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Benutzername: 
chuckipop
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Bünde

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Insgesamt 265 Bewertungen
Bewertung vom 26.01.2024
Schneesturm
Walsh, Tríona

Schneesturm


ausgezeichnet

Eine raue irische Insel, ein tragischer Mord und subtil erzeugtes Unbehagen - sehr gelungen!

"Schneesturm" von Tríona Walsh ist als Taschenbuch mit 384 Seiten bei FISCHER Taschenbuch erschienen.

Das Cover ist klasse, die Haptik ausgesprochen ansprechend und der orangefarbene Farbschnitt hübsch anzusehen, außerdem enthalten die Innendeckel eine Vorstellung der Charaktere sowie eine nützliche Übersichtskarte der Insel, auf der man alle Schauplätze sichten kann.

Inishmore, eine irische Insel, ist wegen eines Schneesturms tagelang von der Außenwelt abgeschnitten. Zum 10. Todestag von Cillian, der bei einem Unwetter mit seinem Bruder Seamus herausgefahren war und auf dem Boot ums Leben kam, versammelt sich die alte Clique, um ihm zu gedenken. Cara, seine Witwe, die zugleich die (einzige) Inselpolizistin ist, Cillians Bruder Seamus, der inzwischen als Filmemacher in Amerika tätig ist, sowie Daithi, Inhaber des örtlichen Pubs und Ferdy und Sorcha, ein mittlerweile in London lebendes Ehepaar treffen sich in Seamus seit damals leerstehendem Haus. Eine fehlt bei der Wiedersehensfeier - Maura, die ebenfalls ein Haus auf Inishmore hat. Während sich die Freunde wenig Sorgen über Mauras Nicht-Erscheinen machen und denken, sie habe sich stattdessen mit ihrem heimlichen Geliebten getroffen, werden sie bald eines Besseren belehrt - ein anonymer Anruf weist auf eine Leiche im Becken des Serpent´s Liar hin, und es stellt sich heraus, das Maura die Tote ist. Da sie gefesselte Handgelenke hat, ist direkt klar, dass sie ermordet wurde. Aufgrund der Wetterlage können weder Ermittler noch die Spurensicherung auf die Insel gelangen, so dass Cara auf eingene Faust beginnt zu ermitteln. Doch je tiefer sie gräbt, desto mehr Geheimnisse und Unstimmigkeiten kommen ans Tageslicht...!

Tríona Walsh hat hier einen von Beginn an spannenden Thriller geschrieben, in dem zwar vordergründig erstmal nicht wahnsinnig viel passiert, in dem aber von der Autorin auf ganzer Linie ein subtiles Grauen und eine düstere Atmosphäre erzeugt werden, die mich permanent haben mitfiebern lassen. Die raue Wetterlage und die markanten Schauplätze haben dazu ungemein beigetragen, das Setting hat mir großartig gefallen!

Cara Folan ist eine absolut empathische und engagierte Polizistin, und hier ist sie auch noch persönlich involviert, so dass jede überraschende Enthüllung wie eine Bombe einschlägt. Und es ist klar: Der Mörder kommt aus der Gruppe. Es ist also niemandem mehr zu trauen, und jeder Einzelne hat Dreck am Stecken.

Die Charaktere hat Tríona Walsh facettenreich und sehr unterschiedlich angelegt, was einiges an Abwechslung ind Geschehen brachte. Zwar sind ab und an nicht alle Handlungen nachvollziehbar oder logisch, allerdings handeln die Figuren unter Druck bzw. in Panik - für mich absolut menschlich und damit ausgesprochen glaubhaft und überzeugend! Dass Cara als einzige Polizistin der Insel allerdings nicht irisch, sondern lediglich englisch spricht, was die Einheimischen so gar nicht gutheißen, kam mir recht merkwürdig vor!

Gegen Ende wird das Geschehen unversehens äußerst turbulent, wendungsreich, die Ereignisse überschlagen sich förmlich und es ergeben sich weitere schockierende Tatsachen.

Mein einziger Kritikpunkt: es ist schon zu Ende ;o) Von mir eine unbedingte Leseempfehlung!

Bewertung vom 18.01.2024
Paris Requiem
Lloyd, Chris

Paris Requiem


sehr gut

Atmosphärischer, packender historischer Paris-Krimi aus der NS-Zeit.

"Paris Requiem" von Chris Lloyd ist als Taschenbuch beim Suhrkamp Verlag erschienen und umfasst 447 Seiten.

Es handelt sich um den zweiten Teil der Krimireihe um Inspecteur Edouard "Eddie" Giral, der jedoch problemlos unabhängig von Band 1 gelesen werden kann, da der Fall in sich abgeschlossen ist. Ich war hier ebenfalls Neueinsteiger und hatte keinerlei Schwierigkeiten, mich zurechtzufinden.

Paris, 1940. Frankreich ist von den Nazis besetzt und Giral meint, dass ihn nichts mehr so leicht erschüttern kann - bis er in einem heruntergekommenen Jazz-Etablissement eine männliche Leiche findet, den Mund grob zugenäht. Den Toten hatte Eddie soeben erst ins Gefängnis geschickt, wie kann er jetzt draußen und ermordet sein? Und dieser Mann ist nicht der einzige Straftäter, der plötzlich in den Gassen der Stadt wieder auftaucht!
Je tiefer Giral ermittlungstechnisch vordringt, desto klarer wird, dass er in ein regelrechtes Wespennest aus dunklen Machenschaften, Intrigen und Gier gestochen hat - und sich zudem persönlich arg in Bedrängnis befindet...!

Chris Lloyd hat einen packenden, umfassend recherchierten historischen Krimi geschrieben, der mir ausgesprochen gut gefallen hat.
Der Autor hat eine sehr authentische, überzeugende Atmosphäre geschaffen und durch die vielen Dialoge lief das Geschehen fast wie ein Film vor meinem inneren Auge ab.
Nicht nur die Kriminalfälle, sondern auch die Not und Angst der Bevölkerung sowie die politische Lage in der Hauptstadt werden prägnant und eindringlich geschildert.
Auch die Charaktere sind glaubhaft erschaffen, facettenreich und mit Tiefgang.

Der Plot ist abwechslungsreich, kann mit überraschenden Wendungen aufwarten und hat ein angenehmes, recht hohes Tempo und einen stetigen Spannungsbogen, der sich zum Ende hin wunderbar steigert.

Ebenfalls gefallen hat mir die für mich recht neue Sichtweise - bislang habe ich zumeist Krimis und Bücher aus der NS-Zeit gelesen, deren Handlung sich in Deutschland ereignet. Insofern mal eine gelungene Abwechslung!

Das Einzige, was mir etwas unpassend erschien, war der gewählte Sprachstil, der auf mich sehr modern wirkt, und auch einige Handlungsansätze scheinen ein Wissen aus späterer Zeit zu beinhalten.

Insgesamt ein spannender, unterhaltsamer und wirklich atmosphärischer historischer Krimi - sehr empfehlenswert!

Bewertung vom 05.01.2024
Waiseninsel / Jessica Niemi Bd.4
Seeck, Max

Waiseninsel / Jessica Niemi Bd.4


ausgezeichnet

Packender Thriller, tolles Setting, zunehmend nervige Ermittlerin!

"Waiseninsel" von Max Seeck ist als Paperback mit 397 Seiten bei Lübbe erschienen.
Es handelt sich um den 4. Band der Reihe um Kommissarin Jessica Niemi. Der Fall ist in sich abgeschlossen und eigenständig lesbar, ich erachte es jedoch als empfehlenswert, auch die Vorgänger zu kennen, denn insbesondere Niemis Vorgeschichte sowie ihre persönliche Entwicklung nehmen sehr viel Raum ein.

Jessica Niemi gerät in ein Handgemenge, das zufällig gefilmt wird und sofort im Internet landet. Aufgrund des erregten Aufsehens wird sie beurlaubt und beschließt, sich in einen einsamen Landgasthof zurückzuziehen, um Gras über die Sache wachsen zu lassen und wieder zu sich selbst zu finden.
Dort auf den Åland-Inseln trifft sie auf ein Grüppchen von Senioren, die seinerzeit in einem Waisenhaus auf der Insel aufgewachsen sind und sich immer noch treffen. Doch dann wird eine dieser Personen tot aufgefunden. Und bald stellt sich heraus, dass es in früherer Zeit an derselben Stelle bereits zweimal einen Leichenfund gab - handelt es sich um Zufall oder war es doch eher Mord?
Jessicas Ermittlerinstinkt ist geweckt und zusätzlich stachelt eine uralte Legende um ein Mädchen in blauem Mantel, das mit den Todesfällen in Zusammenhang zu stehen scheint, ihre Neugier an. Doch das Ganze stellt sich als recht gefährlich heraus, und Jessica weiß nicht, wem sie noch trauen kann...!

Max Seeck hat mich mit seinem neuen Thriller durchaus gepackt, meine Neugier entfacht und mich ausgesprochen gut unterhalten, dazu haben mir das Setting auf der wenig belebten Insel sowie die Legende ausgesprochen gut gefallen. Das Geschehen war wendungsreich, die Spannung wurde kontinuierlich gesteigert, am Ende war es dann allerdings fast schon ein wenig zu turbulent.

Was mir leider weniger gefallen und die Konzentration häufig abgelenkt hat, waren die persönlichen Umstände der Kommissarin sowie deren immer häufiger auftretende Halluzinationen. Zudem ist Niemi keine sympathische Person, sondern eher jemand, dessen Kompetenz ich zu schätzen wußte, wenn diese nicht durch Krankheitserscheinungen getrübt wurde.

Auch die anderen Charaktere waren in meinen Augen nicht unbedingt Sympathieträger, so dass ich mit niemandem im Besonderen mitgefiebert habe. Astrid mochte ich noch am Liebsten, und Maija war die tragische Figur der Geschichte, was Empörung und Mitleid in mir ausgelöst hat.

Auch dass gegen Ende sodermaßen viele falsche Spuren gelegt wurden, dass quasi jede mitwirkende Figur zum oder zur Verdächtigen wurde, entpuppte sich auf Dauer als anstrengend für mich.

Insgesamt also ein fesselnder Thriller mit tollem Setting, packendem Schreibstil und nerviger Protagonistin - 4 Sterne von mir!

Bewertung vom 07.12.2023
Der Spion und der Verräter
Macintyre, Ben

Der Spion und der Verräter


sehr gut

Wahre Begebenheiten, spannend wie ein Spionagethriller!

"Der Spion und der Verräter.Die spektakulärste Geheimdienstgeschichte des Kalten Krieges" von Ben Macintyre ist beim Insel Verlag als Sachbuch erschienen und umfasst 380 Seiten.

Der Autor erzählt hier die Geschichte des sowjetischen Geheimagenten im Kalten Krieg, Oleg Gordijewski, der später zum Doppelagenten wurde.
Es wird ein ausgesprochen spannender Einblick gewährt hinter die Kulissen der unterschiedlichen Geheimdienste, und die Methoden und Vorgehensweisen haben mich häufig weit mehr als verblüfft - ich war regelrecht sprachlos und total gefesselt...
Bewundernswert, dass es Menschen gibt, die sich als Doppelagenten verdingen - es wäre mir definitiv zu viel Nervenkitzel, permanent auffliegen zu können. Und insbesondere beim KGB stelle ich mir das äußerst fatal vor!

Die Strukturierung des Buches in 3 Teile sowie die Fotos haben mir ebenfalls ausgesprochen gut gefallen. Dadurch werden die geschilderten Geschehnisse und Personen noch lebendiger - allerdings sind die Bilder in der Mitte des Buches angeordnet und die Texte zu den Bildern greifen den Ereignissen so teilweise vor - wer sich also nicht spoilern lassen möchte, sollte sich das erst nach Beenden der Lektüre ansehen.
Anfangs war ich fast etwas überfordert mit der Fülle an Informationen und Personen und musste mich etwas "reinfuchsen", war dann aber wirklich gebannt von den Vorgängen und letzendlich von Gordijewskis Flucht, die wie der packende Showdown eines fesselnden Thrillers auf mich wirkte...

Ein wirklich spannendes Buch für Menschen, die sich für Einblicke in die Zeiten des Kalten Krieges interessieren und tiefer in die Materie der Spionage eintauchen möchten - sehr empfehlenswert!

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 30.11.2023
Der Achte Tag
Salerni, Dianne K.

Der Achte Tag


ausgezeichnet

Magisch, spannend, mitreißend - ein toller Trilogie-Auftakt !

"Der Achte Tag" von Dianne K. Salerni ist als Hardcover mit 324 Seiten beim foliant Verlag erschienen. Der Einband ist wunderschön geprägt und nicht nur optisch, sondern auch haptisch ein Highlight, und ein Lesebändchen ist ebenfalls enthalten.
Dieser Band bildet den Auftakt einer Trilogie und ist für ein Lesealter ab 11 Jahren empfohlen - eignet sich aber ebenso Bestens für erwachsene Fantasyfans :)

Zum Inhalt: Nachdem Jax´ Vater verstorben ist, wächst der Junge bei Riley auf, einem 18-Jährigen, der sich schon mehr schlecht als recht um sich selbst kümmert und der für Jax ein Fremder ist, der lediglich seinen Vater kannte...
Nachdem Jax einige Monate später, einen Tag nach seinem 13. Geburtstag, in einer Welt ohne Menschen aufgewacht ist und an seiner geistigen Gesundheit zweifelt, erfährt er, nachdem sich das in der folgenden Woche wiederholt, von Riley, dass er gerade den Achten Tag erlebt hat - einen Tag zwischen Mittwoch und Donnerstag, den nur die wenigsten Menschen erleben können.
Und dann gibt es noch Jene, die nur an diesem Tag leben - so wie Evangeline, die sich im Nachbarhaus versteckt hält, denn sie ist eine Nachfahrin des mächtigen Zauberers Merlin und es gibt Menschen, die ihre Fähigkeiten für ihre (bösen) Zwecke nutzen wollen. Es wird turbulent und spannend...!

Der Schreibstil der Autorin hat mir sehr gefallen und mich unmittelbar mitgenommen in diese Welt, in der es diesen besonderen zusätzlichen Tag gibt.
Alles beginnt relativ gemächlich mit der Einführung in Jax Welt und dem Kennenlernen der Protagonisten, aber dann nimmt das Geschehen ordentlich Fahrt auf und wird sehr abenteuerlich und wer noch nicht ganz ins Geschehen abgetaucht war, wird sicherlich spätestens jetzt komplett gefesselt!

Die Kombination aus moderner magischer Fantasy und einer alten bekannten Sage hat mir ausgesprochen gut gefallen, das ist (endlich) mal wieder etwas Neues und es hat mir viel Spaß gemacht, alles zu entdecken und mitzuerleben.
Mit den liebevoll erschaffenen, facettenreichen Charakteren habe ich komplett mitgefiebert und schnell meine Sympathien und auch Abneigungen gebildet.

Natürlich bleiben am Ende einige Fragen offen, schließlich handelt es sich hier ja um eine Trilogie. Aber Diane K. Salerni lässt ihre Leserschaft nicht mit einem fiesen Cliffhanger komplett in der Luft hängen, sondern klärt durchaus das Wichtigste auf und hat zumindest mich vollkommen zufrieden und voller orfreude auf Band 2 zurückgelassen.

Seien wir mal ehrlich - einen zusätzlichen Tag, mehr Zeit, das haben wir uns doch alle schon mal gewünscht. Aber ich bin sicher, so magisch, abenteuerlich und abgefahren hat sich das bislang niemand vorgestellt - einfach großartig und absolut empfehlenswert!

Bewertung vom 27.10.2023
Das Vogelmädchen von London
Osman, Mat

Das Vogelmädchen von London


sehr gut

Phantastische Elemente im historischen London - vielversprechendes Setting vor grandiosem Hintergrund!

"Das Vogelmädchen von London" von Mat Osman ist als Hardcover mit Schutzumschlag bei Rütten & Loening erschienen und unterhält seine Leserschaft auf 493 Seiten. Das Cover ist wunderschön gestaltet und ein echter Eyecatcher.

Mat Osman hat einen sehr abwechslungsreichen Schreibstil, der einerseits eine schillernde, etwas düstere Atmosphäre erschafft, die zum Plot und dessen Grundidee hervorragend passt, andererseits erzählt er mal bunt und superdetailliert, dann wieder vage und voller Andeutungen. Dazu gibt es ständig Wendungen und neue Elemente, so dass nur wenig Zeit bleibt, sich auf das jeweils aktuelle Geschehen ganz einzulassen. Auch die Sprache, die teils poetisch anmutet, wird immer wieder von derben Passagen unterbrochen. Zeitweise hatte ich fast den Eindruck, es wären unterschiedliche Autoren am Werk gewesen...

Shay, Botenmädchen, Falknerin und Wahrsagerin hat mir wirklich gut gefallen, sie ist vielschichtig, empathisch und etwas ganz Besonderes. Auch Nonesuch ist eine facettenreicher Charakter, der in der glamourösen Welt des Theaters zuhause ist, und das Aufeinandertreffen der Beiden lässt spannende Gegensätze aufeinandertreffen und schafft jede Menge spannender Impulse für die Handlung.

Insgesamt eine fesselnde Story in einem sehr gelungenen Setting, atmosphärisch und fulminant, mit der Einschränkung, dass der Autor etwas zuviel gewollt hat - dadurch ist nicht alles detailliert ausgearbeitet, sondern wirkt phasenweise etwas unausgegoren .

Alles in Allem eine gelungene, sehr unterhaltsame Kombination aus historischem Roman mit Fantasy-Elementen mit außergewöhnlichen Figuren und einer besonderen Sprache.

Bewertung vom 25.10.2023
Lichtspiel
Kehlmann, Daniel

Lichtspiel


sehr gut

Faszinierender Einblick in die Welt des Lichtspiels während der Nazizeit!

"Lichtspiel" von Daniel Kehlmann ist als gebundenes Buch mit 480 Seiten bei Rowohlt erschienen.
Das Cover ist klar umrissen und schlicht, dabei beeindruckend ausdrucksstark.

In seinem aktuellen Werk entführt der Bestsellerautor seine Leserschaft in das Dritte Reich und lässt sie am Leben und Wirken des bekannten österreichischen Filregisseurs G.W. (Georg Wilhelm) Pabst teilhaben.
Es geht um Politik und Kunst, Beeinflussung und Standhaftigkeit, Wahrheiten und Emotionen.
Eine bewegende Zeit, eine beeindruckende Persönlichkeit und eine gekonnte Verknüpfung von wahren Begebenheiten und Fiktion.
Auf der anderen Seite war Kehlmanns Schreibstil hier ungewohnt einfach und direkt, was mich leider nicht so ganz überzeugen konnte - das gewisse Etwas, das Tüpfelchen auf dem i fehlte mir hier.

Nichtsdestotrotz ein hochinteressanter Einblick hinter die Kulissen des Films in einer spannenden und bewegenden Zeit, der bestens unterhält, nachdenklich macht und erstaunlich viele auf die Gegenwart übertragbare Wahrheiten enthält...!.

Bewertung vom 24.10.2023
Vom Mond aus betrachtet, spielt das alles keine Rolle
Freytag, Anne

Vom Mond aus betrachtet, spielt das alles keine Rolle


ausgezeichnet

Einfühlsam, direkt auf den Punkt gebracht, voller Leben und absolut authentisch!

"Vom Mond aus betrachtet, spielt das alles keine Rolle" von Anne Freytag ist als gebundene Ausgabe mit Schutzumschlag beim ONE Verlag erschienen und umfasst 432 Seiten.
Die Gestaltung im Innern des Buches ist klasse mit superschönen Illustrationen und auch ein Lesebändchen gehört zur hochwertigen Ausstattung :)

Die Handlung des Plots spielt sich mitten während des Corona-Lockdowns in der Weihnachtszeit im Zuhause von Sally, Mutter Marianne und den Geschwistern Henry, Charly und Franny ab. Von außen kommen nur Sallys Freund Felix und Charlys Freundin dazu sowie Leni, die für Marianne arbeitet und bei der Familie einzieht.
Sally ist mittendrin im Erwachsenwerden, in der Selbstfindung. Da sie ein ungeplantes Baby war und ihre Mutter sich auch mehrfach recht unsensibel zur Namensfindung ihrer Kinder etc. geäußert hat, fühlt Sally sich unerwünscht und ungeliebt. So versucht sie sich ständig anzupassen, um gemocht zu werden, und verliert sich dabei immer mehr selbst aus den Augen. Auch ihr Freund Felix, der kürzlich Schluß gemacht hatte und sie nun wieder besucht, ist nicht eben der charmanteste Typ und so ist Sally noch mehr verunsichert. Außerdem ist ihre beste Freundin Pia weggezogen und das Bad, in dem sich ihre heißgeliebte Badwanne befindet, in der sie zu sich selbst finden kann, ist ständig stark umkämpft.
Nur die Beziehung zu ihrem Wellensittich Pete ist vorbehaltlos und die beiden lieben sich sehr.
Und dann kommt Leni ins Haus. Leni, von der Marianne immer so bewundernd spricht, die alles zu können und toll zu machen scheint und die Sally deswegen hassen möchte. Doch dann kommt alles so ganz anders...!!

Ich finde dieses Buch absolut grandios- obwohl ich normalerweise überhaupt nicht auf Liebesgeschichten stehe - aber da ich bereits andere Bücher von Anne Freytag kannte, wollte ich dieses (glücklicherweise) auch unbedingt lesen...

Ich finde es total genial, wie Anne Freytag ihre Leserinnen und Leser scheinbar mühelos mittendrin sein lässt, nicht nur im Geschehen, sondern auch in Sallys (und teilweise Lenis) Kopf, ihrer Gefühls- und Gedankenwelt. Man kann sich super hineinversetzen und ihre inneren Konflikte nachvollziehen.

Jeder Satz von Anne Freytag ist eine kleine Kostbarkeit, und zwischen den Zeilen findet sich noch so viel mehr... Der Schreibstil ist einfach dermaßen feinsinnig, intim , offen, poetisch und besonders .

Sally reflektiert permanent und sucht nach Antworten - die sie aber nicht finden kann, weil sie die Fragen nicht laut stellt. Und Leni geht es nicht anders, obwohl sie einige Jahr älter und erfahrener ist.

Dass es enorm zu einem zufriedenen Lebensgefühl beiträgt, sich selbst finden und zu lernen, sich selbst wichtig zu nehmen, das vermittelt die Autorin auf wundervolle Weise.

Im Grunde passiert handlungsmäßig gar nicht sooo viel, aber im Innern der Protagonisten spielt sich wahnsinnig viel ab.
Und tatsächlich bin ich während des Lesens mehrfach zu eben der Erkenntnis gelangt, die der Titel des Buches aussagt. Vor allem spielt es vom Mond aus betrachtet eigentlich gar keine Rolle, ob eine Liebesbeziehung hetero-, homo-, transsexuell oder sonstwie geartet ist, Hauptsache sie ist ehrlich und die Gefühle sind echt.

Auch das Ende, überschrieben mit Futur II, finde ich total genial gemacht. Man erfährt, wie es mit jedem einzelnen der Charaktere weitergeht und das aus deren eigener Sicht. Aber lest es einfach selbst, ich möchte keinesfalls spoilern.

Ein wundervoller Roman - für mich persönlich eine tolle Entdeckung und ein Jahreshighlight !

Bewertung vom 09.10.2023
Kajzer
Kaiser, Menachem

Kajzer


sehr gut

Hochinteressant, aber bisweilen etwas sperrig...!

"Kajzer" von Menachem Kaiser ist als Hardcover mit Schutzumschlag beim Zsolnay Verlag erschienen und umfasst 336 Seiten.

Der Autor berichtet hier über die Suche nach seinen Wurzeln - die ihn nie groß interessiert hatten, bevor er eines Tages (aus anderen Gründen) nach Polen gereist war.
In erster Linie geht es ihm dabei um die Gerechtigkeit bezüglich des Wohneigentums, das seinem Großvater, den er nicht mehr kennengelernt hat, verwehrt blieb. Bei seiner Recherche stößt Kaiser auf die Spuren eines weiteren Verwandten und schwenkt dabei recht ausführlich auf die "Schatzsucher" ab, was zwar interessant ist, dennoch stark vom roten Faden der Suche abschweift.

Auch die Klassifizierung des Buches bzw. Zuordnung zu einem Genre ist ausgesprochen schwierig, es ist in meinen Augen weder das betitelte Sachbuch noch ein Roman und ebenfalls keine Biografie.

Bisweilen zog sich die Lektüre etwas in die Länge, das Thema ist zudem selbstverständlich keine leichte Kost und somit ist konzentriertes Lesen erforderlich.

Dennoch hat Kaisers Schreibstil mich angesprochen, seine Familiengeschichte konnte mich berühren und auch der immer wieder durchklingende Humor gefiel mir sehr.

Bewertung vom 04.10.2023
Als wir an Wunder glaubten
Bürster, Helga

Als wir an Wunder glaubten


ausgezeichnet

Beklemmende Nachkriegsjahre in düsterem Moordorf - authentisch und überzeugend!

"Als wir an Wunder glaubten" von Helga Bürster ist als gebundene Ausgabe mit Schutzumschlag beim Insel Verlag erschienen und umfasst 285 Seiten.

Das Dorfleben in Unnenmoor, einem ostfriesischen Dorf, ist in den Nachkriegsjahren Ende der 1940er Jahre geprägt von düsterer Resignation und Verlorenheit, die Menschen sind noch wie betäubt, die Männer teilweise noch nicht heimgekehrt.
Aber auch ganz alter, tief verwurzelter Aberglaube spielt eine große Rolle, und dieser sorgt permanent für eine unterschwellige Gänsehaut und macht den Roman ausgesprochen authentisch.

Die Schicksale der Menschen werden der Leserschaft ganz nahe gebracht und ein wenig konnte ich ihren Drang, die auftauchenden Wunderheiler aufzusuchen und an Teufel, Hexen und allerlei andere normalerweise eher dem Mittelalter zugeschriebene Gestalten zu glauben, sogar verstehen.

Die bevorstehende Trockenlegung des Moors hingegen steht für Fortschritt und Hoffnung - bleibt zu hoffen, dass das nicht für einige Dorfbewohner zu spät kommt...

Die Charaktere fand ich überzeugend und realistisch, besonders Bettys Bedrängnis wird beklemmend realitätsnah herübergebracht.

Sowohl der Schreibstil als auch der Fortgang der Handlung sind eher gemächlich, es ist das, was darunter brodelt und schwelt, und zwar in jeder Zeile, was dieses Buch ausmacht.

Ein ungemein lesenswerter Nachkriegsroman, der in die ganz andere Richtung geht als die zumeist üblichen Wirtschaftswunder-Erzählungen...