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Benutzername: 
Igelmanu
Wohnort: 
Mülheim

Bewertungen

Insgesamt 982 Bewertungen
Bewertung vom 15.05.2024
Feine Freunde / Commissario Brunetti Bd.9
Leon, Donna

Feine Freunde / Commissario Brunetti Bd.9


sehr gut

»Die Wirklichkeit war da, formbar und gehorsam: Man musste sie nur ein wenig hierhin ziehen oder dahin schieben, um sie mit dem in Einklang zu bringen, was irgendwer sich vorstellte. Oder wenn die Wirklichkeit sich als unverrückbar erwies, fuhr man eben die großen Geschütze von Macht und Geld auf und eröffnete das Feuer.«

Schon oft musste Commissario Brunetti feststellen, dass sein geliebtes Venedig eine Welt voller Macht, Geld und Korruption ist. Auch dieser Fall stellt keine Ausnahme dar.

Alles beginnt mit einem privaten Problem für Brunetti, als eines Tages ein Beamter vom Katasteramt vor der Tür steht und ihn damit konfrontiert, dass für seine Wohnung nie eine Baugenehmigung vorlag. Während der Commissario noch auf den Bescheid mit den vermutlich üblen Konsequenzen wartet, wird er zu einem Unfallort gerufen. Ein Mann stürzte von einem Baugerüst und kam dabei zu Tode. Vor Ort erkennt Brunetti zum einen, dass der Tote niemand anders als besagter Beamter des Katasteramts ist und zum anderen, dass es sich nicht um einen Unfall handeln kann.
Bei der Suche nach dem Mörder wird er nicht nur auf weitere Verbrechen in der Drogenszene stoßen, sondern – mal wieder – auf ein dicht gesponnenes Netz von Korruption.

Dieser Krimi gefiel mir wieder sehr. Die besondere Atmosphäre Venedigs wird intensiv beschrieben, gern würde ich auf der Stelle meinen Koffer packen. Der langsam startende Krimi erhöht stetig die Spannung, die Hintergründe schockieren, wirken aber gleichzeitig sehr realistisch.

Fazit: Ich mag die Reihe und freue mich auf den nächsten Band.

Bewertung vom 09.05.2024
Der heulende Müller
Paasilinna, Arto

Der heulende Müller


ausgezeichnet

»Ruhig verwies ihn Huttunen darauf, dass er nicht geistesgestört sei, höchstens ein wenig sonderbar. Wenn er allerdings genau hinschaue, sehe er um sich herum weitaus merkwürdigere Menschen.«

Ein kleines Dorf im Norden Finnlands. Eines Tages taucht dort ein Fremder namens Gunnar Huttunen auf und nimmt sich der heruntergekommenen Mühle an. Mit großem Einsatz setzt er sie wieder in Betrieb und beginnt seine Arbeit im Dienst der Dorfbewohner. Eine vorbildliche Arbeit, gut und preiswert zugleich, doch trotzdem bleibt die Gemeinschaft auf Abstand. Der Müller hat nämlich immer wieder Phasen, in denen er in große Traurigkeit verfällt und dann nachts wie ein Wolf heult. Wer sich so benimmt, da ist sich die Gemeinschaft einig, ist eindeutig verrückt, damit auch gefährlich und gehört ins Irrenhaus. Man lässt ihn zwangseinweisen, doch Huttunen gelingt die Flucht. Er versteckt sich in der Wildnis und versucht dort, einfach ein ruhiges Leben zu leben. Doch das Dorf ist auf der Jagd nach dem Irren…

Arto Paasilinna ist einer meiner Lieblingsautoren. Wie er mit einfachen, direkten Worten einen Sachverhalt auf den Punkt trifft, ist einfach großartig. Selbst bei einem eigentlich ernsten Thema ist der Unterhaltungswert hoch, dazu blitzt immer wieder schwarzer Humor auf, herrlich! Auch hier wird dem Leser sofort klar, dass der angeblich verrückte Müller immer wieder von depressiven Phasen geplagt wird. Das Heulen wirkt auf ihn befreiend, sorgt aber leider auch zum Ausschluss aus der Gemeinschaft, weil ein solch „absonderliches“ Verhalten einfach nicht toleriert wird. Gleichzeitig zeigen einige der „vernünftigen“ Menschen ebenfalls Verhaltensauffälligkeiten und können schlicht von Glück reden, dass bei ihnen darüber hinweggesehen wird.

Das Buch ist eins der frühen Werke Paasilinnas, es erschien 1981. Finnland hatte lange ein trauriges Problem, in einem Artikel aus dem Jahr 2012 schreibt beispielsweise das Ärzteblatt „Im Hinblick auf die Häufigkeit psychischer Erkrankungen nimmt Finnland bei Depressionen im weltweiten Vergleich eine Spitzenposition ein. Auch Suizide kommen überdurchschnittlich häufig vor. Depressionen verursachen in Finnland enorme Gesundheitskosten.“ Aber man hat an dem Problem gearbeitet, im Jahr 2018 konnte dasselbe Blatt schon von einer halbierten Selbstmordrate bei Depressionen schreiben und im Jahr 2024 wurde Finnland zum siebten Mal in Folge zum glücklichsten Land der Welt gekürt.

Huttunen selbst weiß auch, was ihm guttut. Die Nähe ihm wohlgesonnener Menschen (ein paar wenige davon gibt es zum Glück), viel freie Natur und hin und wieder ein befreiendes Heulen. Ich habe so mit ihm mitgelitten und ihm bei seiner Flucht die Daumen gedrückt! Ein halbwegs realistisches, gutes Ende konnte ich mir kaum vorstellen, doch dem Autor ist es gelungen, mich trotzdem versöhnt aus dem Buch zu entlassen.

Arto Paasilinna schrieb bis zu seinem Tod 36 Romane, davon wurden 23 ins Deutsche übersetzt. Die habe ich nun alle gelesen und kann nur hoffen, dass sich noch mal jemand der verbliebenen 13 Bücher annimmt.

Fazit: Auf sehr unterhaltsame Art und mit treffenden Worten hält Paasilinna hier der Gesellschaft einen Spiegel vor. Die Frage, wer hier wirklich verrückt ist, kann jeder Leser nach kurzer Zeit beantworten. Ein großes Plädoyer für Toleranz und Mitgefühl.

»Hätte er ein schmerzendes Geschwür in der Brust gehabt, so dachte er bei sich, dann hätte man ihn in Ruhe leben lassen, man hätte ihn bedauert, ihm geholfen, ihn umsorgt. Aber dass sein Gemüt anders war, wurde nicht geduldet, sondern man verstieß ihn aus der menschlichen Gemeinschaft.«

Bewertung vom 07.05.2024
Rote Grütze mit Schuss / Thies Detlefsen Bd.1
Koch, Krischan

Rote Grütze mit Schuss / Thies Detlefsen Bd.1


gut

»Mach mir einfach zwei Coffee … äh … to go.«
»Wat is dat denn?«
»Haben sie jetzt sogar schon in Bredstedt. Latte macchiato, Coffee to go und dieses ganze Zeugs.«
»Ja, nee, da kann ich nich mit dienen. Weißt was, Thies, ich geb dir einfach zwei Becher Kaffee mit und tu zwei Deckel drauf.«

Fredenbüll in Nordfriesland liegt richtig schön hinterm Mond, die Anzahl vorhandener Schafe (600) übersteigt die der Einwohner (176) bei weitem. Polizeiobermeister Thies Detlefsen muss mangels Kriminalität befürchten, dass seine kleine Ein-Mann-Wache demnächst dem Rotstift zum Opfer fallen wird. Als eine junge Frau vermisst wird, ruft er gleich eine Entführung aus. Und als dann noch ein Biobauer tot unter seinem Mähdrescher liegt, meldet Thies sofort der Mordkommission in Kiel ein Kapitalverbrechen. Als von dort Hauptkommissarin Nicole Stappenbek samt Spusi anrückt, wird schnell klar, dass Fredenbüll tatsächlich einen Einwohner durch einen Mord verloren hat.
Thies hat keine Zeit mehr für dörfliche Beschaulichkeit, denn plötzlich folgt ein Verbrechen auf das andere…

Ich mag Küstenkrimis und da mir der Sinn nach etwas Unterhaltsamen stand, griff ich zu diesem hier. Unterhaltsam war es auch wirklich, wobei der besondere Reiz durch den Dorfcharakter entsteht. Wenn der Casanova des Ortes den Ruf hat, mit jeder Frau Fredenbülls schon geturtelt zu haben, dann wirkt das glaubhaft. Die Küstenatmosphäre tut ein Übriges, die Anwesenheit der Kommissarin aus der Großstadt sorgt für weitere amüsante Situationen. Lachen konnte ich auch über den Raser des Ortes, den alle nur den Schimmelreiter nennen.
Die Krimihandlung trat hinter all dem zurück. Die Ermittlungen konnte ich zwar nachvollziehen, aber ich empfand weder Spannung noch Überraschungen. Daher weiß ich noch nicht, ob ich der Reihe eine weitere Chance gebe.

Fazit: Wirklich unterhaltsam, aber die Umsetzung des Krimis konnte mich nicht überzeugen.

Bewertung vom 06.05.2024
Tulpenliebe (eBook, ePUB)
Roobol, Femke

Tulpenliebe (eBook, ePUB)


gut

»Bevor ich aus Leiden weggegangen war, hatte es nichts gegeben, was meinem Vorhaben, ein eigenes Atelier zu eröffnen, im Weg gestanden hätte. Meine ganze Jugend bestand aus Malen, und ich dachte, dass es immer so bleiben würde.«

Haarlem 1635. Mitten im „Goldenen Zeitalter“ träumt auch die junge Malerin Hester Falliaert davon, ein eigenes Atelier zu eröffnen. Ohne Zweifel ist sie sehr begabt, doch die Tatsache, dass sie eine Frau ist, legt ihr zahlreiche Steine in den Weg. Als der Maler Christiaan um sie wirbt, nimmt sie seinen Antrag an und glaubt seinen Versprechungen, in seinem Atelier ihre Kunst leben zu dürfen. Doch nach der Hochzeit will er davon nichts mehr wissen und erlaubt ihr lediglich Hilfsarbeiten.
Eine Zeitlang versucht Hester, sich mit diesem Leben abzufinden, nach einem dramatischen Ereignis jedoch schmiedet sie neue Pläne.

Bei diesem Buch erlebte ich eine Achterbahnfahrt der Gefühle. Anfangs hatte ich große Sympathien für die junge Protagonistin, ich litt mit ihr, als sie aufgrund ihres Geschlechts übel benachteiligt wurde und hoffte, dass sich alles noch irgendwie zum Guten wenden würde. Auch als ihre Ehe immer unglücklicher wurde, hielt ich gefühlsmäßig zu ihr und ärgerte mich sehr über ihren Ehemann. Den Weg, den sie anschließend beschritt, konnte ich jedoch absolut nicht gutheißen, ich empfand ihn als maßlos übertriebenen Racheakt. Man kann nicht unrechtes Verhalten kritisieren und dann selber so handeln! Das hat mir die Freude am Buch gründlich verdorben.

Den Schreibstil empfand ich als angenehm, das Buch las sich flott. Der geschichtliche Hintergrund ist hochinteressant, die Malerei hatte im 17. Jahrhundert einen enormen Stellenwert in den Niederlanden. Dazu die detailliert beschriebene Tulpenmanie, bei der umfangreiche Spekulationsgeschäfte mit Tulpenzwiebeln getätigt wurden! Mich fesselte das regelrecht.

Fazit: Hätte ich mich nicht so sehr über die Protagonistin geärgert, wäre hier eine sehr gute Bewertung herausgekommen. So lande ich bei 2,5 Sternen, die ich nach viel Überlegen wegen der interessanten geschichtlichen Beschreibungen auf 3 Sterne aufrunde.

Bewertung vom 29.04.2024
Das Geheimnis der Essener
Rademacher, Cay

Das Geheimnis der Essener


ausgezeichnet

»Nach ein paar Augenblicken stand ich wieder vor dem Haus des Mannes, den ich, wenn nicht für einen Freund, dann doch wenigstens für einen Vertrauten gehalten hatte. Und ich wusste nicht einmal warum.«

Rom, 95 nach Christus. Decimus Junius Juvenalis, ursprünglich aus der Provinz kommend, hat bereits einen ordentlichen Aufstieg absolviert. Noch gehört er zum Stand der Equites, träumt aber von einer weiteren Karriere als Senator. Schon oft war er bei Hofe, ist wohlhabend und lebt in einem schönen, von Sklaven gepflegten Haus in einem der besseren Wohnviertel Roms.

Nach einem ereignisreichen Besuch im Circus Maximus samt Damenbekanntschaft und Wettgewinn stolpert er über einen sterbenden Mann, offensichtlich ein Mordopfer. Und von diesem Moment an ist nichts mehr wie zuvor. Er wird von Unbekannten gejagt, keiner seiner Freunde will mehr etwas mit ihm zu tun haben und in sein Haus kommt er auch nicht mehr. Das besonders Fatale daran ist aber, dass er keine Ahnung hat, wieso ihm dies widerfährt. Es sieht so aus, als wäre er aus ihm unerfindlichen Gründen in eine kaiserliche Intrige geraten.
Juvenalis sieht nur eine Chance für sich: Er muss herausbekommen, wer der Tote war und weshalb er sterben musste. Eine schwierige und lebensgefährliche Aufgabe, denn gleichzeitig darf er den unbekannten Jägern nicht in die Hände fallen…

Ich habe schon einige Bücher des Autors gelesen und auch mit diesem hier konnte er mich wieder begeistern. Die Atmosphäre ist stimmig, die römische Kulisse so treffend beschrieben, dass ich alles deutlich vor mir sah. Besonderen Reiz bekommt die Handlung durch die umfassenden Möglichkeiten des Kaisers, das Leben anderer Menschen nach Belieben durcheinanderzuwirbeln. Juvenalis kämpft nicht nur gegen unbekannte Gegner, der eigentliche reiche Mann ist auf seiner Flucht bald mittellos und muss sich neben allem anderen auch noch Gedanken um Nahrung und Obdach machen.
Interessant ist auch, dass ihn seine Ermittlungen über Pompeji und Alexandria bis hin nach Jerusalem führen. Er macht die Bekanntschaft von Christen und Essenern und muss sich immer wieder neuen Gefahren und Herausforderungen stellen. All das ist spannend geschrieben, lediglich einige theologische Diskussionen empfand ich als zu lang.

Die Hardcover-Ausgabe erschien unter dem Titel „Das Geheimnis der Essener“, das Taschenbuch jedoch unter „Mord im Circus Maximus“.

Fazit: Wieder ein gelungenes Buch des Autors. Tolle Kulisse und eine spannende Handlung!

Bewertung vom 21.04.2024
Totgeglaubte leben länger / Tempe Brennan Bd.8
Reichs, Kathy

Totgeglaubte leben länger / Tempe Brennan Bd.8


gut

»Auf der Rückfahrt nach Montreal wurde meine Angst immer stärker. Was hatte Jake über das Skelett gesagt, das M. mir gegeben hatte? Seine Entdeckung könnte explosiv sein.«

Es beginnt wie ein ganz normaler Fall für Dr. Temperance Brennan, der vermeintliche Selbstmord eines jüdisch-orthodoxen Importeurs wird von ihr als Mord erkannt. Richtig verzwickt wird es, als ein Fremder ihr ein Foto zusteckt, das ein uraltes Skelett zeigt und erklärt, dass dieses Foto den Grund für das Verbrechen zeigt. Die neugierig gewordene Tempe folgt der Spur des Fotos nach Israel und gerät dort in eine lebensgefährliche Auseinandersetzung rund um ein sehr altes Geheimnis…

Eigentlich mag ich diese Reihe, die Bände 1-6 haben mich begeistert und obwohl ich Band 7 als schwächer angesehen hatte, war ich optimistisch mit diesem achten Band gestartet. Leider konnte mich der aber auch nicht in gewohnter Weise fesseln.

Woran lag das? Ich fand es wie immer faszinierend, was aus uralten Knochenresten herausgefunden werden kann. Ich lese auch sehr gerne die Ausführungen zu den entsprechenden Untersuchungsmethoden und geschichtliche Hintergründe mag ich ebenfalls. Tempe ist wieder mit vollem Einsatz dabei und an spannenden Szenen mangelt es ebenfalls nicht.
Nachdem ich einen Tag darüber nachgedacht habe, komme ich zu dem Schluss, dass es für mich der falsche Zeitpunkt für dieses Buch war. Ich mag einfach aktuell weder über Konflikte in Israel noch allgemein über Religionskonflikte lesen. Realismus ist ein Punkt, der mir gewöhnlich sehr wichtig ist, aber hier hätte ich mir gewünscht, das hohe Maß an Realismus nicht so deutlich zu erkennen.

Fazit: Zu einem anderen Zeitpunkt hätte mir das Buch vermutlich besser gefallen. Spannend und historisch sehr interessant, aber die zahlreichen Konflikte wirkten auf mich zu realistisch.

Bewertung vom 14.04.2024
Neues vom irischen Landarzt / Der irische Landarzt Bd.2
Taylor, Patrick

Neues vom irischen Landarzt / Der irische Landarzt Bd.2


ausgezeichnet

»Ich glaube, wir müssen besprechen, was das für deine weitere Arbeit hier bei mir bedeutet. Du hast ja gehört, dass Gerüchte sich hier wie ein Lauffeuer ausbreiten.«

Ballybuckleboo, ein winziger (fiktiver) Ort in Nordirland im August 1964. Hier ist die Welt noch in Ordnung, das Leben ist friedlich, die Bewohner stehen einander bei und selbst die sonst allgegenwärtigen Religionskonflikte haben hier keine Chance. Allerdings wird auch gern und viel getratscht und als ein Patient des jungen Barry Laverty, angestellt in der Praxis des alteingesessenen Hausarztes Dr. O’Reilly, überraschend stirbt, verbreitet die Witwe, dass Barry den Tod ihres Mannes zu verantworten hat. In kürzester Zeit weiß der ganze Ort von dem vermeintlichen Kunstfehler und Barry steht vor der schwierigen Aufgabe, verlorenes Vertrauen wieder zurückzugewinnen.

Was für eine tolle Reihe! Leider habe ich mit diesem Band alle drei auf Deutsch übersetzten Bände gelesen. Ich mag die Charaktere, O’Reilly ist zwar auf den ersten Blick ein lauter, arrogant und egoistisch wirkender Mensch, hinter seiner exzentrischen Fassade verbirgt sich aber ein mitfühlender und engagierter Arzt. Ein Patient, der ihn am Sonntag rausklingelt, wird zunächst einmal tüchtig zusammengefaltet aber anschließend vorbildlich versorgt. Wenn es drauf ankommt, kann man sich auf ihn verlassen und das weiß auch Barry. Es fehlt ihm noch an Erfahrung, aber er ist ein wirklich guter Arzt und ein freundlicher Mensch. Gerne habe ich seine Anstrengungen verfolgt, das den zweifelnden Menschen im Ort begreiflich zu machen.

Ich finde es auch spannend zu verfolgen, wie sich die Landärzte bei der Diagnose und Behandlung ihrer Patienten schlagen. Die Medizin war natürlich zu Beginn der 60er Jahre noch auf einem ganz anderen Stand, zudem fehlt es einem Arzt auf dem Land schlicht an technischen Möglichkeiten. Als Ausgleich kennt er aber seine Patienten viel besser und weiß um beispielsweise familiäre oder berufliche Belastungen, die die Gesundheit arg beeinträchtigen können.

Haushälterin Kinky ist eine Seele von Mensch und sorgt mit ihrer robusten Art immer wieder für unterhaltsame Momente. Daneben gibt es nette Running Gags, wie zum Beispiel den Hund O’Reillys, der vor lauter Liebe ständig Barrys Hosen ruiniert. In der Summe ergibt das für mich ein richtig schönes Wohlfühlbuch, das ich hochzufrieden zuklappe.

Fazit: Wie schade, dass es von dieser Reihe nur drei Bände auf Deutsch gibt! Ich war wieder sehr gerne in Ballybuckleboo!

Bewertung vom 14.04.2024
Mord auf dem Friedhof / Miss Merkel Bd.2
Safier, David

Mord auf dem Friedhof / Miss Merkel Bd.2


sehr gut

»Angela fragte sich, ob es nicht ihre verdammte Bürgerpflicht wäre, möglichst schnell auf dem Revier aufzuschlagen, Hannemann beiseitezunehmen und ihm alles zu erzählen. Doch was sollte das bringen? Dieser Polizist würde den Fall nie im Leben lösen. Nur eine Person in ganz Klein-Freudenstadt war dazu in der Lage. Die Stunde von Miss Merkel war gekommen!«

Das Rentnerleben in Klein-Freudenstadt fing bereits an, recht eintönig zu werden. Angela ist daher nicht wirklich traurig, als sie beim Spaziergang auf dem Friedhof die eindeutig ermordete Leiche des Gärtners entdeckt. Er steckt kopfüber in der Erde, nur die Gummistiefel schauen noch raus. Auf der Liste der Verdächtigen stehen zwei verfeindete Bestatter-Familien ganz oben und da sie die Ermittlungen unmöglich der Polizei überlassen kann, stürzt sich Angela in die Arbeit. Dabei gerät sie in einen unerwarteten Konflikt, denn das verwitwete Oberhaupt einer Familie teilt nicht nur ihre Begeisterung für Shakespeare, sondern sieht auch noch gut aus und ist höchst charmant...

Nachdem mich der erste Band der Reihe begeistert hatte, wollte ich gleich weiterlesen. Erneut wurde ich wunderbar unterhalten und auch die Krimihandlung war nicht ohne. Es bleibt nicht bei einem Mord und die Ermittlungen gestalten sich ziemlich knifflig. Gefährlich wird es zudem, sogar für Mops Pupsi! Besonders amüsant war es aber, die leicht verliebte Ex-Kanzlerin zu erleben. Wird sie ihrem Puffel untreu werden?

Ich habe sie ja nie gewählt, aber als Detektivin mag ich sie. Allerdings profitiert sie auch von einem selten dämlichen Chefermittler der Polizei, der umgeben ist von ähnlich unterbelichteten Mitarbeitern. In dieser Ausprägung schon ziemlich unrealistisch, aber auch unterhaltsam. Gestört hat mich allerdings, dass die Obstverkäuferin des Ortes, die gleichzeitig stellvertretende Kreisvorsitzende der AfD ist, hier ein paar positive Ansätze erkennen lässt. Erstens halte ich das nun für komplett unrealistisch und zweitens möchte ich nicht zwanghaft bei einem negativ besetzten Charakter irgendwelche positiven Entwicklungen feststellen.

Fazit: Sehr unterhaltsamer Krimi, ich werde auch den nächsten Band lesen.

»Auf diesem Friedhof liegen anscheinend ein paar Leichen im Keller.«

Bewertung vom 28.03.2024
Tod eines Spitzels
Sturm, Andreas M.

Tod eines Spitzels


ausgezeichnet

»Der Major wird sich schön bedanken, wenn wir ihn mitten in der Nacht anrufen. Hat das nicht noch die paar Stunden Zeit?«
»Wenn du wüsstest, wer da liegt, würdest du nicht fragen.«

Dresden, im März 1984. Oberleutnant Uwe Friedrich von der Volkspolizei hat gleich erkannt, dass der Tote, den sie mitten in der Nacht auf offener Straße erschlagen vorgefunden haben, niemand geringeres ist als ein Hauptmann der Stasi. In der Vergangenheit hatte er bereits mit ihm zu tun – Erlebnisse, an die Uwe nicht gern zurückdenkt.

So ist er auch zunächst erleichtert, dass das Ministerium für Staatssicherheit die Ermittlungen übernimmt. Doch der jetzt zuständige Oberst Buchmann muss zu seinem Entsetzen feststellen, dass eigene Leute in den Mord verwickelt sein könnten. So verpflichtet er Uwe als externen Ermittler im Sonderauftrag mit Geheimhaltungspflicht, nur an ihn persönlich darf Bericht erstattet werden.
Uwe hat keine Wahl, er muss dem Befehl folgen. Äußerst widerwillig und mit großer Sorge, was ihm oder seiner kritischen Freundin Sabine bei einem Misserfolg drohen könnte. Ohnehin würde er sich lieber an der Suche nach dem Mann beteiligen, der Sabine abends überfiel. Nur knapp entging sie einer Vergewaltigung! Die Ermittlung übernimmt nun eine junge Kollegin unter tatkräftiger Mitarbeit von Sabine, die mithelfen will, andere Frauen vor einem noch schlimmeren Erlebnis zu bewahren.

Der dritte Fall für den Volkspolizisten Uwe Friedrich, ich war schon von den Vorgängerbänden begeistert und wurde auch diesmal nicht enttäuscht. Bereits die beiden zentralen Verbrechen, der Mord an dem Stasi-Hauptmann und der brutale Überfall auf Sabine sind hochspannend, dazu kommt aber noch der Fall eines vermissten Jungen, bei dem ebenfalls von einem Verbrechen ausgegangen werden muss. Gibt es womöglich Zusammenhänge? Ich mochte das Buch gar nicht aus der Hand legen.
Dem Autor ist es gelungen, all dies so gut und stimmig in die Gesamthandlung einzubetten, dass nichts zu kurz kommt und nichts überfrachtet ist. Die Spannung bleibt hoch und alle Handlungsstränge werden schlüssig aufgelöst.

Eine besondere Brisanz ergibt sich zudem durch den Schauplatz. Der Autor hat sein ganzes Leben in Dresden verbracht und kann seine Erfahrungen und Kenntnisse in einer intensiven und dichten Atmosphäre einbringen. Ich hingegen bin im Westen aufgewachsen und mag mir gar nicht vorstellen, wie man in einer solchen Welt voller Misstrauen leben konnte. Wenn der Oberst der Stasi darauf besteht, dass Uwe für eine Kontaktaufnahme zu ihm ausschließlich öffentliche Münztelefone benutzen darf, denkt man sich unwillkürlich sein Teil.
Wie auch bei den Vorgängerbänden findet sich im Anhang ein hilfreiches Glossar zahlreicher DDR-typischer Begriffe und Abkürzungen.

Das Privatleben von Uwe und Sabine findet diesmal nur am Rand statt, den beiden fehlt schlicht die Zeit vor lauter Ermittlungsarbeit. Beide sind mir in ihrer ehrlichen und mutigen Art richtig ans Herz gewachsen. Für das Verständnis dieses Buchs ist es nicht notwendig, die Vorgänger zu kennen.

Fazit: Der schwierigste Fall für Uwe Friedrich, ich bin begeistert! Hochspannend und mit sehr intensiver Atmosphäre.

Bewertung vom 27.03.2024
Der Ruf des Kuckucks / Cormoran Strike Bd.1
Galbraith, Robert

Der Ruf des Kuckucks / Cormoran Strike Bd.1


gut

»Das Doppelte. Das war das K.o. für Strikes sonst so felsenfestes und unbeugsames, aber durch wiederholte Schicksalsschläge angezähltes Gewissen. Sein innerer Schweinehund hingegen vergnügte sich bereits mit fröhlichen Spekulationen: Ein Monat in Bristows Diensten, und er könnte die Aushilfe und einen Teil der ausstehenden Miete bezahlen. Zwei Monate, und er wäre die dringendsten Schulden los… Drei Monate, und das überzogene Konto wäre so gut wie ausgeglichen… Vier Monate…«

Privatdetektiv Cormoran Strike hat eigentlich Prinzipien und nimmt keine Aufträge an, die er als aussichtslos ansieht. So viel Anstand hat seine finanzielle Situation allerdings schwer erschüttert und der vor ihm sitzende John Bristow ist nicht nur ein reicher Mann, sondern auch felsenfest davon überzeugt, dass seine Schwester, das berühmte Model Lula Landry, nicht wie von der Polizei abschließend festgestellt Selbstmord begangen hat, sondern ermordet wurde.
Strike macht sich also an die Arbeit. Anfangs ist er davon überzeugt, dass die Polizei gründlich ermittelt hat, doch dann stößt er doch auf Ungereimtheiten, interessant und erschreckend zugleich…

Auf das Buch wurde ich aufmerksam, weil ich ein großer Fan der Harry-Potter-Reihe bin und nun mal sehen wollte, wie J.K. Rowling (Robert Galbraith ist ihr Pseudonym) einen Krimi umsetzt. Durchgehend überzeugen konnte sie mich hier leider nicht.
Trotz der eigentlich sehr interessanten Handlung empfand ich einige Abschnitte als zäh und langatmig. Vielleicht hat es am Umfang gelegen. Frau Rowling ist es gewohnt, sehr viel zu schreiben, aber was bei Harry Potter gut passt, passt nicht automatisch auch auf einen Krimi. Ich lese gern und viel Krimis, mag auch präzise Beschreibungen der Ermittlungsarbeiten, aber hier hätten ein paar Kürzungen dem Buch gutgetan.

Was mich auch nicht so begeisterte, war der Protagonist selbst. Das liegt allerdings daran, dass ich diesen Typ heruntergekommener Ermittler, privat und beruflich verkorkst, nicht so mag. Stimmig und rund beschrieben war sein Charakter allerdings. Und Strikes Aushilfe Robin Ellacott habe ich gleich ins Herz geschlossen. Eine tolle und starke Frau, ohne die er an mehr als einer Stelle aufgeschmissen gewesen wäre.

Abgesehen von diesen Kritikpunkten empfand ich die Handlung als gelungen und gut und schlüssig umgesetzt. Im letzten Drittel kam dazu ordentlich Spannung auf, das hat mir gefallen und mich mit zähen früheren Phasen ein wenig versöhnt. Ich denke, ich werde noch einem weiteren Band der Reihe eine Chance geben.

Fazit: Interessanter Krimi, an einigen Stellen aber ein wenig zäh, so dass er mich nicht durchgehend überzeugen konnte.