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Mango

Bewertungen

Insgesamt 104 Bewertungen
Bewertung vom 11.01.2023
Unsere Freundschaft ist wie ein Traum
Savas, Aysegül

Unsere Freundschaft ist wie ein Traum


sehr gut

Unsere Freundschaft ist wie ein Traum war wirklich eine besondere Begegnung für mich. Ich las es als Jahresabschluss 2022 und habe bekommen, was ich wollte: Eine schöne, eher ruhige Geschichte. Gleichzeitig ging sie aber auch viel mehr in die Tiefe, als ich gedacht hatte und bot noch mal einiges zum Nachdenken. Ein wundervolles Leseerlebnis, das mich so schnell nicht loslassen wird.

Nunu wächst in Istanbul auf. Ihr Vater scheint nie ganz da zu sein, irgendwann ist er es auch physisch nicht mehr. Ihre Mutter ist emotional abwesend und frustriert. Früh beginnt Nuna Spiele in ihrem Kopf zu spielen und Punkte zu sammeln, für sich allein.

Später zieht sie nach Paris. Sie erfindet einen neuen Menschen und verschmilzt immer mehr mit diesem. So auch in ihrer Freundschaft mit M. Die Romane des bekannten Schriftstellers spielen in Istanbul, schnell sind die ersten Themen da. Auf ihren gemeinsamen Spaziergängen und in den vielen Emails finden sich schnell weitere und ihre besondere Freundschaft nimmt ihren Lauf.

So eigen wie die beiden sind, sind auch die Regeln ihrer Freundschaft. M., der immer an ihrer linken Seite geht, bleibt irgendwie distanziert. Die beiden haben einander nie bewusst in die Augen geschaut, aber teilen einige Erinnerungen und Gedanken.

Nunu ist als Protagonistin sehr gelungen. Sie hat sehr sympathische Züge, aber wirft auch immer wider Fragezeichen auf. Sie stellt Bedingungen und Erwartungen an andere Menschen, ohne diese zu kommunizieren und sucht nach Geschichten, die sie extra weiter ausschmückt, so dringend will sie etwas besonderes sein.

M. bleibt im Geschehen etwas blass und dadurch war die Geschichte ganz anders, als ich erwartet hatte. Viel düsterer, aber dafür auch umso packender und realistischer.

Unsere Freundschaft ist wie ein Traum ist ein kleines Buch voller kluger Gedanken und Beobachtungen. Ein Buch, das sich toll lesen lässt und bewegt.

Bewertung vom 08.01.2023
Miss Kim weiß Bescheid
Cho, Nam-joo

Miss Kim weiß Bescheid


sehr gut

Ich hatte leider bisher noch nichts von Cho Nam-Joo gelesen, Kim Jiyoung, geboren 1982 ging irgendwie voll an mir vorbei, umso glücklicher bin ich jetzt, dass ich Miss Kim weiß Bescheid lesen konnte.

In 8 Kurzgeschichten bringt die Autorin uns die koreanische Kultur näher und arbeitet gesellschaftliche Konflikte unterschiedlich auf. Die Frauen, um die es in diesen Geschichten geht, könnten unterschiedlicher kaum sein. Einige stehen am Beginn ihres Lebens, einige am Ende. Ihre Umstände sind unterschiedlich und so erleben wir einige unterschiedliche Perspektiven.

Mir haben tatsächlich alle Kurzgeschichten gut gefallen, sie haben mir etwas Neues beigebracht und mir etwas zum Nachdenken mitgegeben. Hier lasse ich einfach mal den Klappentext sprechen, die Themen sind vielfältig. “das heimliche Filmen von Frauen in der Öffentlichkeit, Hatespeech und Cybermobbing auf Social-Media-Plattformen, häusliche Gewalt, Gaslighting, weibliche Identität im Alter und die Ungleichbehandlung am Arbeitsplatz. Auch sich selbst, die plötzlich weltbekannte Autorin, nimmt sie ins Visier.”

Mir haben die ausführlichen Beobachtungen und die klare Benennung großer Themen sehr gut gefallen, Cho Nam-Joo hat einfach was zu erzählen. Obwohl wir hier Kurzgeschichten haben, geht sie dabei ziemlich in die Tiefe. Schnell wurde ich mit den einzelnen Charakteren warm und ihre Gefühle und Gedanken waren immer nachvollziehbar, ohne das große Erklärungen benötigt werden.

Durch den unaufgeregten Schreibstil wird sich hier aufs Wesentliche konzentriert, die Geschichten lassen sich flüssig lesen und lassen durch offenen Enden oft viel Raum zum Nachdenken. Die Geschichten sind also nicht super fesselnd, wirken aber noch lange nach.

Wenn ihr da bock drauf habt und euch vielleicht eh für die koreanische Kultur interessiert, werden euch die Kurzgeschichten wahrscheinlich auch viel Freude bereiten.

Bewertung vom 27.12.2022
Das Leben in Nuancen
Ashby, Chloë

Das Leben in Nuancen


sehr gut

Eve hängt ein bisschen fest. Nach dem Tod ihrer besten Freundin ist nichts mehr wie es war, obwohl auch vorher schon vieles nicht gut war. Sie hat den Halt verloren und tut alles dafür, noch weiter nach unten zu kommen. Sie verliert Jobs, die sie eh nicht machen möchte und dann fliegt sie auch noch aus ihrer Wohnung.

Ihre Eltern sind ihr keine große Hilfe, ihre Mutter verließ sie, als sie noch ein Kind war, ihr Vater ist Alkoholiker. Ihre Coping Strategien hat sie übernommen. Sie geht passiv durch ihr Leben, vermeidet Entscheidungen solange, bis andere für sie entscheiden und findet einfach keinen Weg für sich.

In ihrer Unzufriedenheit zieht sie sich immer weiter zurück. Sie belügt die Menschen, die ihr am nächsten stehen und stößt sie immer weiter weg, bis sie unter der Macht ihrer Trauer komplett zu verschwinden droht. Um die Kontrolle über ihr Leben zurück zu bekommen muss sie neues Vertrauen fassen und sich ihrer Vergangenheit stellen.

“Ein Gefühl der Schwere, aber auch das einer schrecklichen Leere. Bei Grace war es dasselbe. Mit einem Mal war ich nur noch halb ausgeformt, unvollständig, ausgehöhlt. Eine Hälfte geteilter Erinnerungen, nur noch Fragmente und gespaltene Knochen.”

Das Leben in Nuancen spielt etwa fünf Jahre nach dem Tod von Grace. Eve befindet sich in einer Abwärtsspirale und wir erleben hautnah mit, wie sie sich immer mehr in ihren selbstzerstörerischen Taten verliert. Ich muss hier mal wieder eine Warnung aussprechen. Ich fand das Buch wahnsinnig intensiv und schmerzhaft. Die Themen sind unter anderem Trauma, Vergewaltigung, Suizid und Drogenmissbrauch.

Mitten im Text gibt es kursive Einschübe, Erinnerungen an die Zeit mit Grace, die Eve neu durchlebt. Hier wird besonders deutlich, wie traumatisiert Eve ist und gleichzeitig, wie eng ihre Freundschaft war.

Chloë  Ashby zieht die Lesenden mit bildlichen Beschreibungen in den Bann. Die ungeschönte Darstellung von Eves Gefühlen kam bei mir komplett an und lies mich nicht mehr los. Obwohl das Buch nicht mit krasser Spannung punktet, konnte ich es nach etwa der Hälfte einfach nicht mehr weglegen.

Eve ist als Protagonistin nicht leicht, sie scheint keine Privatsphäre zu kennen, sobald es um andere geht, sie selbst bleibt verschlossen. In ihr brodelt eine bunte Mischung aus Gefühlen, die immer wieder über zu kochen droht. Auch Max, ein Mann, der sie wirklich gut behandelt und einfach ein Schatz ist, bekommt das zu spüren.

“Ich beame mich raus, worin ich langsam zum Profi zu werden scheine; ich bin wie die eine Person in einer Silent Disco, die den falschen Kopfhörer hat und sich zu einem anderen Beat bewegt.”

Max ist irgendwie ein schwieriger Charakter für mich gewesen. Seine Persönlichkeit bleibt sehr blass und er selbst sehr ruhig, gleichzeitig ist er immer da, wenn Eve mal Hilfe annehmen kann Er scheint nur zu existieren, um ihr immer wieder die Hand zu reichen und das hat mich ziemlich schnell angeödet.

Ich bin froh, dass hier keine überzogene Liebesgeschichte im Vordergrund steht, aber seine Rolle finde ich einfach schwierig. Auch das Ende ist mir wirklich zu überzogen und irgendwie.. nah. Was soll dieser Trend, ein großartiges Buch zu schreiben, um dann am Ende den leichtesten Weg zu wählen, der einfach nicht zum Rest passt?

Ich mochte Das Leben in Nuancen ziemlich gern, mit einem anderen Ende hätte es Highlight Potential gehabt. Aber es hätte auch viel schlimmer kommen können.. Für mich ist das Buch trotzdem empfehlenswert. Es gibt sehr tiefe Einblicke in den Trauerprozess eines Menschen mit selbstzerstörerischen Tendenzen und ist einfach großartig geschrieben.

Bewertung vom 26.12.2022
Schnell mal vegan
Seiser, Katharina

Schnell mal vegan


sehr gut

Ich kann momentan einfach nicht aufhören. mir Kochbücher anzuschauen. Kürzlich habe ich mir Schnell mal vegan angeschaut und ich freue mich schon sehr drauf, mich im kommenden Jahr durch das Buch zu kochen.

Wir bekommen hier einzigartige Rezepte, die immer gleich ihrer Saison zugeordnet werden. Für jede Jahreszeit ist einiges dabei und auch der schöne Kalender ist sehr hilfreich. Mir gefällt die Anordnung der Rezepte hier wirklich gut.

Die Rezepte an sich sind wirklich mal was neues und vor allem sehr gesund. Mit Fertigprodukten wird hier gar nicht gearbeitet und auch sonst bleibt es hier bei eher klassischen Zutaten, für die man nicht erstmal in fünf verschiedene Läden muss.

Ich tue mich oft schwer mit den Einleitungen in Kochbüchern, zu oft habe ich hier schon das gleiche gelesen. Hier war das aber anders. Katharina Seiser wirkt einfach unheimlich sympathisch und offen, sodass es einfach Spaß macht, ihre Worte zu lesen. Außerdem gibt sie wirklich gute Tipps und Einblicke in ihre Küche.

Aber besonders hervor stechen hier natürlich die Rezepte. Allzu viel habe ich noch nicht nach kochen können, aber es ist einiges geplant. Was ich bisher so ausprobiert habe, konnte aber wirklich überzeugen und ging schnell. Der Titel ist hier also sehr treffend, die Rezepte sind wirklich simpel gehalten und lassen sich schnell zubereiten, ohne Geschmack einzubüßen.

Wenn ihrs gern richtig frisch mögt und Lust auf neue, einfache Rezepte habt, ist Schnell mal vegan bestimmt das passende Kochbuch für euch. Ich bin sehr froh, es zu besitzen und geh direkt mal schauen, was ich als nächstes kochen werde.

Bewertung vom 21.12.2022
Daddy Issues
Pesut, Dino

Daddy Issues


ausgezeichnet

Ein schwuler Protagonist, der früh auf sich allein gestellt war. Ein Vater, ehemals Gastarbeiter, der das beste für seinen Sohn will, aber selbst nicht viel Gutes bekommen hat. Eine Mutter, die zu früh gestorben ist. Ein Leben in Armut, bis kurz vor der Obdachlosigkeit, trotz angeblich unzähliger Möglichkeiten.

“Ich weiß nicht, wann ich aufgegeben habe, wann die Frustration meine Welt übernommen hat. Vielleicht als Janko zusammengeschlagen wurde oder als auch andere fortgingen. Eines Tages schien jeder einen eigenen Plan für das Leben zu haben, nur ich nicht.”

Ich muss gestehen, dass ich mit dem Protagonisten am Anfang etwas zu kämpfen hatte. Ich verstehe seine Frustration, die vielschichtigen Gefühle und fand es beeindruckend, wie realistisch und ehrlich diese dargestellt wurden. Wir bekommen hier Wahrheiten, die tief treffen. Die Wehtun und einfach Hässlich sind.
Manchmal bekommen wir aber auch einen Menschen, der sein Leid zu seiner Persönlichkeit macht. Der sich gegen die Zukunft wehrt, um sich weiter von der Vergangenheit definieren zu lassen.

Es geht viel um Klassenzugehörigkeit und Privilegien, die einfach fehlen. Viele gute Punkte, sehr ehrliche Worte und genau das, was ich mir erhofft habe. Zwischendurch rutschen wir aber immer wieder ins Destruktive, Negative und erlebe einen Mann, der sich offensichtlich nicht selbst helfen kann und immer wieder in Abwehrhaltung verfällt und eine*n Schuldigen sucht, der bloß nicht aussehen darf wie er selbst.

Natürlich spielt der Vater hier eine große Rolle. Der Vater, der plötzlich im Sterben liegt und einiges klären möchte. Dementgegen steht ein Sohn, der manchmal das gleiche möchte, manchmal aber auch nicht glaubt, dass eine Aufarbeitung hier möglich ist. Eine interessante Dynamik, der die unterschiedlichsten Gefühle zu Grunde liegen. Telefonate die Aufgeschoben werden, Sanfte Annäherungen, die an harte Grenzen stoßen und unheimlich viel Druck bei zwei Menschen, die so dringend einen Abschluss brauchen.

Die familiären Probleme zeichnen sich auch im Beziehungsleben ab. Auch hier bekommen wir ausführliche Einblicke und eine interessante Dynamik. Treffen mit einem Mann, für den Geld haben selbstverständlich ist. Hier werden Privilegien nicht hinterfragt, solange Menschen käuflich sind.

Auch freundschaftliche Beziehungen gestallten sich eher schwierig. Trotzdem sind es am Ende diese Menschen, die unseren Protagonist sehen, wie er ist und zur Unterstützung kommen. Die nicht bloß mit anschauen, dass er im Leben feststeckt und ehrliche Worte finden.

Ich bin wirklich überrascht, auf wie vielen Ebenen diese kurze Geschichte spielt und wie viele Themen hier großartig einfließen, ohne sich zu sehr aufzudrängen. Natürlich wird das Buch nicht jedem gefallen und es braucht viel Empathie und Ruhe, um das alles so hinzunehmen. Aber es ist ein unheimlich ehrliches, bewegendes Buch, mit einzigartigem Humor.

Bewertung vom 19.12.2022
Fang jetzt bloß nicht an zu lieben
McFarlane, Mhairi

Fang jetzt bloß nicht an zu lieben


sehr gut

Harriet liebt Hochzeiten, sie ist sogar Hochzeitsfotografin. Eine eigene scheint sie aber auszuschließen, Romantik wirkt einschüchternd auf sie. Da kommt der öffentliche Heiratsantrag ihres Freundes Jon natürlich sehr ungelegen. Die Situation eskaliert und Harriet verlässt ihn nach zwei Jahren und langer Zeit, in der schon einiges nicht mehr gestimmt hat.

Sie findet schnell eine neue Bleibe, ihr neuer Mitbewohner Cal ist die erste große Überraschung in ihrem neuen Lebensabschnitt. Neben den Komplikationen einer Trennung wird sie gezwungen, ihre Vergangenheit aufzuarbeiten, natürlich nicht allein.

Mhairi McFarlane ist einfach eine Autorin, die mich nicht enttäuscht. Mit Fang jetzt bloß nicht an zu Lieben hat sie eine wunderschöne, ermutigende Geschichte geschrieben, die mein Herz unheimlich schnell erobert hat.

In kürzester Zeit habe ich in die Geschichte gefunden und die Seiten sind nur so dahingeflogen. Der Schreibstil der Autorin lässt sich unheimlich gut lesen und die Themen fesseln. Die Ernsthaftigkeit und die Themen, die hier behandelt werden, haben mich kurz überrascht, ich finde sie aber wirklich gut umgesetzt. Toxische Beziehungen sind ein großes Thema, aber auch die Solidarität unter Frauen kommt nicht zu kurz, hier wird also nicht nur gelitten.

Die Charaktere sind an sich super sympathisch, bleiben für mich aber etwas blass. Vor allem Cal hätte etwas mehr Persönlichkeit vertragen. Das nimmt der Geschichte leider immer wieder etwas die Tiefe, aber vielleicht ist das ja genau was ihr sucht.

Das Ende ist natürlich kitschiger und überzogener als alles, was unsere schwarzen Herzen sich erträumen könnten, aber manchmal wollen wir doch genau sowas lesen.

Ich kann euch das Buch, genau wie die anderen Werke der Autorin nur ans Herz legen, wenn ihr Lust auf ein bisschen Drama und Kitsch habt. Es wird euch viel Spaß machen und euch auf verschiedenen Ebenen berühren.

Bewertung vom 18.12.2022
Imperium der Schmerzen
Keefe, Patrick Radden

Imperium der Schmerzen


ausgezeichnet

Was hab ich hier bitte gelesen?! Als ich Imperium der Schmerzen zum ersten Mal gesehen hab war klar, dass ich es haben MUSS! Ich hatte also wirklich hohe Erwartungen und das ist ja immer ziemlich gefährlich bei Büchern. Hier wurde ich aber nicht enttäuscht, im Gegenteil.

Von der Opiod-Krise habe ich natürlich vorher schon gehört, von der Sackler-Familie bisher nicht. Ich war beim Lesen immer wieder entsetzt, konnte kaum glauben, was da alles passiert ist. Und das alles war so unheimlich fesselnd und aufregend, dass ich nächtelang in diesem Buch lesen musste, ich konnte einfach nicht anders.

Auf die Opiod-Krise wird hier eher weniger eingegangen, da werde ich mir definitiv noch andere Bücher anschauen müssen, hier wird ‚nur‘ das Portrait einer Familie gezeichnet, die ihren Reichtum auf dem Grab vieler Leute aufgebaut haben und bis heute keine Einsicht zeigen.

Wir erleben die Sacklers über mehrere Generationen. Der Beginn, wie sie ihr Vermögen mit Valium aufbauen und die Pharmaindustrie revolutionieren ist schon nicht ohne. Mit Werbung kannte Arthur Sackler sich ähnlich gut wie mit Medizin aus und kombinierte direkt beides, um sein Medikament bestmöglich unter Menschen zu bekommen. Dabei bequatscht sein Team Ärzte und sorgt mit einprägsamen Texten dafür, dass seine Erfindung im Kopf der Patient*innen bleibt. Eine wirklich gruselige Entwicklung, die hier eindrücklich geschildert wird und später auch hilft, noch krassere Medikamente zu vermarkten.

1996 bringt die neue Generation dann OxyContin auf den Markt. Ein Opiumderivat, dessen Gefahr von Anfang an runter gespielt wird. Es werden Studien gefälscht und Ergebnisse ignoriert, Menschen bezirzt und gekauft. Raffinierte Werbung zieht die Kund*innen an und auch wenn vieles davon gelogen ist, funktioniert es. In den ersten 25 Jahren nach der Markteinführung starben etwa 450000 Amerikaner*innen durch OxyContin.

Dass sich der Familie Sackler so groß gewidmet wird, ist nicht selbstverständlich. Ihre Medikamente vertreiben sie über ihre Firma, in der sie im Vorstand sitzen, aber nicht im Vordergrund stehen. Ihre vielen Geheimnisse bleiben im Verborgenen und ihre Anwälte schrecken vor nichts zurück, um die Wahrheit verschlossen zu halten.

Durch viele Spenden und ihr Interesse an Kunst sind sie bekannt und nicht ungeliebt. Woher ihr Geld kommt und wie viel Blut an ihm klebt, ist lange nicht klar, ihr Geld wird aber überall gern angenommen. Offensichtlich genießt die Familie den Luxus, aber nicht unbedingt das Rampenlicht. Anerkennung scheint in dem Fall weniger wichtig, als die Kontrolle und das eigene Gefühl, etwas großes zu tun.

Auch für die Patente ihrer Medikamente kämpft die Familie mit ihren Anwälten und lässt sich immer neues einfallen, um Generika zu verhindern. Ihre Hauptbeschäftigung scheint darin zu liegen, Tatsachen zu verdrehen und ihr Geld für Berater, Anwälte und Kunst auszugeben.

Auch als die ersten Toten auftauchen und immer mehr Menschen abhängig von Oxycontin werden, sind sich die Sacklers keiner Schuld bewusst. Einsicht sucht man hier vergeblich, stattdessen lobpreisen sie ihr Medikament und zeigen sich stolz. Die Verantwortung weisen sie immer wieder von sich, laut ihnen ist das Problem die ‚Suchtpersönlichkeit der Menschen’.

Auf das Privatleben der Sacklers wird hier ausführlich eingegangen. Wir erleben Brüder, die sich voneinander entfernt haben, interne Streitereien, interessante Ehen und traurige Familien. Auf ihre persönlichen Interessen wird eingegangen und auch die Persönlichkeiten werden deutlich. Wirklich beeindruckend, wie gut die einzelnen Familienmitglieder gezeichnet sind und was für tiefe Einblicke wir bekommen.

Zu lesen, wie gut die Familie am Ende davon gekommen hat, wie viel Geld ihnen bleibt und wie viele Menschen darunter leiden, war dann unheimlich frustrierend. Ich kann einfach nicht nachvollziehen, wie das alles passieren konnte, aber ich hoffe, dass diese Einblicke dabei helfen, dass sowas nicht wieder passiert.

Ich kann gar nicht auf alle Lügen und Tricks eingehen, die hier über Jahrzehnte angewendet wurden. Es war aber wirklich faszinierend und hätte ich das als Roman gelesen, hätte ich wahrscheinlich hier gesessen und gedacht ‚Ja klar, als ob’. Aber es ist passiert und Patrick Radden Keefe hat das perfekt aufgearbeitet. Eine eindrückliches, wertvolles Buch, das leider verdammt unterhaltsam ist.

Bewertung vom 16.12.2022
Ganz entspannt vegan - Das Kochbuch
Wohlleben, Carina

Ganz entspannt vegan - Das Kochbuch


ausgezeichnet

Dass ich Essen liebe, ist kein großes Geheimnis. Veganes Essen natürlich, denn Tiere liebe ich auch. In den letzten Wochen habe ich mich durch ‚Ganz entspannt vegan‘ gekocht und bin wirklich happy.

Für mich war dieses Kochbuch genau was es verspricht. Die Rezepte sind schnell gemacht und wirklich einfach, dafür aber besonders lecker.

Gerade bei veganen Kochbüchern können die Zutaten schnell ein Problem werden. Ich möchte nicht in fünf verschiedene Läden müssen, um ein Gericht nach zu kochen, das kennt ihr bestimmt auch zu gut. Hier war das zum Glück gar nicht nötig, ich habe kaum außergewöhnliche Zutaten gefunden, die ich sonst nicht nutzen würde, Ein riesen Pluspunkt für mich.

Auch Ersatzprodukte sind hier kein großes Thema. Es wird häufig mit Tofu und Sojagranulat gearbeitet, ansonsten bleiben wir hier bei frischem Gemüse, Hülsenfrüchten & co. Auch Desserts, Säfte und tolle Backkreationen sind zu finden.

Ich würde sagen, dass wir hier sehr viele Basics bekommen. Rührtofu, Porridge, Pancakes zum Frühstück zum Beispiel. Ich glaube, dass hier gerade Leute, die wenig Erfahrung in der veganen Küche haben, fündig werden. Auch Klassiker wie Kartoffelgratin und Käse-Lauch-Suppe sind vorhanden.

Am Anfang gibt es die typische Einführung solcher Bücher, die ich um ehrlich zu sein meistens überfliege. Carina Wohlleben wirkt super sympathisch und findet schöne Worte zur veganenen Ernährung. Es gibt einen kleinen Exkurs in verschiedene wichtige Nährstoffe und ein paar Zutaten, die vielleicht nicht super geläufig sind, werden kurz erklärt.

Für mich eins der besten Bücher, die ich zu dem Thema gelesen habe. Wirklich schöne Basics und leckere Rezepte, die einfach beschrieben wird. Wenn ihr euch schon länger vegan ernährt nicht unbedingt ein Muss, aber Nice to have, wenn ihr es in der Küche gern einfach und trotzdem lecker habt. Für den Einstieg aber ein absoluter Gamechanger

Bewertung vom 14.12.2022
Die Buchhändlerin von Paris
Feldman, Ellen

Die Buchhändlerin von Paris


sehr gut

Charlotte ist Buchhändlerin im besetzen Paris. 1944 war der Kampf ums Überleben hart, vor allem für eine alleinerziehende Mutter. Als ihre Tochter krank wird, nimmt Charlotte die Hilfe eines deutschen Arztes an, auch wenn dieser ‚Bund mit dem Feind‘ gefährlich für sie werden kann.
Er entwickelt Gefühle für sie, sie ist mit all ihren Gefühlen überfordert, weiß sich aber nicht anders zu helfen. Tatsächlich schafft er es, Charlotte und ihre Tochter zu retten, die beiden emigrieren nach New York und beginnen ein neues Leben.
Charlotte ist sicher, das schlimmste hinter sich gelassen zu haben. Zehn Jahre später arbeitet bei einem Verlag und ihrer Tochter geht es gut. Die vielen Lügen, mit denen sie lebt, sind ein notwendiges Übel für sie, aber die Vergangenheit holt sie ein und ihre Tochter beginnt Fragen zu stellen.

Die Buchhändlerin von Paris hat mich ziemlich kalt erwischt. Ich hatte gar nicht die größten Erwartungen, aber hatte wirklich eine bewegende Zeit mit dem Buch. Gerade die Einblicke in die Vergangenheit und die Beschreibungen des Kriegs sind für mich wirklich eindrücklich und gut gelungen.

Die Geschichte springt immer wieder zwischen der Vergangenheit und der Gegenwart hin und her, was man halt mögen muss. Ich muss ehrlich sagen, dass ich da langsam einfach genug von habe. Dazu kam dann in dem Fall noch, dass die Sprünge für mich nicht immer deutlich gekennzeichnet waren. Zwischendurch wurde es wirklich unübersichtlich und anstrengend.

“Sie weiß nicht, ob sie ihm etwas vorwerfen, oder ihn bemitleiden soll, ob sie ihn hasst, oder liebt. Aber sie weiß, dass genug Scham für alle da ist.”
Charlotte ist eine sehr interessante Protagonistin. Die Erfahrungen der Kriegszeit haften an ihr wie eine zweite Haut, prägen sie sehr. Vor allem Scham ist großes Thema und ihre Gefühle werden beeindruckend aufgearbeitet und beschrieben. Sie wirkt auf mich sehr unterwürfig und zurückhaltend, was teilweise anstrengend werden kann, aber absolut nachvollziehbar ist.

Die große Liebesgeschichte läuft hier ziemlich am Rande, was mich absolut nicht gestört hat. Dafür gibt es eine enge Mutter Tochter Beziehung, die durch die Geheimnisse der Mutter auf die Probe gestellt wird und mich sehr berührt hat.

Die Buchhändlerin von Paris ist ein Buch, dass ich gern gelesen habe, auch wenn es mich leider nicht komplett überzeugen konnte. Die Geschichte ist gut, es gibt überraschende Entwicklungen und die Charaktere sind gut gezeichnet. Die schlecht gekennzeichneten Zeitsprünge erschweren das Lesen, wenn ihr euch damit anfreunden könnt, könnte euch das Buch aber gefallen.

Bewertung vom 12.12.2022
How to kill your family
Mackie, Bella

How to kill your family


weniger gut

Grace hat einen großen Plan. Nachdem ihre Mutter so ziemlich alles gegeben hat, damit Grace eine schöne Kindheit hat, will Grace jetzt Rache. Ihre Mutter ist schon lange tot, von ihrem Vater hat sie nie Unterstützung bekommen, obwohl er mehr als genug Geld hätte.
So fängt sie also an, einen großen Teil ihrer Familie nach und nach umzubringen. Nach dem sechsten ‚tragischen Unfall‘ hat noch keine*r etwas gemerkt, Grace scheint mit allem durchzukommen. Ihr Leben hat aber Humor, denn plötzlich landet sie im Gefängnis. Für einen Mord, den sie nie begannen hat. Sie beginnt, ihre Geschichte aufzuschreiben, während sie für ihre Freiheit kämpft.

Mein erstes Problem ist der Aufbau des Buches. Diese ganze Gefängnis storry wird immer wieder eingeschoben. Grace erzählt von einem Mord und dann sitzen wir wieder mit ihr in der Zelle und schlagen uns mit ihrer Mittbewohnerin rum. Mich hat das immer wieder ziemlich rausgerissen und wirklich nicht gut unterhalten.


Das größte Problem ist aber Grace. Sie ist einfach unausstehlich und das nicht auf die gute Art. Ich liebe es, wenn Protas nicht super sympathisch sind. Grade komplexe Frauen faszinieren mich, sie dürfen auch gern das Böse in Person sein. Und Anfangs fand ich Grace auch noch ganz interessant.
Sie ist sehr von sich und ihren Fähigkeiten überzeugt, umso weniger von anderen Menschen. Leider wird das ganze Ding schnell plump und einfach anstrengend. Grace hat unheimlich viel Glück mit verdammt dummen Ideen und spielt sich auf, als hätte sie gerade was krasses gerissen.

Ihre Oberflächlichkeit, die Vorurteile und dass sie alle Menschen so stark abwertet, könnten interessant sein, schnell wirkt das alles aber einfach zu gewollt. Ein bisschen wie ein Teenager, der gerade seine Anti Alles Phase durchmacht, nur viel dümmer.

Jedes Klischee wird bedient und Grace kommt mit Sachen durch die einfach absurd sind. Ich habe nicht besonders viel Fantasie, sein wir ehrlich, aber auch wenns anders wäre, müsste man hier mindestens ein Auge zu kneifen..

Ich mochte ihre feministischen Ansichten. Ihre Eat the rich Einstellung und dass sie viel Kritik am Patriarchat äußert. Leider bleibt das auch das einzige wirklich positive.

Die Geschichte verliert sich für mich in der Mitte ein bisschen. Zu viele Details, zu wenig Inhalt. Ich habe es trotzdem beendet, weil ich manchmal vielleicht auch ein bisschen dumm bin, dafür kann ich euch jetzt immerhin davon abraten.


Weniger Details und weniger Doppelmoral von Grace hätten dem Buch wirklich gut getan, an sich gefällt mir die Idee dahinter immer noch total gut Schade Schokolade.