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Top-Rezensenten Übersicht

Benutzername: 
Jonas R
Wohnort: 
Göttingen

Bewertungen

Insgesamt 53 Bewertungen
Bewertung vom 08.11.2024
Der Gesang der Flusskrebse
Owens, Delia

Der Gesang der Flusskrebse


gut

Owens' Debut hat viel Poesie, auch Romantik, aber ich fand verschiedentlich, dass Effekthascherei in den Vordergrund rückt. Kya, die Hauptfigur, ist größtenteils stimmig, aber in der Szene, in der sie sich die Besitzurkunde für ihr Grundstück holt, passte nicht zu ihren sonstigen Verhaltensmustern. Den Wunsch der Autorin, die Geschichte von Kyas Eltern unterzubringen, kann ich nachvollziehen, aber erzählerisch fiel es aus der Reihe - die einzigen Abschnitte im Buch, die von einer personalen Erzählperspektive ins Auktoriale wechseln. Andere Aspekte - die zeitlichen Sprünge zwischen dem mutmaßlichen Mord und der Vorgeschichte - fand ich gut gehandhabt. Das Ende hat mich nicht sonderlich berührt.

Bewertung vom 08.11.2024
Das letzte Einhorn
Beagle, Peter S.

Das letzte Einhorn


gut

Ein moderner Klassiker des Fantasy-Genres, okay, aber so bemüht um poetische Sprache, dass ich es nicht mehr anmutig finde. Statt leichtfüßig-lyrischem Klang donnern und dröhnen die Stilmittel. Wenn man sich damit ab- oder gar Gefallen daran findet, bekommt man eine fantasievolle Geschichte, die durchaus selbstironisch einige literarische Standards inszeniert. Es dauert ein Weilchen, bis die Handlung Fahrt aufnimmt, und mir persönlich ist der Charakter Schmendrick zu empathielos, als dass ich so recht warm mit ihm werde. Bei ihm und Molly Grue zeigen sich aber auch starke Genderklischees, die dankenswerterweise in mancher Hinsicht gebrochen werden.

Beagle entwirft auch Nebencharaktere plastisch und unterhaltsam, mein Favorit ist wohl Räuberhauptmann Cully. Und die Idee, dass die Einhörner in die Brandung des Meeres gebannt sind, finde ich große Klasse.

Bewertung vom 08.11.2024
Raus aus der AUTOkratie - rein in die Mobilität von morgen!
Diehl, Katja

Raus aus der AUTOkratie - rein in die Mobilität von morgen!


gut

Wichtiges Thema, leider fehlt Lektorat.

Die Mobilitätswende finde ich nicht nur wegen ihres massiven Einflusses auf unser Klima wichtig, sondern auch, weil soviel Lebensqualität darin steckt. Katja Diehl berichtet in "Autokratie" von dutzenden Gesprächen mit Fachleuten und Macher:innen, die oft mit ausgiebigen Zitaten zu Wort kommen. Ein Großteil des Buches geht auf den frustrierenden Zustand der Fixierung unserer Verkehrswelt auf das Auto ein, ein geringerer Teil stellt Personen ins Spotlight, die sich für die Diversifizierung und nachhaltige Umgestaltung unserer Mobilitität einsetzen.

Ich bin für die Mobilitätswende und fand das Buch interessant. Gleichzeitig fand ich es unbefriedigend. Das Buch verwendet viel Platz auf das Ausbreiten der Misere und die Schilderung von angestautem Frust. Aber vor allem störte mich, dass dem Buch ein gründliches Lektorat fehlt, um den Textfluss zu verbessern. Oft geht zwischen Absätzen der rote Faden verloren. Gedankensprünge haben meine Lektüre gehemmt. Mehrmals hatte ich das Gefühl, dass Text umgestellt wurde, ohne dass anschließend an der Kohärenz gearbeitet wurde. Die Kapitel waren unterschiedlich lang und die längeren wirkten auf mich zu wenig strukturiert. Die Unmutsäußerungen über Politiker:innen, die primär auf Machterhalt bedacht sind und die Gestaltung einer für die Gesamtgesellschaft lebenswerten Zukunft vernachlässigen, wiederholten sich zu oft. Manche Infos kamen an unerwarteter Stelle im Text. Das hat meine Lesefreude geschmälert.

Bewertung vom 08.11.2024
Queer*Welten 08-2022
Lüders, Carolin;Mira, Aiki;Geiger, Linda-Julie

Queer*Welten 08-2022


sehr gut

Am besten gefielen mir in dieser Ausgabe "Der Zustand der Welt" von Aiki Mira und "Sonnenaufgang, Sonnenaufgang, Sonnenaufgang" von Lauren Ring. Rings Kurzgeschichte fand ich erzählerisch besonders souverän: Minimalistisches Konzept, aus dem dann gekonnt richtig viel rausgeholt wird. Miras "Zustand der Welt" ist sehr eindringlich, wirkte für meinen Geschmack aber zu gedrängt, beinahe gehetzt. Die Charaktere bleiben flach, der Fokus liegt vor allem auf einem Wendepunkt des Settings.

Was hat Queer*Welten Nr. 8 noch zu bieten?
"Hinter den Sternen" von Sonja Lemke vermittelt sehr gekonnt die zersetzende Entmenschlichung einer allein auf Leistungsdruck ausgerichteten Gesellschaft. Die Geschichte ist routiniert erzählt, aber ich konnte zu den Charakteren nicht so recht eine Verbindung aufbauen.
An "Ritorna Vincitor" von Carolin Lüders gefällt mir, wie Lüders mir erst die Ordnung ihrer Urban-Fantasy-Welt beibringt und dann Zweifel daran sät. Die Handlung wirkt ein wenig forciert, und ausgerechnet das Thema, über das die beiden Figuren sich näher kommen (Oper), wird im Dialog der beiden für mein Empfinden unbefriedigend behandelt, denn die beiden kommen in dem Gespräch nicht wirklich kenntnisreich herüber.
Linda-Julie Geigers Geschichte "Ein Regenbogen aus Gold" ist irgendwie cute, gleichzeitig fand ich sie erzählerisch verbesserungswürdig. Die Gefährlichkeit einer Situation wird nur behauptet, aber nicht unterfüttert. Manche Details und Nebenfiguren sind für die Erzählung irrelevant. Und mehrfach waren Einzelheiten unklar beschrieben, ohne dass ich den Eindruck hatte, dass die Unklarheit gewollt war.

Des weiteren enthält die Ausgabe einen soliden Essay von Christian Vogt über toxische Nostalgie, ein anderthalbseitiges "Prosagedicht" von Claudia Klank, das mich nicht besonders ansprach, und 13 Mikrofiktionen (jeweils 100 Wörter lang), die das Heft sehr schön auflockern.

Was mir nach wie vor an den Queer*Welten gefällt, ist die Bandbreite an Repräsentation marginalisierter Perspektiven. Da sie zum Konzept der Zeitschrift gehört, gehe ich hier vielleicht zuwenig darauf ein, aber als niedrigschwelligen Einstieg in deutschsprachige progressive, queerfeministische SFF funktioniert Queer*Welten sehr gut.

Bewertung vom 08.11.2024
Lady Mechanika Volume 1
Benitez, Joe; Kelly, James Patrick; Guran, Paula

Lady Mechanika Volume 1


gut

Stylisher Steampunk-Comic, aber auch auffällige visuelle Fixierung auf den Körper (Busen, Taille) der Protagonistin.
Der Comic erzählt von Lady Mechanika, die das Geheimnis ihrer Herkunft lüften will, da sie nicht weiß, wer ihr mechanische Körperteile gegeben hat und warum. Die psychologische Seite der Figuren bleibt letztlich flach und dient nur als Folie für die Begegnungen, Rätsel und Kämpfe der Hauptfigur. Mit gutem Gespür für das Steampunk-Flair, für die düsteren Seiten der Geschichte, und mit einprägsamen Nebencharakteren bekommt man aber eine unterhaltsame Mischung.

Bewertung vom 08.11.2024
Lady Mechanika Volume 2
Chen, M. M.

Lady Mechanika Volume 2


weniger gut

More pseudoarchaeology, less clockwork steampunk

The stylish and, I think, somewhat fetishizing artwork continues, but as another writer takes the helm, Lady Mechanika is partnered with new supporting characters. The plot and motivation of the first collected volume are dropped, and Mechanika is set in a different track, to rescue a child and her grandfather. You get secret societies, Babylonian high technology and alchemy, ancient superweapons, lizardmen, and some exotism thrown in. A good part of the story takes place in "Africa", blissfully unspecific.
This felt a bit like a Tomb Raider story, although the ancient ruins are not explored by Lady Mechanika, but by the supporting characters. Neither Mechanika's artifical body parts nor her mysterious history were of particular importance.

Bewertung vom 08.11.2024
Une Semaine de Bonté
Ernst, Max

Une Semaine de Bonté


gut

Meine Rezension bezieht sich auf die deutsche Ausgabe von 1975, nicht die englische von 1976. Das Werk besteht aber weitgehend aus wortlosen Graphik-Collagen.

Max Ernsts Une Semaine de Bonté ist schwer zu beschreiben. Er hat zahllose Elemente aus verschiedenen Bildern ausgeschnitten und neu angeordnet. Menschen mit Tierköpfen, herumliegende Riesenegel, Meereswogen im Schlafgemach... Die 182 surrealen Collagen sind in sieben Gruppen als Woche strukturiert, jedem Tag ist ein Element zugeschrieben. Die Gruppen werden auch durch bestimmte Bildmotive zusammengehalten. So ist ihnen nicht nur durch die materielle Anordnung im Buch, sondern auch durch den konstruierten Wochenrahmen eine Sequenz, wenn schon keine Konsequenz gegeben. Für die deutsche Ausgabe (1963/1975) hat Max Ernst die kurzen Begleittexte/Zitate für jeden Wochentag neu gefasst/zusammengestellt. Das Buch ist ein berühmtes Werk des Surrealismus; als Comicfan frage ich mich aber auch, ob die wortlosen Bildgeschichten der Zeit (von Frans Masereel, Lynd Ward, Otto Nückel u.a.) Ernst beeinflusst haben.

Einerseits ist das Buch ein absolutes Fest des Surrealismus, der Phantastik und der graphischen Kunst. Andererseits verweigert es sich bestimmten Zugängen - zum Beispiel dem rationalen Verstehen. Ich habe mich oft gefragt, was bestimmte Bildelemente in der Collage eigentlich zeigen. Ist es Absicht, dass nicht wirklich zu erkennen ist, was die Figur da auf dem Bauch hat (oder was auch immer), oder bin ich zuwenig vertraut mit der Bildsprache des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts, um die rekontextualisierten Schnipsel zu verstehen?
Mir fiel es nicht ganz leicht, mich davon zu lösen und der (alp-)traumhaften Fluidität dieser Bildwelt einfach hinzugeben. Ich suchte die Zusammenhänge (die reichlich vorhanden sind, deren Sinn sich aber dem Zugriff entzieht) und verpasste dabei vielleicht das unprätentiöse Staunen über die Chimären und das Rauschen des Sturms.
Persönliche Highlights: Der Mittwoch, und die Knochen im freitäglichen Liebeslied.

Bewertung vom 08.11.2024
I Shall Never Fall in Love
Conner, Hari

I Shall Never Fall in Love


ausgezeichnet

Funny, adorable, queer Regency romance!

Hari Conner's comic about a trio of friends growing up and dealing with social expectations - finding a match, specifically - is utterly delightful. Great artwork, witty writing, loveable characters, quirky situations, and sensitive, intelligent handling of issues around queerness, race, and money in a decidedly heteronormative, racist, elitist society. It's obvious Conner had fun writing and drawing their characters, most visible in the cartoony reaction faces of Eleanor, but also in the wider cast of characters. And it's heartwarming how the story shows kindness and acceptance, sometimes in unexpected places. I highly recommend it!

Bewertung vom 08.11.2024
Queer*Welten 10-2023
Vogltanz, Melanie;Bardilac, Eleanor;Klemp, Simon

Queer*Welten 10-2023


ausgezeichnet

Wieder eine gelungene Ausgabe! Fünf Kurzgeschichten, ein Gedicht, einen Essay, 18 Mikrofiktionen im Postkartenformat, zur Jubiläumsausgabe ein Einblick in die redaktionellen Abläufe - und wieder Veranstaltungshinweise und Rezensionen.
Ein paar der Postkarten fand ich weniger interessant, mit dem Gedicht konnte ich auch nicht soviel anfangen. Die stilistische Abwechslung der Geschichten gefiel mir. Gebrochene Figuren und die Suche nach Heil oder Heilung zogen sich als Themen durch die Kurzgeschichten. Die Charaktere in Vogltanz' "No Filter" fand ich stark. Die Iwein-Adaption von Bardilac ("Brunnenlied") ist reizvoll, bei ihrer gehobenen Prosa bin ich noch zwiegespalten, ob sie nicht etwas zu gekünstelt für meinen Geschmack ist und dadurch mein Eintauchen in die Geschichte behindert. Gekonnt geschrieben ist der Text jedenfalls. Klemps "Seelenpartnertest" ist ebenfalls gekonnt und konsequent geschrieben, strebt aber eine ganz andere Stilebene an (Alltag, Slice of Life, Umgangssprache). Die Hauptfigur leidet hier unter ihrem Wunsch, ein gesellschaftlich verbreitetes System von Anerkennung/Bestätigung auch auf ihre queere Beziehung anzuwenden.
"Unterschied" von Rosenberg wartet mit einer interessanten Konstellation auf, aber ich fand, die Geschichte hätte ein bisschen mehr Bewegung verdient - zuviele Elemente wiederholten sich für meinen Geschmack. Dahlkes "Sarah" schließlich beschreibt eine zarte, zerbrechliche Annäherung. Die androide Erzählstimme ist sehr menschlich; ich hätte es spannend gefunden, wenn Dahlke hier etwas tiefer in die Psyche (?) einer androiden KI eingestiegen wäre.

Perssons Essay "Auf Nimmerwiedersehen, Mittelerde" fand ich mittelmäßig. Er schwankt zwischen proklamatorischen Grundsätzen und persönlichen Einschränkungen, betont manche Aspekte (die ohne Zweifel wichtig ist), vernachlässigt aber andere und wirkt auf mich dadurch nicht ganz rund.

In ihrer Bandbreite hat mir die zehnte Ausgabe der Queerwelten richtig gut gefallen.

Bewertung vom 08.11.2024
Du entscheidest! Der Ruf des Kerkers
Conner, Hari

Du entscheidest! Der Ruf des Kerkers


ausgezeichnet

A Dungeon Adventure with Room for Kindness

Hari Conner's choose-your-own-path gamebook "Into the Dungeon" is short and sweet. It has less than 90 sections = pages (most of them illustrated), but packs a lot of engaging encounters and decisions into it. You can choose between four pre-generated characters with ungendered descriptions and different stats. Stats decide outcomes (there are no dice rolls), so for a dedicated player/reader it would be rewarding to figure out the best path through the dungeon for each character.

I've played two of the four characters, and "cheated" at lot to explore most of the pages, probably spending two hours or more with the book, which I thoroughly enjoyed. There are stills parts of the dungeon/caverns I haven't explored yet.

While the book provides a variety of threats, it is not combat focused. I like how Conner balances the satisfaction of a fight well-fought with that of resolving conflict without violence. There are many opportunities for wounds and death, but also interesting, moving social encounters waiting in the dungeon. It felt very rewarding to literally get the most out of a situation through kindness.

That, and the many black and white illustrations really make this gamebook shine.