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Bücherfreundin

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Insgesamt 293 Bewertungen
Bewertung vom 30.10.2024
Wenn nachts die Kampfhunde spazieren gehen
Brüggemann, Anna

Wenn nachts die Kampfhunde spazieren gehen


ausgezeichnet

Regina und ihre Töchter
Im Mittelpunkt von "Wenn nachts die Kampfhunde spazieren gehen", dem neuen Roman von Anna Brüggemann, stehen die 51-jährige Regina und ihre beiden Töchter Antonia und Wanda. Wir schreiben das Jahr 1998, Regina ist Psychologin, ihr Mann Edgar arbeitet in einer Baubehörde. Antonia ist 19, sie hat gerade ihr Abitur gemacht und plant, Pharmazie zu studieren. Ihre anderthalb Jahre jüngere Schwester Wanda ist nicht nur sportlich sehr aktiv, sondern auch eine begabte und zielstrebige Schülerin. Antonia ist nicht so ehrgeizig wie ihre Schwester, sie hat kein rechtes Glück in der Liebe und beneidet ihre Schwester, die einen festen Freund hat. Die Mutter hat keine innige Beziehung zu ihren Töchtern, und auch das Verhältnis der beiden zueinander ist eher schwierig.

Regina ist kurz nach Kriegsende geboren und hat gegen den Wunsch der Eltern ihr Elternhaus früh verlassen, um Psychologie zu studieren. Noch heute nimmt sie es den Eltern übel, dass sie nicht genügend gefördert wurde. Das will sie bei ihren Töchtern anders machen. Während Wanda stets bereit ist, die Ratschläge ihrer Mutter umzusetzen, zieht Antonia sich immer mehr zurück und geht ihren eigenen Weg. Ohne Wissen der Eltern ändert sie ihre Zukunftspläne und schlägt eine ganz andere Laufbahn ein, als Regina es sich vorgestellt hat. 

Die Handlung spielt über einen Zeitraum von 21 Jahren, wir erleben die Höhen und Tiefen der Familienmitglieder, ihre Sehnsüchte, Sorgen und Tragödien. Der Erzählstil und die schöne Sprache der Autorin gefallen mir sehr gut, das Buch liest sich flüssig. Anna Brüggemann beschreibt die Charaktere authentisch und bildhaft, die Entwicklung der Protagonistinnen über die Jahre ist überzeugend dargestellt. Die Unzufriedenheit der Mutter und ihre Lieblosigkeit gegenüber Edgar und ihren Töchtern kommen sehr gut zum Ausdruck, ebenso die Sehnsucht der beiden nach Anerkennung. Bei Wanda ist diese Sehnsucht so ausgeprägt, dass sie eine Essstörung entwickelt. Regina ist extrem ichbezogen, wenig empathisch, neigt zur Selbstüberschätzung, ist aufbrausend und autoritär. Ihrem Mann Edgar fühlt sie sich überlegen und findet ihn langweilig. Antonia empfindet sie als unsichtbar und kritisiert sie übertrieben streng, Wanda wird von ihr bevorzugt und akzeptiert, weil sie sich nach Reginas Wünschen entwickelt.

Ich habe das Buch sehr gern gelesen, es hat mich gefesselt und berührt. Ich hatte wenig Sympathie für Regina, die die Bedürfnisse ihrer Töchter nicht erkennt, sich dennoch für eine gute Mutter hält. Meine Lieblingsfigur war Antonia, die den Mut hat, entgegen Reginas Vorstellungen ihren eigenen Weg zu gehen.

Absolute Leseempfehlung für dieses mitreißende Buch über schwierige Mutter-Töchter-Beziehungen!

Bewertung vom 27.10.2024
Die Nacht der Bärin
Mohn, Kira

Die Nacht der Bärin


ausgezeichnet

Aufwühlender Familienroman über ein wichtiges Thema
Der Roman von Kira Mohn spielt auf zwei Erzählebenen. Im Hier und Jetzt flüchtet die 26-jährige Ich-Erzählerin Jule zu ihren Eltern. Es gab einen Streit mit ihrem Freund Jasper, in dessen Verlauf dieser gewalttätig geworden ist. Jule erhofft sich, bei den Eltern zur Ruhe zu kommen und Klarheit über ihre Situation zu gewinnen. Gleich zu Beginn ihres Aufenthaltes erfährt die Familie, dass die Großmutter verstorben ist. Die Mutter hatte keinen Kontakt zu ihr, und Jule hat sie nie kennengelernt. Jules Mutter will das Haus der Großmutter entrümpeln lassen, bevor es verkauft wird, doch Jule möchte sich vorher gern das Haus und den Nachlass ansehen. Ihre Mutter beschließt, sie zu begleiten.

Auf einer zweiten Erzählebene, die in der Vergangenheit liegt, lernen wir die 8-jährige Maja und ihre 12-jährige Schwester Anna kennen. Die beiden leben mit ihren Eltern in einem Haus, dessen großes Waldgrundstück an einen See grenzt. Der Vater ist gewalttätig, regelmäßig werden die Mutter und Anna terrorisiert und schwer misshandelt. Die Mädchen, die in ständiger Angst leben, flüchten vor den häuslichen Missständen oft in den Wald, in eine Fantasiewelt mit Waldfeen und Bären.

Die Autorin erzählt die Geschichte, in der es um das zentrale Thema Häusliche Gewalt geht, sehr realistisch und mitreißend. Sie deutet das Grauen nur an und verzichtet dabei auf schockierende und reißerische Detailbeschreibungen. Die Charaktere beschreibt sie sehr authentisch und lässt uns tief in Jules, Annas und Majas Gedanken- und Gefühlswelt blicken. Wir sind Zeugen eines Familienlebens, das für die Mutter und ihre Töchter die Hölle ist, und wir müssen erkennen, dass der Mutter Kraft und Entschlossenheit fehlen, diesen schrecklichen Zustand zu beenden. In der Gegenwart erleben wir den inneren Kampf, den Jule führt. Soll sie nach drei glücklichen Jahren Jasper wirklich verlassen? Es gab doch nur den einen Vorfall, der sicher eine einmalige Entgleisung war.

Nach und nach blättert sich die Vergangenheit auf, ein gut gehütetes Familiengeheimnis wird offenbart, Gegenwart und Vergangenheit werden miteinander verwoben, alle Puzzlesteine fügen sich zu einem Ganzen. Auch die Bedeutung des Buchtitels wird klar. Das Ende ist hoffnungsvoll und lässt Raum für eigene Gedanken

Ich habe schon lange kein Buch mehr gelesen, das mir so unter die Haut gegangen ist wie "Die Nacht der Bärin". Die Geschichte hat mich zutiefst berührt, schockiert und aufgewühlt. Sie hat mich auch wütend gemacht auf all die kriminellen Täter, die ihre Opfer hinter verschlossenen Türen erniedrigen und misshandeln. Erwähnenswert ist das Nachwort der Autorin, in dem sie den schleichenden Verlauf häuslicher Gewalt beschreibt.

Absolute Leseempfehlung für dieses tiefgründige Buch über ein wichtiges Thema, das nachdenklich macht und über das leider viel zu oft geschwiegen wird!

Bewertung vom 26.10.2024
Lena Oberdorf
Dreher, Anna

Lena Oberdorf


ausgezeichnet

Packendes Fanbuch über eine Ikone des Frauenfußballs
Jedem, der den deutschen Frauenfußball verfolgt, wird der Name Lena Oberdorf ein Begriff sein. Die ehrgeizige 22-Jährige, die für den FC Bayern München und die deutsche Nationalmannschaft spielt, gilt als eine der besten Fußballerinnen in Deutschland und Europa. Anna Dreher, Sportredakteurin für die Süddeutsche Zeitung, hat ein Buch geschrieben, das uns nicht nur die Ausnahmesportlerin, sondern auch den Menschen Lena Oberdorf nahebringt. Das hochwertige und sehr liebevoll gestaltete gebundene Buch ist im Verlag Die Werkstatt, der zum Delius Klasing Verlag gehört, erschienen. Es umfasst 64 Seiten und ist in 20 Kapitel gegliedert, zahlreiche Farbfotos ergänzen die Texte.

Die Autorin beschreibt den Werdegang von Lena Oberdorf, die bereits als kleines Mädchen mit Leidenschaft Fußball spielt. Früh ist klar, dass sie in einen Fußballverein gehört. Ab ihrem vierten Lebensjahr ist sie bei den Minikickern aktiv, mit elf Jahren wechselt sie in die D-Jugend des TSG Sprockhövel. Dort ist sie das einzige Mädchen unter vielen Jungen. Ihr außergewöhnliches Talent bleibt dem Deutschen Fußballbund nicht lange verborgen, und so spielt sie ab ihrem 12. Lebensjahr erfolgreich in den Jugendnationalmannschaften.

Den ersten Profivertrag unterschreibt die sympathische Sportlerin bereits mit 17 Jahren und spielt fortan beim SGS Essen. 2019 debütiert sie in der Nationalmannschaft. Ein kometenhafter Aufstieg beginnt ....

Das Buch ist in schöner Sprache geschrieben, und ich fand es sehr spannend, nicht nur alles über die Stationen der Karriere von Lena Oberdorf, die Siege und Niederlagen sowie ihre fußballerischen Qualitäten zu erfahren, sondern auch die private Lena Oberdorf kennenzulernen, deren Hobby die Musik ist. Ihre Familie ist ihr Rückzugsort, dort fühlt sie sich geliebt und verstanden, dort kann sie auftanken. Es gibt in ihrer Fußballkarriere nicht nur Höhen, sondern auch Tiefen, mit denen die junge Frau umgehen muss, wie z.B. die schwere Knieverletzung im Sommer 2024, die sie die Teilnahme am olympischen Fußballturnier kostet und nach der sie sich mühsam zurückkämpfen muss.

Einen schönen Abschluss des Buches bildet das Interview, das die Autorin mit der Ausnahmesportlerin, die immer alles richtig machen will, geführt hat, und in dem diese über die Herausforderungen des Profifußballs spricht. Sie verrät außerdem, wie sie mit Erwartungen, Kritik und Rückschlägen umgeht.

Absolute Leseempfehlung nicht nur für Fans von Lena Oberdorf, sondern für alle, die sich für Fußball interessieren!

Bewertung vom 23.10.2024
Die Gräfin
Nelles, Irma

Die Gräfin


gut

Geschichte über eine couragierte Frau
Nachdem ich unlängst mit großer Begeisterung "Südfall" gelesen habe, den Roman von Florian Knöppler über einen englischen Piloten, der Ende August 1944 mit seinem Fallschirm vor der Hallig Südfall landet und dort Menschen begegnet, die ihm hilfreich zur Seite stehen, war ich sehr neugierig auf "Die Gräfin". Im Mittelpunkt des Debüts von Irma Nelles steht nicht der Pilot, sondern die Gräfin von Reventlow-Criminil, die ihn in ihr Haus aufnimmt. Ich war sehr neugierig auf die nun aus anderer Perspektive erzählte Geschichte und hatte hohe Erwartungen - doch glücklich bin ich mit dem Buch leider nicht geworden.

Diana Henriette Adelaide Charlotte Gräfin von Reventlow-Criminil lebt seit 30 Jahren an der nordfriesischen Küste. Die Sommer verbringt sie regelmäßig auf der kleinen Hallig Südfall. Sie ist bereits über 80 Jahre alt und führt seit langem ein Leben in Abgeschiedenheit und fern des glanzvollen Hochadels. Die Hallig-Gräfin, wie sie von den Bewohnern der Nachbarinseln genannt wird, beschäftigt auf ihrem Anwesen seit 8 Jahren Haustochter Meta und Knut Maschmann, der seit über 20 Jahren für sie als Kutscher und Faktotum tätig ist. Als sie im Spätsommer 1944 auf einer Sandbank ein kleines Flugzeug entdeckt, das dem Anschein nach abgestürzt ist, rettet sie den Piloten aus dem Cockpit und versteckt ihn. Es handelt sich um einen Engländer, der in ihrem Haus seine Verletzungen auskurieren wird. Niemand außer ihr und den wenigen eingeweihten Personen darf wissen, dass die Gräfin den Feind versteckt. 

Die Geschichte, die einen Zeitraum von nur 6 Tagen umfasst, ist in klarer Sprache - teils in plattdeutsch - erzählt, sie basiert auf wahren Begebenheiten. Die Autorin wuchs in der Nähe der Hallig Südfall auf, sie kannte viele Personen selbst und wusste um die Mythen, die sich um die Gräfin ranken. Das karge Leben auf der Hallig in Kriegszeiten und die Naturgewalten hat Irma Nelles sehr atmosphärisch und faszinierend beschrieben. Man spürt ihre Liebe zu der ihr vertrauten Region.

Die zentrale Figur des Romans ist die charakterstarke und mutige Gräfin, die von der Autorin sehr authentisch dargestellt wird. Die Gräfin war für die damalige Zeit eine äußerst beherzte Frau, die sich schon früh gegen die Ehe entschied und ein selbstbestimmtes Leben führte. Ich hatte Hochachtung vor der eigenwilligen Adeligen, die früh von den nationalsozialistischen Plänen wusste und immer wieder ihr Leben riskierte, um Verfolgten zur Flucht zu verhelfen. Die interessanten Nebenfiguren, der Pilot John, Meta und Knut sowie das Ärzteehepaar Braak sind gut gezeichnet. Ich fand die Geschichte, die mir im Großen und Ganzen gefallen hat, nicht gerade spannend. Die ausführlichen Schilderungen aus der Vergangenheit der Gräfin empfand ich häufig als etwas zäh und eher langweilig. Im Gegensatz hierzu hätte ich mir gewünscht, mehr aus Johns Leben zu erfahren. Der Roman endet leider ziemlich abrupt, viele Fragen bleiben offen.

Meine Erwartungen an das Buch sind leider nicht erfüllt worden. Am besten haben mir die schönen und faszinierenden Natur- und Landschaftsbeschreibungen gefallen, die Handlung hingegen hat mich - auch wegen der recht sachlichen Erzählweise und des Fehlens jeglicher Emotionen - nicht überzeugen können.

Bewertung vom 21.10.2024
Pokémon Handbuch: Pokémon: Timelines

Pokémon Handbuch: Pokémon: Timelines


ausgezeichnet

Schönes Pokémon-Buch für Groß und Klein
Wer kennt sie nicht, die Pokémon-Sammelkarten, die 1996 in Japan entwickelt wurden und rasch ihren Siegeszug auf der ganzen Welt antraten? 1997 erschien die Zeichentrickserie, von der in bisher 25 Staffeln mehr als 1200 Folgen im Fernsehen ausgestrahlt wurden. 

"Pokémon Timelines" von Katharine Andreou und Glenn Dakin zeigt auf 208 Seiten in 8 Kapiteln die abenteuerlichen Reisen des Pokemon-Helden Ash Ketchum von Kanto bis Galar und seinen Aufstieg vom Trainer zum Weltmeister auf. Hierbei wird Ash von seinem treuen Partner Pikachu begleitet. In der spannenden Pokémon-Welt gibt es viel zu entdecken, statt Seitenzahlen gibt es Zeitleisten, die gespickt sind mit unzähligen Informationen, Details und vielen Bildern. Kleine und große Fans können tief eintauchen in das Pokémon-Universum, lernen dabei all seine Bewohner kennen und erlangen umfangreiches Hintergrundwissen. Auf den letzten Seiten enthält das Handbuch ein praktisches Stichwortregister sowie ein Glossar.

Das gebundene Buch, das in schönen Farben reich illustriert ist, richtet sich an Kinder zwischen 6 und 11 Jahren, es ist äußerst hochwertig und liebevoll gestaltet und eignet sich hervorragend als Geschenk. Ich bin davon überzeugt, dass es nicht nur kleine, sondern auch alle großen Pokémon-Fans begeistern wird! 

Bewertung vom 19.10.2024
Ava liebt noch
Zischke, Vera

Ava liebt noch


sehr gut

Gelungenes Debüt mit Tiefgang
In ihrem Debütroman "Ava liebt noch" erzählt Vera Zischke die Geschichte der 43-jährigen Ava, die als Lektorin tätig war, ehe sie und ihr Ehemann Ralf sich dazu entschlossen, dass Ava ihren Beruf aufgibt und sich um die Erziehung der Kinder und den Haushalt kümmert, damit Ralf sich ganz seiner Tätigkeit in der eigenen Anwaltskanzlei widmen kann. Die Töchter Mia und Lana sind 12 und 10, Sohn Nico fünf Jahre alt. Die Familie bewohnt ein schönes Haus und lebt in gesicherten Verhältnissen, doch nach all den Jahren ist Ava nicht mehr glücklich mit ihrem Hausfrauendasein. Eines Tages sieht sie beim Großeinkauf im Supermarkt einen jungen Mann, der dort arbeitet. Sie ist fasziniert von seiner Attraktivität und fährt nun häufiger zum Einkaufen, nur um ihn zu sehen. Als sie erfährt, dass er Kieran heißt und Schwimmlehrer ist, meldet sie ihre älteste Tochter kurzerhand zu einem Schwimmkurs an. Aus ihrer anfänglichen Schwärmerei für den 19 Jahre Jüngeren entwickelt sich langsam eine leidenschaftliche Liebesbeziehung. Doch schon bald muss Ava eine schwierige Entscheidung treffen ...

Die Autorin erzählt die berührende Geschichte, die sich über einen Zeitraum von fast 20 Jahren erstreckt, aus den Perspektiven beider Protagonisten in der Ich-Form. Wir begleiten Ava in ihrem Alltag, die Bedürfnisse der Kinder und der wiederkehrende Kreislauf der Tätigkeiten im Haushalt bestimmen ihren Tagesablauf. Ihre eigenen Bedürfnisse kommen meistens zu kurz, oft fühlt sie sich erschöpft und überfordert, von Ralf mit der Verantwortung für die Kinder allein gelassen. Durch die Begegnung mit Kieran blüht sie förmlich auf, nimmt sich selbst wieder als Frau wahr und fiebert den heimlichen Treffen entgegen.

Der Roman mit dem wunderbaren Cover ist in schöner Sprache geschrieben und liest sich sehr flüssig, die sympathischen Charaktere sind authentisch beschrieben. Avas innere Zerrissenheit und ihr Kampf zwischen Pflichterfüllung und Liebe sind sehr eindrucksvoll und mit viel Empathie dargestellt. Die wechselnden Perspektiven in der Ich-Form fand ich großartig, sie ermöglichen dem Leser einen tiefen Einblick in die Gedanken- und Gefühlswelt der Protagonisten. Ich mochte Ava und Kieran, ihre Entwicklung über die Jahre hat mir sehr gefallen, und ich mochte die unerwarteten Wendungen sowie die gesellschaftskritischen Aspekte des Buches vor dem Hintergrund der Mutterschaft und der Rolle der Frau.

Ich habe das fesselnde Buch, in dem es neben Liebe und Sehnsucht auch um Krankheit und Alter geht, sehr gern gelesen und mich bestens unterhalten gefühlt. Leseempfehlung!

Bewertung vom 15.10.2024
Wohnverwandtschaften
Bogdan, Isabel

Wohnverwandtschaften


ausgezeichnet

Warmherzig und humorvoll
Auf "Wohnverwandtschaften", den neuen Roman der Hamburger Autorin Isabel Bogdan, habe ich mich sehr gefreut. Ich kenne bereits ihr Buch "Laufen" über Trauer und Neubeginn, das mich sehr berührt hat, und mag ihre großartigen Übersetzungen der Werke von Jane Gardam.

Die Zahnärztin Constanze zieht nach der Trennung von ihrem Freund Flo samt weißem Klavier in eine Wohngemeinschaft in Hamburg. Es soll nur für den Übergang sein, denn sie will sich bald eine eigene Wohnung suchen. Die Wohnung gehört Jörg, der nun sein Arbeitszimmer an Constanze vermietet hat, weitere Mitbewohner sind Anke und Murat. 

Die Geschichte wird aus unterschiedlichen Perspektiven in der Ich-Form erzählt, dazwischen gibt es drehbuchartig dargestellte Dialoge. Nach und nach lernen wir neben Constanze, die sich sehr schnell in ihrer neuen Umgebung einlebt und bald gar nicht mehr an einen Auszug denkt, auch die anderen Protagonisten kennen. Anke ist in Finanznöten, als Schauspielerin hat sie mit ihren 53 Jahren große Probleme, eine akzeptable Rolle zu bekommen. Der Hobbyfußballer Murat, der aus Köln kommt, hat fast immer gute Laune und liebt es, neben seinem Beruf in Jörgs Garten Obst und Gemüse anzubauen. Er kocht leidenschaftlich gern und verwöhnt seine Mitbewohner mit kulinarischen Köstlichkeiten. Jörg ist mit seinen 68 Jahren der Älteste. Er vermisst seine verstorbene Ehefrau Brigitte und plant, mit seinem Bulli bald nach Georgien zu fahren.

Im Sommer muss sich Jörg einer Blinddarmoperation unterziehen, nach der er geistig verwirrt ist. Sein Zustand bessert sich auch nach Monaten nicht, und bald ist für die Bewohner traurige Gewissheit, dass Jörg demenzkrank ist. Diese Diagnose stellt alle vor große Herausforderungen.

Der Roman ist in schönem Erzählstil und wunderbarer Sprache geschrieben und liest sich sehr flüssig. Mit viel Herz und Humor beschreibt Isabel Bogdan den Alltag der WG-Bewohner über einen Zeitraum von knapp zwei Jahren, während dessen sich zwischen den Protagonisten ein herzliches und vertrauensvolles Verhältnis entwickelt und sie immer mehr zu einer Familie zusammenwachsen, die sich um Jörg kümmert. Die sympathischen Charaktere skizziert die Autorin äußerst liebevoll und mit viel Empathie. Auch die Beschreibung von Jörgs fortschreitender Demenz ist sehr gut gelungen, ganz besonders in den Kapiteln, die aus seiner Sicht erzählt sind und in denen Leerstellen seine Gedächtnislücken aufzeigen. 

Wie schon "Laufen", so hat mich auch "Wohnverwandtschaften" begeistert, ein Buch, das vollkommen kitschfrei ist, heiter und traurig. Es hat mich gefesselt und tief bewegt, ließ mich lachen und weinen. Sehr gut hat mir gefallen, dass die Kapitel aus sich abwechselnden Perspektiven in der Ich-Form erzählt werden, da mir das einen intensiven Einblick in die Gedanken- und Gefühlswelt der WG-Bewohner ermöglichte. Ich habe die Freunde in mein Herz geschlossen, habe über ihre kleinen Eifersüchteleien geschmunzelt, mich über ihren Zusammenhalt und ihre Fürsorge gefreut und hätte sie gern noch länger begleitet. Und nun muss ich nur noch herausfinden, ob auch mich Rotkohl mit Kirschen begeistern kann.

Absolute Leseempfehlung für diesen wunderbaren Roman über Menschlichkeit und Freundschaft!

Bewertung vom 13.10.2024
Wie wir waren
Duken, Heike

Wie wir waren


sehr gut

Fesselnder Roman über eine Frauenfreundschaft
In ihrem neuen Roman "Wie wir waren" erzählt Heike Duken die Geschichte zweier Frauen, die seit Kindertagen enge Freundinnen sind.

Paula und Zett sind 19 Jahre alt, als sie 1986 zum ersten Mal Urlaub auf einer griechischen Insel machen. Die beiden sind sehr verschieden, die ruhige Paula ist eher ängstlich und zurückhaltend, während die impulsive Zett mutig und beherzt durchs Leben geht. Die Zeit auf der Insel ist nicht nur unbeschwert, und die beiden entzweien sich, als Paula sich gegen Zetts Rat dazu entschließt, zu ihrem handgreiflich gewordenen Freund zurückzukehren. Zwei Jahre der Funkstille vergehen, bis Paula ihre Freundin anruft, um sie mit schönen Neuigkeiten zu überraschen ....

Die Geschichte ist in schöner Sprache geschrieben und liest sich sehr flüssig. Es hat mir sehr gut gefallen, dass sie aus den wechselnden Perspektiven von Paula und Zett in der Ich-Form erzählt wird. Das ermöglicht dem Leser einen tiefen Einblick in die Gefühls- und Gedankenwelt der Protagonistinnen. Die Freundinnen sind authentisch und bildhaft skizziert, wir lernen sie während eines Zeitraums von 18 Jahren immer besser kennen, begleiten sie im Alltag und erleben ihre Höhen und Tiefen. Die Freundschaft der beiden hält nicht allen Krisen stand, es kommt zu Zerwürfnissen und Versöhnungen. Die Entwicklung der Freundinnen über die Jahre ist sehr gut dargestellt. Während Paula, die in ihrer schwierigen Ehe gefangen ist und es immer allen recht machen will, im Laufe der Handlung immer selbstbewusster wird und endlich Entschlossenheit zeigt, blicken wir auf Zetts zunehmende Probleme, deren erschütternde Gründe sie Paula erst spät offenbart.

Mir hat das Buch über zwei Frauen, die mehr als eine reine Bilderbuchfreundschaft verbindet, sehr gut gefallen. Es ist keine leichte Lektüre, es geht nicht nur um Freundschaft und Liebe, sondern auch um Alkoholsucht, Untreue und Gewalt in der Ehe. Ich habe oft mit Paula und Zett mitgelitten, und ihre Handlungsweisen konnte ich nicht immer nachvollziehen. Sehr berührend fand ich Zetts liebevollen Umgang mit Lou, Paulas Tochter.

Ich habe den beeindruckenden Roman sehr gern gelesen, er hat mich gefesselt und nachdenklich gemacht. Leseempfehlung!

Bewertung vom 29.09.2024
Intermezzo
Rooney, Sally

Intermezzo


ausgezeichnet

Faszinierende Geschichte - intelligent und ganz wunderbar erzählt
Ich habe ein Faible für irische Autoren und mich sehr darüber gefreut, dass ein neuer Roman von Sally Rooney erschienen ist. Vor Jahren hat mich "Schöne Welt, wo bist du" begeistert, und nun war ich neugierig, ob ihr neues Buch mich auch würde begeistern können. "Intermezzo" hat "Schöne Welt, wo bist du" in meinen Augen sogar noch übertroffen und ist für mich bereits jetzt eines meiner diesjährigen Lesehighlights!

Im Mittelpunkt der Geschichte stehen die beiden Brüder Peter und Ivan Koubek. Der 32-jährige Peter, der zu viel Alkohol und Medikamente konsumiert, arbeitet als Anwalt, während sein 10 Jahre jüngerer Bruder Ivan ein Schachgenie ist und seinen Lebensunterhalt mit Datenanalysen für Techkonzerne verdient. Die Brüder trauern um ihren Vater, der kürzlich nach 5-jährigem Kampf gegen den Krebs verstorben ist. Peter befindet sich in einer Konfliktsituation, er ist in die junge Studentin Naomi verliebt, sein Herz gehört jedoch immer noch seiner ersten großen Liebe Sylvia, die sich nach einem schweren Unfall von ihm trennte, um ihm das Leben an der Seite einer Frau, die unter ständigen Schmerzen leidet, nicht zuzumuten. Ivan lernt bei einem Schachevent Margaret kennen, die in einem Kulturzentrum Veranstaltungen organisiert und von ihrem alkoholkranken Mann getrennt lebt. Die beiden verlieben sich ineinander, doch für Margaret stellt es ein großes Problem dar, dass sie 14 Jahre älter als Ivan ist. 

Auch diesmal hat mich die intelligente Sprache und der schöne Schreibstil der Autorin begeistert. Sie erzählt die einzelnen Kapitel abwechselnd aus Sicht der Brüder, wobei die Erzählweisen sich unterscheiden. Peters Gedankengänge sind hektisch und abgehackt, während aus Ivans Perspektive eher ruhig erzählt wird. Wie in "Schöne Welt, wo bist du" verzichtet Sally Rooney auch in diesem Buch auf Anführungszeichen bei der wörtlichen Rede. 

Sally Rooney beschreibt nicht nur Peter und Ivan, sondern auch die Nebenfiguren liebevoll und lebensecht und lässt uns tief in ihre Gefühls- und Gedankenwelt blicken. Die komplizierten Beziehungen sind perfekt dargestellt, das Verhältnis der Brüder zueinander sehr eindrücklich beschrieben, ebenso ihr schwieriges Verhältnis zur Mutter, die ihren Mann verließ, als Ivan fünf Jahre alt war. Peter und Ivan sind sehr verschieden, hier der erfolgreiche Peter, auf der anderen Seite der jüngere Bruder, der immer voller Bewunderung auf den Älteren blickte. Der selbstbewusste Peter geht früh eigene Wege, während der verschlossene und etwas unbeholfene Einzelgänger Ivan zurückbleibt. Im Laufe der Jahre werden sie sich fremd und suchen erst nach dem Tod des Vaters wieder Kontakt zueinander.

Das Buch hat mich von der ersten Seite an bis zu seinem stimmigen und hoffnungsvollen Ende in seinen Bann gezogen. Es ist eine Geschichte über Trauerbewältigung und Verzweiflung, über Liebe, Begehren und Freundschaft. Ich konnte mich sehr gut in die Protagonisten hineinversetzen und habe mit ihnen gefühlt, mit ihnen gelitten. Meine Lieblingsfiguren waren der introvertierte Ivan und die zaudernde Margaret, die sich behutsam einander annähern. 

Absolute Leseempfehlung für dieses Meisterwerk, das mich gleichermaßen gefesselt, aufgewühlt und berührt hat!

Bewertung vom 21.09.2024
Wallis Simpson
Lindinger, Michaela

Wallis Simpson


sehr gut

Wallis Simpson und der Ex-König
In der Reihe "Reihenweise kluge Frauen" hat der Molden Verlag bereits 8 Biografien veröffentlicht, drei davon stammen aus der Feder der österreichischen Autorin Michaela Lindinger. Im 9. Band geht es nun um die Amerikanerin Wallis Simpson, die in den dreißiger Jahren des letzten Jahrhunderts durch ihre skandalöse Verbindung mit dem englischen König Edward VIII. berühmt wurde. 
Das gebundene Buch ist sehr liebevoll und hochwertig gestaltet. Es umfasst 256 Seiten und ist in vier Kapitel gegliedert, zahlreiche größtenteils großformatige Schwarz-Weiß-Fotos ergänzen die Texte.

Im ersten Kapitel lernen wir den ehemaligen König Edward kennen, der auf Druck des Königshauses unmittelbar nach seiner Abdankung nach Österreich reist und als Gast im Schloss der Baronin Rothschild wohnt. Er wartet dort auf Wallis Simpson, deren Scheidung in Frankreich vollzogen wird. Im zweiten Kapitel geht es um Wallis' Herkunft und ihr Leben in Baltimore. Das dritte Kapitel befasst sich mit dem Zusammentreffen der in zweiter Ehe verheirateten Wallis mit Edward sowie dem späteren Eheleben der beiden. Die letzten Lebensjahre von Wallis werden im vierten Kapitel beschrieben.

Das unterhaltsame Buch ist in sachlicher und klarer Sprache geschrieben und gibt uns Einblicke in Wallis' Leben und ihre Persönlichkeit. Ihr Vater stirbt, als Wallis 5 Monate alt ist. Die Mutter ist nun mittellos und auf die Unterstützung ihres Schwagers angewiesen. Wallis weiß schon früh, dass sie einen reichen Mann heiraten wird, sie wird immer auf der Suche nach finanzieller Sicherheit sein. Mit viel Ehrgeiz geht sie ihren Weg, schreckt dabei auch nicht davor zurück, Freundinnen den Mann zu nehmen, und mit viel Hartnäckigkeit gelingt es ihr, dem Prinzen von Wales vorgestellt zu werden. Über diesen verrät uns das Buch viel bisher Unbekanntes. Beispielsweise liest Edward keine Bücher, und weil er schon als Kind Konzentrationsprobleme hatte, strickt er. Thematisiert wird auch seine Sympathie für die Nationalsozialisten, für die er von vielen Seiten kritisiert wird. 

Die Charakterzeichnung von Wallis und Edward finde ich gelungen. Edward hat mir leidgetan, weil Wallis ihm keine aufrichtige Liebe entgegenbrachte, und Wallis, für die ich wenig Sympathie hatte, habe ich bedauert, weil sie sich aufgrund ihrer familiären Prägung zu einer harten Frau entwickelt hatte, die zwar eine besondere Ausstrahlung besaß, aber nicht in der Lage war, Gefühle zu zeigen. Ich fand die Beschreibung der Beziehung der beiden sehr interessant, war aber auch erschüttert über die einseitige Liebe des Ex-Königs und die Entwicklung zweier Menschen, die sehr verschieden waren und dennoch 35 Jahre bis zu Edwards Tod zusammen blieben. Die detaillierte Schilderung ihres Liebeslebens und ihrer Neigungen nimmt nach meiner Ansicht etwas zu viel Raum ein.

Die fesselnde und kurzweilige Biografie über Wallis Simpson, die für die Royals eine Persona non grata blieb, hat mir sehr gut gefallen - Leseempfehlung!