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annetttaube

Bewertungen

Insgesamt 13 Bewertungen
12
Bewertung vom 07.10.2024
Das Verhalten ziemlich normaler Menschen
Reilly, K. J.

Das Verhalten ziemlich normaler Menschen


gut

Roadtrip und Seelentrip vereint.

Vier Menschen die unterschiedlicher nicht sein können, finden sich zu einem Roadtrip zusammen. Jeder von ihnen hat mit dem Verlust eines geliebten Menschen zu kämpfen. Abgrundtiefe Trauer eint sie. Doch alle vier haben noch andere individuelle seelische Kämpfe mit sich auszufechten. Wut, Schuldgefühle, nicht loslassen können, nicht akzeptieren wollen.
Allen voran Hauptprotagonist Asher, der sich in seiner Trauer um den Verlust seiner Mutter vorallem Wut u. Schuldgefühlen hingibt jedoch auch Rachegedanken hegt. Eine Rache, welche am Ziel der Reise Erfüllung finden soll. Dabei wird dieser Tripp jedoch für alle vier zum Seelenstriptease und ein Kampf gegen die eigenen inneren Dämonen. Der Tripp mit ziemlich skurilen Abenteuern, "schweißt" die vier vormals Fremden, zusammen und lässt sie erkennen wie wichtig Freundschaft ist.
Wer gerade selbst mit Krankheit oder Tod Erfahrungen macht(e) sollte eventuell bedenken, dass der Roman triggern könnte.
Das Ende des Romans versöhnt mit der Thematik. Es macht zwar Tod u. Verlust nicht ungeschehen, lässt aber Hoffnungen aufkommen, welche die Protagonisten das Erlebte aushalten lässt. Der Schreibstil ist recht schnörkellos. Mir persönlich sind zuviel Satzwiederholungen vorhanden. Für alle, die Blicke in die Seelen von Menschen, in psychischen Ausnahmezuständen mögen, ist es ein gutes Buch.

Bewertung vom 07.10.2024
Vaterländer
Tambrea, Sabin

Vaterländer


ausgezeichnet

Aussergewöhnlich bewegende Familiengeschichte

Es gibt immer mal wieder Bücher, welche man nicht wieder aus den Händen legen möchte.
"Vaterländer" ist ein solches.
Autor Sabin Tambrea (bekannt aus Kino, TV und Theater), beschreibt in Romanform, den mutigen Auf- und Ausbruch seiner Eltern aus Rumänien, um ihren Kindern ein besseres Leben zu ermöglichen. Vorallem ein Leben in Freiheit, ohne ständige Angst vor der Willkür eines diktatorischen Regimes.
Viel riskiert der Vater, als er es Mitte der 1980er Jahre wagt nach Deutschland zu fliehen, nicht wissend, wann und ob er seine Familie wieder sieht. Zum Glück gelingt es, dass er Frau und Kinder nach Jahren in die Arme schließen darf. Der Anfang, in dem ihnen fremden Land, war nicht einfach. Doch mit viel starkem Willen, gelingt es der Familie, fest zusammenhaltend, ihre Plätze im neuen Leben zu finden. Wenn auch jede*r von ihnen seelisch "ein Päckchen zu tragen hatte". Denn, die Heimat, verlässt Niemand mal eben so.
Die politische Geschichte Rumäniens war keine glückliche. Bald nach dem großen Sieg über den Faschismus wurde eine kommunistische Diktatur mit größter Grausamkeit und Härte im Land fest installiert. Sie stand bei der Durchsetzung den Methoden der besiegten Faschisten in nichts nach. Ausführende: die Geheimpolizei Securitate. Bespitzelung, willkürliche Verhaftungen und Verurteilungen von Vergehen, welche es nie gab. Daraus resulierend lange Haftstrafen, größtenteils unter unmenschlichen Bedingungen, mit schwerster Arbeit, um die Verhafteten psychisch als auch physisch zu brechen. Und es konnte Jede*n, wie aus dem Nichts, treffen.
Nachdem der Kommunismus mit Gewalt Regierungsform geworden war, gab es im Land einige Jahre der politischen Entspannung. Doch der nächste Tiefschlag lauerte schon und trug einen Namen: Ceauşescu. Dieser, sah den Sinn als Staatsoberhaupt darin, sich und seine Gattin, bedingungslos vom Volk huldigen zu lassen. Dazu wurde die Securitate wieder verstärkt aktiviert. Strengste Diktatur und Abschottung waren erneut an der Tagesordnung. Das Land wurde so, von einem egomanischen Herrscher-Ehepaar ins Elend gestürzt.
Kaum auszuhalten für Menschen, welche ohne staatlich verordnete, brutale Knechtschaft leben wollten.
Nach dem Ende der Ceauşescu-Diktatur, gab (und gibt) es noch weiterhin viele politische Probleme.
Es war nun aber den Tambreas möglich, wieder in die Heimat zu reisen, um die Familie zu sehen.
Denn die Familie, ist das stärkste Seil, welches es für sie gibt. Alle sind mit unerschütterlicher Liebe aneinander "geknotet". Im engsten Familienkreis sind die Knoten natürlich am stärksten. Sie halten jedem Sturm stand, egal wie stark er ist, über Generationen hinweg.
Sehr gut gefällt mir der Schreibstil des Buches. Wobei es ja eigentlich unterschiedliche sind.
Teils gar mit hemmingwayschen Charakter, bei den Beschreibungen winzigster Details, welche der kleine Sabin als Kind bemerkte. Dabei stets präsent, als liebevolle und unerschütterliche Verbündete: die große Schwester.
Anders die Erzählweise des Vaters/der Eltern, da diese oft mit schweren Sorgen beladen waren, vor dem Verlassen der Heimat als auch danach.
Das Berichten des Großvaters über seine Haftzeit, hat fast etwas Pragmatisches. Gerade deshalb fühlt sehr man mit.
Allen drei Generationen, wird durch diese leicht veränderten Erzählweisen, Raum gegeben. Dabei ist es jedoch stets stimmig.
Das lässt einen auf's Neue dankbar sein, in einer Demokratie zu leben.
Fazit: das Buch ist herzerwärmend, bewegend und darum unbedingt lesenswert. Ja, man möchte am Ende gar "Zugabe!" rufen.

Bewertung vom 07.10.2024
Tage mit Milena
Burseg, Katrin

Tage mit Milena


ausgezeichnet

Wenn die Geister der Vergangenheit nicht loslassen

Als die junge Luzie in die Pappeterie in einer beschaulichen Landstraße in Lübeck auftaucht, ahnt die Ladenbesitzerin Annika noch nicht, wie dies innerhalb von ein paar Stunden ihr Leben durcheinander wirbeln wird. Die Klimaaktivistin löst bei ihr Emotionen aus, welche sie sorgsam im hintersten Winkel ihrer Erinnerungen versteckt hatte. So beginnt für die beiden Frauen ein mehr oder weniger freiwilliger gemeinsamer Weg, der für Annika vorallem eines beinhaltet, sich den Geistern ihrer Vergangenheit zu stellen. Geschehnisse welche sie aus ihrem Gedächtnis löschte prasseln wieder auf sie ein. Einsamkeit, Freundschaft, Liebe, Schuld und Ideale. Und bei beiden Frauen die Frage wie weit darf man für seine Ideale gehen? Darf man sein eigenes Leben oder das anderer riskieren. Luzie ist da recht pragmatisch u. würde bei ihren Aktionen auch den eigenen Tod in Kauf nehmen. Annika noch immer traumatisiert von ihrer Zeit in der Hamburger Hausbesetzerszene, will dies unbedingt verhindern. Dabei kommen Fragen auf, zu der Beziehung zu Milena u. Matti, ihren damals besten Freunden. Und vorallem eine, trägt sie Schuld am Tod eines Menschen?

Der Roman von Katrin Burseg, verwebt gesellschaftliche Probleme von damals u. jetzt
auf eine Art, welche nicht reißerisch ist. Aber die Dringlichkeit und Ernsthaftigkeit werden deutlich angesprochen.

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