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odile

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Insgesamt 27 Bewertungen
Bewertung vom 16.11.2024
Break the Cycle
Buque, Dr Mariel

Break the Cycle


sehr gut

Wie wirst du ein Cycle-Breaker?
Ein Podcast über Transgenerationale Traumatisierung weckte mein Interesse am Thema. Auf der Suche nach einer Einführung in Buchform entdeckte ich „Break the Cycle“ von Dr. Mariel Buqué. Zunächst hat das grüne Cover meinen Blick angezogen. Bei genauer Betrachtung entdeckte ich den Kreis aus Blättern in allen Laubfarben – von Frühlingsgrün bis zu herbstlichem Braun. An einer Stelle ist der Kreis durchbrochen … Das ansprechende Cover erklärt damit das Thema des Buches in einem Bild.

Dr. Mariel Buqué, US-Amerikanerin mit dominikanischen Wurzeln, studierte Psychologie an der Columbia Universität, New York. Der Fokus ihrer Arbeit liegt auf der Behandlung generationenübergreifender Traumata. Sie verfolgt dabei einen ganzheitlichen Ansatz, der Geist, Körper und Seele berücksichtigt. Wie es dazu kam, erläutert sie anhand ihrer eigenen Biografie.

Der Ratgeber ist in drei Teile gegliedert. Darin gelingt es der Autorin überzeugend darzulegen, worum es sich bei dem Titel gebenden (Teufels-) Kreis handelt, wie er entsteht und wie er zu durchbrechen ist.

Teil 1: Was du geerbt hast.

Teil 2: Die Schichten des Traumas

Teil 3: Die Transformation deines Erbes

Mir gefällt, dass die Autorin uns nicht nur die Theorie des Themenkomplexes generationsübergreifende Traumata erklärt. Vielmehr hilft sie uns auch, das neue Wissen in unser Leben einzubringen. Dazu dienen Übungen, ein Resümee des Gelernten und vertiefende Fragen an den jeweiligen Kapitelenden. Ein weiteres Hilfsmittel gibt uns Dr. Buqué mit den Klangbad-Meditationen im Anhang.

Angenehm ist der Umgangston der Autorin. Niemals herablassend, kein erhobener Zeigefinger, sondern freundliche Anrede, ohne Anbiederung. Sie macht ihren Lesern Mut, ohne Wunder zu versprechen. Vielmehr verweist sie auf die Beharrlichkeit, Geduld und Arbeit, die eine dauerhafte Transformation voraussetzt.

„Break the cycle“ verbindet in vorbildlicher Weise Information, Erklärung und Methoden zur Selbsthilfe. Das Buch sehe ich als Einstieg ins Thema und eine gute Möglichkeit auszuprobieren, inwiefern es den Leser anspricht.

Wer dagegen ernsthafte Probleme hat, sollte nicht zögern, sich professionelle Hilfe zu holen. Darauf verweist auch Dr. Buqué bereits am Anfang ihres Buches und nennt entsprechende Kontaktmöglichkeiten.

Eine kritische Bemerkung muss noch sein: Die häufige Wiederholung des Wortes „generationsübergreifend“ erschwert das Lesen ungemein. Auf mancher Seite wird der Begriff bis zu siebenmal genannt. Das ist ätzend.

Das Schlusswort überlasse ich Dr. Buqué: „Wir tragen ein generationsübergreifendes Trauma in uns, aber wir tragen auch eine generationsübergreifende Resilienz in uns.“

Bewertung vom 15.11.2024
KillerBells
Waltz, Franziska; Schönhofer, Claus; Peter, Norbert

KillerBells


sehr gut

Wenn Weihnachtsglocken schaurig erklingen

Was für ein perfektes Cover! Selten hat mir ein Buch auf den ersten Blick so gut gefallen, wie „KillerBells“. Dieser Weihnachtsbaum des Grauens verkörpert eine etwas andere Deko für das Fest des Jahres. Dasselbe gilt auch für den Inhalt des Buches: „Weihnachtliche Mordsgeschichten“, so der Untertitel. Klingt vielversprechend.

Drei Autoren hatten beim gemütlichen Kaffeeplausch eine Idee. Schreiben wir doch mal andere Weihnachtsgeschichten als üblich. Gesagt, getan. Jeder steuerte drei Kurzgeschichten bei und das Ergebnis war „KillerBells“. Zugegeben, diese Episode habe ich frei erfunden. Aber so könnte es gewesen sein. Wie gut hat die Zusammenarbeit funktioniert?

Eigentlich bin ich keine große Freundin von Kurzgeschichten. Kaum hat man sich auf einen Schreiber eingelassen, schon kommt der nächste, um es salopp auszudrücken. Die Beschränkung auf drei Autoren für neun Geschichten erweist sich für mich als wohltuender Kompromiss. Einerseits nicht zu viel, aber auch nicht zu wenig Abwechslung. Die drei Schriftsteller unterscheiden sich deutlich. Dem Leser fällt es leicht sie zu identifizieren, so divers sind Stil, Humor und Syntax.

Ob ein zusätzlicher Schneemann oder ein fragwürdiges Geschenk unterm Weihnachtsbaum, die Kurzgeschichten sind originell, abwechslungsreich und nicht allzu blutig. Meine beiden Favoriten, die nicht verraten werden, stammen von zwei verschiedenen Erzählern. Da die Autoren drei echte, also geborene Wiener sind, kann der Leser ganz nebenbei seinen österreichischen Wortschatz erweitern.

Die Protagonisten sind naturgemäß divers. Während ein Autor seine junge Kommissarin gleich in zwei seiner Geschichten auftreten lässt, wechseln ansonsten die Charaktere bezüglich Alter oder Gesellschaftsschicht. Bevorzugt werden Örtlichkeiten, die einen Bezug zum Christfest haben, wie Weihnachtsmärkte oder Winterurlaubsorte. Diese Wechsel sind unterhaltsam und sorgen für anhaltenden Lesespaß. Erfahrenen Krimilesern mag es vielleicht etwas an Spannung mangeln und Fans blutrünstiger Thriller werden nur bedingt auf ihre Kosten kommen. Die weihnachtlichen Mordsgeschichten kommen eher gemächlich daher, was ihren Unterhaltungswert aber nicht schwächt.

Weil er mir wirklich ausgezeichnet gefällt, will ich noch einmal den Christbaum vom Cover erwähnen. Ich wünschte, es gäbe ihn als Weihnachtsposter. Im Buchinneren überraschen weitere gelungene Illustrationen, etwa der Sensenmann als Nikolaus oder ein alternativer Schneemann.

Ich vergebe gute 4 von 5 Sternen und eine Leseempfehlung für alle, die Spaß an etwas anderen Weihnachtsgeschichten haben. Auch als Geschenk unterm Christbaum oder adventliches Mitbringsel kann ich mir „KillerBells“ sehr gut vorstellen.

Bewertung vom 12.11.2024
Die steinerne Krone
Peinkofer, Michael

Die steinerne Krone


ausgezeichnet

Stauferkaiser Friedrich II. - Das Staunen der Welt

Nach seinem Buch „Barbarossa – Im Schatten des Kaisers“ bleibt Michael Peinkofer den Staufern treu. Sein neuester historischer Roman beschäftigt sich mit Rotbarts Enkel, dem legendären Friedrich II.

Die Erzählung beginnt überraschend 1941. Reichsmarschall Hermann Göring schickt einen Professor für mittelalterliche Geschichte nach Sizilien. Dort soll er Relikte aus der Regentschaft des Staufers am Castel del Monte suchen. Der Historiker findet tatsächlich Manuskripte aus dem Mittelalter und übersetzt diese für seinen Aufpasser. Eingebettet in die Suche nach Material für Nazi-Propaganda, erzählt der Autor die Lebensgeschichte des letzten Stauferkaisers.

Wir schreiben das Jahr 1212. Der junge Friedrich befindet sich auf seinem Zug gen Norden. In der feindlich gesonnenen Lombardei werden der Staufer und seine Begleiter von gegnerischen Soldaten aus Mailand und Lodi überfallen, um den unliebsamen Thronbewerber auszuschalten. Michael Peinkofer schildert uns von diesem Ereignis ausgehend die Lebenschronik des letzten Stauferkaisers so anschaulich und lebendig, dass es dem Leser leicht fällt, in die Erzählung einzutauchen. Dem Autor gelingt es, die beiden Zeitebenen so geschickt zu verknüpfen, dass die Übergänge den Lesefluss nicht behindern. Aus der Perspektive eines geheimnisvollen Erzählers zu berichten, trägt zur Spannung bei.

Zunächst lernen wir den erst 17-jährigen Friedrich kennen. Er fühlt sich dem Vermächtnis der berühmten Vorfahren zeitlebens verpflichtet. Seinem Großvater, dem legendären Barbarossa, gelang die Vereinigung des Normannenreichs mit dem staufischen Imperium. Sein Enkel ist klug, mutig und fähig, anderen zuzuhören. So seinem Ratgeber und väterlichen Freund Berard von Castacca, Erzbischof von Bari, der ihm jahrzehntelang zur Seite steht. Ein weiterer Protagonist ist Parceval Doria, genuesischer Ritter und Dichter, im gleichen Alter wie Friedrich, der ihm ein oft ungestümer, aber wahrer Freund ist. In Deutschland kommt ein weiterer, vielleicht der wichtigste Berater des zukünftigen Kaisers, Hermann von Salza, 4. Hochmeister des Deutschordens, hinzu. Ihm gelingt es wiederholt im Dauerstreit zwischen Kurie und Kaiser zu vermitteln.
Auf der anderen Zeitebene treffen wir nur zwei Protagonisten. Geschichtsprofessor Josef Gruber, ein Kriegsveteran des Ersten Weltkriegs, desillusioniert und sarkastisch und seinen Aufpasser, den schneidigen Oberleutnant Günther Hoffmann. Mich überzeugen die Charaktere auf beiden Zeitebenen.

Michael Peinkofers lebendigen Schreibstil kenne und schätze ich vom Barbarossaband und mehreren Fantasybüchern. Er schreibt sehr anschaulich und lebendig. Geschickt verknüpft er Fakten und Fiktives. Im Nachwort erfährt der Leser, was historisch belegt und was Dichtung ist. Beeindruckt hat mich Peinkofers Aussage, dass Friedrichs andauernder Streit mit der Kurie, zur ersten großen Propagandaschlacht der Geschichte führte. Seine Argumente überzeugen, ebenso der Bezug zur gegenwärtigen politischen Lage.

Naturgemäß bleiben bei einem historischen Roman einige Fragen offen. So sind aus Friedrichs Kindheit und Jugend viele Legenden, die schon seine Geburt begleiten, aber wenig Fakten bekannt. Ob er den oft zitierten "Waisenkinderversuch" jemals durchführen ließ, ist umstritten, da der einzige Chronist, Salimbene von Parma, ein politischer Gegner des Kaisers war. Der in Ungnade gefallene Petrus von Vinea, war er wirklich ein Verräter? Anscheinend war seine Beteiligung am Anschlag auf Friedrich nicht eindeutig beweisbar. Es besteht auch die Möglichkeit, dass er diskreditiert werden sollte.

Mein Fazit:

Für das Geschlecht der Staufer interessiere ich mich schon lange. So kann ich eine Reise zur „Straße der Staufer“ nur empfehlen, vom Wäscherschloss bis zum Kloster Lorch. Mir hat es sehr gefallen bereits den zweiten spannenden Band zu „meinem Thema“ aus Peinkofers Feder zu lesen.
Spannend war zu verfolgen, wie der erst aufgeschlossene, weltoffene, tolerante Taktiker, der eine neue Ordnung schaffen will, mit zunehmendem Alter allmählich seinen Instinkt und sein Verhandlungsgeschick verliert und vermehrt zur Gewalt greift. Bedenkt man, wie sehr sich Friedrich II. seinem Erbe verpflichtet fühlte und was er dessen Erhalt alles opferte, ist es desillusionierend zu erfahren, dass sein Geschlecht nur 18 Jahre nach seinem Tod in direkter Linie endete. Michael Peinkofer hat erneut einen überzeugenden historischen Roman geschrieben, den zu lesen, ich jedem Geschichtsinteressierten nachdrücklich empfehle.

Die Rahmenhandlung finde ich so gut gelungen, dass ich dem Buchcharakter Professor Gruber das hervorragend passende Schlusswort überlasse:

„Wann wohl, so fragte er sich, würde der Mensch damit aufhören, Erze aus dem Boden zu graben und daraus Waffen zu schmieden? Reiche zu erobern, die doch wieder vergingen? Ströme von Blut zu vergießen, um Macht zu behaupten, die so flüchtig und vergänglich war wie die menschliche Natur selbst?“

Bewertung vom 12.11.2024
Verdorbene Saat (Thriller)
Schwarz, Gunnar

Verdorbene Saat (Thriller)


ausgezeichnet

Ich werde nie mehr eine Herbstzeitlose betrachten, ohne Gänsehaut zu bekommen

Köln wird von einer Mordserie erschüttert. Wer ist der grausame Serienkiller, der Frauen lebendig begräbt?

Ein Bernhardiner buddelt die Leiche seines Frauchens im Garten ihres Hauses aus. Offensichtlich wird so das Opfer früher entdeckt als vom Täter geplant. Kriminalhauptkommissarin Katharina, Kat, Winkler übernimmt den Fall. Zur Unterstützung wird ihr Sebastian Fischer, genannt „das Uhrwerk“ zugeteilt. Dieser vermeidet seit Jahren konsequent jeden Außeneinsatz, da er sich die Schuld an der tödlich misslungenen Deeskalation eines Banküberfalls gibt. Die beiden Kriminalbeamten arbeiten nach einem holprigen Start unerwartet gut zusammen. Das erweist sich als Glücksfall, denn der Mörder ist noch lange nicht fertig und schreckt auch vor Anschlägen auf die Polizei nicht zurück. Sein nächstes Opfer hat er längst gefunden.

„Verdorbene Saat“ ist mein erstes Buch vom Thriller-Autor Gunnar Schwarz. Das schaurig-schöne Cover hat meine Aufmerksamkeit erregt und auch der Titel machte mich neugierig.

Kat Winkler war mir von Beginn an sympathisch. Eine ziemlich unkonventionelle Kommissarin mit tadelloser Einstellung zu ihrer fordernden Arbeit. Ihre kleinen Eigenheiten, sie zeichnet detaillierte Skizzen zu jedem Fall und pflegt ein geordnetes Chaos in ihrem Büro, machen sie nur noch authentischer. Ihr Gegenpart Sebastian Fischer ist dagegen perfekt durchorganisiert und ein Muster an Effektivität. Die beiden Ermittler sind sehr verschieden, teilen sich aber ihre vorbildliche Einstellung zur Arbeit. Es ist spannend zu beobachten, wie sie sich allmählich zusammenraufen und gerade aufgrund ihrer Eigenheiten zum perfekten Team reifen. Der Täter ist naturgemäß sehr speziell. Narzisstisch, überheblich, arrogant, intelligent, eiskalt, frei von Empathie, dazu sehr gerissen. Auch die Nebencharaktere wirken glaubwürdig.

Ich bin schnell in die Geschichte hineingekommen. Die kurzen Kapitel und der klare, fast nüchterne Schreibstil sorgen für ein gutes Tempo. Der Spannungsbogen passt und hält, dank zahlreicher Wendungen und Verwicklungen. Es hat mir gut gefallen, die akribische Ermittlungsarbeit Kats und ihres Teams zu beobachten. So war die Vorgehensweise der Kripo immer nachvollziehbar. Der Autor beschreibt die Innenwelt des Serienkillers unheimlich gut. Die Einblicke in seine Gedanken waren, naturgemäß, verstörend. Mit seinen bizarren Ritualen sorgte der Mörder für Gänsehaut bei mir. Die Kapitel aus seiner Perspektive erhöhen die Spannung und sorgen für zusätzlichen Grusel.

Die Ausführungen der Wissenschaftlerin im Botanischen Institut rund um die Herbstzeitlose fand ich sehr aufschlussreich und informativ. Hier wird die gründliche Recherche des Autors gut spürbar. Besonders stimmig fand ich die einfühlsame Beschreibung des verstörenden Trauerverhaltens vom Ehemann des ersten aufgefundenen Opfers.

„Verdorbene Saat“ hat mich sehr gut unterhalten. Ich konnte das Buch fast nicht aus der Hand legen, weil ich unbedingt wissen wollte, wie es weitergeht. Das hat mich selbst verblüfft, da ich eigentlich Krimis bevorzuge, weil mir Thriller oft zu grausam sind. Im vorliegenden Fall überwog aber meine Neugier das Grauen. Dem Autor ist es gelungen, mich derart zu fesseln, dass ich mit den brutalen Szenen und Gewalttaten gut zurechtgekommen bin. Dazu beigetragen hat das sympathische Ermittlerduo, das den Fall der Herbstzeitlosen-Mordserie zu meiner vollen Zufriedenheit löst. Lediglich zum Täter hätte ich noch ein, zwei offene Fragen.

Ich vergebe 4,5 von 5 Sternen und eine Leseempfehlung an alle, die spannende Thriller schätzen.

Bewertung vom 10.11.2024
Gefährliche Betrachtungen
Eckardt, Tilo

Gefährliche Betrachtungen


ausgezeichnet

Thomas Mann war verdammt cool. Bis auf die Strumpfhalter ...

Der junge Übersetzer Žydrūnas Miuleris hat einen Traum. Er möchte die „Buddenbrooks“, Thomas Manns preisgekrönten Gesellschaftsroman, in die litauische Sprache übersetzen. Dank zäher Beharrlichkeit kann er einen glücklichen Zufall nutzen und sein Idol kennenlernen. Ungewollt bringt Miuleris den Dichter jedoch in große Gefahr.

1930. Es herrschen unruhige Zeiten. In Deutschland droht der Zusammenbruch der Weimarer Republik und das braune Schreckgespenst erhebt bereits sein Haupt. Selbst hier an Thomas Manns Zufluchtsort Nidden führen die jungen Männer Wehrübungen durch und verwenden den Hitlergruß. In dieser Situation begegnen sich der Literaturnobelpreisträger und der junge litauische Übersetzer. Aufgerüttelt durch die jüngsten Ereignisse, hat sich Thomas Mann entschlossen, die deutsche Bevölkerung vor der Bedrohung durch die Nationalsozialisten zu warnen. Durch einen Zufall erhält Miuleris Kenntnis davon und fertigt eine Abschrift des Redeentwurfs an. Während einer Wirtshausschlägerei kommt ihm die Kopie abhanden und er muss Thomas Mann seine gefährliche Unbesonnenheit eingestehen. Notgedrungen beschließen die beiden Männer, den Dieb zu entlarven und den brisanten Text zu sichern.

„Gefährliche Begegnungen“ ist mein erstes Buch des Autors Tilo Eckardt. Das Cover trug zur Entscheidung für das Buch bei. Ein Mann im Anzug, mit Hut und Stock, Thomas Mann, steht an einem verlassenen Strand und blickt hinaus aufs Meer. Was sieht er? Ausschlaggebend war aber der Plot, mit dem hatte der Autor mich sofort in der Tasche. Thomas Mann auf den Spuren Sherlock Holmes? Das konnte ich mir nicht entgehen lassen.

Tilo Eckardt verleiht seinen Haupt- und Nebencharakteren Individualität und Glaubwürdigkeit. Der junge Übersetzer Žydrūnas, der beharrlich sein Ziel verfolgt und mit seiner Unbesonnenheit das Team Mann/Miuleris bzw. Müller in manche groteske Situation bringt, der erfolgreiche, komplizierte Schriftsteller, der sich Gesichter aber keine Namen merken kann und aus Miuleris kurzerhand Müller macht, die tatkräftige, patente Pensionswirtin Frau Bryl, die dem naiven Miuleris mehr als einmal hilft, der knorrige Fischer und Kutscher Pinkis, die illustre Trinkgemeinschaft im Gasthof Blode um Ernst Mollenhauer und Max Pechstein. Nicht zu vergessen Ludvik, den riesigen Kaukasischen Owtscharka, dessen Namen sich Thomas Mann durchaus merken kann, wie Miuleris angesäuert mitteilt.

Tilo Eckardt passt seinen Schreibstil der Sprache der 1930er Jahre an, was die Erzählung noch authentischer wirken lässt. Ihm gelingt es, die Atmosphäre jener Zeit wieder aufleben zu lassen und mit dem Leser in die Vergangenheit zu reisen. Mit seiner bildhaften Sprache beschreibt er die beeindruckende Landschaft der Kurischen Nehrung, die eine Hauptrolle in der Geschichte übernimmt. Seine Naturbeobachtungen kann der Autor wirklich gut in Sprache übersetzen, allerdings war es mir manchmal ein bisschen viel Landschaft. An Humor mangelt es ihm auch nicht, was der Titel meiner Rezension beweist. So beschreibt Miuleris sein Idol beim ersten Zusammentreffen am Strand.

Die Idee, die Geschichte aus der Sicht des über Hundertjährigen Miuleris zu erzählen, erweist sich als sehr gelungen. Augenzwinkernd merkt dieser an, dass er keine nachweisbare Spur im Leben Thomas Manns hinterlassen habe. Es bleibt dem Leser überlassen, zu entscheiden, was Fiktion und was Fakt ist. Die Rede, deren gestohlenes Manuskript den Ausgangspunkt des Kriminalfalls darstellt, hat Thomas Mann tatsächlich gehalten am 17. Oktober 1930 in Berlin. Sein Sommerhaus auf der Kurischen Nehrung dient heute als litauisch-deutsches Kulturzentrum. Im lesenswerten Nachwort gibt der Autor Auskunft darüber, was historisch belegt ist und was fiktiv. Leider entspricht das Schlusswort, das er Thomas Mann überlässt, damals wie heute der Wahrheit.

Mein Fazit:

Tilo Eckardt hat mit „Gefährliche Betrachtungen“ einen Roman geschrieben, dessen Plot mich sofort angesprochen und meine Erwartungen voll erfüllt hat. Die Erzählung ist mehr eine Hommage an Thomas Mann als ein spannender Krimi, Trotzdem hat das Detektivteam Mann & Müller durchaus Potenzial. Gut gefallen haben mir auch die Einblicke in die Denkweise eines Übersetzers. In seinen Rückblicken deutet Miuleris wiederholt an, dass es noch mehr zu erzählen gebe, bspw. angesichts der rauchenden Ruinen von Frau Bryls Villa Bernstein. Auf diese Fortsetzung, die der Autor gerade schreibt, bin ich schon sehr gespannt.


Ich vergebe 4,5 von 5 Sternen und eine Leseempfehlung an alle, die eine Erzählung mit gemächlichem Tempo genießen können.

Bewertung vom 05.11.2024
Das Echo der Zukunft
Burkhardt, Martin S.

Das Echo der Zukunft


ausgezeichnet

Was wäre, wenn ...

Der erfolgsverwöhnte Workaholic Lars hat Probleme. Zwar leidet er schon seit Jahren an einer Lebensmittelallergie, aber noch nie hat ihn diese derart geschwächt. Mittlerweile wirkt sich seine schlechte körperliche Verfassung aufs Geschäft aus und lukrative Kunden drohen abzuspringen. In dieser Notsituation kommt der Besuch seines alten Freundes Carl sehr gelegen. Und richtig, dieser hat eine Lösung. Doch dafür muss Lars über seinen Schatten springen.

Was wäre, wenn jeder von uns einen Doppelgänger hätte? In Martin S. Burkhardts Buch wird diese fantastische Vorstellung Realität. Dort existiert eine Parallelwelt. Nur in zwei Punkten unterscheidet sich diese von unserer. Jeder Doppelgänger hat einen gegensätzlichen Charakter und die Parallelwelt liegt mehrere Stunden in der Zukunft. Lars reagiert mit ungläubigem Kopfschütteln auf Carls Geheimnis. Trotz großer Zweifel lässt er sich von seinem Freund zu einer Stippvisite in die fremde Welt überreden. Und tatsächlich, der Übergang klappt problemlos. Lars verschafft sich dort die aktuellen Aktienkurse und kann mit diesem Insiderwissen in unserer Welt beachtliche Gewinne einfahren und seine Finanzagentur retten. Zunächst geht er, wie von Carl angemahnt, sehr vorsichtig mit seinem neuen Wissen um. Doch seine angeschlagene Gesundheit macht ihm weiterhin Probleme und das Verhältnis zu seiner Frau Sophie kühlt immer mehr ab. Aufgrund eines langsam wachsenden Verdachts setzt er einen Privatdetektiv auf sie an. Dessen Beobachtungen lösen eine Kette dramatischer Ereignisse aus.

Dies ist mein zweites Buch des Autors Martin S. Burkhardt. Sein Werk „Seelentausch“ hat mir Gänsehaut beschert und mich mit seinem Mix aus Grusel, Mystik und alten Geheimnissen gefesselt. Das neue Buch hat ein eher esoterisches Thema und ich war schon sehr gespannt, wie der Autor damit umgeht.

Ich wurde angenehm überrascht. „Das Echo der Zukunft“ basiert auf einem fantastischen Plot, der mich sofort gepackt hat. Martin S. Burkhardt hat eine spannende Geschichte geschrieben, die bald nicht mehr so unglaublich wirkt, wenn der Lesende sich darauf einlassen kann. Der klare, eher nüchterne Schreibstil unterstützt diesen Eindruck. Die relativ kurzen Kapitel halten die Spannung hoch und der Autor hält das schnelle Tempo bis zum Ende.

Der Hauptcharakter Lars war mir von Beginn an sympathisch. Schnell lernen wir ihn und seine Gedankenwelt kennen. Zwischenzeitlich kam er mir ein bisschen naiv bezüglich seiner Frau vor, aber das macht ihn nur authentischer. Auch seinen riskanten Plan, mit dem er sein Glück retten will, konnte ich gut nachvollziehen. Mit Carl hat er einen richtig guten Freund an seiner Seite, um den er zu beneiden ist. Die beiden haben mehr gemeinsam als Lars denkt. Genau deshalb kann Carl seinen Freund vor einem fatalen Fehler bewahren. Aus Sophie werde ich dagegen nicht richtig schlau. Wir erfahren zwar ihre Beweggründe, aber nicht, wie es dazu gekommen ist, dass sie derart kaltblütig grausam ist.

Das Cover passt ausgezeichnet zum Roman. Das Porträt einer hübschen Frau schwebt über dem Boden eines Pools. Dort, so erfahren wir bald, befindet sich der Übergang zur Parallelwelt.

Mit „Echo der Zukunft“ ist Martin S. Burkhardt ein spannender Fantasy-Thriller gelungen. Ich schätze neue Plots und dieser hat mich fasziniert. Manche Szenen sind brutal, aber nicht übertrieben gewalttätig. Die Geschichte endet anders als ich dachte. Der Schluss ist trotzdem nachvollziehbar und hat mich nicht enttäuscht. Besonders gefällt mir, dass der Autor mit seinem Plot reizvolle Gedankenspiele auslöst. Was wäre in solch einer Parallelwelt alles möglich? Würde ich die Möglichkeit nutzen, dorthin zu reisen? Um was zu tun? Gern hätte ich mehr über Carl erfahren. Wer war sein Mentor, wie hat er die Parallelwelt entdeckt und besucht er diese noch aus eigennützigen Gründen?

Ich vergebe 4,5 von 5 möglichen Sternen und eine klare Leseempfehlung für alle, die genug Fantasie haben, sich auf den fantastischen Plot einzulassen.

Bewertung vom 04.11.2024
Umlaufaufzug
Jansen, Reiner

Umlaufaufzug


ausgezeichnet

Weiterfahrt möglich

Schon als Kind war ich fasziniert von Umlaufaufzügen, auch Paternoster genannt. Da ich in einer Kleinstadt aufwuchs, kannte ich sie zunächst nur aus Film und Fernsehen. Mittlerweile sind sie nahezu verschwunden. Wen wundert es da, dass mich schon Titel und Cover von Reiner Jansens neuem Buch sofort in ihren Bann schlugen? Da wusste ich noch nicht, worauf ich mich eingelassen habe. Ein Pseudothriller, was soll das sein? Immer geneigt, Bildungslücken zu schließen, machte ich mich an die Lektüre.

Torsten Todenhöfer ist gestresst. Erst lehnt Verleger Dressler sein neues Manuskript rundweg ab. Dann nötigt er ihm noch das Versprechen ab, seine Mörderbiografie in etwas Heiteres zu verwandeln. Ein Ding der Unmöglichkeit für Todenhöfer, der glaubt, dass ein Schriftsteller niemals seinen Stil ändern kann. Frustriert hüpft er in den eigentlich stillgelegten Paternoster des Verlags. Nach dieser Fahrt ist nichts mehr, wie zuvor.

Umlaufzug ist mein erstes Buch vom Autor Reiner Jansen, der offensichtlich meine Faszination für Paternoster teilt. Darauf verweist auch die schöne Gestaltung des Covers mit dem Aufzug im Hintergrund und die beiden stilisierten Paternosterkabinen an jedem Kapitelanfang

Der Umlaufaufzug dient als zentrales Element des Buches. Die Frage stellt sich, was macht dieses archaische Beförderungsmittel mit seinen Nutzern? Es ist faszinierend, wie der Aufzug Torstens Fantasie beflügelt. Der Paternoster als Guillotine oder U-Boot? Darauf muss man erst mal kommen. Zwischendurch bekommen wir Einblicke in die Gedankenwelt eines Auftragskillers, wenn auch eines fiktiven. So verwundert es nicht wirklich, dass sich die Leichen in Torstens Umgebung plötzlich häufen. Aber halt, Anton ist doch nur ein Buchcharakter? Für die Polizei gilt Todenhöfer als Hauptverdächtiger. Ist Torsten schizophren, verfügt er über eine dissoziative Identitätsstörung oder wer steckt hinter den Morden?

Die Charaktere sind dem Autor gut gelungen. Die Hauptfigur Torsten verkörpert eine spannende Mischung aus Unsicherheit und Selbstüberschätzung. Kommissar Konrad, dessen Gesichtsnarben eine Rolle spielen, beweist viel Standvermögen, da er den Irrgarten im Keller nicht nur überlebt, sondern auch seinen Verstand behält. Seine Untergebene, Waltraud, ist eine Sympathieträgerin, deren Selbstmordversuch glücklicherweise scheitert. Sie scheint das Rätsel des Paternosters zu lösen und für sich nutzen zu können. Allen Protagonisten gemeinsam ist ihre Einsamkeit, was auch Psychiater Schlegel mit einschließt. Das Thema Krankheiten, wie Tourette-Syndrom, Lipödem, Demenz oder Autismus prägt oder betrifft fast jeden der Protagonisten.

Jensens eher nüchterner Schreibstil, garniert mit Witz und Raffinesse, gefällt mir gut. Erst kritisiert er Fehler seiner schreibenden Kollegen, um umgehend den gleichen Fauxpas anzubringen. Die kurzen Kapitel und die häufigen Perspektivenwechsel sorgen für anhaltende Spannung.

Eigentlich bin ich eher eine Schnellleserin. Bei diesem Buch habe ich es vorgezogen, nur kleinere Happen auf einmal zu lesen. Dann pausierte ich bewusst und wertete mein Kopfkino aus. Anders hätte ich diesen eigenwilligen Mix aus Krimi, Kritik am Verlagswesen, Verunglimpfung von Bestsellerautoren, fantastischen Elementen und philosophischen Betrachtungen nicht richtig genießen können.

„Umlaufaufzug“ hat mich gut unterhalten. Rückblickend war es richtig, sich einfach auf dieses Buch einzulassen, ohne Erwartungen und Vorbehalte. Bis auf ein paar Längen im Untergrund und den ein oder anderen mir etwas zu drastischen Seitenhieb auf Kollegen, habe ich nichts zu kritisieren. Vergesst auf keinen Fall die Outtakes am Ende des Buches. Unbedingt lesenswert! Übrigens, ich werde auch weiterhin Paternoster nutzen, wann immer sich mir die Möglichkeit bietet. Allerdings nicht ganz so exzessiv wie Waltraud.

Ich vergebe 4,5 von 5 Sternen und eine Leseempfehlung für alle, die um die Ecke denken und sich auf Unkonventionelles einlassen können.

Bewertung vom 20.10.2024
Mord im Himmelreich
Winkelmann, Andreas

Mord im Himmelreich


ausgezeichnet

Suspekt, äußerst suspekt ...

... findet Björn Kupernikus den Tod eines unbekannten Stand-up-Paddlers im Templiner See. An einen Unfall, wie die Polizei, mag er nicht glauben. Und so fängt alles an:

Seinen Campingurlaub im "Himmelreich" hat sich Björn Kupernikus anders vorgestellt. Gleich an seinem ersten Ferientag rettet er noch vor dem Frühstück einen kleinen Hund, findet eine Leiche und lernt die charmante Künstlerin Annabelle kennen. Eine Vernehmung durch den überforderten Ermittler Edgar Fass schließt diese turbulenten Stunden ab. Da Kupernikus schon immer mal als „Tatort“- Kommissar ermitteln wollte, ist seine kriminalistische Neugier geweckt. Als die polizeilichen Ermittlungen stagnieren, beschließen er und seine neue Freundin die Kriminalbeamten zu unterstützen. Werden sie den Killer entlarven?

Bestsellerautor Andreas Winkelmann wagt sich nach zahlreichen spannenden Thrillern zum ersten Mal ins Cosy-Crime-Genre. Als begeisterte Leserin seiner Bücher, war ich gespannt, wie sich der Autor auf dem neuen Terrain schlägt.

Björn Kupernikus, ein ehemaliger Schauspieler spezialisiert auf Nebenrollen, kommt mit seinem betagten Wohnmobil Otto auf den Campingplatz Himmelreich. Obwohl er Zweifel an seiner Kondition hegt, eilt er Annabelle sofort zu Hilfe, um den kleinen Hund mitten auf dem See zu retten. Auch sonst hat er das Herz am rechten Fleck, liebt guten Kaffee und genießt sein Leben. In der Künstlerin Annabelle findet er eine gute Freundin, die unkonventionell ist und erstaunliche Dinge weiß. Zusammen ergeben sie ein ziemlich taffes Ermittlerteam, das die kleine Hündin Pinguin komplettiert.

Der Mikrokosmos Campingplatz spielt in diesem Krimi eine wichtige Rolle. Ob Platzkönig Kolki, Eigner Roger Gross samt altklugem Töchterchen Henriette oder der vielseitig begabte Thiago, sie alle tragen zur speziellen Atmosphäre dieses Ortes bei. Der Autor hat seine Charaktere auch in den Nebenrollen individuell ausgestattet, egal ob sie Dialekt sprechen, Latzhosen tragen oder eine Bürgerwehr befehligen. Ich hatte schnell das Gefühl, jeden einzelnen zu kennen und fühlte mich im Himmelreich rasch heimisch. Dabei bin ich gar keine Camperin. „Mord im Himmelreich“ entpuppt sich als unterhaltsamer Wohlfühlkrimi, wofür der leise Humor und die anschauliche Sprache des Autors sorgen. Während des Lesens musste ich oft schmunzeln, wozu unter anderem die„David-Hasselhoff-Gedenkbadehose“, (rot), beitrug. Trotzdem wird der Krimi an keiner Stelle seicht oder albern. Auch die Spannung wird nicht vernachlässigt. Dazu tragen die Kapitel aus der Sicht des „Beobachters“ entscheidend bei und einige überraschende Wendungen. Bis zuletzt wusste ich nicht, wer den Paddler ermordet hat. Auch das von mir vermutete Motiv erwies sich nur als mittelbar zutreffend.

Jetzt bin ich sehr gespannt, wie es mit Kaffee-Sommelier Björn, Künstlerfreundin Annabelle und der kleinen Pinguin weitergeht. Der Autor verrät erfreulicherweise im Nachwort, dass er bereits am zweiten Fall des Himmelreichteams schreibt. Dieses Mal müssen wir uns um den Bäckermeister sorgen.

Mein Fazit: Yes, he can! Andreas Winkelmann kann auch Cosy Crime. Ich wurde bestens unterhalten. Für mich als Leser war jederzeit spürbar, dass dieses Buch sorgfältig recherchiert und mit Liebe zum Detail geschrieben wurde. Die leckeren Rezepte am Buchende, das bunte, fröhliche Cover und der Auftritt realer Personen runden das Gesamtwerk ab. „Mord im Himmelreich“ erhält von mir 5 von 5 möglichen Sternen. Für Freunde des Genres ein absolutes Muss!

1 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 17.10.2024
Die Goldene Schreibmaschine
Henn, Carsten Sebastian

Die Goldene Schreibmaschine


ausgezeichnet

Es gibt keine zwei gleichen Regenbögen

Emily ist ein sympathisches, fantasiebegabtes Mädchen, das Bücher und Tiere liebt. Sie wohnt bei ihren Großeltern, da ihre Eltern in Dubai arbeiten. Obwohl sie Oma Rose und Martin, ihren Glücksgroßvater, sehr liebt, vermisst Emily ihre Eltern schmerzlich. Wenn die Sehnsucht zu groß wird, flüchtet sie an ihren Lieblingsort, die Anna-Amalia-Bibliothek. Eines Tages entdeckt sie dort den goldenen Schlüssel zu einer geheimen Bibliothek.

Mit diesem geheimnisvollen Fund beginnt ein magisches Abenteuer für Emily. Nach und nach erfasst sie die Macht, die ihr die Goldene Schreibmaschine, das Herzstück der Geheimbibliothek, verleiht. Wenn sie neue Textpassagen auf dem magischen Gerät anfertigt und damit Buchseiten ersetzt, verändert sie die Bücher und letztlich die Welt und auch sich selbst. Zunächst agiert sie vorsichtig, wird dann aber immer forscher. Sie erschafft sich glamouröse Freundschaften und neue Karrieren für ihre Eltern, die dadurch nicht auswandern müssen. Aber ihr Handeln hat auch negative Folgen. Oma Rose verliert ihren geliebten Job in der Bibliothek und Emily vernachlässigt ihre treuen Freunden Charly und Frederick sträflich. Obwohl sie bemerkt, dass ihr sadistischer Lehrer Dr. Dresskau der Geheimbibliothek auf der Spur ist, verliert sie den goldenen Schlüssel an ihn. Dresskau kennt Emilys Skrupel nicht. Er erschafft sich eine sagenhafte Karriere, macht sich zum Fürsten und befehligt eine paramilitärische Miliz, mit der er seine Mitmenschen schikaniert. Seine Traumfrau, Emilys Mutter, wird zu seiner Trophäe, die ihre Tochter jetzt mit Dresskaus Augen sieht. Emilys Unbehagen wächst ständig, doch die Geheimbibliothek wird so scharf bewacht wie Fort Knox. Gibt es noch eine Rettung vor Dresskaus Willkürherrschaft?

Carsten Henn hat wieder eine fantastische Geschichte geschrieben, die uns in ein spannendes Abenteuer entführt. Mühelos gelingt es ihm, eine wundervolle Welt zu erschaffen, in die er seine Lesenden hineinzieht. Mit seiner farbigen, bildhaften Sprache verbindet er Realität und Magie vortrefflich und verleiht seinen Charakteren Individualität. So findet Emily in ihrem ausgeprägten Ordnungssinn Halt, obwohl sie für ihre Eigenart gemobbt wird. Opa Martin leidet an beginnender Demenz, gleichzeitig ist er der Einzige, der spürt, dass die Welt aus den Fugen gerät. Überhaupt finde ich die Hauptcharaktere bis auf eine Ausnahme sehr gelungen. Den Bösewicht, den die Geschichte benötigt, finde ich zu eindimensional gezeichnet. Emily, aber auch die anderen Kinder sind der Willkür und den Launen Dresskaus von Beginn an wehrlos ausgesetzt. Niemand beschützt sie vor seinen Grausamkeiten, schon bevor er die Macht der Goldenen Schreibmaschine beherrscht. Andrerseits empfindet der Leser keinerlei Mitleid für ihn, obwohl er eine abscheuliche Kindheit und Jugend hatte.

Henn greift wichtige Themen auf wie Macht und ihr Missbrauch, das wahre Wesen von Freundschaft, die Konsequenzen, die unsere Taten nach sich ziehen und die Verantwortung, die wir dafür haben. Diese Pfeiler unseres sozialen Lebens bindet er so geschickt in seine Geschichte ein, dass die Folgen richtigen oder falschen Handelns an Emilys und Dresskaus Beispiel gut erklärt werden. Letztlich ergibt sich daraus auch die Lösung für Emilys Wunsch, ihre Welt zu retten.

Das zauberhafte Cover hat mich sofort angezogen. Es wirkt märchenhaft und stimmt gut auf die Geschichte ein. Jedes Kapitel beginnt mit dem Bild einer altmodischen Schreibmaschine mit eingespanntem Papierbogen.

Ich habe mich gern vom Autor in diese so reale und gleichzeitig so magische Welt entführen lassen. Hoffentlich folgen noch viele fantastische Erzählungen, die Junge und Junggebliebene bezaubern. Ich vergebe 4,5 von 5 Sternen.

Bewertung vom 17.10.2024
Broken Crystal
Miller, Tobias

Broken Crystal


sehr gut

Der Zweck heiligt die Mittel - oder doch nicht?
Die junge Milliardärstochter Crystal McCray hat sich den Umweltaktivisten von Eternal Earth angeschlossen. Als sich diese Bewegung zunehmend radikalisiert, beauftragen die besorgten Eltern mithilfe des FBI einen erfahrenen Söldner. Er soll die Gruppe infiltrieren und Crystal zurück zu ihrer Familie bringen. Was sich nach Routinearbeit anhört, geht spektakulär schief. So landet der Legionär, nennen wir ihn John Doe, ganz oben auf der Abschussliste des FBI.

Das Thema Klimaschutz hat in den letzten Jahren immer mehr die Aufmerksamkeit erhalten, die dringend angebracht ist. Zunehmend stellen sich engagierte Aktivisten die Frage, was sie noch tun können, um die Katastrophe zu verhindern. Tobias Miller wählte dieses Thema für seinen neuen Thriller. Die Eternal Earth-Group wird im Lauf der Geschichte immer militanter und schreckt schließlich auch vor Gewalt gegen Menschen nicht zurück. John Doe versucht, die Dynamik und Struktur der Gruppierung zu verstehen. Wer hat das Sagen? Ist Crystal tatsächlich nur das naive Groupie, wie ihre Eltern glauben? Welche Rolle spielt
das Kokain, das die Gruppe regelmäßig konsumiert? Das FBI nimmt seine Warnungen nicht richtig ernst, sondern rangelt lieber um Kompetenzen und Budgets. John Doe sieht keine Chance, Crystal zu überzeugen, sich von der Gruppe zu lösen und heimzukehren. Also versucht er die Lage zu deeskalieren und findet sich schließlich inmitten toter Aktivisten wieder. Ist Operation Crystal gescheitert?

Die Story beginnt rasant und hat mich sofort in ihren Bann gezogen. Tobias Miller versteht es glänzend, Spannung aufzubauen und seine Leser zu fesseln. Der Hauptcharakter kommt sehr authentisch bei mir an. Deshalb interessiert es mich tatsächlich, ob er seine Haut retten kann und seine Mission klappt. Das Thema Ökoterrorismus finde ich sehr aktuell und ein für mich spannender Plot. Millers Schreibstil gefällt mir. Er ist prägnant, hat Witz und kommt gleich zur Sache. Das übersichtliche, aber doch raffinierte Cover vervollständigt meinen guten Eindruck. Leider sind die Nebencharaktere eindimensionaler gezeichnet als die Hauptfigur und es gibt einige Längen im Mittelteil. Dafür entschädigt das tatsächliche Ende der Geschichte, das mir sehr gut gefallen hat.

Broken Crystal war mein erstes, aber nicht mein letztes Buch von Tobias Miller. Ich bin schon gespannt auf seinen nächsten Thriller.