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Bücherfreundin

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Insgesamt 302 Bewertungen
Bewertung vom 12.12.2024
Paddy Clarke Ha Ha Ha
Doyle, Roddy

Paddy Clarke Ha Ha Ha


sehr gut

Bewegender Roman über eine Kindheit in Irland
Der GOYA Verlag hat den Roman "Paddy Clarke Ha Ha Ha" des irischen Schriftstellers Roddy Doyle in neuer Übersetzung veröffentlicht. Der Autor wurde für sein Buch, das bereits 1993 im Original erschienen ist, mit dem renommierten Booker Prize ausgezeichnet.

Im Mittelpunkt der Geschichte steht der 10-jährige Paddy Clarke, der gemeinsam mit seinem Bruder Francis, den er Sinbad nennt, und den beiden Schwestern im Irland der 60iger Jahre aufwächst. Die Eltern leben mit ihren Kindern in einem kleinen Einfamilienhaus in Barrytown, einem Vorort von Dublin. Paddy und sein bester Freund Kevin gehören einer Clique an, die Fußball spielt, durch die Stadt zieht und nicht nur viele Streiche spielt, sondern auch vor Ladendiebstählen und Brandstiftung nicht zurückschreckt.

Wir lesen keine fortlaufende und zusammenhängende Handlung, sondern recht kurze Abschnitte über Paddys Alltag in der Familie, der Schule und in seiner Freizeit. Es hat mir gut gefallen, dass das Buch in der Ich-Form erzählt ist. Dadurch erleben wir Paddys Leben hautnah aus Sicht und in der Sprache eines Kindes. Wir folgen seinen Gedanken und lernen ihn, seine Familie und Freunde nach und nach immer besser kennen. Paddy ist ein intelligenter Junge, der beobachtet, wie sich die Welt um ihn herum verändert. Seinen kleinen Bruder ärgert und quält er gnadenlos ohne jegliches Schuldgefühl. Im Umgang mit seinen Freunden ist es ihm wichtig, mutig und hart zu sein.

Ich hatte meine Probleme mit Paddy wegen seiner Gewaltbereitschaft, seinem mangelnden Unrechtsbewusstsein und der Art, wie er Francis behandelt. Doch er beweist, dass er auch eine sensible Seite hat. Die Eheprobleme seiner Eltern entgehen ihm nicht, sie machen ihm Angst. Er leidet unter der Unberechenbarkeit des Vaters, der ihn und seinen Bruder regelmäßig verprügelt, und es schmerzt und belastet ihn, dass seine Mutter nicht glücklich ist. Sehr berührend fand ich die Szene, in der er eine ganze Nacht wach bleibt, um aufzupassen, dass nichts passiert.

Die Geschichte, in der es auch um Mobbing und Ausgrenzung geht, hat mir sehr gut gefallen. Obwohl sie teilweise recht humorvoll geschrieben ist, ist sie keine leichte Kost. Dem Autor ist es hervorragend gelungen, dem Leser mit seinem Buch die Welt eines Kindes durch dessen Augen nahezubringen. Paddy machte es mir besonders in den ersten beiden Dritteln des Buches schwer, ihn zu mögen. Den kleinen Francis dagegen hatte ich sofort in mein Herz geschlossen. Ich hatte großes Mitleid mit dem kleinen Jungen, der von Paddy so oft schikaniert wurde.

Leseempfehlung für diesen bewegenden Roman!

Bewertung vom 04.12.2024
Über allen Bergen
Goby , Valentine

Über allen Bergen


ausgezeichnet

Wunderbar erzählte Geschichte
Im Mittelpunkt von Valentine Gobys neuem Roman "Über allen Bergen" steht der 12-jährige Vadim aus Paris, der seit seiner Geburt an schwerem Asthma leidet. Klebstoffe und Lösungsmittel, die sein Vater in seinem Beruf als Schuhmacher verwendet, haben seine Krankheit so verschlimmert, dass seine Mutter entscheidet, ihren Sohn im Januar 1943 in die französischen Alpen zu schicken. Dort wird er endlich frei atmen können und vor den Schikanen, denen die jüdische Bevölkerung im besetzten Paris zunehmend ausgesetzt ist, in Sicherheit sein. Nach einer langen Zugfahrt, auf der Vadim von einer Ordensschwester begleitet wird, gelangt er nach einer anstrengenden Wanderung an sein Ziel. Von nun an wird er fern von seiner jüdisch-russischen Familie unter dem Namen Vincent Dorselles bei einer Bergbauernfamilie leben. 

In poetischer und wunderschöner Sprache schildert die Autorin Vincents Aufenthalt bei der Bauernfamilie, die aus Blanche und ihrem Ehemann Albert, dessen Zwillingsbruder Eloi und dem Großvater Louis besteht. Anfangs noch zurückhaltend und schüchtern, lebt der Junge sich bald in seiner neuen Umgebung ein. Er ist von der Bergwelt, dem Schnee und der wilden, rauen Natur verzaubert, ist fasziniert vom Wechsel der Jahreszeiten. In der 10-jährigen Moinette findet er eine Freundin, die ihm das Leben in den Bergen erklärt. 

Ich habe die ruhig erzählte Geschichte mit viel Freude gelesen und Vincent gern auf seinen Wegen begleitet. Ich mochte den wissbegierigen Jungen, und ich mochte auch seine kleine Gefährtin Moinette sowie die Bauernfamilie, die ihn mit großer Herzlichkeit aufgenommen hat. Die bildhaften Landschaftsbeschreibungen haben mich fasziniert, ebenso die Beschreibung des harten Lebens der Bergbewohner, für die Entbehrungen und Kinderarbeit zum normalen Leben gehören und die in den wenigen Sommermonaten fast rund um die Uhr arbeiten, um für die langen und eisigen Wintermonate genügend Vorräte für Mensch und Tier anzulegen.  

Das Buch, in dem es nicht nur um die Schönheit der Natur, sondern auch um Menschlichkeit und Nächstenliebe geht, hat mir sehr gut gefallen. Es hat mich von Anfang an bis zum stimmigen Ende gefesselt und tief berührt.

Absolute Leseempfehlung für alle, die ruhig erzählte Geschichten mit atmosphärischen Naturbeschreibungen lieben!

Bewertung vom 26.11.2024
Zwei in einem Leben
Nicholls, David

Zwei in einem Leben


ausgezeichnet

Warmherzige und humorvolle Geschichte
In seinem aktuellen Roman "Zwei in einem Leben" erzählt der britische Autor David Nicholls die Geschichte von Marnie und Michael, die sich durch Vermittlung einer gemeinsamen Freundin auf einer Wanderung kennenlernen.

Marnie ist 38, seit längerem geschieden und arbeitet als freiberufliche Lektorin und Korrektorin im Homeoffice. Sie liebt ihren Beruf, obwohl ihre Arbeit schlecht bezahlt wird. Marnie fühlt sich einsam, nachdem ihre Freunde nach und nach weniger wurden. Sie heirateten, wurden Eltern oder zogen fort, während Marnie in London blieb. Sie hat keine Langeweile, weiß sich zu beschäftigen, aber die sozialen Kontakte fehlen ihr.
Der 42-jährige Michael ist leidenschaftlicher und engagierter Erdkundelehrer. Nachdem seine Ehefrau Natasha ihn verlassen hat, wohnt er allein im Reihenhaus und macht während seiner Freizeit lange Wandertouren, um sich von seinen Problemen abzulenken und zur Ruhe zu kommen.

Cleo, eine gemeinsame Freundin von Marnie und Michael, lädt die beiden zu einer mehrtägigen Wanderung ein. Widerstrebend nehmen beide die Einladung an. Neben Cleo, Marnie und Michael werden Cleos 13-jähriger Sohn Anthony sowie Conrad, ein befreundeter Apotheker, dabei sein. Die Wanderung kann beginnen, die Hotels für die Übernachtungen sind gebucht, doch starker Regen sorgt dafür, dass Conrad, Cleo und ihr Sohn die Tour bereits am zweiten Tag abbrechen und abreisen. Nur Michael und Marnie, die anfangs dem Wandern sehr skeptisch gegenüberstand, trotzen dem schlechten Wetter und bewältigen ihre Etappen, die Marnie viel abverlangen und sie immer wieder an ihre Grenzen stoßen lassen.

Das Buch ist in schöner Sprache mit viel britischem Humor geschrieben und liest sich sehr flüssig. Es hat mir viel Freude bereitet, Marnie und Michael auf ihrer langen Wanderung zu begleiten. Die beiden erzählen einander von ihrem Leben, ihren Ehen, ihrer Kindheit und ihren Eltern. Michael, der eigentlich lieber allein wandert, findet zunehmend Gefallen an den Unterhaltungen mit Marnie und vertraut ihr sogar ein traumatisches Ereignis an, das ihn immer noch belastet. 

Mir hat die ruhig erzählte Geschichte von Beginn an bis zu ihrem stimmigen Ende sehr gut gefallen. Sie ist klug, warmherzig und melancholisch, dabei vollkommen kitschfrei und ohne Rührseligkeiten. Die authentischen Charaktere sind sehr liebevoll gezeichnet, und wir erhalten einen intensiven Einblick in die Gefühls- und Gedankenwelt der Protagonisten. Ich mochte Marnie und Michael, die von ihren Träumen und Enttäuschungen erzählen und sich durch tiefgründige Gespräche ganz behutsam einander annähern. 
Die einzelnen Etappen der Wanderung werden durch Karten anschaulich dargestellt, die schönen und poetischen Landschaftsbeschreibungen sind faszinierend und mitreißend. Ich kann mir vorstellen, dass die Beschreibung der Wanderroute von der West- bis zur Ostküste Englands mit ihren zahlreichen Herausforderungen manchen Leser zum Wandern animieren wird. 

Absolute Leseempfehlung für diesen schönen und bewegenden Roman mit Tiefgang!

Bewertung vom 21.11.2024
Blue Sisters
Mellors, Coco

Blue Sisters


sehr gut

Berührende und fesselnde Geschichte
Im Mittelpunkt von "Blue Sisters", dem neuen Roman von Coco Mellors, stehen drei sehr unterschiedliche Schwestern, die sich ein Jahr nach dem Tod der vierten Schwester im Elternhaus in New York treffen, um dessen Verkauf zu verhindern.

Die Älteste der Schwestern ist Avery. Die 33-Jährige hat ein photographisches Gedächtnis und war lange heroinsüchtig. Inzwischen arbeitet sie als Rechtsanwältin, ihre Frau Chiti ist 7 Jahre älter und Psychotherapeutin.
Bonnie ist 2 Jahre jünger als Avery. Bereits mit 15 Jahren fing sie mit dem Boxen an und wurde Profiboxerin. Nach einer sportlichen Niederlage arbeitet sie in einer Bar als Türsteherin.
Die Jüngste ist Lucky. Sie ist 26, lebt in Paris, ist äußerst attraktiv und arbeitet als international erfolgreiches Model, seit sie 14 Jahre alt ist. Alkohol und Drogen sind ihre ständigen Begleiter.
Jede Schwester trauert auf ihre eigene Weise um die sensible Nicky, die an Endometriose litt und mit 27 Jahren tot aufgefunden wurde.

Die Geschichte ist in schöner Sprache erzählt und liest sich sehr flüssig. Die interessanten Charaktere sind sehr bildhaft gezeichnet, die Kapitel werden abwechselnd aus der Perspektive von Avery, Bonnie und Lucky erzählt. Das ermöglicht dem Leser einen intensiven Einblick in die Gefühls- und Gedankenwelt der Frauen. Die Lebensgeschichten der Schwestern sind sehr berührend, ich habe mit ihnen gefühlt und gelitten. Ich konnte nicht verstehen, dass die Mutter der Mädchen sich so intensiv um ihren alkoholkranken Mann kümmert, dass sie ihre Töchter darüber vernachlässigt. Avery wird dadurch bereits als Kind in die Mutterrolle gedrängt und fühlt sich für ihre Schwestern verantwortlich, während sie selbst mütterliche Liebe schmerzlich vermisst. Meine Lieblingsfigur war die mutige Bonnie, die ihre Erfüllung im Sport findet und für Lucky da ist, als diese sich in einer Notlage befindet.

Ich habe das Buch über Familie, Schwesternschaft und Liebe, Verlust und Trauer sehr gern gelesen, es hat mich gefesselt, erschüttert und tief berührt. Die Themen Drogen- und Alkoholmissbrauch nehmen meiner Meinung nach etwas zu viel Raum ein, während das Verhältnis der Schwestern zu den Eltern durchaus etwas ausführlicher hätte beschrieben werden können. Auch über Nicky hätte ich gern mehr gelesen. Das Ende des Buches hat mich enttäuscht, es driftete leider ins Kitschige und Unrealistische ab.

Trotz meiner Kritikpunkte vergebe ich gern 4 Sterne.

Bewertung vom 19.11.2024
Sei schnell wie der Wind! / Retter der Drachen Bd.1
Stütze, Annett;Vorbach, Britta

Sei schnell wie der Wind! / Retter der Drachen Bd.1


ausgezeichnet

Spannendes Drachenabenteuer
In "Retter der Drachen - Sei schnell wie der Wind!" erzählt das Autorinnen-Duo Annett Stütze und Britta Vorbach die Geschichte des kleinen Drachen Avindur. Das Buch bildet den Auftakt zu einer neuen Kinderbuchreihe des Verlages arsEdition.

Lea ist gerade mit ihren Eltern nach Drachenfels gezogen und radelt zum Bäcker, um Brötchen zu kaufen. Als sie den Heimweg antreten will, tritt ihr aus einem Licht eine Frau entgegen, die so schön wie eine Elfe ist. Sie heißt Francesca Nebula und bittet Lea, ein leuchtendes Drachenei zu hüten. Wenn der Drache geschlüpft ist, soll sie ihm dabei helfen, sich in der Welt zurechtzufinden. Der Kleine kann nicht bei seinen Dracheneltern bleiben, weil ihm im Drachenreich große Gefahr droht. Der böse 13. Drache will die Macht über alle Drachen haben und würde den Kleinen sofort töten. Lea schwört, dem Drachen eine gute Freundin zu sein und nimmt das Drachenei mit nach Hause. Schon am Abend ist es soweit - der kleine Drache Avindur schlüpft aus dem Ei, und Lea muss nun herausfinden, was er frisst und ob er es gern warm hat. Nicht nur für Lea beginnt nun eine abenteuerliche Zeit.

Das Buch mit dem auffallend schönen und liebevoll gestalteten Cover richtet sich an Kinder ab etwa 7 Jahren und ist in altersgerechter Sprache erzählt. Die Schrift ist groß, die Sätze sind kurz, was kleine Leseanfänger dazu animieren wird, die Geschichte selbst zu lesen. Sie eignet sich aber auch hervorragend zum Vorlesen für Vorschulkinder. Die Texte sind ergänzt durch zauberhafte bunte Illustrationen von Stefanie Klaßen.

Es ist sehr spannend, Lea, ihre Freunde Julie und Nick und den munteren Drachen Avindur zu begleiten, der nur von seinen Freunden gesehen werden kann. Das Buch, in dem es nicht nur um lustige und spannende Abenteuer geht, sondern auch um Freundschaft und Hilfsbereitschaft, Mut, Magie und Selbstvertrauen, wird alle kleinen Drachenfans begeistern.

Im Februar 2025 erscheint mit "Retter der Drachen - Erwecke das Feuer!" der zweite Band der abenteuerlichen Reihe um den Drachen Avindur.
Absolute Lese- und Vorleseempfehlung! 

Bewertung vom 15.11.2024
Die vorletzte Frau
Oskamp, Katja

Die vorletzte Frau


ausgezeichnet

Eine außergewöhnliche Liebe
In ihrem neuen autobiographischen Roman "Die vorletzte Frau" erzählt Katja Oskamp die Geschichte ihrer Liebe zu einem berühmten Schweizer Schriftsteller.

Die Ich-Erzählerin Katja ist 30 Jahre alt und nicht mehr glücklich mit ihrem Ehemann, einem holländischen Generalmusikdirektor, mit dem sie eine kleine Tochter, Paula, hat. An einem Leipziger Institut, an dem sie Theaterwissenschaften studiert, begegnet sie in einem Dramatik-Seminar dem 49-jährigen Schweizer Schriftsteller Tosch. Die beiden sind fasziniert voneinander und beginnen eine stürmische Liebesbeziehung voller Leidenschaft. Da sie einen unterschiedlichen Lebensrhythmus haben, treffen sie sich meistens nur an den Wochenenden. Die Beziehung verändert sich und wird zum Ausnahmezustand, als Tosch schwer erkrankt und Katja immer mehr zu seiner Pflegerin wird ....

Mit sehr viel Offenheit und stellenweise auch viel Humor beschreibt die Autorin ihre außergewöhnliche Beziehung zu Tosch, der bereits bei ihrem Kennenlernen ein gefeierter Star in der Literaturszene ist. Er hilft ihr beim Schreiben, korrigiert ihre Entwürfe und überarbeitet ihre Texte. Katja Oskamp gewährt dem Leser Einblicke in ihren Alltag mit Tosch und verschweigt auch nicht die persönlichen Eigenarten ihres stark ich-bezogenen Partners. Die beiden verbringen viele intensive Jahre, am Ende entfernen sie sich - bedingt durch Toschs Krankheit - langsam voneinander. 
 
Die Autorin erzählt viel Persönliches und Intimes aus der gemeisamen Zeit und geht dabei auch sehr detailliert auf Toschs zahlreiche gesundheitliche Probleme ein. Damit überschreitet sie meiner Meinung nach bisweilen die Grenzen des guten Geschmacks. Laut Wikipedia erklärte sich der Schriftsteller, der im Buch "Tosch" heißt, "mit der Publikation dieses Schlüsselromans über ein Paar mit einem Altersunterschied von 19 Jahren ungefragt explizit einverstanden".

Das fesselnde Buch ist in beeindruckender Sprache geschrieben und liest sich sehr flüssig. Die Protagonisten sind hervorragend gezeichnet. Ich habe die Geschichte über eine große und schmerzliche Liebe, Leidenschaft, Alter, Krankheit und Literatur sehr gern gelesen und mit der Autorin mitgefühlt und mitgelitten, als sie immer mehr zur Pflegerin ihres Lebensmenschen wurde und sich dadurch ihre Beziehung zunehmend veränderte und letztlich scheiterte.

Leseempfehlung für diesen großartigen und berührenden Roman! 

Bewertung vom 13.11.2024
Aufbruch ins Freie
Vogel, Francie

Aufbruch ins Freie


ausgezeichnet

Packende Abenteuer einer mutigen Grenzgängerin
Der österreichische Tyrolia Verlag hat "Aufbruch ins Freie - Meine wilden Bergabenteuer zu Fuß, mit Rad, Ski - und Hund" der Autorin Francie Vogel veröffentlicht. Das Taschenbuch ist sehr liebevoll und hochwertig gestaltet und enthält zahlreiche Farbfotos, die Francies Reisen anschaulich dokumentieren.

Als Francie mit ihrem Kommilitonen Markus ins Tierheim geht, um einen Hund auszuführen, ahnt sie noch nicht, dass dieser Besuch ihr Leben verändern wird. Diesmal führt sie den drei Jahre alten Belgischen Schäferhund-Mischling Mexx aus, einen Hund mit Maulkorb, der von seinem Vorbesitzer geschlagen wurde. Nach Wochen des intensiven Kennenlernens nimmt Francie ihren neuen Freund, in dem sie einen Seelenverwandten sieht, mit auf die ersten Trekkingtour. Maxx büxt am Nachmittag aus, um später freiwillig zu ihr ins Zelt zurückzukehren.

Die Kindheit der Autorin ist schwierig, ihre Eltern trennen sich früh. Sie fängt mit dem Boxen an, als sie 13 Jahre alt ist, das gibt ihr Bestätigung. Mit 15 macht sie auf Skiern ihre erste Tour im Erzgebirge. Sie ist schlecht ausgestattet, Ziel ist ein 15 km entfernter Bauwagen. Doch dieser ist verschlossen, und sie muss bei minus 25 Grad die Nacht frierend auf einem Hochstand verbringen. Diesem ersten Abenteuer sollen noch viele weitere folgen, von nun an flüchtet sie häufig in die Natur.

Nach dem Abitur, mit 18 Jahren, erfüllt Francie sich ihren Traum, mit dem Rad nach Marokko zu fahren. Damals ist sie noch hundelos, ihr Begleiter wird Eric, ein junger Student. Auch für ihn ist es die erste große Fahrradreise. Eigentlich will er nur nach Venedig, und sie einigen sich darauf, dass sie über Venedig nach Marokko reisen. Ein dreimonatiges Abenteuer beginnt ....

Es hat mir sehr viel Freude gemacht, Francie und ihren treuen Begleiter Mexx auf zahlreichen Touren zu begleiten. Sie erleben viele Abenteuer, teilweise bei extremen Wetterlagen, und sie geraten häufig in gefährliche Situationen. Francie stößt dabei immer wieder an ihre physischen und psychischen Grenzen. Mexx ist ihr auf ihren Extremtouren nicht nur Gesellschaft, er gibt ihr auch Sicherheit und oftmals Trost. Auf ihren Reisen begegnet sie neben Einheimischen immer wieder interessanten Menschen, die wie sie das Abenteuer und neue Herausforderungen suchen.

Das Buch hat mich gefesselt und fasziniert, es ist in schöner Sprache geschrieben und liest sich sehr flüssig. Francie schildert ihre Erlebnisse so spannend und lebendig, dass ich oft das Gefühl hatte, dabei zu sein. Ich habe beim Lesen aber auch häufig die Luft angehalten und mich gefragt, ob alles gut ausgehen wird. Es hat mir gut gefallen, dass Francie uns in ihrem Buch auch Einblicke in ihr Privatleben und ihre Gedanken- und Gefühlswelt gewährt.

Leseempfehlung für alle, die gern Bücher über mutige Grenzgänger lesen oder sogar selbst planen, auf Abenteuerreisen zu gehen!

Bewertung vom 12.11.2024
Gefährliche Betrachtungen
Eckardt, Tilo

Gefährliche Betrachtungen


sehr gut

Der Dichter und der Übersetzer
Anlässlich des 150. Geburtstages von Thomas Mann hat der deutsch-schweizerische Autor Tilo Eckardt diesem ein besonderes Denkmal gesetzt. In seinem historischen Kriminalroman "Gefährliche Betrachtungen" lässt er den Literatur-Nobelpreisträger auf eine ganz neue Art lebendig werden. 

Wir schreiben das Jahr 1930: Im ostpreußischen Fischerdorf Nidden, einem Kurort auf der Kurischen Nehrung, hat sich der Ich-Erzähler Žydrūnas Miuleris in einer kleinen Pension eingemietet. Der 20-jährige Student und Übersetzer aus Litauen hofft, in Nidden Thomas Mann kennenzulernen, da es  sein großer Wunsch ist, dessen Welterfolg "Buddenbrooks" ins Litauische übersetzen zu dürfen. Der Zufall will es, dass der junge Mann sich gerade in der Nähe des Strandkorbs von Thomas Mann befindet, als diesem durch einen Windstoß mehrere Blätter einer politischen Rede, an der er gerade schreibt, davonwehen. Žydrūnas gelingt es, drei Seiten des Manuskripts zu retten und sie dem Eigentümer zurückzubringen. Da er über ein photographisches Gedächtnis verfügt, kann er sich binnen Sekunden den Inhalt der Seiten einprägen. Später fertigt er davon eine Abschrift an.

Der Schriftsteller und der junge Übersetzer, den Thomas Mann nach dem Vorstellen nur noch Müller nennt, weil das die deutsche Version seines litauischen Nachnamens ist, treffen sich am nächsten Tag zu einem Spaziergang wieder, und Žydrūnas muss beichten, dass ihm die Seiten mit dem brisanten Inhalt am Vorabend im Wirtshaus abhanden gekommen sind. Thomas Mann ist verärgert und sorgt sich, dass die Seiten in falsche Hände geraten könnten. Der Dichter und Müller begeben sich auf die Suche ....

Die Geschichte ist in der Sprache der damaligen Zeit und mit viel feinem Humor geschrieben, sie liest sich sehr flüssig. Es hat mir Freude bereitet, die beiden "Ermittler" zu begleiten, deren Suche sich nicht gerade einfach gestaltet. Sie folgen falschen Fährten, und schon bald ergeben sich neue Fragen und Probleme, als eine Person verschwindet und ein Unbefugter sich anscheinend Zutritt zu Thomas Manns Arbeitszimmer verschafft hat. 

Die Region ist ganz wunderbar und atmosphärisch beschrieben, ich konnte mir Nidden und seine Umgebung sehr gut vorstellen. Seine Protagonisten hat der Autor sehr treffend skizziert: Thomas Mann mit seinen vielen Eigenarten, den jungen und naiven Žydrūnas, der sich als eher ungeschickter Ermittler entpuppt, aber auch die Pensionswirtin mit ihrer etwas aufdringlichen, dabei aber mütterlichen Art. Ich fand es spannend, einen Einblick in den Ferienalltag der Familie Mann zu erhalten, und mir gefielen die Passagen, in denen der Autor den inzwischen 100-jährigen Žydrūnas zu Wort kommen lässt.

Auch wenn ich die eigentliche Krimihandlung nur mäßig spannend fand, so hat mir das Buch doch sehr gut gefallen. Ich konnte eintauchen in die damalige Zeit, habe die schönen Naturbeschreibungen genossen und mich bestens unterhalten gefühlt!

Bewertung vom 09.11.2024
Endlich das ganze Leben
Recchia, Roberta

Endlich das ganze Leben


gut

Der Roman konnte mich leider nicht überzeugen
Der Debütroman "Endlich das ganze Leben" der italienischen Autorin Roberta Recchia wird als "Der große Familienroman und Bestseller aus Italien" beworben. Diese Aussage und der Klappentext machten mich neugierig auf das Buch. Ich freute mich auf die Lektüre, doch ich bin mit dem Roman leider nicht glücklich geworden.

Rom, fünfziger Jahre: Marisa Balestrieri arbeitet im Feinkostgeschäft ihres Vaters, als sie dort den jungen Stelvio Ansaldo kennenlernt, der sehr schnell tiefe, aber heimliche Gefühle für die junge Frau entwickelt. Denn Marisa ist mit Francesco verlobt, der seit zwei Jahren in der Schweiz als Kellner arbeitet. Als Marisa schwanger wird, verlässt Francesco sie. Nun bemüht sich Stelvio um die junge Frau, die beiden heiraten und führen eine glückliche Ehe. Sie bekommen zwei Kinder, Ettore und Elisabetta, die von allen Betta genannt wird. Als Betta 6 Jahre alt ist, erkrankt sie an Asthma, und die Familie kauft ein Haus am Meer, in dem sie von nun an die Ferien verbringt.

1980, als Betta 16 Jahre alt ist, geschieht am Strand ein furchtbares Verbrechen, von dem außer Betta auch ihre gleichaltrige Cousine Miriam, die Tochter von Marisas Schwester Emma, betroffen ist. Von einem Tag auf den anderen ist für die Familie nichts mehr, wie es einmal war ...

Die Geschichte ist in eher nüchterner Sprache erzählt und liest sich sehr flüssig. Wir begleiten die Familie über einen Zeitraum von etwa 30 Jahren und erleben ein "Davor" und "Danach". Neben Marisas und Stelvios Unfähigkeit, gemeinsam zu trauern, erleben wir auch Miriams Schmerz und die Auswirkungen, die die schreckliche Tragödie auf die junge Frau hat.

Mir hat die erste Hälfte des Buches sehr gut gefallen, sie hat mich gefesselt und berührt. Mit Miriams Begegnung mit dem Drogendealer Leo und dessen Schwester, der Transfrau Carollina, wurde die Geschichte bis zum vorhersehbaren Ende leider zunehmend kitschig und unrealistisch. Sie wurde immer mehr überladen mit schweren Themen. Es ging nicht mehr nur um Trauer und Verlust, sondern auch um Vergewaltigung und Mord, Suizid, Drogensucht, Alkoholismus, Krebs und Demenz. Das alles wurde mir schnell zu viel, aufgrund des Klappentextes hatte ich einen Roman mit Tiefgang erwartet - und hier leider nicht gefunden.

Da mir die erste Hälfte des Romans sehr gut gefallen hat, runde ich meine 2,5 Sterne auf 3 Sterne auf.

Bewertung vom 30.10.2024
Wenn nachts die Kampfhunde spazieren gehen
Brüggemann, Anna

Wenn nachts die Kampfhunde spazieren gehen


ausgezeichnet

Regina und ihre Töchter
Im Mittelpunkt von "Wenn nachts die Kampfhunde spazieren gehen", dem neuen Roman von Anna Brüggemann, stehen die 51-jährige Regina und ihre beiden Töchter Antonia und Wanda. Wir schreiben das Jahr 1998, Regina ist Psychologin, ihr Mann Edgar arbeitet in einer Baubehörde. Antonia ist 19, sie hat gerade ihr Abitur gemacht und plant, Pharmazie zu studieren. Ihre anderthalb Jahre jüngere Schwester Wanda ist nicht nur sportlich sehr aktiv, sondern auch eine begabte und zielstrebige Schülerin. Antonia ist nicht so ehrgeizig wie ihre Schwester, sie hat kein rechtes Glück in der Liebe und beneidet ihre Schwester, die einen festen Freund hat. Die Mutter hat keine innige Beziehung zu ihren Töchtern, und auch das Verhältnis der beiden zueinander ist eher schwierig.

Regina ist kurz nach Kriegsende geboren und hat gegen den Wunsch der Eltern ihr Elternhaus früh verlassen, um Psychologie zu studieren. Noch heute nimmt sie es den Eltern übel, dass sie nicht genügend gefördert wurde. Das will sie bei ihren Töchtern anders machen. Während Wanda stets bereit ist, die Ratschläge ihrer Mutter umzusetzen, zieht Antonia sich immer mehr zurück und geht ihren eigenen Weg. Ohne Wissen der Eltern ändert sie ihre Zukunftspläne und schlägt eine ganz andere Laufbahn ein, als Regina es sich vorgestellt hat. 

Die Handlung spielt über einen Zeitraum von 21 Jahren, wir erleben die Höhen und Tiefen der Familienmitglieder, ihre Sehnsüchte, Sorgen und Tragödien. Der Erzählstil und die schöne Sprache der Autorin gefallen mir sehr gut, das Buch liest sich flüssig. Anna Brüggemann beschreibt die Charaktere authentisch und bildhaft, die Entwicklung der Protagonistinnen über die Jahre ist überzeugend dargestellt. Die Unzufriedenheit der Mutter und ihre Lieblosigkeit gegenüber Edgar und ihren Töchtern kommen sehr gut zum Ausdruck, ebenso die Sehnsucht der beiden nach Anerkennung. Bei Wanda ist diese Sehnsucht so ausgeprägt, dass sie eine Essstörung entwickelt. Regina ist extrem ichbezogen, wenig empathisch, neigt zur Selbstüberschätzung, ist aufbrausend und autoritär. Ihrem Mann Edgar fühlt sie sich überlegen und findet ihn langweilig. Antonia empfindet sie als unsichtbar und kritisiert sie übertrieben streng, Wanda wird von ihr bevorzugt und akzeptiert, weil sie sich nach Reginas Wünschen entwickelt.

Ich habe das Buch sehr gern gelesen, es hat mich gefesselt und berührt. Ich hatte wenig Sympathie für Regina, die die Bedürfnisse ihrer Töchter nicht erkennt, sich dennoch für eine gute Mutter hält. Meine Lieblingsfigur war Antonia, die den Mut hat, entgegen Reginas Vorstellungen ihren eigenen Weg zu gehen.

Absolute Leseempfehlung für dieses mitreißende Buch über schwierige Mutter-Töchter-Beziehungen!