lernt man aus Rückblenden, warum Walter so geworden ist, wie er ist.
Ben steht schon als 10jähriger vor enormen Herausforderungen, mit denen der sich hilfesuchend an Gott wendet. Und Walter antwortet ihm per Brieffreund als "Gott", versucht ihm zu helfen und den Kleinen aufzubauen.
Beiden Charakteren hat das Leben übel mitgespielt.
Soweit entwickelt sich die Geschichte echt gut!

Leider gibt Walter dem Kleinen bei seinen "Tips von Gott" mitunter auch recht fragwürdige Ratschläge. In seinem ganzen "Lieber-Gott-Walter"-Dasein fokussiert sich Walter stark darauf, Ben unter die Arme greifen zu wollen. Dabei kommt auch seine eigene schwere Vergangenheit mit seiner eigenen Familie auf - dieser widmet sich Walter aber eher mit wehmütigen Erinnerungen und gegrummel, anstatt zu versuchen erwachsen und konstruktiv an der Situation zu arbeiten. Die Aktionen, die Walter unternimmt, um mit seiner Familie zu interagieren, sind mitunter auch recht fragwürdig.
Im Ende wartet Walter darauf von Anderen "von seinen Sünden freigesprochen zu werden", wobei dieses Los nicht den Beteiligten zukommt sondern ausgerechnet dem Kleinen Ben.

Alles in Allem ein gut geschriebenes Buch mit lebendigen Charakteren. Jedoch konnte ich mich nicht mit dem Verhalten von Walter anfreunden und diverse "red flags" trüben diese Geschichte für mich leider doch sehr.

Bewertung vom 12.09.2023
Always love you / Ikonen ihrer Zeit Bd.11
Faber, Hanna

Always love you / Ikonen ihrer Zeit Bd.11


weniger gut

Mit der berührenden Szene , wie die kleine Nippy zum ersten mal ein Solo im Gospelchor singt, startet das Buch. Und schlägt direkt danach in einen Sumpf aus Drogen um.

"Always love you" erzählt aus Whitney Houstons Leben - als Pirvatperson wie als Star. Laut Nachwort basiert diese Erzählung hauptsächlich auf den Büchern, die ihre beste Freundin Robyn und Nippys Mom veröffnetlicht haben; dementsprechend wird das Geschriebene schon recht nahe an der Realität liegen.
Für meinen Geschmack gibt es jedoch zu viele Szenen, die sich nicht belegen lassen und reine persönliche Interpretation sind (Dialoge zwischen Charakteren, innere Monologe/ Gedankenschweife, ...). Davon abgesehen finde ich den Schreibstil durchaus gelungen - er transportiert einen mitten in die Szenen und ist lebendig. Die Charaktere sind gut aufgebaut und haben tiefgang.

Mit dem Schwerpunkt des Buches habe ich mich etwas schwer getan. Klar- es ging darum darzustellen, dass Whitney nicht erst durch ihren Mann mit Drogen in Kontakt kam und ihr Leben begann zu schlingern. Allerdings kam es mir so vor, als würde Whitneys Drogen-Geschichte hier im Vordergrund stehen und ihr restliches Leben lediglich das "Skelett" aus Fakten für die Erzählung liefern. Als zweiten Fokus gibt es Whitneys Beziehung zu Robyn, die meiner Meinung nach in diesem Proträt die einzige Beziehung ist die diesen Namen auch verdient.
Whitney selbst wird gleichzeitig als bodenständig und bescheiden dargestellt, jedoch auch als etwas naiv und emotional unreif. Sie stellt ihr gesamtes Leben und ihr Glück hinter ihrer Karriere hinten an.
Leider fällt es mir schwer, das Porträt das von Whitney Houston gezeichnet wird, mit ihren gefühlvollen Liebesballaden in Einklang zu bringen.

Alles in allem ein Buch das sich gut lesen lässt. Unter einer Erzählung über Whitneys Leben hatte ich mir allerdigns etwas anderes vorgestellt.

Lieblingszitate:
Geht man mutig weiter Schritt für Schritt in die neue Zukunft und schafft sich dort ein neues Zuhause, oder kehrt man lieber dorthin zurück, wo alles bekannt ist?

Hatte sie mit dieser Frisur ihre Herkunft verleugnet, ihre Schwarze Kultur ? Oder waren gewisse Kompromise nun einmal einfach notwendig, um als Person of color im Leben erfolgreich zu sein?

So wie sie Musik betrachtete, war sie erst dann bedeutsam, wenn sie die Zeit überdauerte. [...] So sollte auch ihre Musik sein: unendlich.

Ich möchte mit meinder Musik etwas in den Leuten auslösen, ein Gefühl, eine Verbundenheit. Mir istes nicht so wichtig, ob ich das bei hundert oder hundert tausend schaffe.

Bewertung vom 05.09.2023
Die Formel der Hoffnung
Cullen, Lynn

Die Formel der Hoffnung


sehr gut

Lynn Cullen nimmt einen mit in die USA der ~1940er Jahre.
Während die Welt im 2ten Weltkrieg gegen Deutschland kämpft, stellt sich Dorothy Hosrtmann mit ihren Forschungkollegen dem weitaus kleineren aber genauso tödlichen Feind: dem Polio-Virus. Keiner weiß, wie es die Kinder infiziert, wie es sich im Körper verbreitet oder was an dagegen unternehmen kann.
Kampflustig wirft sich Dr.Horstmann in den Ring und stößt dabei auf immer weitere Probleme wie den Misogynismus ihrer Zeit, der ihr die Forschung ordentlich erschwert, oder den wissenschaftlichen Wettlauf zwischen Forschungsgruppen um Publikationen und Fördergelder.

Wider Erwarten sind es in dieser männerdominierten Welt die Frauen, die die wichtigen Durchbrüche machen um Polio an den Kragen zu gehen. Als Dorothy endlcih die Gelder bekommt, um aufzudecken wie sich Polio im Körper verteilt, öffnet das der Forschungsgemeinde die Augen um eine wirksame Immunisierung zu entwickeln.

Man fiebert mit Dorothy und der ganzen Welt dem ende des Poliovirus entgegen. Lucy Cullen verbindet gekonnt historische Fakten mit einem gelungenen Schreibstil und lebenidgen Charakteren. Ich bn selbst Wissenschaftlerin und habe das Buch sehr genossen.

Mein einziger kleiner Kritikpunkt ist, dass die Storyline des Buches wirklich sehr nah an der Realität der Forschung liegt - im Mitteltelíl des Buches geht es lange kaum noch um Polio an sich sondern hauptsächlich um den Wettlauf zwischen Forschungsgruppen als erstes neue Ergebnisse zu publizieren und Forschungsgelder einzuwerben. Das hat völlig seine Daseinsberechtigung, hat meinenLesefluss allerdings etwas entschleunigt.

Alles in allem würde ich das Buch absolut empfehlen! Eine Erfolgsgeschichte von und für Frauen in der Wissenschaft, die außerdem die Welt von ~1940-1960 facettenreich und lebendig darstellt.

Lieblingszitate:

Du kannst überall Schlechtes finden, wenn du hinschaust, und hinschauen musst du, wenn du es bekämpfen willst. Aber du musst auch auf das Gute schauen, um dich daran zu erinnern, wofür du kämpfst.

Ich mag die tiefe Stimme. Es ist ihr egal, ob die hohe Stimme sich in den Vordergrund drängt. Sie weiß, dass sie stark ist.
Wie er die Beständigkeit der Bassstimme bewundert hatte, die sich bereitwillig hingibt, damit die andere aufsteigen kann. Hatte er ihr daals nicht das Geheimnis des Lebens verraten?

Dabei wusste dorothy besser als sonst irgendjemand, dass nur weil etwas nicht zu sehen war, es nicht bedeutete, dass es nicht existierte. Die stärksten Mächte der Welt waren für das bloße Auge unsichtbar. Wie Viren. Wie Antikörper. Wie Liebe.

Bewertung vom 12.08.2023
Das Pferd im Brunnen
Tscheplanowa, Valery

Das Pferd im Brunnen


gut

Walja besucht ihre Großmutter Nina im russischen Kasan, wo sie die Geschichte ihrer Familie kennen lernt.
Epsiodenweise bekommt man Einblicke in die Leben der Urgroßmutter Tanja, der Großmutter Nina und der Mutter Lena. Alles starke Frauaen, die sich jeweils in ihrer ganz eigenen Umgebung ihren ganz eigenen Weg bahnen.
Die Geschichten sind so angeordnet, als würde man Nina selbst besuchen und Tag für Tag eine neue Episode anhören - die Kapitel spielen nicht unbedingt nacheinander- von Zeit zu Zeit gibt es Zeitsprünge und Wehcsel um wen es gerade geht. Das macht es etwas schwierger die Geschichten der einzelnen Charaktere im Blick zu behalten, macht das leseerlebnis aber spannender, da man teilweise erst später erfährt wer zum Beispiel warum gegen wen einen Groll hegt.

Als Haupterzählerin steht Ninas Lebensgeschichte im Vordergrund. Wie der ihrer anderen Familiengefährtinnen ist ihr Leben auch hart und anspruchsvoll; wodurch auch Nina schroff wird. Dennoch lernt man sie als liebevolle Person kennen, die sich durch ihre Lebensumstände und ihren Umgang damit nur irgendwie selbst den Weg zum Glück verbaut.

Durch die Familiengeschichte lernt man auch Russland durch ganz intime Einblicke im Wandel der Zeit kennen mit den verschiedenen Lebensumständen und Mindsets von Land und Stadt. Über (drohenden) Krieg, Inflation, Hunger, Religion, Lifestyle ist eigentlich alles dabei. Ein Aspekt der Weltgeschichte mit dem ich persönlich noch recht wenig Berührungspunkte hatte.

Lieblingszitate:
Das leben ist ein Kampf und es gewinnen nur die Starken. Also halte durch.

Sie hat ihren Stolz, und so geht sie nach Hause, und dort wird sie auch mit ihm am Tisch sitzen und nur mit ihm, dem Stolz.

Für die Menschen ist der Wandel in den Neunzigerjahren verheerend. Wie eine schützende Decke ist der Kommunismus über ihren Köpfen weggerissen worden, und nun ist Selbstständigkeit gefragt. Woher aber Selbstständigkeit nehmen, wenn man ein Leben lang Gehorsam gelernt hat?

Auf die Idee zu kommen, einzigartig zu sein, ist beim Schlangestehen so gut wie unmöglich. Auch gibt es keine Hierarchie, die Schlange besteht aus Körpern die aufgereiht sind, egal wer was hat oder kann. Was gegessen wird bestimmt die Saison, nicht der Appetit. Was nicht in Schlangen erstanden werden kann, muss selbst gemacht werden, und das wiederum unterscheidet die Menschen.

Bewertung vom 24.07.2023
Treacle Walker
Garner, Alan

Treacle Walker


gut

Wer Treacle Walker liest sollte sich auf ein paar Stunden Fiebertraum gefasst machen.

Joe Coppock bekommt in einem Tauschhandel von Treacle Walker ein Kermaiktöpfchen, dessen Inhalt sein Leben oder zumindest seine Wahrnehmung ordentlich auf den Kopf stellt.
Die Grenzen zwischen Realität, Fiktion und Irrsinn lösen sich komplett auf, bis völlig unklar ist, ob es die Realität überhaupt gibt.

Man findet sich einer Mischung aus Matrix, Inception, Alice im Wunderland und Pippi Langstrumpf wieder, jedoch mit urbritischem Kontext.
Ich bin mir ziemlich sicher, dass durch die Übersetzung aus dem Englischen ein paar Tiefen verloren gehen, da Garner wohl in diesem Werk viel mit seinem lokalen Dialekt aus Cheshire spielt. Ebenso gehen vermutlich viele Anspielungen auf britische Folklore (für nicht-Briten) und Garners andere Werke (für nicht-Gerner-Fans) an einem Vorbei, die der Geschichte recht sicher nochmal ganz andere Blinkwinkel geben.

Alles in allem ist es aber ein gut geschriebenes Buch, das sich in 1-2 Stunden lesen lässt. Wenn man seinem Gehirn mit einer Fiebertraum-Session eine Pause gönnen will, perfekt.

Lieblingszitat(e):

Der Schornstein. Er ist das Herz von allem, das ist. Um ihn dreht sich der Himmel. Er ist der verbindende Weg.
Verbinden? Was denn verbinden?
Die Erde, den Himmel und die weisen Sterne.

Die Last liegt ganz bei dir. Du bist es der träumt.
Ich träume nicht! Ich bin wach!
Und dann bist du aufgewacht. Und wo warst du da? Immer noch in deinem Traum.

Können Sie machen, dass mit meinem Auge wieder alles richtig ist? Ich kann nicht mehr erkennen was wahr ist und was nicht.
Was ist schon wahr Joseph Coppock?

Bewertung vom 08.07.2023
Die Erinnerungsfotografen
Hiiragi, Sanaka

Die Erinnerungsfotografen


sehr gut

Eine alte Dame, die von ihrem Lebenswerk erzählt.
Ein Yakuza-Boss, der sein weiches Herz enthüllt.
Und ein kleines Mädchen, das die Kraft findet für sich und andere zu Kämpfen.

Und mittendrin Hirasaka, der all die Geschichten der Menschen begleiten darf. In seinem Fotostudio irgendwo zwischen Leben und Tod hilft er Menschen, nochmals ihr Leben revue passieren zu lassen, ihren schönsten Moment noch einmal zu erleben und sich dann zu verabschieden.

Eine wirklich schöne Erzählung; im Grunde Kawaguchis "before the coffee gets cold" trifft auf Klunes "under the whispering door" - nur eine Spur düsterer.
Wobei wir schon bei meinem einzigen Kritikpunkt wären: ich hatte mich auf ein schön-kuscheliges Wohlfühlbuch gefreut. Und bis auf ein/zwei absehbare Details der Yakuza-welt trifft das auch voll zu. Aber das letzte Kapitel hat mich etwas unvorbereitet getroffen - für einen so deftigen Subplot wie Mitsurus Geschichte wäre ich gerne vorgewarnt gewesen.

Aber alles in sind es die Geschichten von 4 Menschen, die schön ineinander verwoben werden und jeder einzelne findet am Ende irgendwie seinen Frieden.

Lieblingszitate:
"Herr Hirasaka, Sie meinen also, ich soll meinem Alter entsprechend zweiundneunzig Fotos auswählen, um daraus meine persönliche Drehlaterne zu bauen. Und während ich mir die Rückschau ansehe, werde ich ins Nirwana gehen."

"Eine Schürfwunde am Arm, das verheilt irgendwann wieder, aber die Wunde, die in dir klafft, wenn dir dein Herzensobjekt derart zerfetzt wird, die heilt nicht mehr."

"Er hat mir damals gezeigt, wie das geht: Hoffen.
Ich solle immer wieder aufstehen. Ich solle meine Stimme erheben gegen die Ungerechtigkeit auf dieser Welt."

Bewertung vom 01.06.2023
Die Wölfe von Pompeji
Harper, Elodie

Die Wölfe von Pompeji


ausgezeichnet

Durch Amaras Augen lernt man das römische Reich Mal von einer ganz anderen Seite kennen. Hier stehen nicht wie sonst die prunkvollen Schlachten, architektonsichen Meisterwerke oder die Politik im Vordergrund - sondern das steinharte Leben der Unterschicht, von Sklaven und Prostituierten.

Durch ganz verschiedene Schicksals-schläge hat es Amara und die anderen Mädchen in die Wolfshöhle in Pompeji gespült, wo sie jetzt ihr Leben als Huren im Stadtbodell von Pompeji bestreiten müssen. Kein sehr schöner Alltag... trotz all der Gewalt und Ohnmacht über ihr Leben verlieren die Wölfinnen aber nicht die Hoffnung, sondern finden neue Stärke ineinander.

Ich bin fasziniert, wie gut Elodie Harper die Alltags-Gossen des römischen Reichs heraufbeschwört. Über die Architektur, Kultur, Sozialschichten, Politik - man könnte fast dort sein. Und das alles ohne den Fokus von Amaras Leben zu nehmen. Ein dickes Lob für diese wunderbar und liebevoll recherchierte und geschriebene Welt!

In ihrer Bordell-Zelle entscheidet sich Amara zu leben anstatt einfach nur zu überleben. Und greift dafür auf alle Mittel zurück, die sie hat. Sind wir mal ehrlich, im römischen reich sind das für eine junge Sklavin, die als Hure arbeitet, nicht gerade rosige Aussichten. Aber mit dem Rückhalt ihrer Freundinnen, ihrem Geschäftssinn, ihrer künstlerischen Ader, Glück und etwas Skrupellosigkeit gewappnet stellt sie sich dem Kampf mit ihrer Realität, ihrem Zuhälter und ihren Gefühlen.

Ein sehr gut geschriebener Roman, der mich auf allen Ebenen abgeholt und zu 100% mitgenommen hat. Sowohl auf emotionaler, literarischer, und historischer Ebene.

Man fiebert richtig mit dem Wolfsrudel und Amara mit und mir jucken schon die Finger nach der Fortsetzung!