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Magnolia
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Bayern

Bewertungen

Insgesamt 112 Bewertungen
Bewertung vom 08.05.2025
Aschesommer / Gruppe 4 ermittelt Bd.2
Cors, Benjamin

Aschesommer / Gruppe 4 ermittelt Bd.2


ausgezeichnet

Ein Hochgenuss für jeden Thriller-Fan

Härter, brutaler, spannender… Nachdem ich „Krähentage“ regelrecht verschlungen habe, musste ich diesen „Aschesommer“ unbedingt lesen und auch dieser zweite Fall für die Sondereinheit „Gruppe 4“ lässt mich schaudernd der Spur der Asche folgen.

Jakob Krogh und Mila Weiss, die Leiter der „Gruppe 4“, finden auf einem einsam gelegenen Hof zwei Tote. Eine kryptisch verfasste Todesanzeige hat sie hierher geführt, in ein auf dem Gelände versteckt gelegenes Kellergewölbe, einer Eiskammer gleich. „Das Sterben hat begonnen“, mit Asche geschrieben, lässt auf einen Serientäter schließen. Eile ist geboten. Es bleibt nicht bei den beiden Opfern, weitere folgen nach demselben Schema, das Ermittlerteam arbeitet auf Hochtouren. Auch wissen sie, dass dieser irre Täter einem wissenschaftlichen Phänomen folgt, aber alles Wissen nützt ihnen nichts, da sie zwar nahe dran sind, sie aber dennoch immer ein Stück weit zu spät kommen.

Derweilen werfen wir einen Blick auf Weilersgrund. Es ist eine Klinik für forensische Psychiatrie, alle Spuren führen hierher. Zu einem Insassen, der unter scharfer Bewachung steht, der für den Rest seines Leben hier eingesperrt bleibt. Er gibt sich zivilisiert, er ist hochintelligent, zudem äußerst manipulativ und durchaus gesprächsbereit und doch ist er nachweislich hier gefangen, er kann diese grauenhaft inszenierten Morde nicht begangen haben. Aber wieso führen ihre Ermittlungen immer wieder hierher?

Sie wissen mittlerweile um eine stark gefährdete Personengruppe, die Personenschutz bekommen und doch geht das Morden weiter. Als dann ein Mädchen verschwindet, wird es hektisch. Wir Leser wissen, war mit ihr geschieht, überhaupt sind wir gut im Bilde, was das Ungeheuerliche noch beklemmender macht. Benjamin Cors versteht es, die Spannung und die Dramatik immer höher zu treiben, man vergisst beim Lesen direkt das Atmen. Man möchte direkt eingreifen, um dann doch vor der nächsten teuflischen Tat zu stehen. Der Täter scheint einem diabolischen Plan zu folgen. Gnadenlos. Unerbittlich.

Der mörderische „Aschesommer“ hat mir keine Atempause gegönnt, ich musste einfach die Zusammenhänge wissen. Bis zum bitteren Ende habe ich kein Auge zugetan, aber was ist schon ein wenig Schlaf, wenn man diesen Thriller in Händen hält. Ich hoffe sehr, dass die Sondereinheit „Gruppe 4“ noch auf so manch vermeintlich unlösbare Fälle angesetzt werden, ich werde dabei sein. Unbedingt.

Bewertung vom 08.05.2025
Wut und Liebe (eBook, ePUB)
Suter, Martin

Wut und Liebe (eBook, ePUB)


sehr gut

Das Verhängnis nimmt seinen Lauf

Martin Suter berichtet in drei Teilen von „Wut und Liebe“, von Noah, dem erfolglosen Künstler und von Camilla, seiner großen Liebe. Und da ist noch Betty, die Noah in der Blauen Tulpe eher zufällig kennenlernt. Beide scheinen sie eine Schwäche für Mojitos zu haben, denn bald kommen sie darüber ins Gespräch. Die 65jährige Betty ist auf dem Weg zur Herzpraxis kurz in dieses Lokal abgebogen und wie es manchmal so ist, macht der Alkohol die Zungen locker. Sie lässt ihn ein wenig hinter die Kulissen ihres Leben blicken und – macht ihm ein so verlockendes wie unanständiges Angebot.

Noah und Camilla sind seit drei Jahren ein Paar, sie lieben sich, jedoch beschließt Camilla, ihn nicht weiter finanziell zu unterstützen. Sie trennen sich. Derweilen wird der Kontakt zwischen Noah und Betty intensiver – das Verhängnis nimmt seinen Lauf…

…und die Erzählung scheint über weite Strecken eher dahinzuplätschern. Wobei es mich schon vorwärts treibt, denn dass Suter am Ende eine nicht vorhersehbare Wendung bereit hält, ahne ich und auch weiß ich dies aus seinen anderen Büchern. Also lasse ich mich auf Noahs Geschichte ein, der von Betty viel über den Geschäftspartner ihres verstorbenen Ehemannes erfährt und noch immer will er Camilla zurückerobern, dafür würde er auch auf nicht ganz legale Methoden zurückgreifen.

Martin Suter ist ein brillanter Erzähler, er nimmt hier seine Leser mit in eine Unternehmensberatung, deren vermögende Kunden Verschwiegenheit erwarten. Mit Noah ist es der arme Künstler, der fest an seinen Durchbruch und mit Betty seine Mäzenin gefunden zu haben glaubt. Dabei schreibt er unaufgeregt und launig, ich höre ihm, dem Schweizer, direkt zu. Die Story entwickelt sich eher gemächlich, das ganze Buch über erwartet man, dass etwas Entscheidendes passiert. Und ja – die ganze Dramatik offenbart sich, je mehr wir dem Ende zusteuern.

Auf unterhaltsame Weise werden so manch menschliche Abgründe aufgezeigt, Wut und Liebe sind nah beieinander, auch spielen Rachegelüste in vielerlei Form ebenso mit hinein wie Lug und Betrug. Das Buch macht nachdenklich und auch wenn es nicht an „Melody“ herankommt, so habe ich es doch gerne gelesen.

Bewertung vom 07.05.2025
Zeit der Hoffnung / Die Trümmerschule Bd.1
Maly, Beate

Zeit der Hoffnung / Die Trümmerschule Bd.1


sehr gut

Eine unerschrockene Frau im Nachkriegs-Wien

„Die Trümmerschule - Zeit der Hoffnung“ ist das erste von zwei Büchern, es handelt von einer mutigen Lehrerin, die im Wien der Nachkriegszeit für ein besseres Morgen kämpft. Beate Maly hat sich in diesem Roman vom Leben der Pädagogin und Politikerin Stella Klein-Löw inspirieren lassen, wie sie im Nachwort verrät. Ein historischer Roman, der auf Tatsachen beruht, dessen Protagonisten jedoch fiktiv sind.

Die jüdische Lehrerin Stella Herzig (Klein-Löws Geburtsname) kehrt nach acht Jahren im Londoner Exil ins zerbombte Wien zurück, in den weitgehend zerstörten Schulen herrscht nach wie vor der Geist des Nationalsozialismus. Sie kommt bei ihrer Freundin Feli unter, die ihr am Lindengymnasium eine Anstellung als Deutsch- und Englischlehrerin verschafft hat. Es liegt im amerikanischen Sektor, in dem sich im Gegensatz zum sowjetisch besetzten Bezirk um einiges besser leben lässt. Pfeifer, der Direktor des Gymnasiums, befürwortet ihre fortschrittlichen Lehrmethoden, sie sieht und fördert jedes einzelne Kind, was so einigen im Lehrerkollegium jedoch aufs Äußerste missfällt. Deren althergebrachter, autoritärer Stil, ist auch bei vielen Eltern noch weit verbreitet, wir schreiben das Jahr 1946.

Beate Maly schafft es sofort, mich in ihre Geschichte zu ziehen. Die „Zeit der Hoffnung“ kommt trotz der Schwere der Themen gut durch wie etwa die Arisierung der Wohnungen, die sie gekonnt mit einflicht und auch der Hunger und der Schwarzmarkt sind Thema. Viele Soldaten sind im Krieg geblieben, andere schwer traumatisiert und/oder versehrt zwar wieder daheim, aber für ihr weiteres Leben gezeichnet. Stella hat Schlimmes erlebt, ihre jüdische Familie hat das Nazi-Regime nicht überlebt und auch jetzt ist sie vor verdeckten und auch offenen Anfeindungen nicht gefeit. Und doch gibt es Zusammenhalt, Freundschaft und Liebe, all das ist gut eingebunden in diese Zeit des Wiederaufbaus inmitten des Schulalltags. Stella ist stellvertretend für die vielen starken, unerschrockenen, zupackenden Frauen eine beeindruckende und lebensnahe Protagonistin, auch die anderen Figuren sind glaubhaft angelegt.

Es ist ein versöhnliches Buch, aber auch ein erschreckend aktuelles Buch. Der Juden- und der Fremdenhass greifen wieder vermehrt um sich, das Geschichtsbewusstsein scheint in einigen Schichten unserer Gesellschaft vergessen zu sein. Dabei sollten wir unsere Vergangenheit nie vergessen. Ein lesenswertes Buch, dessen zweiten Teil „Jahre der Kinder“ ich nicht versäumen werde.

Bewertung vom 06.05.2025
Die Stunde des Widerstands
Carsta, Ellin

Die Stunde des Widerstands


ausgezeichnet

Die Falkenbachs inmitten der Kriegswirren

„Die Stunde des Widerstands“ ist der zwölfte Teil der Falkenbach-Saga. Ellin Carsta nimmt ihre Leser mit in die Jahre 1942/43. Es sind finstere Zeiten, es sind gefährliche Zeiten. Sie thematisiert etwa die Weiße Rose, eine Widerstandgruppe um die Geschwister Scholl, eine der bekanntesten Gruppen im Widerstand der NS-Zeit, auch Teile von Goebbels Sportpalastrede hat sie mit einfließen lassen, in der er die deutsche Bevölkerung auf den totalen Krieg einschwört. Dies sind nur zwei von vielen historisch verbürgten Fakten, die sie gekonnt in die fiktive Falkenbach-Saga einbindet.

Die Familien von Falkenbach und Lehmann bangen um ihre Söhne Gustav und Leopold, die beide an der Front sind. „Ich weiß nicht, wie lange ich noch durchhalte. Ich weiß nicht einmal, wie lange ich noch atme“ denkt Leopold Lehmann, dem sein Einsatz im Kriegsgebiet arg zusetzt und auch Gustav, der als Arzt keinerlei Empathie entwickeln darf, kommt an seine Grenzen und doch heißt es durchhalten, alles andere wird nicht geduldet.

Daheim in Bernried am Starnberger See ist ihnen Viktor Sander als Leiter des Arbeitslagers zugeteilt, er wird mit Argwohn betrachtet, allerdings scheint er Wilhelmine von Falkenbach sehr zugetan zu sein. Alle Anzeichen sprechen dafür, dass sie bespitzelt werden, jedoch wissen sie nicht, wer dies sein könnte. „Wer ist Feind, wer Freund – und wie kann ich sie unterscheiden“ fragt sich Ferdinand Lehmann. Sie wissen, dass es hier immer gefährlicher wird und schon länger trägt sich Paul-Friedrich von Falkenbach mit dem Gedanken, mit der gesamten Familie nach Argentinien auszuwandern. Was gründlich überlegt und vorbereitet sein will und nicht so leicht zu bewerkstelligen ist.

Auch dieser zwölfte Teil der Saga hat nichts an Spannung eingebüßt und was mir immer gut gefällt ist die Tatsache, dass neben der fiktiven Story viel Historisches mit einfließt. Hier sind wir mitten im Zweiten Weltkrieg, haben Einblick etwa ins Lazarett und in so manch schwerwiegende Entscheidung über Leben und Tod. Und auch in der Heimat ist alles anders, sie werden bespitzelt und denunziert, keinem ist zu trauen, Gedanken sollten nicht laut ausgesprochen werden.

Ellin Carsta versteht es, diese schwere Zeit, diese schwerwiegenden Themen atmosphärisch und unterhaltsam zu schildern. Und – die Saga geht weiter, ich bin gespannt.

Bewertung vom 05.05.2025
Beeren pflücken
Peters, Amanda

Beeren pflücken


ausgezeichnet

Berührend und bedrückend zugleich

„Beeren pflücken“ ist Amanda Peters berührendes Debüt, das über Liebe und Verlust und Verrat erzählt. Es handelt von einer Mi'kmaq-Familie, die wie andere auch jeden Hochsommer aus Nova Scotia nach Maine kommt, um für acht bis zwölf Wochen bei der Blaubeer-Ernte zu helfen. Mom und Dad und ihre Kinder Ben, Mae, Charlie, Joe und Ruthie richten sich für diese Zeit in einer Hütte am Rande eines Feldes häuslich ein, andere Erntehelfer müssen sich mit Zelten begnügen und notfalls auf dem harten Boden schlafen.

Als eines Tages die vierjährige Ruthie spurlos verschwindet, ist nichts mehr so, wie es war. „Sie ist noch nicht lange genug verschwunden, und ihr seid keine richtigen Einwohner von Maine und geltet als Durchreisende“ macht der Polizist ihnen wenig Hoffnung. Sechs Wochen lang suchen sie vergeblich nach Ruthie. Als die Beerenfelder abgeerntet sind, fahren sie noch ein letztes Mal an dem großen Stein vorbei, auf dem Ruthie zuletzt gesehen wurde. Ihr Verschwinden breitet einen Mantel der Trauer über die Familie, die Leichtigkeit ist dahin.

Der Roman wird zum einen aus Joes Sicht erzählt. Ab dem Jahre 1962 – es ist das Jahr, als Ruthie verschwand – erzählt er von sich, von der Familie, von seinem Leben.

Im zweiten Erzählstrang ist es Norma, der wir folgen. Sie hat oft seltsame Träume, die begonnen haben, als sie vier oder fünf Jahre alt war. Es waren Träume voller Licht, andere dagegen waren dunkel. Darin hört sie ihren Bruder lachen, was aber nicht sein kann, denn sie ist Einzelkind. Auch sieht sie ihre Mutter, das Gesicht jedoch ist nicht ihres. Noch mehr Unerklärliches ist es, das sie nie zuordnen kann und sehr viel später wird ihr klar, dass es sich immer um ein- und denselben Traum handelt.

Zwei Lebensgeschichten, die auf den ersten Blick so gar nichts miteinander zu tun haben. Bald weiß man, um wen es sich bei Norma handelt, deren Mutter sie nie alleine lässt und sie ängstlich behütet und auch ihre Tante Jane benimmt sich zuweilen seltsam. Es gibt keine Fotos von ihr als Kleinkind und auf die Frage, warum sie als einzige in der Familie eine so dunkle Haut hat, wird dafür ein italienischer Großvater verantwortlich gemacht.

Es ist eine Geschichte über eine lebenslange Lüge, über ein Verbrechen, das sprachlos macht. Über ein indianisches Volk, die Mi’kmaq, deren Daseinsberechtigung von den Weißen oftmals mit Füßen getreten wird. Norma spürt, dass ihr etwas Entscheidendes fehlt, sie entdeckt im Laufe der Jahre immer mehr an Ungereimtheiten und ja, sie weiß viel mehr, sie erkennt so manch schreckliches Geheimnis. Und nicht die Schuldigen, nein, sie selber spricht letztendlich klar aus, was ihr ein Leben lang verschwiegen wird. Es ist ein Buch, das betroffen macht und auch ist es ein Buch über Liebe und Vergebung – trotz allem.

Amanda Peters ist eine Schriftstellerin mit Mi'kmaq- und Siedlerabstammung. Sie weiß also, welches Volk sie in den Mittelpunkt ihrer Erzählung stellt. Ihre Figuren zeigen die ganze Palette menschlicher Verhaltensweisen, sie sind zugänglich und verschlossen, sie handeln eigennützig oder auch nicht. Jeder hat seine eigene Art, mit Verlust umzugehen. Trauer hat viele Facetten, genau so die Liebe. „Beeren pflücken“ ist eine Erzählung voller Intensität, die ich schweren Herzens beendet habe, die mir viel bedeutet, die noch lange nachhallt.

Bewertung vom 05.05.2025
Die Lektorin - Ich schreibe dein Ende! (eBook, ePUB)
Hammann, T. J.

Die Lektorin - Ich schreibe dein Ende! (eBook, ePUB)


sehr gut

Nervenaufreibend

Nervenkitzel garantiert! So meine kurze, prägnante Zusammenfassung von T. J. Hammanns Debüt „Die Lektorin. Ich schreibe dein Ende“.

Die Lektorin Lilli Ziegler erhält ein Manuskript (eigentlich sind es nur ein paar Seiten davon), in dem sie und ihr Umfeld ziemlich eindeutig beschrieben sind. Ist dies eher dem Zufall geschuldet, dass dieser Manuskriptschreiber ihren Tagesablauf exakt nacherzählen kann? Oder was und vor allem wer steckt dahinter? Wenig später tauchen noch mehr dieser Manuskriptauszüge auf, allesamt sind sie erschreckend real. Der Schreiber dieser Zeilen scheint genau zu wissen, was in ihrem Haus vor sich geht und nicht genug damit, auch von ihrer Teenagertochter Emma weiß dieser Unbekannte alles, als ob er in ihrem Zimmer wäre, als ob er ihr ständiger Begleiter wäre, als ob er direkt neben Lilli stehen, als ob er Tag und Nacht bei ihnen wäre. Sie wendet sich an die Polizei, die ihr jedoch jegliche Hoffnung auf eine schnelle Aufklärung nimmt. Denn dass jemand im Haus war – und vielleicht noch ist – ist eindeutig, ein Einbruch kann aber nicht festgestellt werden, also scheidet Einbruchdiebstahl und somit ein Ermittlungsgrund schon mal aus. Lilli bleibt nichts anderes übrig, als selber nachzuforschen. Ihr Ex-Mann hat nach wie vor einen Schlüssel, auch gibt es im Freundeskreis ihres Sohnes Tobias einen ziemlich zwielichtigen Typen. Ein ehemaliger Freund von ihr taucht auf, auch die neue Freundin ihres Ex ist nicht so ganz zu durchschauen und es gibt noch einige mehr oder weniger finstere Gestalten – allesamt sind sie zunehmend mit Vorsicht zu genießen.

Die Story hat mich sofort gepackt, auch ich hatte so einige in Verdacht, bei anderen war ich mir ziemlich sicher, dass sie mit dieser geradezu grotesken Art, Lilli in die Enge zu treiben, zu tun haben, um dann doch wieder umzuschwenken. Hammann hat viele Fährten ausgelegt, jede davon könnte die richtige sein und doch sind sie allesamt nicht zielführend. Zumindest bis auf die eine Spur, die ich lange nicht sehen konnte. Gut gemacht, Herr Hammann! Der Thriller ist durchgehend atemraubend bis fast zum Schluss. Denn dann war mir so einiges zu konstruiert, zu abgefahren, um der vorhergehenden, wirklich guten Story gerecht zu werden.

Das Szenario ist beängstigend und furchteinflößend, die einzelnen Charaktere gut gezeichnet, der Schreibstil fesselnd, es ist ein Thriller mit Gänsehautfeeling. Lediglich gegen Ende zu spürt man, dass die losen Versatzstücke sich in die ansonsten rasante Story nicht so ganz einfügen mögen. Davon einmal abgesehen, ist es ein durchaus gelungenes Debüt - ein Psycho-Thriller, den ich gerne gelesen, den ich am Stück verschlungen habe.

Bewertung vom 03.05.2025
Code Kill - Ein tödliches Spiel (eBook, ePUB)
Klein, Hendrik

Code Kill - Ein tödliches Spiel (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Faszinierend und gruselig zugleich

Was ist das denn? Blut. Überall Blut. Sie schießen. Auf ihn. Wo ist er? Gerade aufgewacht, sagen sie, er wäre im Krankenhaus. Seine Familie – alle tot. War er das? Nein, er nicht, denn sie sind alle wohlauf. Er wirkt trotzdem gehetzt, geht auf den Balkon. Springen? Geht nicht, er ist im siebten Stock…

So verwirrend und unwirklich diese ersten Szenen sind, so „normal“ ist es nun. Es regnet, seit drei Tagen schon. Was nicht schön, aber dennoch unwichtig ist, denn sein Hotel ist endlich fertiggestellt, die ersten Gäste werden erwartet und ausgerechnet heute hat Maximilian Ryf verschlafen. Sobald der Hotelbetrieb angelaufen ist, wird er die meiste Zeit sowieso in seinen privaten Räumlichkeiten innerhalb des Hotels, dessen Manager er ist, nächtigen. Heute aber ist er unterwegs zur Fähre, die ihn zum „Seewind Manor“ bringen wird. Das Hotel liegt auf einer kleinen Insel vor der Küste Mecklenburg-Vorpommerns, es erwartet die ersten fünf Gäste, die zur Eröffnung geladen sind. Ihnen steht das Hotelpersonal rund um die Uhr zur Verfügung, neben Max sind es Emilia und Nala für Empfang und Service sowie Linus, der für ihr leibliches Wohl zuständig ist. Das Haus ist auf dem neuesten technischen Stand, was Segen und Fluch zugleich sein kann.

Bald schon geschehen seltsame Dinge, auch ist die erste Tote zu beklagen. „Nummer 1“ ist in blutigen Lettern zu lesen – Horror pur. Und noch immer warten sie auf Gast Nummer fünf. Von den anwesenden Gästen wird so einiges bekannt wie etwa von Amy, die von den anderen als Die Durchgeknallte bezeichnet wird. Sie ist Thriller-Autorin, ihr Äußeres entspricht nicht unbedingt dem Mainstream.

Dazwischen wird von „Früher“ berichtet. Diese kurzen Kapitel werden kursiv dargestellt, es ist von einem Paul die Rede. Was dies alles mit dem Hotel zu tun hat, erschließt sich mir lange nicht.

Es wird zunehmend drastisch und angsteinflößend. Draußen tobt der Sturm und drinnen scheinen alle Verbindungen gekappt zu sein, Hilfe kann also nicht angefordert werden. Sie sind auf sich alleine gestellt, Abgründe tun sich auf. Eine Figur erscheint – Einbildung oder Realität? Die Nerven sind zum Zerreißen gespannt. Das Spiel endet nicht, nein - es steigert sich in ungeahnte Dimensionen.

Es ist mein erster Thriller von Hendrik Klein. Ein Psychothriller, der es in sich hat. Ein tödliches Spiel, das ich lange nicht begreife. Als es dann endlich so weit ist, dass ich – mit Kleins Hilfe wohlgemerkt – hinter dieses tödliche Spiel blicke, bin ich etwas irritiert. Die Story lässt mich ab Seite eins nicht los, es geht gleich in die Vollen. Und wie! „Versteht ihr dieses Spiel?“ Ich zumindest hatte lange keine Ahnung, wohin mich dies führt und jetzt, nachdem ich alles weiß, bin ich entsetzt ob dieser Entwicklung und fasziniert bin ich auch. Ein teuflisch gutes Spiel, das ich zwar gern gelesen, in das ich mich aber nie verwickeln lassen möchte. Mehr kann ich dazu nicht sagen, aber - bitte selber lesen, wer hinter diese raffiniert konstruierten Kulissen schauen will.

Bewertung vom 02.05.2025
Tage wie Salzwasser
Frey, Sita Maria

Tage wie Salzwasser


sehr gut

Der Weg ist das Ziel

Das erste Zusammentreffen war ein Unfall, auch danach geht es eher holprig weiter, irgendwann jedoch wissen sie, was sie voneinander haben. Atlanta und Enza – zwei ganz und gar unterschiedliche Frauen, deren vordergründiges Ziel Noto ist, eine Stadt auf Sizilien. Aber von Anfang an:

Atlanta, die Mathematikerin durch und durch, lebt in Frankfurt, ihr langjähriger Freund hat seinen Lebensmittelpunkt in München, sie führen eine Wochenendbeziehung, was eigentlich ganz gut klappt. Bis zu dem Zeitpunkt, als Atlanta ungewollt schwanger wird und sie genau jetzt eine starke Schulter zum Anlehnen bräuchte. Eigentlich – denn er verlässt sie stillschweigend.

Enza ist eine zupackende, taffe Frau, die in Bad Vilbel einen Fahrradladen betreibt. Sie ist gewollt alleinstehend, zu ihrer Mutter hat sie eine enge Bindung und als diese ihr von ihrer schweren Krankheit erzählt, will sie direkt bei ihr einziehen. Mutter allerdings will, dass sie zunächst zu ihrer Tante nach Sizilien fährt, um ihre sizilianische Familie endlich kennenzulernen.

Da Atlanta und Enza das gleiche Ziel haben (wenngleich aus unterschiedlichen Gründen), machen sich die zwei gen Süden auf, jedoch wählen sie nicht die kürzeste Strecke, sie fahren über Freiburg nach Marseille und Barcelona, um irgendwann dann in Noto anzukommen. Der Weg ist das Ziel – so könnte man ihre Reiseroute umschreiben.

Das Schicksal treibt manchmal seltsame Blüten und vor allen Dingen ist es nie berechenbar. Gleich mal werde ich ins kalte Wasser geschmissen – zwei Frauen auf einem Motorrad, dazu ein Baby, das unbedingt auf diese Welt will und genau dieses kleine Wesen scheint mir dies zu erzählen. Noch bin ich etwas irritiert, was sich aber ganz schnell legt, denn diese „Tage wie Salzwasser“ sind so einfühlsam erzählt, trotzdem das Leben der beiden Protagonistinnen voller Turbulenzen und unvorhersehbarer Zwischenfälle ist. Die Ausgangssituation beider Frauen ist alles, aber schön ist sie ganz gewiss nicht und doch finden sie einen Weg, der beileibe nicht immer geradlinig verläuft. Eigentlich nie, es sind krumme Wege, die sie beschreiten müssen. Beide wollten das nicht, beide werden sie dazu gezwungen. Und – letztendlich ist es gut so, wie es ist.

Sita Maria Freys „Tage wie Salzwasser“ ist leicht und beschwingt erzählt und doch ist es eine Geschichte mit Tiefgang. Ein ergreifendes Debüt über Abschiede, über Neuanfänge und Freundschaft. Emotional, traurig und bittersüß, ein ganz besonderer Roadtrip, den ich gerne gelesen habe.

Bewertung vom 25.04.2025
Die Erbin
Winter, Claire

Die Erbin


ausgezeichnet

Spannend, emotional, erschütternd - ein absoluter Lesegenuss

Cosima Liefenstein ist „Die Erbin“. Eine junge Frau, die in eine Unternehmerfamilie hineingeboren wurde. Die Industriellenfamilie Liefenstein ist fiktiv, deren Verstrickungen in die Machenschaften des Nationalsozialismus dagegen bittere Realität. Sie waren Profiteure der Arisierung, sie beschäftigten Zwangsarbeiter, sie kungelten mit den Nazigrößen.

Claire Winter erzählt ihren neuen historischen Roman in zwei sich abwechselnden Zeitebenen. Durch Namen-, Orts- und Zeitangaben sind die Kapitel übersichtlich gestaltet, sodass der Überblick nie verloren geht und auch das vorangestellte Personenverzeichnis ist gerade anfangs hilfreich, bald aber sind mir die einzelnen Familienmitglieder und auch andere, wichtige Figuren, sehr vertraut.

Cosima will eine Stiftung für bedürftige Frauen und Mütter ins Leben rufen, ihr Onkel Theodor unterstütz t sie dabei und wie er sagt, ist es Tradition bei den Liefensteins, sich für die Schwächeren und Ärmsten der Gesellschaft einzusetzen. Nicht jeder findet ihr Engagement gut, letztendlich aber lässt sich Cosima nicht von ihrem Vorhaben abbringen. Als sie dann den Journalisten Leo Marktgraf kennenlernt, ist auch er von ihrer Idee überzeugt und trotzdem sein journalistischer Schwerpunkt anders gelagert ist, möchte er gerne über ihre Stiftung berichten. Wir scheiben das Jahr 1957…

…und gehen zurück ins Berlin der 1929er Jahre. Hier treffen wir auf Elisa, die bei der Familie Liefenstein als Hausmädchen angestellt ist. Wilhelm ist der unangefochtene Patriarch, seine Söhne Theodor und Albert werden eines Tages seine Nachfolge antreten, der jüngste Sohn Edmund ist nach Wilhelms Ansicht dazu nicht geeignet. Als sehr begabter Maler sieht ihn sein Vater eher kritisch, um nicht zu sagen, er verachtet alles, was nicht seiner Norm entspricht. Doch eine standesgemäße Heirat ist auch für Edmund unabdingbar. In der mondänen Rita findet er seine Ehefrau, die ihm ein bezauberndes Mädchen schenkt – Cosima. Bald ist Elisa ihr Kindermädchen und auch wenn Rita sich eher auf dem gesellschaftlichen Parkett tummelt, so kümmert sich ihr Vater liebevoll um die Kleine.

Um diese beiden Protagonistinnen rankt sich der historische Roman, der so viel mehr ist als eine Familiengeschichte. Als Cosimas Stifung eine große Summe von einem Freund von Theodor zugesagt bekommt, ist es Theo, der die Spende ablehnt. „Diesem Mann will man nichts schulden“ ist seine lapidare Erklärung, was Cosima stutzig macht und sie daraufhin mehr wissen will. Sie stößt auf eine Mauer des Schweigens und doch lässt sie nicht locker.

Die Geschichte dieser Familie ist turbulent und steckt voller Geheimnisse. Es geht um Liebe in all ihren Facetten, ein Mord wirft viele Fragen auf und auch ein Suizid hängt irgendwie damit zusammen sowie mehrere Einbrüche in Privatwohnungen und Kanzleien. Daneben ist es die beklemmende Zeit des Nationalsozialismus, dessen Profiteure auch Unternehmerfamilien wie die Liefensteins waren, die in ihren Fabriken Zwangsarbeiter beschäftigten, angetrieben von SA und SS. Durch Arisierungen vergrößerten sie ihr Firmenimperium immens, die Schicksale dahinter waren nicht mal zweitrangig, sie waren ihnen schlichtweg egal.

Claire Winter gibt darüber einen erschreckend realistischen Einblick. Und auch, wenn dieses Thema bekannt ist, so ist es nochmals etwas ganz anderes, hinter die Kulissen zu blicken. Da ist David, ein sehr guter Freund von Edmund, der als Jude sich nach Polen rettet. Sie schreiben sich, bis kein Brief mehr kommt. Edmund hofft, dass David es schafft, sich in Sicherheit zu bringen, aber einige Zeit danach sieht er ihn, schwach und abgemagert, als Zwangsarbeiter, mit blutigen Striemen. Er will ihn retten, ihm zur Flucht verhelfen, was die Aufseher brutalst zu verhindern wissen. Dies ist nur ein kleiner Abriss all der Grausamkeiten, denen die einen ausgesetzt waren und andere sich dadurch bereichert haben. Auch die Liefensteins haben sich den Nazis angebiedert und danach, als all die Verbrechen aufgeklärt werden sollten, wurden ganz schnell sämtliche Beweise vernichtet. In so manchen Unternehmen haben die mit verräterischen Akten gefütterten Feuer lange gebrannt.

„Die Erbin“ ist ein bestens recherchierter historischer Roman, der mir einen tiefen Blick in unsere gar nicht so lange zurückliegende Vergangenheit gewährt. Eine finstere Zeit, die man nie vergessen darf, die noch lange in die Nachkriegszeit hineinwirkt. Dies alles eingebettet in die Geschichte der fiktiven Familie Liefenstein und deren so unterschiedlichen Mitglieder. Es war eine intensive Reise zurück in die Jahre 1929 bis 1957. Ein unterhaltsamer Roman, spannend, emotional und absolut lesenswert. Mein Tipp: Lesen, einfach lesen. Es lohnt sich. Wer Claire Winters Bücher kennt, wird sowieso unbesehen danach greifen.

Bewertung vom 23.04.2025
Das Echo der Sommer (eBook, ePUB)
Labba, Elin Anna

Das Echo der Sommer (eBook, ePUB)


sehr gut

Das Schicksal dreier sámischer Frauen und deren Zwangsumsiedelung

Die schwedisch-sámische Journalistin und Autorin Elin Anna Labba greift in ihrem Roman „Das Echo der Sommer“ das Schicksal der Samen auf, deren Dörfer zugunsten der Energieversorgung der Städte geflutet wurden. Dabei bezieht sie sich auf die Erzählungen der Überflutung schwedischer Dörfer, die an den Quellseen des Stora Luleälvs liegen und anderer gefluteter Gegenden in den Jahren 1923, 1939, 1940-1944 und 1972.

„Wir sind am schönsten und schrecklichsten Ort der Welt gelandet“ sagt Rávdná zu ihrer dreizehnjährigen Tochter Iŋgá , als sie nach dem Winter in ihr Sommerland zurückkehren in ihre Kote hoch oben über dem Stausee, an dessen Hügeln sich sámische Dörfer angesiedelt haben. Dieser Stausee wird über Jahrzehnte hinweg in Etappen geflutet. Dabei ist es den Betreibern des Kraftwerks und letztendlich dem Staat nicht wichtig, dass die Sámi dabei ihr gesamtes Hab und Gut verlieren. Mehr noch, für sie gilt, dass sie als Nomaden kein Land besitzen dürfen und ihre Koten lediglich geduldet sind mit der Auflage, diese ausschließlich räumlich begrenzt in runder Form mit höchstens zwei Fensterluken zu bauen, zudem werden sie nicht an das nahe Elektrizitätswerk angeschlossen. Sie werden permanent ihrer Rechte beraubt.

Drei Frauen sind es, die dem indigenen Volk der Samen angehören, über deren Lebenswelten und deren Zwangsumsiedelung ich lese. Rávdná, Iŋgá und ihre Tante Anne. Sie sind fest verhaftet in ihrer traditionellen Lebensweise, sie sind kunsthandwerklich geschickt, sie verkaufen ihre Fellschuhe, ihre Brieföffner, Kaffeefilter und noch so einiges mehr an Touristen. Dagegen hapert es mit dem Lesen und Schreiben, lediglich Iŋgá beherrscht dies einigermaßen, was schon auch wichtig ist, auch wenn ein Beschwerdebrief an die zuständige Behörde nichts nützt. Nicht nur hier ist die Diskriminierung der Sámi deutlich zu spüren.

Obwohl das ganze Dorf mitsamt ihrer Kote im Wasser versinkt, wollen sie sich unter keinen Umständen vertreiben lassen. Es ist nicht das erste Mal, dass der See geflutet wird. Sie wissen es aus Erzählungen der Älteren, als die erste Erhöhung des Staudamms gerade mal so hoch wie ein Haus war und nun erleben Rávdná, Iŋgá und Anne, Rávdnás Schwester, die neuerliche Flutung hautnah. Es wird auch nicht das letzte Mal sein, dass sie ihre Kote dem Wasser opfern müssen. Dabei kommt es mir so vor, als ob sie sich schon lange damit abgefunden haben, dass sie wieder und wieder aufs Neue ihre Behausung ein Stück weit höher den Berg hinauf errichten müssen. Sie leben ganz selbstverständlich im Einklag mit der Natur, sie folgen den Jahreszeiten und wollen es auch weiterhin so halten und nicht zuletzt auch darum kämpfen sie um ihren Lebensraum.

Elin Anna Labba hat mir eine Welt gezeigt, die mir vollkommen fremd ist. Sie lässt die sámische Sprache immer wieder kurz mit einfließen, was den Lesefluss lediglich anfangs etwas beeinträchtigt, da die Erklärung dazu dann wie nebenbei durchklingt. Das Buch lässt sich nicht einfach mal so weglesen, es fordert für sich ein gewisses Maß an Zeit ein. Die Diskriminierung indigener Völker – hier der Samen – ist hier anschaulich thematisiert, es ist ein lesenswertes Buch, das mich nachdenklich zurücklässt.