Benutzer
Top-Rezensenten Übersicht

Benutzername: 
Lu
Wohnort: 
Hamburg

Bewertungen

Insgesamt 160 Bewertungen
Bewertung vom 25.10.2024
Coco und die Revolution der Mode
Johannson, Lena

Coco und die Revolution der Mode


sehr gut

„Coco und die Revolution der Mode“ ist eine charmante und unterhaltsame Romanbiographie, die das Leben der jungen Gabrielle „Coco“ Chanel lebendig nachzeichnet. Die Geschichte beginnt in den tristen Mauern eines Waisenhauses, aus dem Gabrielle bald mit Träumen ausbricht, die sie weit über die konventionellen Rollenbilder ihrer Zeit hinausführen sollen. Obwohl sie zunächst von einer Karriere als Sängerin träumt, merkt sie bald, dass sie dafür wohl doch nicht das nötige Talent mitbringt, um ganz groß herauszukommen.

Der Roman nimmt die Leser:innen mit auf Gabrielles Weg durch verschiedene Berufsstationen. Besonders gut hat mir gefallen, dass hervorgehoben wird, dass sie nicht ganz allein erfolgreich wird, sondern immer durch Schwestern und Freund:innen unterstützt wird. Der Durchbruch bleibt lange aus, bis sie auf Boy Capel trifft – einen Mann, der nicht nur ihre große Liebe, sondern auch ihr Förderer wird. Durch ihn entdeckt Gabrielle ihre wahre Berufung: die Mode. Mit der Eröffnung ihres ersten Modehauses und der Entwicklung ihres ganz eigenen Stils beginnt nun ihr Weg zur Modeikone.

Die Autorin hat es geschafft, die Geschichte authentisch und lebendig zu gestalten, ohne allzu weit von den historischen Tatsachen abzuweichen. Ein kurzes Nachwort informiert über die kleinen künstlerischen Freiheiten, die für die Erzählung genommen wurden. „Coco und die Revolution der Mode“ ist leicht zu lesen und bietet genau die richtige Mischung aus Unterhaltung und historischem Einblick, die ich von dieser Buchreihe erwarte. Insgesamt ein empfehlenswertes Buch für alle, die sich für Modegeschichte interessieren und zugleich eine charmante Lebensgeschichte lesen möchten!

Bewertung vom 25.10.2024
White Lives Matter
Kuhnke, Jasmina

White Lives Matter


sehr gut

Als ich das Cover und den Titel dieses Romans zuerst sah, dachte ich sofort an den Slogan der White-Power-Bewegung aus den USA und wollte mich schon aufregen - und dann sah ich, dass die großartige Jasmina Kuhnke den Roman geschrieben hat, deren ersten Roman „Schwarzes Herz“ fand ich sehr gut fand: eindringlich, intensiv und emotional mitnehmend. Diesen Roman MUSSTE ich also auch lesen.

Kuhnke dreht hier den Spieß um: Anna ist eine der wenigen Weißen in ihrem Studiengang, als erste in ihrer Familie hat sie es an die Uni geschafft. In Annas Welt werden Weiße aufgrund ihrer Hautfarbe seit Jahrhunderten diskriminiert. Nach und nach entdeckt Anna in ihrem Geschichtsstudium und in ihrem Alltag, dass die Diskriminierung auf koloniale Verbrechen zurückgeht und sie selbst durch besonders angepasstes Verhalten nicht verhindern kann, strukturell und im Alltag diskriminiert zu werden. Als Anna gerade beginnt, selbstbewusster zu werden, wird ihr Bruder Opfer rassistischer Polizeigewalt gegen Weiße. Ihr Leben kann nicht mehr so weitergehen wie vorher.

Insgesamt greift Kuhnke mit dieser kreativen Idee das wichtige Thema der empathy gap auf: Zahlreiche Studien konnten zeigen, dass Schwarzen gegenüber weniger Empathie empfunden wird, was schmerzhafte und tödliche Folgen haben kann. Insgesamt ist der Roman dennoch relativ einfach erzählt, sodass er mir insgesamt eher wie ein Jugendbuch vorkam. Manche Stellen waren für mich sprachlich nicht ganz so eindringlich und kraftvoll wie im Debütroman: Einige Dialoge wirkten durch die Verwendung von eher pubertärer Jugendsprache auf mich unpassend für das studentische Milieu. An vielen Stellen wird, um Annas Entwicklung unmissverständlich klarzumachen, das Prinzip „Show, don‘t tell“ verletzt, wenn z.B. am Ende eines Kapitels darauf hingewiesen wird, dass Anna sich nun selbstermächtigt habe. Ich persönlich hätte es besser gefunden, die Leser:innen das aus Annas Verhalten interpretieren zu lassen, für jugendliche oder unerfahrene Leser:innen ist das aber bestimmt hilfreich. Mir haben die fiktiven historischen Rückblicke daher viel besser gefallen, die sehr eindringlich geschrieben sind und zahlreiche berührende literarische Leerstellen offen lassen.

Insgesamt würde ich den Roman daher als guten Einstieg ins Thema auch für Jugendliche sehen, dem dann aber weitere Lektüre folgen sollte. Denn auch die empathy gap wird im Roman explizit, aber sehr vereinfacht erklärt: Diese besage, dass Menschen ohne Diskriminierungserfahrungen nicht in der Lage seien Empathie für Menschen mit Diskriminierungserfahrungen zu haben - das greift aber meines Wissens ein bisschen zu kurz, da es Studien gibt, die zeigen, dass auch Schwarze Menschen weniger Empathie mit Schwarzen haben und dass deshalb dieser internalisierte Rassismus aktiv von allen verlernt werden muss, um gesellschaftliche Änderungen zu bewirken. Wenn dies passiere, ist es jedoch auch für Menschen ohne Rassismuserfahrung möglich Empathie für rassifizierte Menschen zu empfinden. Kuhnke versucht mit ihrem Roman ja sogar selbst, diese anzuregen - und schafft das aus meiner Sicht auch!

Bewertung vom 23.10.2024
Empathie und Widerstand
Lunz, Kristina

Empathie und Widerstand


ausgezeichnet

Auf Grundlage ihrer eigenen Erfahrungen und durch den Blick auf bekannte Aktivistinnen, zeigt Kristina Lunz in „Empathie und Widerstand“ praxisnah, wie man sich Empathie und Widerstand gleichzeitig bewahren kann und wie beides sich gegenseitig ergänzt. Die Autorin bezieht sich dabei immer wieder auf ihr erstes Buch, eine Einführung in feministische Außenpolitik, die ich ebenfalls sehr gerne gelesen habe. Wer erneut ein ähnlich analytisches und politisches Werk erwartet, könnte hier jedoch enttäuscht werden: Im Vergleich zu ihrem ersten Buch ist dieses schmale Büchlein persönlicher und ratgeberhafter. Es gibt zwar auch einige weiterführende Lektüretipps, im Vergleich jedoch deutlich weniger. Doch gerade in dieser veränderten Herangehensweise liegt für mich der Wert dieses Buches: Es ist nicht nur eine intellektuelle Analyse, sondern eine praktische Ermutigung für all jene, die angesichts der aktuellen Weltlage nicht verzweifelt und trotzdem aktiv werden wollen.

Für mich kam diese Ermutigung von Aktivistin Kristina Lunz, angesichts der Weltlage weder aufzugeben noch zynisch zu werden oder abzustumpfen, genau zum richtigen Zeitpunkt. Sicherlich ist Vieles, was sie über die klare Haltung gegenüber den gesellschaftlichen Entwicklungen, die man für sich finden muss, nicht neu oder besonders überraschend. Aber ab und zu von Menschen, die sich für Ähnliches einsetzen, wie man selbst, zu hören oder zu lesen, dass es okay ist, Ambivalenz und Empathie zuzulassen, während man gleichzeitig Grenzen setzt, tut manchmal einfach gut. Ein Buch für alle, die aktiv sind, um die Hoffnung nicht zu verlieren!

Bewertung vom 23.10.2024
Pineapple Street
Jackson, Jenny

Pineapple Street


sehr gut

Ich frage mich beim Spazieren durch reiche Wohngebiete immer, wie es wohl in den Häusern aussieht, und würde nur zu gerne mal für eine Hausbegehung hereingebeten werden. In „Pineapple Street“ von Jenny Jackson reist man in die exklusive Wohngegend von Brooklyn Heights in New York City und darf hinter die Mauern der Häuser und Wohnungen der wohlhabenden Familie Stockton schauen. Mit Witz und Charme beleuchtet der Roman dort das Leben der drei Protagonistinnen – die Töchter der Familie Darley und Georgiana sowie Schwiegertochter Sasha.

Während Darley, die älteste Tochter, damit hadert, ihre Karriere und ihr Erbe zugunsten ihrer Familie aufgegeben zu haben und Georgiana, die älteste Tochter, nach der großen Liebe sucht, kämpft Sasha damit, dass sie als Kind der Mittelschicht vom Rest der Familie nicht akzeptiert wird. Dass trotz dieser Schwierigkeiten alle drei ein sehr privilegiertes Leben innerhalb ihrer überdimensionierten Häuser und Wohnungen führen, wird immer wieder mit Witz und Ironie kommentiert, sodass immer wieder auch Kritik an der Lebensweise und den Einstellungen der Familie Stockton sowie an den Strukturen, die dieses Leben ermöglichen, deutlich wird.

Dennoch ist „Pineapple Street“ in erster Linie ein unterhaltsamer Roman über die Familiendynamiken und gibt einen Einblick in das Leben der reichen weißen Oberschicht von New York. Wenn es um die größeren gesellschaftlichen Themen wie Klassismus und Rassismus geht, bleibt der Roman an der Oberfläche und hinterfragt Strukturen nicht grundsätzlich. Stattdessen dominiert bei mir die Faszination für die glamouröse Welt der High Society, was für mich jedoch auch nicht überraschend war und im Kontext des Romans gut funktioniert.

Insgesamt ist „Pineapple Street“ damit ein kurzweiliger Roman, der nicht zu viel Tiefgang verspricht, aber auf charmante Weise einen Blick hinter die Kulissen des Lebens der Reichen und Schönen bietet. Wer eine leichtfüßige, unterhaltsame Lektüre, die nicht zu seicht ist, sucht, wird hier fündig.

Bewertung vom 18.10.2024
Die Könige von Babelsberg
Günther, Ralf

Die Könige von Babelsberg


sehr gut

Ralf Günther schafft mit „Die Könige von Babelsberg“ einen historischen Kriminalroman, der die glamouröse und zugleich düstere Welt der 1920er Jahre in Berlin passend einfängt. Der Roman basiert auf der wahren Geschichte des berühmten Filmemachers Fritz Lang und dem mysteriösen Tod seiner Ehefrau Elisabeth „Lisa“ Rosenthal, mit dem Lang in Verbindung gebracht wurde, der aber nie aufgeklärt wurde. Um diese reale Begebenheit spinnt Günther eine fiktive Krimihandlung, in der der hartnäckige Kommissar Beneken ermittelt.

Besonders überzeugend ist die Darstellung der aufstrebenden Filmwelt der Weimarer Republik und des pulsierenden Berliner Nachtlebens, welche er immer wieder in Kontrast zu den gesellschaftlichen Spannungen und den Nachwirkungen des Ersten Weltkriegs im Alltag setzt. Günther lässt die Leser:innen mit den ermittelnden Kommissar in die Filmstudios von Babelsberg eintauchen, wo Größen wie Fritz Lang und seine Geliebte sowie zukünftige Ehefrau, die zu der Zeit sehr bekannte Drehbuchautorin Thea von Harbou, die Grenzen des Kinos erweitern. Während Lang noch heute zum filmischen Kanon gehört, war mir nicht bekannt, dass Thea von Harbou maßgeblich an Filmen wie „Metropolis“ mitgearbeitet hat, sodass sich der Roman für mich allein schon deshalb gelohnt hat.

Günther zeichnet mit Beneken einen klassischen Krimihelden, der von der Wahrheitssuche besessen ist. Obwohl er sich in einem Geflecht aus Lügen, Geheimnissen und gesellschaftlichem Druck verliert, bleibt er unermüdlich. Die Ermittlungen führen Beneken durch die verschiedenen Schichten Berlins - bald entdeckt Beneken aber auch bei sich selbst Wahrheiten, die unter mehreren Schichten Alltag verborgen waren.

Die Parallelen zu Babylon Berlin sind unverkennbar. Wer die Serie liebt, wird auch an „Die Könige von Babelsberg“ Gefallen finden, da Günther ein ähnliches Gespür für historische Details und die Widersprüche der Weimarer Republik zeigt. Ein Nachwort zu den historischen Fakten zu Fritz Lang und Thea von Harbou runden den Roman deshalb für mich gelungen hab. Daneben ist der Kriminalroman aber auch einfach spannend zu lesen und wird Leser:innen gut unterhalten, die sich für komplexe Ermittlercharaktere interessieren.

Bewertung vom 14.10.2024
Die Mitford Schwestern / Starke Frauen im Schatten der Weltgeschichte Bd.6
Benedict, Marie

Die Mitford Schwestern / Starke Frauen im Schatten der Weltgeschichte Bd.6


sehr gut

„Die Mitford Schwestern“ ist eine typische, unterhaltende Romanbiographie, die die kontroversen Lebenswege der berühmten Mitford Schwestern beleuchtet, die in Englands Gesellschaft zwischen den Weltkriegen eine prägende Rolle spielten. Als Diana sich von ihrem wohlhabenden Ehemann scheiden lässt, um den britischen Faschisten Oswald Mosley zu heiraten, und ihre Schwester Unity nach München geht, sympathisieren mehr und mehr Mitfords mit den britischen und deutschen Faschisten. Während die Nazis an Macht gewinnen, wird die Schriftstellerin Nancy Mitford misstrauisch gegenüber den ständigen Besuchen ihrer beiden Schwestern in Nazi-Deutschland. Bald muss sie sich zwischen Loyalität zu Familie oder Land entscheiden.

Zu Beginn hatte ich die Befürchtung, dass die Vielzahl an Figuren und Namen verwirrend werden könnte. Das war allerdings schnell kein Problem mehr, weil nur die drei Schwestern Nancy, Diana und Unity Mitford im Zentrum des Romans stehen. Der Schreibstil von Benedict ist locker und flüssig, was das Buch trotz der oft schweren Thematik leicht lesbar macht. Die kurzen Kapitel und der Wechsel der Perspektiven schaffen ein hohes Erzähltempo. Es wird weitgehend auf Kitsch verzichtet, was für solche Romanbiographien ja auch nicht selbstverständlich ist.

Leider bleibt der Roman aber auch in einigen Punkten hinter meinen Erwartungen zurück. Besonders bedauerlich fand ich, dass das Nachwort nicht darüber informiert, was im Roman Fakt und was Fiktion war. Außerdem fand ich es schade, dass die Beziehungen von Diana und Unity zu Hitler sehr im Zentrum des Romans standen, während der Widerstand von Nancy und z.B. auch ihrer kommunistischen Schwester Jessica weniger Raum einnehmen konnten.

Insgesamt hat mir der Roman aber gut gefallen, insbesondere weil er mir eine neue Perspektive auf die britische Geschichte geboten hat. Dass es in Großbritannien in den 1930er Jahren eine aktive faschistische Bewegung gab, war mir zuvor nicht bewusst. Benedict schafft es, diese historische Realität auf unterhaltsame Weise zu vermitteln, ohne den ernsten Hintergrund zu vernachlässigen.

Bewertung vom 12.10.2024
Skogland brennt / Skogland Bd.3
Boie, Kirsten

Skogland brennt / Skogland Bd.3


ausgezeichnet

Kirsten Boies „Skogland 3. Skogland brennt“ ist ein erschütternder und hochaktueller Jugendroman, der die Gefahren des Rechtsextremismus‘ schonungslos aufzeigt. In einer fiktiven Welt, die bedrückend viele Parallelen zur Realität aufweist, thematisiert Boie die Radikalisierung der Gesellschaft in Skogland. Skogland ist erst wenige Jahre demokratisch, doch die Menschen im Norden sind unzufrieden, einige Rebellen reagieren mit Anschlägen. Dies nutzt die rechtsextreme Partei (APP) für Propaganda und ihren Aufstieg, um die Demokratie wieder abzuschaffen. Diese Dynamik führt zu einem schrecklichen Attentat gegen Jugendliche, das beklemmend an die Tragödie von Utoya erinnert. Hier wird schon deutlich: Der Roman ist nichts für jüngere Jugendliche und nichts für Jugendliche, die aktuell ohnehin schon furchtbare Ängste vor dem Aufstieg der Rechtsextremen in Deutschland haben. Für alle anderen ist es ein Roman, der aufrütteln und daran erinnert, wie wichtig es ist, sich nicht teilen zu lassen, um Freiheit und Demokratie zu verteidigen.

Der Einstieg in den Roman ist leicht, dank Boies klarer Sprache und der kurzen Kapitel, die das Lesen flüssig und packend machen. Schnell entwickelt sich eine Spannung, die einen förmlich durch das Buch treibt. Doch gerade die düsteren Entwicklungen und die teils erschreckend präzise gezeichneten Figuren, wie der charismatische und gleichzeitig gefährliche Bolström, werfen immer wieder einen dunklen Schatten auf die Geschichte. Seine Vision, die Demokratie durch ihre eigenen Mittel zu untergraben und die Medien für rechtsextreme Propaganda zu instrumentalisieren, ist beklemmend nah an der Realität und erinnert unweigerlich an heutige politische Strömungen wie die AfD. Diese Parallelen sind schwer auszuhalten, aber genau das ist Boies Stärke: Sie zeichnet ein Bild, das so unheimlich real wirkt, dass einem beim Lesen oft der Magen umgedreht wird.

Die Charaktere sind in ihrem Gut-Böse-Schema zwar einfach gestrickt, aber gerade für ein jugendliches Publikum kann dies aus meiner Sicht sinnvoll und notwendig sein. Es gibt keine Entschuldigung für rechtsextreme Meinungen – das macht der Roman deutlich. Auch wenn eine Person noch so nett wirkt, wie Bolström oder der nette Nachbar, sind solche Ideologien nicht hinnehmbar. Diese klare Botschaft ist besonders in der heutigen Zeit wichtig, in der Rechtspopulisten oft auf vermeintlich sympathische Weise versuchen, ihre gefährlichen Ansichten zu verbreiten.

Neben all den positiven Aspekten des Buches gibt es jedoch auch einige Leerstellen, die mich gestört haben. Es bleibt offen, was mit den Rebellen im Norden geschieht, und auch die Beziehung zwischen den Jugendlichen, die wir durch den Roman begleiten, wird nur oberflächlich behandelt, Vieles wird zu Gunsten des hohen Tempos des Romans nicht genau beschrieben. Dennoch kann ich „Skogland 3. Skogland brennt“ nur als einen wichtigen und berührenden Roman bezeichnen, der nicht nur für Jugendliche, sondern auch für Erwachsene. Wenn mich ein Roman so erreicht, dass ich noch vor dem Frühstück weiterlesen muss und über mehrere Seiten hinweg Rotz und Wasser heule, kann ich einfach nur 5 Sterne vergeben.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 08.10.2024
Hey guten Morgen, wie geht es dir?
Hefter, Martina

Hey guten Morgen, wie geht es dir?


ausgezeichnet

"Hey guten Morgen, wie geht es dir?" von Martina Hefter ist ein vielschichtiger Roman voller Kontraste. Die Protagonistin Juno steht im Zentrum dieser Erzählung, die in kurzen, fast assoziativen Episoden erzählt wird – was für mich überraschend gut funktioniert hat. Ich habe ihn in einem Rutsch durchgelesen.

Tagsüber kümmert sich Juno liebevoll um ihren schwerkranken Ehemann Jupiter. Zusätzlich zu dieser Rolle als Partnerin und Pflegerin ist Juno Künstlerin, Schauspielerin und Tänzerin. Doch was den Roman besonders interessant macht, ist die Art, wie Hefter Junos nächtliche Eskapaden ins Internet schildert, wo sie mit Love-Scammern chattet. Diese Online-Kontakte geben Juno Raum zur Flucht und Freiheit. In diesen Gesprächen kann sie sämtliche Masken ablegen – oder neue aufsetzen. Sie lässt sich auf das perfide Spiel der Betrüger ein, nur um es auf den Kopf zu stellen. Denn anstatt Opfer zu sein, manipuliert sie selbst, belügt und verdreht die Wirklichkeit. Als sie online schließlich auf Benu trifft, einen Mann, der tatsächlich Interesse am Gespräch mit Juno hat, beginnt eine Beziehung auf Distanz, die Juno beständig dazu bringt, ihre Entscheidungen und Urteile zu hinterfragen.

Die Stärke des Romans liegt für mich in seiner Leichtigkeit, trotz der Schwere der Themen, die er behandelt. Liebe, Krankheit, Einsamkeit und die Suche nach einem selbstbestimmten Leben sind allgegenwärtig. Doch Hefter umgeht jedes Pathos und jedes Klischee. Ihr Stil ist nüchtern, fast lakonisch. Mir hat die Lektüre großen Spaß gemacht!

1 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 06.10.2024
Das Comeback
Berman, Ella

Das Comeback


ausgezeichnet

"Das Comeback" von Ella Berman, einfühlsam übersetzt von Elina Baumbach, ist ein packender Roman, der tief in die Abgründe Hollywoods und der amerikanischen Gesellschaft blickt. Im Zentrum der Geschichte steht Grace Turner, ein ehemaliger Teenie-Star, der nach einem Jahr im Verborgenen plötzlich nach Hollywood zurückkehrt – um sich dort ihrem einstigen Leben, in dem sie den toxischen Machtstrukturen wehrlos ausgeliefert war, zu stellen.

Berman gelingt es, mit ihrer Hauptfigur eine authentische und vielschichtige Protagonistin zu schaffen. Grace ist sowohl zerbrechlich als auch mutig, sie ist einerseits entschlossen, nicht länger ihre Opferrolle zu akzeptieren, andererseits hat sie in Hollywood kaum Verbündete. Für mich stellt sie damit den Kampf vieler Frauen gegen toxische Machtstrukturen und die lange unterdrückte Wahrheit der MeToo-Bewegung authentisch dar. Es wird gezeigt, wie manipulative Machtverhältnisse das Leben junger Frauen zerstören können und wie schwierig es ist, gegen übermächtige Figuren der Filmindustrie anzukämpfen, die als unantastbar gelten.

Fragen von Resilienz und Selbstermächtigung ziehen sich wie ein roter Faden durch den Roman, wobei ich es sehr gut fand, dass diese nicht verkitscht und vereinfacht dargestellt werden. Stattdessen werden diese Fragen oftmals offengelassen. Das trägt zur Spannung des Romans bei, der flüssig und mit immer neuen Wendungen schnell erzählt wird. Es ist eine Geschichte über das Durchbrechen des Schweigens und die Rückeroberung der eigenen Stimme – ein Thema, das auch sieben Jahre nach MeToo immer noch große Relevanz hat.

Bewertung vom 03.10.2024
Pi mal Daumen
Bronsky, Alina

Pi mal Daumen


sehr gut

„Pi mal Daumen“ erzählt von der ungewöhnlichen Freundschaft zwischen dem mathematischen Wunderkind Oscar und der lebenslustigen Großmutter Moni, die sich heimlich ihren Traum vom Mathematikstudium erfüllen will. Trotz ihrer Unterschiede – Oscar, privilegiert und sozial unbeholfen, und Moni, die mit mehreren Nebenjobs plus drei Enkelkindern ihren Alltag meistert – wachsen die beiden im Laufe der Geschichte zusammen und bilden ein sympathisches Team, das sich gemeinsam beim Studium unterstützt.

Moni wird zunächst als Außenseiterin belächelt – allein schon wegen ihres auffälligen Auftretens mit knalligem Lippenstift und hohen Schuhen, und weil sie für eine Putzfrau gehalten wird. Doch der Roman schafft es, schnell zu zeigen, dass sich wahre Intelligenz und Leidenschaft nicht durch äußere Erwartungen und Rollenbilder begrenzen lassen. Es dauert nicht lange, bis Oscar erkennt, dass Monis Wissen und vor allem ihre Hartnäckigkeit etwas Besonderes sind.

Der Humor des Romans bewegt sich oft auf einer schmalen Linie. Während er stellenweise sehr amüsant ist, driftet er manchmal ins Kalauerhafte ab, was sicherlich Geschmackssache ist. An einigen Stellen ist es auch sehr klischeehaft, zudem gibt es hier und da klassistische Ansätze, besonders in der Art, wie Menschen in prekären Lebensverhältnissen dargestellt werden. Der Roman profitiert sicher davon, wenn man das selbst kritisch liest. Doch insgesamt überwiegt der positive Eindruck: Die Charaktere werde trotz der Klischees sehr warmherzig beschrieben und entwickeln sich im Laufe des Romans auch weiter. Die Geschichte ist flüssig und locker erzählt und ich fühlte mich gut unterhalten. Besonders die Entwicklung der Freundschaft, die niemand für möglich gehalten hätte, macht „Pi mal Daumen“ zu einer sehr netten Lektüre.