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Woodstock
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Bewertungen

Insgesamt 32 Bewertungen
Bewertung vom 15.03.2010
Drood
Simmons, Dan; Quercus

Drood


weniger gut

Was ich schon immer lieber nicht über Charles Dickens wissen wollte.

Dieses Buch wiegt ein halbes Kilo (und die deutschsprachige Ausgabe vermutlich noch mal 200 Gramm mehr). Was ich damit sagen will: Der Droodschmöker ist rein vom Handling her kein Lesevergnügen. Das Taschenbuch ist sperrig, schwer, umständlich zu halten, es will in keine Tasche passen, und den Gesetzen der Schwerkraft gehorchend, neigt man eher dazu es schnell wieder aus der Hand zu legen als sich daran festzuklammern und Nächte lang durchzuschmökern.
Wäre das Pfund bedruckter Seiten jedoch das, was der Name des Autors und der Klappentext versprechen, dann würde ich gar keinen Satz über dessen Gewicht verlieren, sondern begeistert losjubeln.

Aber
…es gibt leider keinen Grund zum Jubeln, denn nach meiner Meinung hat sich Dan Simmons, der Meister der epischen Erzählkunst und schrillen Einfälle, dieses Mal einen ein Pfund schweren Flop geleistet.

Erzählt wird die Geschichte der Freundschaft von Charles Dickens und seines literarischen Mitstreiters Wilkie Collins. Nach dem Eisenbahnunglück von Staplehurst ist Charles Dickens nicht mehr derselbe. Dort ist ihm ein mysteriöses Geschöpf namens Drood begegnet, das für ihn zur fixen Idee wird und später für Wilkie Collins sogar zu Besessenheit. An Drood droht die Freundschaft letztlich zu zerbrechen. Falls es überhaupt je eine wahre Freundschaft gab, denn wie sich im Laufe von Wilkies Erzählungen herausstellt, ist der hauptsächlich von Neid und Eifersucht auf Dickens zerfressen. Während der "große" Dickens immer selbstgefälliger wird, kulminiert Wilkies Handeln und Denken schließlich in blinden Hass und obskure Mordabsichten.

Gelesen habe ich zwar eine wahnsinnsmäßig gut recherchierte und psychologisch sehr scharfsinnige Geschichte, aber auch endlose Passagen mit Nichtigkeiten und biografischen Unwichtigkeiten, die langweilten bis zum Abwinken. Kennengelernt habe ich einen unsympathischen Charles Dickens, der sich am Schluss sogar als überheblicher Dreckskerl outet und einen noch unsympathischeren, wehleidigen und gewissenlosen Drogensüchtigen, genannt Wilkie Collins, den ich mit jeder Seite ein wenig mehr verachtet habe.

Fasziniert hat mich der Roman trotzdem, auf eine seltsam abstoßende Weise.

Fazit:
Eine weitgehend langweilige und extrem langatmige Geschichte mit ein paar wenigen gruseligen Passagen, viel Detailverliebtheit und zwei dermaßen unangenehmen Helden, dass ich zu jedem Zeitpunkt des Lesens genervt, frustriert oder abgestoßen war, und manchmal sogar alles auf einmal.
Gelegentlich gibt es Passagen mit schnellerer Gangart und dramatischer Spannung - und man vergisst dann tatsächlich, dass die Schwarte ein halbes Kilo wiegt. Aber diese Passagen können leider nicht das negative Gesamtgefühl, das mir bei Lesen stets im Nacken saß, ausgleichen.
Ein überflüssiger Roman - dazu noch mit ungeklärten Rätseln - und eine bittere persönliche Enttäuschung für mich, was die drei großen Autoren Dickens, Collins und Simmons angeht.

2 von 3 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 14.03.2010
Covet
Ward, J. R.

Covet


sehr gut

Die Meisterin der Shitkicker- und Lederjacken-Vampire wagt sich in himmlische Sphären

Als der Bauarbeiter Jim Heron auf der Baustelle einen Unfall erleidet, findet er sich plötzlich auf einem himmlischen Krocketfeld wieder und zwar in Gesellschaft von ein paar versnobten Oberengeln, die ihn auf die Erde zurückschicken. Dort soll er die Seelen von sieben Menschen retten, die der ewigen Verdammnis anheim zu fallen drohen.
Schafft er das nicht, geht die komplette, himmlische, irdische und höllische Welt den Bach runter (ein Schelm der Böses dabei denkt ;-)).
Logischerweise ist Jim dementsprechend hoch motiviert als er im Krankenhaus wieder zu sich kommt. Doch sein erster Fall gestaltet sich gar nicht so einfach. Jim soll den skrupellosen Geschäftsmann Vin diPietro auf den Pfad der Tugend zurückbringen und das größte Hindernis dabei ist dessen Verlobte, mit der Jim rein zuuuuufällig mal eine Nacht verbracht hat.
Zum Glück bekommt Jim Unterstützung von zwei obskuren Harley-Bikern, die unseren Helden vermutlich auch durch die sechs weiteren Folgen begleiten werden. Auch Jims Kontakte zu einflussreichen Leuten aus seiner eigenen, ausgesprochen dunklen Vergangenheit helfen ihm weiter. Und so steht er beim Endkampf mit einem bösen Dämon nicht ganz hilflos da. Die größte Hilfe ist aber – wer hätte das gedacht – die liebe Liebe höchstselbst, der Vin diPietro in der Gestalt der Prostituierten Marie Terese begegnet.

Die neue Serie
Die Meisterin der Hardcore-Vampirschnulzen und Gebieterin der Black-Dagger-Brotherhood hat zur Freude ihrer Fans eine neue paranormale Reihe begonnen:
Die sogenannte Fallen-Angel Serie.

Wer sich auf JR Wards neue Engels-Serie einlassen will, sollte aber am besten alle seine Vorstellungen von elysischen Engelschören und Wärme verströmenden Lichtgestalten über Bord werfen, denn bei diesen Engeln geht es ausgesprochen zünftig und sehr irdisch zur Sache, aber natürlich genau so, wie man es von JR Ward erwarten darf.
Ja, das hört sich so vielversprechend an wie es ist, und wenn man JR Wards Stil und die von ihr entworfene Welt kennt, dann weiß man schon im Voraus, dass man mit "Covet" (zu dt. begehren) eine flott und kackfrech geschriebene Geschichte erwarten darf, deren Handlung extrem spannend und teils sehr erotisch geschildert ist.
Der Schauplatz der Geschichte ist zwar der Sündenpfuhl Caldwell, wo auch die Black-Dagger-Brotherhood ihre Heimat hat, aber das sind auch fast alle Gemeinsamkeiten mit der Vampir-Bruderschaft.
Wer auf ein Wiedersehen mit den Ledervampirmännchen und ihren perfekten Weibchen hofft, wird enttäuscht werden. Außer Trez, dem Betreiber des Sado-Maso-Nachtclubs "Iron Mask", trifft man keinen der bekannten Vampire in Covet wieder. Sofern man eine beiläufige Begegnung der Heldin Marie Terese mit Butch und Viscous nicht mitrechnet, zumal die beiden nicht einmal namentlich erwähnt werden.
Dennoch leidet "Covet" nicht unter diesem Mangel, ganz im Gegenteil. JR Ward hat eine eigene Geschichte mit eigenen Helden, Regeln und Mysterien entworfen, die sich in eine ebenso komplexe und spannende Welt auswachsen dürfte und der Brotherhood-Serie gewiss bald schon das Wasser reichen kann.
Der einzige Mangel dieses ersten Teils der Serie ist insofern leicht zu verschmerzen, nämlich, dass sich die Autorin sehr viel Zeit lässt, um ihre neuen Helden vorzustellen und einzuführen und sich dabei vielleicht zu sehr in Details verliert - vielleicht auch nicht, denn ich bin mir sicher, die Fangemeinde der Serie wird in späteren Folgen sehr davon profitieren, dass die Helden Hand und Fuß und ihre Welt plastische Tiefe besitzen.

Ich kann die Fortsetzung jedenfalls kaum erwarten!

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 08.03.2010
Der 13te Krieger

Der 13te Krieger


ausgezeichnet

Ein Kultfilm - dieses Action Epos!
Den schöngeistigen arabischen Poeten Ahmad Ibn Fadlan (Antonio Banderas) hat es von Bagdad aus ans Ende der Welt verschlagen, nämlich in eine kleine triste Wikingerfestung. Er wurde zusammen mit weiteren 12 nordischen Kriegern auserwählt um dort König Rothgar beizustehen, denn Rothgars Volk wird von unheimlichen „Menschenfressern“, Wendols genannt, heimgesucht und fast alle Männer des Dorfes sind ihnen bereits zum Opfer gefallen. Der Kampf erweist sich als nahezu aussichtslos, denn in der Nacht und im Nebel kommen sie, sie kennen keine Gnade und sammeln die Köpfe ihrer Opfer. Sie scheinen magische Fähigkeiten zu besitzen und sind zahlenmäßig übermächtig. Dennoch wagt es der Anführer der 13 Krieger Buliwyf (Vladimir Kulich) sich den Feinden in einem hoffnungslosen Kampf entgegen zu stellen, denn ihm ist sein Nachruhm wichtiger als sein Leben.


Für mich ein unvergesslicher Wikinger-Helden-Battle-Kultfilm

„Gib einem Arab ein Schwert und er macht ein Messer draus“

Das ist genau mein Film mit einem gerüttelten Maß an Pathos, guten Kampf- und Actionszenen, starken Kulissen bzw. Landschaftsaufnahmen und einer sehr guten Abenteuer-Helden-Story aus der Feder des großen Michael Crichton. Und dazu noch echt exquisite Musik vom Komponisten-Urgestein Jerry Goldsmith.
Was will man (bzw. frau) eigentlich mehr?
Da kann ich selbst als Antifan von Antionio Banderas vergessen, dass er mitspielt. Eigentlich - es fällt mir nicht leicht das zuzugeben - spielt er so gut wie nie. Und ich nahm ihm den feinsinnigen, etwas verweichlichten aber von tiefem Glauben und Ehrgefühl erfüllten Araber bedingungslos ab. Er ist kaum wieder zu erkennen, so souverän und unaufdringlich spielt er. Etliche sehr witzige und geniale Szenen dieses Films gehen tatsächlich auf das schauspielerische Konto von Antonio Banderas. Dafür eine Verneigung.

Kritik:
Wer das Buch (Eaters of the Death) von Crichton kennt, wird wohl kritisieren, dass der Film nicht die Tiefe und Detailliertheit des Romans hat und haarscharf an der Botschaft des Buches vorbeischrammt. Nun ja, dies ist das Problem fast aller Romanverfilmungen. Dies zu kritisieren ist im Grunde müßig. Auf jeden Fall steht der 13te Krieger gegenüber vergleichbaren Hollywoodfilmen auf recht soliden Beinen und braucht sich nicht zu verstecken, so ist er zum Beispiel gegenüber dem oft als Vergleichsfilm herangezogenen Historienepos „Braveheart“ deutlich humorvoller und nicht halb so langatmig.
Anscheinend haben sich Regisseur und Autor Crichton während der Dreharbeiten verkracht und es gab irgendwo in der Mitte des Filmes einen Regie-Wechsel. Angeblich merkt man das daran, dass der Film nicht homogen ist und unvollständige Handlungsstränge zurück lässt.
Ganz ehrlich: Ich habe nichts davon gemerkt. Selbst wenn einem scharfsinnigen Kritiker derlei Schwächen schmerzhaft ins Auge stechen mögen, für mich als Durchschnittskonsument waren die Story und die Helden so überwältigend, dass diese kleinen Mängel in meiner wohlwollenden Wahrnehmung völlig untergingen.
Selbst beim dritten Mal Ansehen kann ich mich immer wieder an den Details dieses Filmes erfreuen.

(Gebet der nicht mehr ganz 13 Krieger vor der letzten Schlacht)
„Dort treffe ich dann meinen Vater
Dort treffe ich meine Mutter, meine Schwestern und Brüder
Dort treffe ich dann alle jene Menschen meiner Ahnenreihe von Beginn an

Sie rufen bereits nach mir
Sie bitten mich meinen Platz zwischen Ihnen einzunehmen
Hinter den Toren von Walhalla
Wo die tapferen Männer für alle Ewigkeit leben“

Was ist eigentlich der Superlativ von verkannt?
Am verkanntesten? Oder am meisten verkannt?
Auf jeden Fall ist das der verkannteste aller am meisten verkannten Filme ü-ber-haupt! ;-)

2 von 3 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 31.01.2010
Geheimnis der Nacht
Quick, Amanda

Geheimnis der Nacht


sehr gut

Einer der besseren von Amanda Quick
Die arme Gesellschafterin Eleonora nimmt das äußerst lukrative Angebot von St. Merryn an, ihm als Scheinverlobte zur Verfügung zu stehen. Es ist nicht schwer sich vorzustellen, was für eine romantische, verwickelte und witzige Geschichte eine gute Schreiberin wie Amanda Quick aus einer solchen Konstellation schaffen kann.
Und sie hat es dieses Mal wirklich geschafft!
Ich habe viel gelacht und mit den Helden mitgefiebert. Die kleine Kriminalgeschichte schmückt die leidenschaftliche Liebesgeschichte eher aus, als sie zu behindern - wie es bei Amanda Quick leider auch oft vorkommt.
Diese Geschichte enthält ein paar erotische aber sehr schöne Szenen, ein wenig mehr als man sonst von Frau Quick gewöhnt ist. Das kann ich persönlich nur begrüßen. Es gibt den etwas breitgetretenen Wegen von Amanda Quick einen ganz neuen, bezaubernden Schwung.

Bewertung vom 31.01.2010
Geraubte Herzen
Dodd, Christina

Geraubte Herzen


ausgezeichnet

Eine Wahnsinns-Geschichte für eine Nacht

Die Eltern von Hope sind unter mysteriösen Umständen ums Leben gekommen. Sie und ihre Geschwister wurden getrennt und übers ganze Land verstreut. Inzwischen ist Hope erwachsen und arbeitet als Telefonistin in Chicago, sie ist arm und auf sich alleine gestellt aber dennoch von dem eisernen Willen beseelt, alle ihre Geschwister wieder zu finden und den Tod ihrer Eltern aufzuklären.
Und da gibt es Zacharias Givens ein arroganter und reicher Fiesling, der natürlich sehr attraktiv ist. Als Hope ihm zum ersten Mal begegnet, denkt sie er wäre sein Butler und verliebt sich in ihn. Er fühlt sich zum ersten Mal nur um seiner selbst Willen geliebt. So spielt er den Butler bis Hope hinter seinen Betrug kommt, und da bahnt sich eine wahre Tragödie an...

Dieses Buch ist kein Historical wie Christina Dodd sie sonst schreibt, sondern ein "moderner" Roman. Aber keine Bange, der unvergleichliche Dodd-Stil, den man aus ihren Gouvernanten Romanen lieben gelernt hat, ist auch in dieser Geschichte wieder zu finden. Sie ist witzig, erotisch und herzerfrischend unbekümmert geschrieben.
Manchmal fließt die Story geradezu über vor Klischees und Schmalz, aber weil es Christina Dodd immer wieder versteht auch hier witzige Passagen und zünftige Dialoge einzubauen, wirkt das Ganze nicht halb so schnulzig wie in vielen anderen Romanen.
Wer es also ein wenig kitschig und schnulzig mag und von Christina Dodds Schreibe genauso hingerissen ist wie ich, der mache sich nach dem Kauf dieses Buches auf eine lange Nacht zusammen mit Hope und Zack gefasst. ;-)

Fortsetzungsromane zu dieser Geschichte: "Mein Herz in deinen Händen"
und "Verbotene Nähe"

Bewertung vom 31.01.2010
Der Fürst der Nacht / Dark Carpathians Bd.3
Feehan, Christine

Der Fürst der Nacht / Dark Carpathians Bd.3


gut

Großer Ansatz mäßig umgesetzt
Alexandria ist eine ganz normale junge Amerikanerin bis sie eines Nachts von einem Vampir überfallen wird. Der Karpatianer Aidan Savage, die gute Ausführung der Vampirrasse, kann ihr gerade noch das Leben retten, aber um einen sehr hohen Preis. Denn er muss sich mit ihr für alle Ewigkeit verbinden.
Als Alexandria wieder zu sich kommt hat sich also ihr Leben auf den Kopf gestellt. Sie befindet sich in der Gewalt des unheimlichen Aidan, der sie nie wieder frei geben will.

Ich mag triviale Liebesschnulzen zwischendurch sehr gerne, und sie dürfen durchaus auch ein wenig klischeehaft sein, mitsamt Schmalz und Schnulz. Dennoch hat dieser Roman mich nicht überzeugt.
Vampirliebesschnulzen überfluten zurzeit ja geradezu inflationär den Buchmarkt und so muss sich Feehans Karpatianer-Erotikschnulzen-Reihe leider mit einer großen und guten Konkurrenz messen lassen.
Sowohl die Geschichte, als auch der Schreibstil sind allenfalls mittelmäßig, zu einfältig die Dialoge, zu abgedroschen die Handlung. Ein Klischee jagt das andere, nichts Neues ist in der Geschichte zu finden, nichts was man nicht irgendwo schon mal besser und spannender und gruseliger gelesen hätte. Selbst die Erotikanteile - denen ich sonst nie abgeneigt bin - sind nur von Nullacht fünfzehn, so dass ich sie zum Teil einfach aus Langeweile überblättert habe.

Auch ohne diese namhafte Bestseller Konkurrenz stellte ich mir die Frage: Was hätte man aus so einer Rahmenhandlung nicht alles machen können? Das dunkle und gruselige Element der Gesichte ist wirklich gut angedacht und beginnt auch viel versprechend, verliert sich dann aber völlig der naiven Story, die lediglich von ein paar Sexszenen und den Ernährungsproblemen der Karpatianer getragen wird.

Schade, schade, denn eine solche Rahmenhandlung gibt doch unheimlichen Spielraum für gute Erotik, Leidenschaft, Spannung und für die große, ewige Liebe, und mit einer besseren Schreibe und etwas mehr Geist hätte ein Spitzen-5-Sterne-Roman daraus werden können.

0 von 4 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 28.01.2010
Daddy-Long-Legs (Puffin Classics) Daddy Long-Legs
Webster, Jean

Daddy-Long-Legs (Puffin Classics) Daddy Long-Legs


ausgezeichnet

The Nicest Little Woman...

...von der ich je gelesen habe.
Ihr Name lautet Jerusah Abbot und sie ist im trostlosen John Grier Waisenhaus groß geworden. Da sie aber schriftstellerische Begabung besitzt, findet sich ein reicher anonymer Förderer, der ihr das Studium an einem sehr feinen College finanziert. Dafür möchte er, dass Jerusah ihm regelmäßig Briefe schreibt, nie seinen wahren Namen erfährt und keine Antworten erwartet.
Der ehrwürdige Gönner wird von Jerusah kurzerhand Daddy-Long-Legs getauft und sich selbst nennt sie praktischerweise Judy, denn wer heißt schon gerne wie ein Grabstein? Von nun an unterhält sie ihn vier Jahre lang mit äußerst kurzweiligen und amüsanten Briefen über ihren College Alltag. Ihrem unbekannten Daddy-Long-Legs schüttet sie freimütig und ungekünstelt ihr Herz aus. Er kennt ihre dunkelsten Gedanken und ihre geheimsten Wünsche, kein Wunder, dass der anonyme Fremde mit den langen Beinen eine ganz besondere Zuneigung zu Jerusah Judy Abbot entwickelt.

Ich gestehe es, ich habe bei der Lektüre von Judys herrlichen Briefen die eine oder andere sentimentale Träne abgedrückt, denn die brilliante Jean Webster hat mit Judy Abbot einen ganz wunderbaren, erfrischenden und mit all seinen kleinen Unvollkommenheiten überaus liebenswerten Charakter geschaffen.
"Did you ever have a sweet baby girl who was stolen from the cradle in infancy? Maybe I am she!" fragt sie ganz beiläufig bei Daddy-Long-Legs an, es kann ja nichts schaden. Natürlich gilt es auch zu klären ob ihr geliebter Daddy-Long-Legs wohl ein Problem hätte wenn sie Sozialistin werden würde "You wouldn't mind, would you, Daddy?" Immerhin wir schreiben das Jahr 1912, und eine vorsichtige Anfrage an den reichen Gönner scheint in diesem Falle durchaus angeraten.
Mit dem unverbildeten Blick einer jungen Frau, die die normale Welt außerhalb des Waisenhauses gerade erst kennenlernt, bezieht Judy ihren geliebten Daddy in ihre kritischen Betrachtungen über die Kirche, die Gesellschaft und die Selbstverwirklichung der Frauen ein.
Ja, man merkt, dass Jean Webster eine reformerische Frau war, die sich für soziale Fragen und Frauenrechte einsetzte, denn sie legt der arglosen Judy ein paar ziemlich deutliche Sätze in den Mund, die aber so charmant und geistreich verpackt sind, dass man am liebsten selbst zur Sozialistin werden möchte ;-).
Ach ja, beinahe hätte ich etwas ganz Wichtiges vergessen: Daddy-Long-Legs ist eine zauberhafte Liebesgeschichte ohne jeden Kitsch, die ihre gesamte zuckersüße Romantik aus Judys offenherziger Natürlichkeit bezieht und natürlich aus der Tatsache, dass man über die Identität von Judys liebem Vertrauten Daddy-Long-Legs einige naheliegende Vermutungen mit sich herumträgt.
5hundert Sterne für einen unsterblichen Bestseller und eine klare Empfehlung: Immer wieder lesen!

Bewertung vom 18.01.2010
Doomsday Book
Willis, Connie

Doomsday Book


ausgezeichnet

Eine Wahnsinns-Zeitreise

Mitte des 21. Jahrhunderts: Das Mittelalterinstitut der Universität Oxford plant seine erste Zeitreise ins 14. Jahrhundert. Bisher war das Jahrhundert als zu gefährlich für zeitreisende Forscher eingestuft und gesperrt, aber nun ist es soweit. Die junge Historikerin Kivrin ist auf alle Eventualitäten vorbereitet - denkt sie - geimpft, ausgebildet in den alten Sprachen und allen notwendigen Fertigkeiten des Mittelalters, und eigentlich dürfte bei ihrer 14tägigen Feldforschung im Jahre 1320 nichts schiefgehen. Aber da irrt sich Kivrin ebenso wie der überhebliche stellvertretende Chef des Institutes, denn dieser Trip endet im wahrsten Sinne des Wortes in schicksalhaftem Elend.
Während in der Zukunft eine tödliche Virusepidemie grassiert und Kivrins Rückkehr fraglich macht, muss Kivrin allmählich feststellen, dass ihr Trip leider daneben ging und sie mitten in die Jahre der schwarzen Pest hineingeführt hat.

5 Jahre lang hat Connie Willis an diesem Nebula- und Hugo-Award gekrönten Science Fiction geschrieben und das merkt man an jedem einzelnen Satz. Diese Story ist nämlich absolut fundiert recherchiert und bis ins kleinste Detail durchdacht und dabei beweist Connie Willis nicht nur weitreichendes Fachwissen sondern auch erstklassige Schreibkunst, die sich in einem eingängigen und unkomplizierten Schreibstil ausdrückt. Zudem besitzt die Autorin offenbar tiefe und scharfsinnige Menschenkenntnis, denn ihre Charaktere sind so ironisch und gleichzeitig zutreffend geschildert, dass man sie mit all ihren schrägen Eigenheiten beim Lesen plastisch vor sich sehen und hören kann und sie ebenso hassen wie lieben muss.

Die Spannung der Geschichte ist manchmal schier unerträglich und insofern ist das ein Buch, das man erst weglegen kann, wenn man mit stockendem Atem durch die letzte Seite gehechelt ist. Diese einfallsreiche und fesselnde Story ist angereichert in knäckebrottrockenem, fast schon britischem Humor und vielen klugen und tragischen Wendungen. Wenn man das Buch zuschlägt, hat man den launigsten, schrecklichsten, traurigsten, glaubwürdigsten und spannendsten Zeitreisetrip überhaupt miterlebt.
Die Awards, die dieser Roman erhielt sind mehr als verdient und ich für meinen Teil habe nun ein neues 100-Sterne-Lieblingsbuch und eine neue Lieblingsautorin entdeckt.

Die deutsche Ausgabe dieses Romans ist beim Heyne Verlag unter "Die Jahre des Schwarzen Todes" erschienen wird aber leider nicht mehr aufgelegt, was eine Schande ist ;-).