Benutzer
Top-Rezensenten Übersicht

Benutzername: 
Urte Köhler

Bewertungen

Insgesamt 75 Bewertungen
Bewertung vom 05.08.2023
Die Erfindung des Lächelns (eBook, ePUB)
Hillenbrand, Tom

Die Erfindung des Lächelns (eBook, ePUB)


gut

Die berühmte Meinung über das Lächeln der Mona Lisa ist auch in diesem Roman vielfältig. Es steht nicht im Zentrum der Betrachtungen, und doch lässt sich jeder der Betrachter zu einer Meinung darüber herab.
Ich bin in dieses Buch mit aufgeregten Erwartungen gestartet, die zum großen Teil auf die Lektüre der kulinarischen Krimis um Xavier Kieffer beruhen.
In der Erfindung des Lächelns kommt zwar wieder Hillenbrands hervorragende Fähigkeit, eine verzwickte Geschichte zu stricken zum Einsatz, doch sind die Verwicklungen mitunter etwas weitschweifig und nur am Rande für den Verlauf der Geschichte notwendig. Nichtsdestotrotz ist die Geschichte ungemein spannend und absolut lesenswert.
Gut recherchiert, lernt der Leser eine Menge über die Epoche und das Alltagsleben der Protagonisten.
Auch das bekannte Personen in den Aufklärungsfall verwickelt sind, gibt der Geschichte eine interessante Note, versucht man doch, sein eigenes Wissen über sie mit den Handlungen im Roman zu verbinden. Was mir bei Picasso nicht ganz gelingen wollte. Seine Persönlichkeit stellte ich mir anders vor.
Über das Ende des Buches kann der Leser verwundert sein. Das Nachwort schließlich gibt ein wenig Aufschluss über den Ausgang der Geschichte. Das macht nichts, wie der Leser feststellen wird, wenn er das Nachwort gelesen hat. Ich will hier nichts vorweg nehmen.
Insgesamt ist es ein gut zu lesendes, spannendes Buch mit teilweise skurrilen Charakteren und lustigen Begebenheiten, so nach dem Motto, die besten Geschichten schreibt das Leben selbst. Und Tom Hillenbrand verpackt sie in eine wunderbare Krimi-Story.

Bewertung vom 12.06.2023
Sommertage im Quartier Latin / Paris und die Liebe Bd.1 (eBook, ePUB)
Martin, Lily

Sommertage im Quartier Latin / Paris und die Liebe Bd.1 (eBook, ePUB)


gut

Wäre die Seine ein plätscherndes Bächlein, dann würden sich die Story und der Fluss durch Paris ähneln.
Leider hat die Seine aber so gar nichts von einem Bächlein, sodass die Sommertage im Quartier Latin zwar in der lauen Luft träge vergehen, jedoch nichts Mitreißendes an sich haben.
Die Geschichte, gewebt wie ein duftiges Stück Voile, fesselt den Leser nicht durch die spröde, teilweise nicht nachvollziehbare Selbstfindung der Heldin Lola, sondern durch die federleichte Stimmung in den Zeilen, die den Leser unmittelbar auf den Place de la Contrescarpe verfrachtet, vor sich ein Pain au chocolat und einen Kaffee.
Diese Stimmung ist es, die etwas Magisches auf den Leser ausübt und ihn das Buch zu Ende lesen lässt. Über die holprigen, unbeholfenen Entwicklungsschritte Lolas ist man dann bereit, hinweg zu sehen. So manches Mal habe ich bei den Überlegungen der Heldin gedacht: wie doof kann man sein?
Wer die Liebe nicht erkennt, die ihm vor die Füße fällt und mutig danach greift, der hat etwas Wichtiges nicht verstanden: sie als Geschenk anzunehmen. Dafür braucht es keine Ahnen, die einem mit Briefen auf die Sprünge helfen, keine Parallelen zu irgendwas. Dafür braucht es gesunden Menschenverstand und Mut. Garantien hat das Leben nicht vorgesehen.
Dennoch ist das Buch zu empfehlen, für Leser, die sich aus ihrer eigenen Welt wegträumen wollen. Ein Sommerabend in Paris ist dafür wie geschaffen.

Bewertung vom 23.05.2023
Wo du mich findest (eBook, ePUB)
Barns, Anne

Wo du mich findest (eBook, ePUB)


weniger gut

Angelockt durch die Thematik habe ich das Buch neugierig aufgeschlagen und musste feststellen, dass der Erzählstil einem Bericht ähnelt. Und zwar einem, der der Person erzählt wird, die an dem Geschehen teilhat.
Das war doch sehr ernüchternd.
Auf der anderen Seite jedoch ist die Ich-Perspektive sehr erhellend, was die gefühlte Welt der Protagonistin angeht. Um diese dreht sich die Geschichte nämlich.
Die Fähigkeit einer Frau sich eine Lebenswelt zurecht zu spinnen, die sich an der zufälligen Begegnung mit einem Fremden entzündet. Die Auswirkungen auf ihr reales Leben und die Veränderungen, die sich daraus ergeben.
Das alles ist sehr nachvollziehbar geschildert, auch wenn der geneigte Leser nicht alles wirklich versteht und ganz sicher andere Schritte machen würde, wäre er in derselben Situation.
So manches Mal hätte ich mir gewünscht, die Gefühlswelten wären ausführlicher und eingängiger geschildert worden. Gerade die Reaktionen des Fremden fallen ziemlich dünn aus und der Umgang der weiblichen Protagonistin damit ist unglaubwürdig. Besonders weil sie ihr Leben umkrempelt, den Fremden sucht und sich ihm anvertraut. Ihre ach so großen Hoffnungen finden kein Echo - in die eine oder andere Richtung - in den knappen Sätzen, die der nun nicht mehr Fremde benötigt, um darauf zu reagieren.
Insgesamt ist die Thematik sehr spannend und bietet viel Raum für emotionale Schilderungen, psychologische Zusammenhänge und daraus resultierende menschliche Verhaltensweisen.
Leider kommt das alles - für meinen Geschmack - in diesem Roman zu kurz.

Bewertung vom 27.03.2023
Abschied auf Italienisch / Commissario Grassi Bd.1 (eBook, ePUB)
Bonetto, Andrea

Abschied auf Italienisch / Commissario Grassi Bd.1 (eBook, ePUB)


sehr gut

Vito Grassi, ein Mann in den mittleren Jahren auf der Suche nach einer neuen beruflichen Herausforderung - ausgerechnet in der Provinz. Aber Italien ist auch in der Provinz ein paradiesischer Ort. Also, warum nicht?
Als Commissario hat ihn der in Rom zurückgelassene Alltag gleich wieder mit Beschlag belegt - zwei Leichen! Auf geht's!
Mit Hingabe und akribischer Ermittlungsarbeit gelingen die Aufklärung und die Einführung der Protagonisten und handelnden Personen. Ein wundervolles Team, aus Individualisten, kantigen Typen, Sonderlingen und anderen merkwürdigen Menschen zusammengesetzt, wacht über Recht und Ordnung in einem beschaulichen Teil Italiens - Ligurien.
Der Erzählstil ist gut, flüssig lesbar und die Kapitel so gehalten, dass der Leser an der Lektüre dranbleibt. Ein bisschen Page-Turner.
Die italienische Lebensart wird auf alltägliche Art in die Handlung eingebunden und wer schon mal in Italien war, wird sein dortiges Lebensgefühl aufgefrischt finden. Kochen war noch nie so leicht und schmackhaft wie im europäischen Stiefel.
Kompetenzgerangel wie es in Italien zwischen unterschiedlichen Behörden zum gelebten Alltag gehört, findet sich in den Zeilen wieder. Aber auch, dass es letztlich doch klappt und fundierte Ermittlungsarbeit geleistet wird.
Diese Kriminalgeschichte zu lesen, macht viel Freude und sorgt für unterhaltsame Stunden. Manchmal ist es schon erstaunlich, welche Wendung Dinge nehmen und an welchen Enden man zufällig auf das gestoßen wird, was einen wirklich weiterbringt.
Was allerdings etwas schmal ausfällt, ist der Umgang der Eheleute Grassi nach langem Zusammenleben. Sie agieren mehr nebeneinander und haben sich wenig zu erzählen, sodass der Leser den Eindruck gewinnt, eine Ehe sei nicht unbedingt ein Hinderungsgrund, dass jeder eigene Ziele an unterschiedlichen Orten verfolgt. Was auf der anderen Seite aber erst die Trennung der beiden und damit den Anfang einer unterhaltsamen Krimi-Reihe möglich macht.

Bewertung vom 21.12.2022
Fang jetzt bloß nicht an zu lieben
McFarlane, Mhairi

Fang jetzt bloß nicht an zu lieben


ausgezeichnet

Auch dieser neue Roman der Autorin McFarlane ist wieder gespickt mit wundervollen Charakteren, die allesamt hervorragend angelegt und stimmig sind.
Der Leser steht eigentlich in jeder Szene neben dem Geschehen und so manches Mal möchte man den Charakter einfach nur schütteln oder ihn zu seinem heldenhaften Verhalten beglückwünschen.
Für mich auffällig bei der Lektüre war, dass das Aussehen der Personen zwar am Rande erwähnt wird, es der Autorin aber gelingt, die Schönheit einer Person über die Darstellung der Charaktereigenschaften zu erreichen. Was wieder mal zeigt, dass das Äußere nur eine untergeordnete Rolle spielt, wenn sich jemand auf der Bühne der Lebenspartner befindet. Liebe macht schön.
Anschaulich herausgearbeitet wird auch die massive Gefahr, die von Social Media Plattformen ausgehen kann. Sie kann Leben und Karrieren zerstören und zwar durch die Macht der Anonymität der Masse. Dieses unkontrollierte Heraushauen von Vorurteilen und unqualifizierten Meinungen ohne Kenntnis des Hintergrunds ist beängstigend. Nicht, weil jemand schreibt, er sage die Wahrheit, ist das auch tatsächlich so. Niemand im Netz kennt die wahren Gründe. Sei es weil er den Schreiber nicht kennt oder auch weil sein Horizont zu begrenzt ist, Wahrheiten zu erkennen.
Das es gelingt, einen Mann frauenfeindliches und emotional zerstörerisches Potenzial nachzuweisen, stimmt hoffnungsfroh. Doch dass es dazu mehr als nur eine einzige Frau braucht, ist erschütternd. Warum kann eine Frau nicht genug Glaubwürdigkeit besitzen, eine solche Person zu entlarven?
Ein wundervoller Roman über die Liebe, das Leben und die Macht der digitalen Welt.

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 29.10.2022
Das letzte Versprechen (eBook, ePUB)
Lind, Hera

Das letzte Versprechen (eBook, ePUB)


gut

In diesem auf Tatsachen basierenden Roman kann ich die Heldin nur noch für ihre emotionale Kraft bewundern, mit der sie ihr Leben gemeistert hat.
Ein Leben überreich an Qualen und seelischer Not unter der so mancher zusammengebrochen wäre.
Ich muss ehrlich gestehen, dass ich im ersten Drittel des Buches manche Textpassagen nicht gelesen habe, weil die dort geschilderte Grausamkeit jenseits meiner Vorstellungskraft liegt. Dieses Buch eignet sich nicht als Bettlektüre vorm Einschlafen.
Auf der anderen Seite halte ich es für enorm wichtig, solche Geschichten in das Bewusstsein der Öffentlichkeit zu rücken, denn es zeigt auf, was ein Mensch aushalten kann (nicht muss!) und macht deutlich auf welchem Niveau das "Leiden" der Menschen in Erste-Welt Ländern liegt. Was heute als Zumutung empfunden wird ist lächerlich und fast beschämend verglichen mit dem Leid von Anna aus dem hier rezensierten Roman.
Niemand wünscht irgendjemandem das durchmachen zu müssen, was Anna durchgemacht hat, aber wenn es gelingt, die Augen dafür zu öffnen, dem eigenen Leid einen Maßstab anzulegen. Sich vielleicht zu fragen, wie schlimm man tatsächlich dasteht, verglichen mit dem, was an Leid tatsächlich möglich ist. Nicht, dass nicht jeder das eigene Leid als besonders schlimm empfindet, aber angesichts von dem, was möglich ist, sollte niemand sein Leid egoistisch in den Mittelpunkt stellen. So nach dem Motto: mein Leid ist schlimmer als deins.
Ist es das wirklich?
Ich denke, der Leser sollte die Geschichte von Anna als Messlatte nehmen und sich fragen: Wie sieht es wirklich aus mit meinem Schicksal? Sollte ich meine Person vielleicht nicht als das Zentrum des Universums betrachten, dem ständig "Leid" zugefügt wird, weil es nicht nach seinem Willen läuft?

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 21.10.2022
Der Traum beginnt / Die Wintergarten-Saga Bd.1 (eBook, ePUB)
Roth, Charlotte

Der Traum beginnt / Die Wintergarten-Saga Bd.1 (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Die Frauen, die Charlotte Roth in ihrem Roman zeichnet, sind authentisch, (meistens) stark, unabhängig und kompromisslos. Letzteres ist etwas, dass die Heldin Nina besonders kennzeichnet.
Vom Theater fasziniert und beinahe schon besessen, sucht sie ihren Platz in Berlin Anfang der 1920er Jahre. Sie trifft auf eine von Männern beherrschte Welt, die so voller Vorurteile gegenüber der Leistung von Frauen sind, dass sie in Nina nur das Provinzmädchen sehen und außerstande sind, ihre Begabung zu erkennen. Geschweige denn, ihr eine Chance einzuräumen. Bis auf den einen, denjenigen, der sich in Nina verliebt.
Der Kampf der Heldin gegen die unfassbar herablassend handelnden Männer ist hart und Nina muss herbe Rückschläge einstecken.
Das Milieu, das Roth treffend und lebensnah beschreibt, lässt die gesellschaftliche Komponente des Romans hervorragend zu Tage treten. Auch wenn Berlin in allen Farben schillert und in der Nacht taghell beleuchtet ist, kann diese äußerliche Pracht die Armut der Menschen nicht verdecken. Hunger schleicht durch die Straßen Berlins, das Leben findet von einem auf den nächsten Tag statt, Obdachlosigkeit gehört zum Straßenbild und der Tod lauert an vielen Ecken.
Und doch ist es den Menschen dieser Geschichte gegeben, stark zu sein, dieses Leben zu ertragen und mit erhobenem Kopf die Zukunft anzupacken. Sie finden die Kraft, ihr Leben neu auszurichten und sich den eigenen Platz zu erkämpfen.
Wie die Autorin es schafft, ihre Protagonisten ihre Wege gehen zulassen, ist das spannende an der Lektüre, die auch den ein oder anderen Lacher bereit hält.
Charlotte Roths Schreibstil ist wunderbar zu lesen, gut flüssig und neugierig machend, was das nächste Kapitel bereit hält.
Am besten allerdings hat mir die Figur der Oma Hulda gefallen. Sie steht stellvertretend für all diejenigen Menschen, die es mit dem Leben aufnehmen, sich nicht unterkriegen lassen und vor allem nicht jammern. Die Protagonistin Nina ist eine wundervoll gelungene Figur, der die Natur diese nützlichen Eigenschaften mitgegeben hat. Jammern nützt nichts und niemand ändert sich, nur weil du wütend auf ihn bist.
Ein wunderschönes Fazit.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 17.08.2022
Ingeborg Bachmann und Max Frisch - Die Poesie der Liebe / Berühmte Paare - große Geschichten Bd.3 (eBook, ePUB)
Storks, Bettina

Ingeborg Bachmann und Max Frisch - Die Poesie der Liebe / Berühmte Paare - große Geschichten Bd.3 (eBook, ePUB)


gut

In dieser Romanbiografie stößt der Leser auf zwei Charaktere, die in ihrer Ambivalenz einzigartig sind und den Versuch einer Liebesbeziehung wagen.
Beide sind Schriftsteller - sie eigentlich Lyrikerin und er Dramatiker/Romanautor - und haben eine unterschiedliche Auffassung von Sprache und dem geschriebenen Wort. Bachmann ist als Lyrikerin auf das treffende Wort angewiesen, um eine auf den Punkt treffende Beschreibung der Gefühle zu erreichen. In Gedichten essentiell.
Frisch hat als Romanautor mehr Raum zur Verfügung, um sich zu artikulieren und Gefühle darzustellen. Bei ihm ist die Aussage zentral nicht das einzelne Wort.
Diesen grundlegenden Unterschied findet der Leser auch in den emotionalen Zuständen der Protagonisten wieder.
Bachmann ist emotional hochsensibel und lebt ihre Empathie voll aus. Sehr zu ihrem eigenen Leidwesen. Der Umgang mit ihr ist schwierig, ein Tanz auf dem Vulkan. Das spiegelt sich gleichfalls in ihrer Lebensführung wieder, die von Unruhe, inneren Zweifeln und einem hohen Freiheitsdrang geprägt ist.
Frisch dagegen hat einen bürgerlichen Hintergrund und mit seinem Architekturstudium eine solide Basis, die ihn die Dinge sehen lässt, wie sie tatsächlich sind. Er lässt sich nicht durch emotionale Gefühlswelten in Bezug auf andere leiten. Bei seiner Liebe zu Ingeborg Bachmann dagegen geraten seine Gefühle auf eine Achterbahn, der er sich nicht entziehen kann, die ihm aber alles abverlangt. Er befindet sich in einem Zwiespalt zwischen Hochsensibilität und Realismus - hin und her gerissen zwischen zwei Welten.
Das Alltagsleben der beiden Literaten ist geprägt von der Suche nach einer bürgerlichen Welt (Frisch) und dem Ausleben der persönlichen Freiheit jetzt sofort (Bachmann).

Bettina Storks gelingt es hervorragend, diesen Zwiespalt sprachlich und inhaltlich deutlich zu machen. Beide Gefühlswelten werden nachvollziehbar dargestellt und der Leser ist in der Lage, beide Lebenswelten nachzufühlen.
Beide Protagonisten werden in ihrer Ambivalenz sprachlich treffend erfasst. Die häufige Unvereinbarkeit ihrer Lebenswelten anschaulich herausgearbeitet.
Bei der Lektüre dieser Romanbiografie sollte sich der Leser auf eine Abfolge von Selbstreflexionen und Zweifeln, der Suche nach der Wahrheit von Gefühlen und der steten Neuordnung der eigenen Empfindungen einstellen. Dieses Mitzuverfolgen ist mitunter etwas anstrengend. So manches Mal fragt sich der geneigte Leser, warum die beiden sich so schwer tun, aber das geschieht halt oft, wenn zwei Künstler-Charaktere aufeinander treffen, denen es an der Fähigkeit zum haltbaren Kompromiss mangelt, verbunden mit dem echten Willen, das Zusammenleben und die Liebe über die eigenen Befindlichkeiten zu stellen.
So bleibt es nicht aus, dass man dann nur ein kleines Stück Lebensweg miteinander geht.

Bewertung vom 30.07.2022
Fast bis zum Nordkap (eBook, ePUB)
Pinnow, Judith

Fast bis zum Nordkap (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Wenn Sie gerne am Ende des Romans ein paar Tränchen der Freude verdrücken mögen, dann ist diese Geschichte ein Muss für Sie.
Liebevoll gezeichnete Charaktere in einer absolut stressfreien Umgebung, ein freundliches Miteinander ohne Missgunst, Neid und Eitelkeiten.
Burn-Out hat schon so manchen hart arbeitenden Menschen aus seinem Alltag gerissen und ihn gezwungen, sein Leben zu überdenken. Der Protagonistin Bea widerfährt dieses Schicksal und sie setzt sich kurzerhand in einen Oldtimer und fährt Richtung Nordkap. Auf halber Strecke streikt der Wagen und sie bleibt in einem schwedischen Kaff am Rande des Nirgendwo hängen. Zur Ruhe gezwungen nimmt ein ganz anderer Alltag seinen Lauf, in dem natürlich die Liebe nicht fehlen darf.
Vor den Augen und im Kopfkino des Lesers entspinnt sich eine wundervolle Geschichte, der es an kleinen Klischees nicht mangelt, die aber notwendig sind, um eine rundum schöne Story zu schreiben.
Mancher würde vielleicht sagen, es wäre eine Gut-Menschen-Geschichte, doch hey, was ist daran verkehrt? So etwas liest sich herrlich entspannend und wer möchte nicht dem egoistischen, selbst fokussierten Alltag, der sich heute als gesellschaftliches Sein etabliert, entfliehen?
Ich wünschte mir, wieder mehr solche Menschen wie in Judith Pinnows Geschichte um mich zu haben. Dann würde vielleicht wieder der Blick auf das Wohl anderer geschärft werden und nicht jeder versuchen, sich selbst am nächsten zu sein und alle platt zu machen, die nicht seinen egoistischen Vorstellungen exakt folgen.
Mit freundlichen Menschen, die in sich und ihrem Leben angekommen sind, mag man gerne zu tun haben. Deswegen sind die Geschichten von Judith Pinnow so herzerwärmend. Sie zeigen eine Welt, die es zum Glück immer noch gibt.

Bewertung vom 20.07.2022
Das Glück auf der letzten Seite (eBook, ePUB)
Bonidan, Cathy

Das Glück auf der letzten Seite (eBook, ePUB)


sehr gut

Ein wunderbarer Briefroman über die Macht von Geschichten und die Nostalgie des handgeschriebenen Briefes.
Es bedarf der Energie und des Ehrgeizes die Spur eines Manuskriptes über dreißig Jahre zurückzuverfolgen, um herauszufinden, welchen Weg es genommen hat, nachdem es dem Autoren verlustig gegangen ist.
Es bringt Menschen einander näher, die sich ohne des Textes nie kennengelernt hätten und deren Leben in den ewig gleichen Bahnen weitergegangen wäre. Leute kriegen Chancen, brechen aus ihrer behaglichen Komfortzone aus und stehen plötzlich wieder mitten im Leben. Nie hätten sie gedacht, dass das je wieder möglich sein wird.
Dieser Roman macht einfach Freude beim Lesen. Menschen kennenzulernen, die über Gefühle und Gedanken sprechen, ergibt ein anderes Bild als sie im Alltag zu begleiten oder - noch schlimmer - auf den sozialen Medien, wo jeder freiwillig seine Seele vor jedem ausbreitet und damit glaubt, Seelenverwandte zu finden. Ein Irrglaube.

Dieser Roman hat etwas von Old-School, einen Charme, der es dem Leser schwer macht, ihn beiseite zu legen. Die schnelle E-Mail von heute staucht die Zeit soweit zusammen, dass kaum Zeit bleibt, seine Gedanken zu ordnen, bevor man eine Antwort eintippt. Die allmähliche Verfertigung der Gedanken beim Schreiben sorgt für Klarheit. Nun könnte man sagen, dass das auch bei der elektronischen Post geht (was richtig ist), aber die Tatsache, eine Marke zu kaufen und zu Briefkasten zu gehen und dann mehrere Tage auf Antwort zu warten gibt doch ein anderes Gefühl. Einer Sache Zeit zu geben hat in den meisten Fällen nicht geschadet.
Deswegen lässt sich nur wenig über die alltäglichen Verhaltensweisen der Protagonisten sagen, da wir sie nicht dort begleiten. Wir kennen ihre Gedanken und Gefühle aber nur als Spotlight in einem Moment. Stimmungen sind wichtig in Briefen. Wortwahl ist immens wichtig, gibt es doch immer noch das Missverständnis.

Ein Brief geht an eine Person und es wird nur deren Verhältnis zueinander deutlich; gleichwohl kann sich aber aus einer Reihe Briefe an unterschiedliche Personen ein roter Faden ergeben.
Das ist hier wunderbar gelungen.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.