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Johannes W. Leppin
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Nürnberg
Über mich: 
Die Ausgeburt des Postmodernismus ist ein infantiler, nihilistischer Fanatiker.

Bewertungen

Insgesamt 34 Bewertungen
Bewertung vom 04.01.2024
Das Kommunistische Manifest. Die verspätete Aktualität des Kommunistischen Manifests
Zizek, Slavoj

Das Kommunistische Manifest. Die verspätete Aktualität des Kommunistischen Manifests


weniger gut

„Die verspätete Aktualität des kommunistischen Manifests“ findet man als weiteren Untertitel, sobald man das Buch dann aufgeschlagen hat. Das weckt etwas die gruselige Erwartung der Verteidigung einer toten Ideologie, deren Prämissen sowohl theoretisch als auch empirisch lange widerlegt sind. Der Autor aber macht keine langen Umschweife, problematische Kernelemente zu analysieren und zu entblößen und positioniert sich zunächst kritisch gegenüber Ideologien im Allgemeinen, was schon einmal etwas Vernunft verspricht. Allerdings hält er auch an einem pathologischen Zug der Ideologien fest: der Utopie. Er stellt sie als destruktives Element in Frage und erklärt die Antiideologie zur Ideologie, was sie vielleicht auch sein kann?! Jedenfalls läuft es auf die Idee hinaus, dass ein radikaler Wandel nicht ideologisch antiideologisch zurückzuweisen sei. Einen solchen kann man aber nur als erstrebenswert ansehen, wenn man eine pessimistische Sicht auf den Status quo vertritt und selbst ein Zyniker ist, wie er es Skeptikern bzw. Antiideologischen Ideologen (?) – nämlich denen, die eine pessimistische Perspektive auf das Element der Ideologie vertreten, was sich historisch wohl deutlich besser anhand der Erfahrungen vertreten lässt, als die theoretische Vorstellung es ginge doch anders – unterstellt.

Beim Lesen wird man das Gefühl nicht los, er versuche durch Cherry Picking irgendwie etwas am verrotteten marxistischen Fundament zu retten, um nicht jeglichem sozialistischen Weltbild die Grundlage zu entziehen. Aber es gibt nichts zu retten. Da hilft auch keine noch so großzügig Deutung ausgewählter Passagen. Dabei schwafelt er oft recht viel ohne wirklich erkennbare Pointe, während er sich bei manchen Themen um Trivialitäten dreht und bei anderen Themen wohl versucht der Dresche aus dem Weg zu gehen, die der versuchten Neudeutung bei zu deutlichem Ausdruck ebenfalls droht.

Seine eigene Kapitalismuskritik wirkt letztlich neben den beispiellosen Errungenschaften und Freiheiten, die das System hervorgebracht hat, wie ein pathetischer Trotzanfall, der immerzu derselben linken Leier von angeblicher Ausbeutung und Unterdrückung folgt, aber selbst ohne ideologische Einseitigkeit nicht aufrecht erhalten werden kann. Auch bei den Bezügen auf Hegel entsteht der Eindruck, er nutze ihn als Cope um sich selbst zu gaslighten, um wiederum ein linkes Weltbild aufrecht erhalten zu können. Oder Hegel war tatsächlich so ein Schwurbler, was ich leider nicht beurteilen kann.

Im hinteren Teil des Buches folgt der Originaltext. Die Vorreden der verschiedenen Ausgaben scheinen recht überflüssig. Der Text selbst ist das, was man erwartet und zeigt recht gut, dass Gewalt und Wahnhaftigkeit den Ideen von Anbeginn inhärent waren und es nicht erst eines Lenins oder gar Stalins bedarf, um dystopische Zustände herbeizuführen. „Die Kommunisten verschmähen es, ihre Ansichten und Absichten zu verheimlichen. Sie erklären es offen, daß ihre Zwecke nur erreicht werden können durch den gewaltsamen Umsturz aller bisherigen Gesellschaftsordnung.“ (S.145) Dazu kommt mir das milton’sche Zitat in den Sinn: „Besser ist es, in der Hölle zu herrschen, als im Himmel dienen.“

An welcher Stelle sich letztlich eine angebliche Aktualität konkret ableiten lässt bleibt letztlich schleierhaft.

Letztendlich liefert dieses Buch keinen ausreichenden Erkenntnisgewinn. Es wird weder eine vernünftige Sichtweiße klar herausgearbeitet, noch eine neue Sichtweise als unvernünftig entblößt. Dafür wird in dem ohnehin schon nicht besonders umfangreichen Werk viel darum herum geschrieben. Daher rate ich vom Lesen ab. Es ist davon auszugehen, dass bessere kritische Literatur zum Thema, auch aus linker Perspektive zu finden ist.

Bewertung vom 04.12.2023
Der Elefant verschwindet
Murakami, Haruki

Der Elefant verschwindet


weniger gut

Ich habe dieses Buch etwa bis zur Hälfte gelesen und dann abgebrochen, weil ich es öde fand. Die Geschichten sind angenehm lesbar und stilistisch versiert, lassen aber irgendwie jede Pointe vermissen. Vergeblich war ich auf der Suche nach tiefergehenden Motiven hinter den Erzählungen, von denen solche Geschichten normalerweise leben und so wirkten auch die Wendungen irgendwie verloren und blödsinnig und aufregende Elemente, die durchaus gegeben sind wirken selbstzweckorientiert. Vielleicht ist mir auch etwas entgangen, aber so ziehe ich als Fazit: Klischeehaft oberflächliche Mainstreamliteratur mit viel sprachlicher Ästhetik, aber ohne lebendiges Motiv.

Bewertung vom 01.12.2023
Ihr werdet sein wie Gott
Fromm, Erich

Ihr werdet sein wie Gott


sehr gut

Dieses Werk enthält eine Analyse profilierender Elemente des alten Testaments und stellenweise auch des Talmuds. Klingt trocken? Ist es aber nicht, oder zumindest größtenteils nicht. Denn das Buch bietet neben einem provokanten Titel eine interessante Perspektive. Erich Fromm ist schließlich kein Theologe, sondern Psychoanalytiker und selbsterklärter Atheist und Jude, dessen Weltsicht durch einen tiefgehenden Austausch mit Rabbis unterschiedlicher humanistischer Prägungen geformt wurde, was eine interessante Betrachtung verspricht und auch einhält.

Allerdings ist der Autor auch Mitglied der Gründerväter der Frankfurter Schule, die das Fundament neulinker Ideologien geschaffen hat und deren Pathologien (z.B. Gutheißung von Sozialismus und ein falsch verstandener Begriff von Nächstenliebe) sich in Teilen des Texts durchaus auch niederschlagen. Ich kann dieses Buch dennoch auch Skeptikern empfehlen, da es mit der Bibelanalyse wesentliche Kernelemente der abendländischen Kultur erfasst und in jedem Fall Denkanstöße liefert, die zum Verständnis der Texte grundsätzlich beitragen.

Besonders ausführlich fällt die Betrachtung auf den Mythos des Propheten Moses. Das letzte Kapitel über Psalmen fand ich etwas mühselig.

Trotz der unerschöpflichen Materie hat das Buch insgesamt eine kompakte Form und ist angenehm zu lesen.

Bewertung vom 09.11.2023
Psychoanalyse und Religion (eBook, ePUB)
Fromm, Erich

Psychoanalyse und Religion (eBook, ePUB)


sehr gut

Noch ein Buch über Psychoanalyse. Das geht natürlich wenig überraschend nicht ganz ohne klassisch Freudsche Komplexe abzutasten. Auch Fallbeispiele aus der Praxis, ganz im Stil von C.G. Jung dürfen nicht fehlen. Erich Fromm bezieht sich explizit auf die beiden Autoren. Die direkte Kritik an der Lehre Jungs fällt währenddessen äußerst harsch aus. Wenn er sich da mal nicht selbst überschätzt. Viel interessanter jedenfalls gestaltet sich die Beschreibung der Rolle des Herdentriebes und der Rationalisierungen bei der Entwicklung von Glaubenssystemen, die dabei relativ simplistisch in autoritär und humanistisch differenziert und zu ergründen versucht werden. Dabei entsteht auf vergleichsweise wenigen Zeilen viel Erkenntniswert – angenehm zu lesen, kompakt und prägnant.

Bewertung vom 31.10.2023
Illuminatus! Das Auge in der Pyramide (eBook, ePUB)
Shea, Robert; Wilson, Robert A.

Illuminatus! Das Auge in der Pyramide (eBook, ePUB)


gut

"Ein Buch für jedermann, der einen intellektuellen Spaß erster Güte erleben will." - BAYERISCHER RUNDFUNK
Das steht auf dem rückseitigen Cover dieser Ausgabe. Nach den intellektuellen Inhalten suche ich vergeblich, aber vielleicht habe ich mir auch nur eingebildet das beurteilen zu können. Ein durchaus weit verbreitetes Phänomen („Many such cases“ – Donald J. Trump). Oder soll damit die politische Neurose angedeutet werden, an der sich ganz nebenbei abgearbeitet wird? Wahrscheinlicher aber ist wohl, dass die vom Bayerischen Rundfunk auch was von dem guten Stoff abbekommen haben, den die Autoren offenbar regelmäßig und ausgiebig konsumieren.

Apropos Phänomen: Die Fülle an schizophrenen Motiven, die einem (mir zumindest) absolut geläufig vorkommen, da sie im öffentlichen Raum immer wieder auf vielfältige Weise reproduziert werden, ist durchaus beachtlich.
Wird von diesem Buch eine stringente Erzählung mit klassischem Aufbau erwartet muss leider enttäuscht werden.

Ich kann dieses Buch dennoch, auch trotz seiner konfusen Inhalte in gewisser Weise empfehlen, da es völlig geisteskrank ist, sprachlich punkten kann und einen schrägen Stil und Humor aufweist, der mal recht stumpf, an anderen Stellen jedoch durchaus etwas tiefgründiger daherkommt.

" Wonach die Illuminaten auch immer trachteten, es war niemals vollendet worden...[sic!] Der Beweis: Hätten sie es jemals vollendet, würden sie längst nicht mehr im Geheimen konspirieren."

Bewertung vom 19.10.2023
Lebendiger Mythos
Campbell, Joseph

Lebendiger Mythos


ausgezeichnet

Dieses Buch gibt nicht nur einen guten Einblick darüber, wie die Mythen die Kultur beeinflussen und ein Abbild archetypischer Motive sind, so wie es auch vergleichbare Werke tun. Es bezieht darüber hinaus in fundierter Weise eine große Vielfalt an Mythen der Weltkulturgeschichte mit ein und zeigt auf, wo Gemeinsamkeiten und Unterschiede existieren. Dabei werden neben den kulturellen auch tiefenpsychologische Aspekte in die Betrachtung mit einbezogen. Die interdisziplinäre Betrachtung des Autors eröffnet eine besondere Perspektive und reflektiert sein Lebenswerk.

Besonders gut gefallen hat mir das Kapitel über Schizophrenie, in denen das Kontinuum von Visionen und Mythen aufgezeigt und deutlich wird, wie Schicksale vom Individuum bis zur Zivilisation von Trauma und Rausch beeinflusst werden können.

Bewertung vom 18.09.2023
Der Besuch der alten Dame
Dürrenmatt, Friedrich

Der Besuch der alten Dame


sehr gut

Auch in diesem Stück spielt Dürrenmatt in komischer Art und Weise mit menschlichen Abgründen und lässt dabei noch vielfältigen Spielraum für Interpretationen an der ein oder anderen Stelle. Ein sehr anregendes Drama.

Bewertung vom 07.09.2023
Farm der Tiere
Orwell, George

Farm der Tiere


ausgezeichnet

Zu diesem Werk gibt es nicht viele Worte zu verlieren. Es handelt sich einfach um eine perfekte Parabel auf den Sowjetkommunismus. Kompakt, leicht verständlich, anschaulich und lebendig erzählt Selbst der Zynismus des menschenverachtenden Systems kommt gut und für jeden verständlich rüber. Ein Buch, um den Wahnsinn des Kommunismus zu heilen. Das Nachwort des Autors zur Causa der Meinungs- und Pressefreiheit wirkt in 2013 nach wie vor erfrischend aktuell und verweist auf die beständige Bedrohung einer liberalen Gesellschaft.

Bewertung vom 31.08.2023
Der merkwürdige Fall von Dr. Jekyll und Mr. Hyde
Stevenson, Robert Louis

Der merkwürdige Fall von Dr. Jekyll und Mr. Hyde


sehr gut

Am Anfang habe ich ein wenig gebraucht, um reinzukommen, aber von da an las sich das insgesamt recht kompakte Werk ganz rund und mit Freude, und das obwohl die allgemeinhin bekannte metaphorische Verwendung des Titels natürlich die Pointe des Hauptplots im gewissen Maße vorwegnimmt. Dabei findet der Autor einen geschickten Weg, nicht nur die Spannung, sondern v.a. auch das Motiv in seiner Mächtigkeit aufzubauen. Zum Grundmotiv ist mir schließlich noch jenes Zitat von Alexander Solschenizyn in den Sinn gekommen, welches man auch als Paraphrase hierzu betrachten und, wie auf S. 83 erwähnt als Grundzug der Menschheit ansehen kann: „Aber der Strich, der das Gute vom Bösen trennt, durchkreuzt das Herz eines jeden Menschen. Und wer mag von seinem Herzen ein Stück vernichten?" - Alexander Solschenizyn (Der Archipel Gulag)

Bewertung vom 21.08.2023
Die Physiker
Dürrenmatt, Friedrich

Die Physiker


ausgezeichnet

Ich habe diesen 1962 als Komödie uraufgeführten Klassiker erst 2023 gelesen und er passt, wie es sich ergibt, perfekt in das aktuelle Zeitgeschehen, da er sich um das Thema Identität dreht und diese auf recht komische Weise mit Pathologien in Verbindung bringt (Schauplatz des Geschehens ist ein Irrenhaus). Da fällt es fast schon schwer, mit Hinblick auf die aktuell in Politik, Kultur und Gesellschaft randalierenden Ideologien und während gerade im Kino Barbie (2023) und Oppenheimer parallel laufen, nicht die ein oder andere Parallele zu erkennen.

Auch davon abgesehen ließt sich der Text leicht und unterhaltsam. Der tragische Plot geht sehr gut auf und die Lektüre ist sehr prägnant ohne überflüssige Nebendialoge, wodurch auch der Umfang kompakt gehalten wird. Da gibt es meines Ermessens nach nichts zu beanstanden.

Die Abscheu so mancher Schüler gegen dieses als Schullektüre beliebte Werk, welches mir seinerzeit entgangen ist, kann ich daher in Anbetracht dessen, dass sie stattdessen auch mit Goethe und Schiller „gequält“ werden könnten nur wenig nachvollziehen.