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rflieder

Bewertungen

Insgesamt 12 Bewertungen
12
Bewertung vom 09.10.2023
Kajzer
Kaiser, Menachem

Kajzer


sehr gut

Ich war nach den Vorinformationen mit etwas anderen Erwartungen an das Buch herangegangen und weiß eigentlich nicht, ob ich es empfehlen soll oder nicht. Es wird als "Sachbuch" bezeichnet, ist aber teilweise eine Sammlung von Erzählungen, nur sicher kein Roman.
Der Autor Menachim Kaiser, in einer orthodoxen jüdischen Großfamilie in Kanada aufgewachsen, sucht im ehemaligen Schlesien nach den Spuren seiner Familie. Sein dort geborener Großvater, der schon vor der Geburt Kaisers verstorben ist und zu dem er keine Beziehung hat, war der Einzige seiner Familie, der den Holocaust überlebte. In weiten Teilen des Buchs geht es darum, dass der Autor mithilfe einer polnischen Anwältin versucht, das ehemalige Mehrfamilienhaus seines Großvaters nach über 60 Jahren zurückzuerhalten. Die Abläufe in der möglicherweise von der PIS beeinflussten Justiz, seine Bedenken, ob sein Ansinnen fair gegenüber den aktuellen Bewohnern ist, zumal er keine finanziellen Interessen hat, und die Lebensverhältnisse der Bewohner sind empathisch und humorvoll beschrieben.
Dagegen sind die Ausführungen über polnische "Forscher", eigentlich Abenteurer auf der Suche nach von den Nazis in riesigen von KZ-Häftlingen erbauten Höhlensystemen skurril und sprechen mich überhaupt nicht an. Immerhin erfährt Kaiser bei ihnen von der Existenz eines weiteren den Holocaust Überlebenden aus seiner Familie, einem Bruder seines Großvaters. Diesem natürlich schon lange ebenfalls verstorbenen Großonkel vermag er sich mehr anzunähern als seinem Großvater, da er wesentlich mehr Spuren hinterlassen hat.

Immer wieder abwägende Überlegungen z.B. über den Wahrheitsgehalt der über seine Familie erhaltenen Informationen finde ich zwar interessant und regen zum Nachdenken an, sind aber intellektuell durchaus anspruchsvoll und erfordern wegen der langen Schachtelsätze hohe Konzentration beim Lesen. Kein einfaches Buch.

Bewertung vom 15.06.2023
Sommersonnenwende / Wolf und Berg ermitteln Bd.1
Engman, Pascal;Selåker, Johannes

Sommersonnenwende / Wolf und Berg ermitteln Bd.1


ausgezeichnet

Mehrere Frauen werden an verschiedenen Orten Schwedens vergewaltigt und ermordet. Infolge des fehlenden Informationsflusses zwischen den lokalen Polizeistationen erkennt die schwedische Polizei nicht den Zusammenhang zwischen den Taten. Außerdem ist das Interesse an einer Aufklärung gering, da es sich um Flüchtlinge handelt.
Kriminalkommissar Thomas Wolf und Journalistin Vera Berg werden unabhängig voneinander auf die Mordserie aufmerksam. Da sie einander misstrauen, dauert es ziemlich lange, bis es zu einer - letztendlich erfolgreichen - Zusammenarbeit kommt und der Täter überführt wird.
Beide Protagonist:innen kommen wie auch andere Personen aus problematischen Milieus, die in dem Buch drastisch beschrieben werden. Familiäre Hintergründe nehmen parallel zum Kriminalfall einen großen, wie ich meine aber angemessenen Raum ein. Zunächst war ich irritiert, dass ein 2023 erschienenes Buch im Jahr 1994 spielt, aber der geschichtliche Hintergrund mit dem Krieg in Bosnien und der aus schwedischer Sicht erfolgreichen Fußball-WM in den USA wird vom Autorenteam geschickt genutzt, um die kruden Gedanken von Rechtsradikalen und die schwedische Gesellschaft im allgemeinen (überwiegend negativ) zu beschreiben.
Das liest sich alles hervorragend (ich mochte das Buch kaum aus der Hand legen), ist spannend, klingt in großen Teilen realistisch mit wenigen Übertreibungen und ist auf eine hoffentlich demnächst erscheinende Fortsetzung angelegt, auch wenn das eigentlich offene Ende Zweifel daran aufkommen lässt.

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