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Snowbird

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Bewertung vom 16.08.2024
Als wir Schwäne waren
Karim Khani, Behzad

Als wir Schwäne waren


ausgezeichnet

Reza ist 9 Jahre alt, als er in den 80er Jahren mit seinen Eltern aus dem Iran nach Deutschland flieht, wo er fortan in einer Plattenbausiedlung in Bochum lebt. Reza ist ein äußerst sensibler, kluger Junge und später junger Mann, dem Khani eine wunderbare, poetische, bildhafte und fein ziselierte Sprache in den Mund legt. Rezas Leben wird geprägt durch Erfahrungen, Herkunft, Erziehung und Umfeld. Seine akademisch gebildeten Eltern, die alles dafür tun, Land und Leute zu verstehen, ahnen wenig davon, wie vollkommen konträr zu ihrer inneren Haltung die Zustände draußen in ihrem Wohnviertel sind.

Khani lässt Reza und seine Eltern viele Beobachtungen über Deutsche machen, die sehr vielsagend und aufschlussreich, ja teilweise erschütternd sind, für die uns selbst aber die Feinfühligkeit fehlt. Es gibt eine Szene, in der Reza und seine Eltern Kornelkirschen pflücken, die sie aus dem Iran kennen, die in Deutschland nicht so verbreitet sind. Eine Menge Leute beobachten das und schauen seltsam, sagen aber nichts, bis eine Frau anmerkt, dass die Kirschen giftig seien. Später sagt Rezas Vater: „Warum haben die anderen (…) nichts gesagt? Sie glauben, dass die Kirschen giftig sind, sehen, dass wir sie (…) essen und sagen nichts.“ ( S. 59) Ja, warum? Ist das symptomatisch für Deutsche? Falls ja, dann lässt es tief blicken. Ich kenne Kornelkirschen nicht, aber an dieser Stelle schäme ich mich stellvertretend für alle, die geschwiegen haben. Die besondere Weisheit des Vaters, seine Sicht auf Dinge und die Art, wie Khani ihn diese in Worte fassen lässt, beeindruckt mich sehr.

Das einleitende Kapitel beginnt mit dem Satz „Du warst fünf.“ Ich denke, dass es an seinen Sohn gerichtet sein soll, denn Khanis Biografie lässt vermuten, dass er Reza seine eigenen, persönlichen Erfahrungen andichtet. Auf knappen 200 Seiten erschafft er einen Lebenslauf von der Kindheit bis ins Erwachsenalter. Da fehlt kein Satz, er bleibt keinerlei Erklärung schuldig. Kein Wort ist zu viel.

Behzad Karim Khani hat kein schönes, aber ein sehr gutes Buch geschrieben, an dem man sich abarbeiten kann, abarbeiten muss. Ein Buch, das sehr viel Stoff zum Nachdenken, Hinterfragen und zur Selbstreflexion liefert, und das ist nicht immer angenehm. Wer sich gerne mit zwischenmenschlichen Beziehungen, Migration und Fremdsein beschäftigt wird diesen Roman sehr gerne lesen.

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