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Reader1965
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Hamburg

Bewertungen

Insgesamt 72 Bewertungen
Bewertung vom 31.07.2024
Ex-Wife
Parrott, Ursula

Ex-Wife


sehr gut

Ex-Frau Klasse A

"Ex-Wife" von Ursula Parrott wurde erstmals 1929 veröffentlicht (damals zuerst anonym) und erscheint jetzt fast 100 Jahre später wieder. Es geht um die 24-jährige Patricia, die nach kurzer Ehe von ihrem Mann Peter verlassen wird, und versucht, ihr Leben in New York zu leben.

Es ist ein zeitloser Gesellschaftsroman über eine junge Frau, die nicht dem Bild einer "moralischen" Frau & deren konventioneller Rolle entspricht: Patricia raucht, trinkt, flirtet hat Affären und will das Leben geniessen.
Wäre der Roman heute geschrieben worden, wäre er sicherlich sprachlich anders & auch die Denkmuster haben sich verändert, was ihn aber jetzt nicht weniger lesenswert macht. Der Roman vermittelt gut das Bild der 1920-iger und auch, das Gleichberechtigung noch kein Thema war.

Das "Sex in the City" meets "The Great Gatsby" finde ich persönlich nicht so passend. Dieser Roman steht für sich und braucht diesen Vergleich nicht.

Bewertung vom 26.07.2024
Don't kiss Tommy. Eine Liebe in der Stunde Null
Graw, Theresia

Don't kiss Tommy. Eine Liebe in der Stunde Null


sehr gut

Die Stunde Null

Der Roman "Don't kiss Tommy" von Theresia Graw beginnt nach Kriegsende in Bad Oeynhausen und erzählt vom Leben während der britischen Besatzung - aus zwei Perspektiven: Anne, die den Besatzern skeptisch gegenübersteht, und Rosalie, die ihnen gegenüber offener ist. Beide Frauen versuchen, das Beste aus ihrer Situation zu machen.

Die Autorin hat gut recherchiert und verbindet historische Fakten mit den fiktiven Geschichten von Anne & Rosalie. Theresia Graw vermittelt ein authentisches Bild der Zeit & den schweren Lebens-/Überlebens-bedingungen - und auch die unterschiedlichen Sichten, Umgangsweisen & Erfahrungen mit den Besatzern werden gut & nachvollziehbar dargestellt.

Der Roman ist kurzweilig geschrieben und lässt sich gut & flüssig lesen.

Wer sich für die Nachkriegszeit gepaart mit Liebe & Dramatik interessiert, wird diesen Roman mögen.

Bewertung vom 14.07.2024
Wir waren nur Mädchen (eBook, ePUB)
Jackson, Buzzy

Wir waren nur Mädchen (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Menschlich bleiben

In "Wir waren nur Mädchen" erzählt Buzzy Jackson die reale Geschichte der Hannie Schaft (1920 - 1945), die sich im 2. Weltkrieg in den Niederlanden der Widerstandsbewegung anschloss und für die Freiheit kämpfte.

Ein wichtiger Roman nach wahren Begebenheiten. Das waren bewegende & bedrückende Lesestunden. Die Autorin schreibt eindringlich & kraftvoll aus der Sicht von Hannie - und das für mein Empfinden auch sehr authentisch & sehr gut recherchiert. Dadurch konnte ich ansatzweise das Denken & Handeln von Hannie nachvollziehen - und mich mit der Frage "Wie weit würde ich gehen?" auseinandersetzen. Das Nachwort ist informativ und weil mich dieses Buch gedanklich noch beschäftigt hat, habe ich dazu auch im Internet einiges nachgelesen.

Ein grosse Leseempfehlung an diejenigen, die sich für diese Zeit & eine eher unbekannte Widerstandskämpferin interessieren.

Bewertung vom 14.07.2024
Die schönste Version
Thomas, Ruth-Maria

Die schönste Version


ausgezeichnet

It"s my life

"Die schönste Version" von Ruth-Maria Thomas ist ein unglaublicher Debütroman, in dem es um Jella, ihr Leben und um die toxische Beziehung mit Yannick geht - um Liebe, Sex & Gewalt.

Eine Geschichte mit enormer Sogwirkung: fesselnd, intensiv & verstörend. Es ist absolut kein Buch zum Wohlfühlen. Stellenweise wollte ich mit dem Lesen aufhören, aber gleichzeitig wissen, wie es weitergeht.

Grossartig geschrieben, ausdrucksstark & bildlich - und kein Wort zuviel oder zu wenig. Ich hatte das Gefühl, bei Jella zu sein und konnte ihre Wut & ihre Schuldgefühle und die Faszination & die Zerrissenheit zu der Beziehung mit Yannick nachfühlen (und das, ohne eine solche Beziehung selbst erlebt zu haben):
Wie es ist zu wissen, dass es nicht gut ist - und es trotzdem nicht loslassen zu können - weil es so schrecklich schön ist ... oder doch schön schrecklich.

Ich bin sehr beeindruckt von diesem Debüt & der authischen Story - und warte schon jetzt auf den nächsten Roman von Ruth-Maria Thomas.

Bewertung vom 06.07.2024
Das Pfauengemälde
Bidian, Maria

Das Pfauengemälde


sehr gut

Vergangenheitsbewältigung

In "Das Pfauengemälde" erzählt Maria Bidian die Geschichte von Ana, die 2 Jahre nach dem Tod ihres Vates Nicu zu ihrer Familie nach Rumänien reist, um das durch Enteignung verlorene Gemälde wieder zu bekommen - und es ist eine Reise zum Bewältigen der Trauer und in die Vergangenheit mit Erinnerungen an ihren Vater & sein Leben in Rumänien & Deutschland.

Es ist keine chronologisch erzählte Geschichte und sie ist ohne roten Faden. Sie war sehr gut zu lesen, erforderte aber Konzentration. Und - was ich so nicht erwartet hatte - es ist ein politisches Buch und vermittelt einiges zur Geschichte Rumäniens zur Zeit von Nicolae Ceausescu. Obwohl mich das Buch emotional nicht so richtig gepackt hat, war es interessant & lesenswert. Das Ende ist recht abrupt, aber überraschend und für mich schön & passend.

Vermisst habe ich einen Anhang mit Informationen zu den zeitlichen Abläufen.

Insgesamt ein Buch, dass ich geschichtlich Interessierten gern empfehle.

Bewertung vom 01.07.2024
Nach uns der Sturm
Chan, Vanessa

Nach uns der Sturm


sehr gut

Schwerwiegende Entscheidung

"Nach uns der Sturm" von Vanessa Chan spielt in Malaysia von 1935 bis 1945 - zur Zeit der britischen Kolonialherrschaft und der japanischen Besatzung. Cecily Alcantara, Ehefrau & Mutter, lernt einen japanischen General kennen und wird für ihn zur Spionin. Gut zur Geschichte passt es, dass aus vier Perspektiven erzählt wird: Cecily & ihren 3 Kindern.

Da ich wenig über Malaysia weiss, hat mich diese Geschichte & die Zeit, in der sie spielt, sehr angesprochen. Die Autorin vermittelt eindrücklich & sprachlich sehr gelungen viel über die Grausamkeiten unter Besatzern und - anhand der Familie Alcantara - das Leid der Menschen (was an einigen Stellen etwas konstruiert wirkt, mich aber nicht wirklich gestört hat). Sie zeigt auf, welche schwerwiegenden Folgen & welche Schuldgefühle eine getroffene Entscheidung nach sich ziehen kann. Es ist keine leichte Kost, aber dennoch konnte ich das Buch nicht aus der Hand legen (besonders im letzten Drittel). Für mich war es eine interessante Lektüre und ein beachtlicher Debütroman.

Bewertung vom 20.06.2024
Darwyne
Niel, Colin

Darwyne


ausgezeichnet

Besonders & fesselnd

Von Colin Niel hat mir bereits "Nur die Tiere" gefallen und mit "Darwyne" habe ich wieder ein gutes Buch erwartet. "Darwyne" hat meine Erwartungen dann bei Weitem übertroffen. Es wurde in Frankreich mit mehreren Literaturpreisen ausgezeichnet - meiner Meinung nach völlig zu Recht. Dieses Buch ist für mich kein herkömmlicher Thriller, war dennoch besonders & äußerst spannend zu lesen. Es hat mich von der ersten Seite an in seinen Bann gezogen und dann bis zur letzten Seite gefesselt.

Colin Niel hat einen tollen Schreibstil und schafft eine beklemmende & unheimliche Atmosphäre: eine ungewisse Gewissheit oder eine gewisse Unwissenheit. Und gleichzeitig ist es eindringlich & bewegend, wie er das Leben von Darwyne & den Kampf um die Liebe seiner Mutter beschreibt. Eine ungewöhnliche Geschichte mit enormer Sogwirkung, der ich viele ebenso begeisterte Leser:innen wünsche.

Bewertung vom 11.06.2024
Wo die Asche blüht
Que Mai, Nguyen, Phan

Wo die Asche blüht


sehr gut

Kraft von tausend Windstößen

In "Wo die Asche blüht" schreibt Nguyen Phan Que Mai über die vergessenen Kinder des Vietnamkrieges. Die Geschichte umspannt den Zeitraum von 1969 bis 2019 und vermittelt anschaulich & informativ viel über den Krieg, seine Auswirkungen bis heute & das Leid auf allen Seiten. Entstanden ist dieser Roman aus den Forschungen zu ihrer Doktorarbeit und hier in fiktiver Form eingeflossen. Geschildert wird aus drei Perspektiven: einer jungen Vietnamesin (die 1969 in Sai Gon als Barmädchen arbeitet, um die Familie finanziell zu unterstützen), eines Amerasiers (auf die Suche nach seinen Eltern) und eines US-Veteranen (der 2016 zurück nach Vietnam reist).

Die Autorin verwebt die einzelnen Erzählstränge zu einer Geschichte, die fesselt & bewegt. Im Vordergrund steht nicht das Krieggeschehen, sondern die jungen Frauen, die sich mit Aussicht auf ein besseres Leben an die amerikanischen Soldaten verkauften, und deren Kinder (Amerasier), die oft unter schweren Bedingungen oder in Heimen aufgewuchsen. Der Autorin gelingt es, die Leben der Hauptcharaktere nachvollziehbar zu erzählen, ohne ihr Handeln zu bewerten.

Ein sehr lesenswerter Roman, der dazu anregt, mehr über die "vergessenen Kinder" zu erfahren.

Bewertung vom 09.06.2024
Seinetwegen
Del Buono, Zora

Seinetwegen


sehr gut

Ungewöhnliche Vergangenheitsbewältigung

In "Seinetwegen" begibt sich die Autorin Zora del Buono 60 Jahre nach dem Unfalltod ihres Vaters (da war sie 8 Monate alt) auf Spurensuche. Weil sie ihren Vater nicht kannte, hat sie ihn nicht vermisst. Jetzt möchte die Autorin mehr über ihn, den Unfall & den Unfallverursacher erfahren und ergründen, was das Fehlen des Vaters für ihr Leben bedeutet(e).

Zora del Buono erzählt keine chronologische Geschichte. Sie erzählt in oft nur kurzen Absätzen von Begebenheiten & Erinnerungen, lässt an ihren Gedanken teilhaben und nennt interessante Zahlen & Fakten (z.B. zum Thema "Tod im Straßenverkehr"). Sie springt von einem zum anderen Gedanken/Thema und schweift ab. Sie schreibt eher distanziert als emotional. Das hat mir hier überraschender Weise gefallen - weil auch mir eine distanzierte Sicht manchmal hilft, Dinge besser verstehen zu können.

Dieses Buch berührt & macht nachdenklich und ist eine ungewöhnliche & lesenswerte Art der Vergangenheitsbewältigung.