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Benutzername: 
violettera
Wohnort: 
Stuttgart

Bewertungen

Insgesamt 35 Bewertungen
Bewertung vom 03.03.2024
Einfach gärtnern! Naturnah und nachhaltig
Mager, Horst

Einfach gärtnern! Naturnah und nachhaltig


ausgezeichnet

Gärtnern mit der Natur
Horst Mager, seit Kindesbeinen leidenschaftlicher Gärtner, inzwischen mit viel Medienerfahrung, schreibt ebenso kompetent wie unterhaltsam darüber, wie Gartengestaltung und -pflege gelingt, wenn man mit der Natur gärtnert und nicht gegen sie. Der Standort bestimmt, was in einem Garten wachsen und dauerhaft gedeihen kann. Beherzigt man diesen Grundsatz, lassen sich gärtnerische Misserfolge meist vermeiden, und der Aufwand des Gärtners verringert sich. Horst Mager erläutert diese Erfahrung sehr anschaulich, beschreibt auch die Geduld, die beim Gärtnern zunächst abverlangt wird, um die Standortgegebenheiten kennenzulernen. Mit diesem Buch legt er ein sehr nützliches Kompendium vor, in dem wir zu vielen Fragen naturnahen Gärtnerns Antworten finden, so knapp wie möglich und so ausführlich wie nötig. Er stellt pflegeleichte Pflanzen für die verschiedensten Standorte vor, erläutert die naturnahe Bodenbearbeitung und die richtige Bewässerung, schreibt über Tiere im Garten und die Bekämpfung von Pflanzenkrankheiten. Ein aus meiner Sicht rundum gelungenes Gartenbuch, empfehlenswert für Anfänger wie für erfahrene Gärtner.

1 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 01.02.2024
Spur und Abweg
Tallert, Kurt

Spur und Abweg


sehr gut

Durch Nazigewalt beschädigte Familiengeschichte

„Ich stamme von den Mördern meiner Vorfahren ab. Ich denke den Begriff der Abstammung deshalb immer mit einem gewissen Sicherheitsabstand.“
Spuren suchen und verfolgen, in der Spur bleiben, also spuren, aus der Spur geraten, auf Abwege geraten. Was ist ein Abweg? Dem Abwegigen auf der Spur sein, Abwegiges suchen und verfolgen, einen Hang zum Absurden haben. Ist Erinnerung möglich an Geschehnisse, die man nicht selbst erlebt hat? Um all dies geht es bei der Suche des Autors nach seiner durch Nazigewalt beschädigten Familiengeschichte. Es ist eine Spurensuche, die immer wieder auf Abwege führt, diese Suche nach dem Leben des eigenen Vaters, die auch eine Suche nach verstörenden Erinnerungen und Verhaltensweisen des Sohnes darstellt. Wie intensiv die Erfahrungen seines viel älteren Vaters, der noch die Weimarer Republik und als „Halbjude“ das Dritte Reich erlebt hatte, den Sohn, der von alldem ja nichts miterlebt hatte, noch in der Gegenwart prägen, wird dem Autor bei der Recherche erst recht bewusst. Seinen Hang zum Absurden und Abwegigen, ja seine stete Suche danach, erklärt er sich so.
Auch der Geschichte des jüdischen Großvaters spürt er nach. Beide, Vater und Großvater, hatten den Naziterror überlebt, beide waren gezeichnet davon. Andere wurden vernichtet, wie seine damals schon achtzigjährige Uroma Berta. Mit einem Brief an sie endet das Buch, finden Nachspüren und Abwege für den Autor ein vorläufiges, fast versöhnliches Ende. Aber: “Die Gräber schweigen noch immer in die aus der Zeit gefallene Vergessenheit, die deutschem Alltag schon immer etwas Schleierhaftes verlieh.“
Kurt Tallert macht es sich und seinen Lesern nicht leicht. Seine Spurensuche ist verstörend, trägt aber zur Erhellung dunkler Kapitel der deutschen Geschichte, auch der Nachkriegsgeschichte, bei. Das Buch ist so gesehen ein wichtiger Beitrag gegen das Vergessen.

Bewertung vom 09.01.2024
Lichtungen
Wolff, Iris

Lichtungen


ausgezeichnet

Reise in die Vergangenheit
Ein wunderschönes Cover, ein Vogel auf einem Zweig, sehr geschmackvoll und dezent coloriert, lockt die Leser an. Iris Wolff beschwört eine Welt herauf, deren Zauber und Poesie sich in diesem Bild schon andeutet. Es geht um Lev und Kato, die beide in einem rumänischen Dorf in Siebenbürgen aufgewachsen sind. Nun sind sie in den Dreißigern, Kato zieht seit Jahren durch Europa, lebt von ihren Zeichnungen und Straßenkunst, Lev ist auch nach dem Ende des Kommunismus im Dorf geblieben, arbeitet als Schreiner. Aber dann lädt sie ihn ein nach Zürich. Auf ihrer Postkarte steht nur: Wann kommst Du? Poetisch und feinfühlig erzählt Iris Wolff von der erneuten Begegnung der beiden. Kapitel um Kapitel führt uns der Roman zurück in die Vergangenheit bis in die Kindheit der Protagonisten. Wir erleben in umgekehrter Folge insbesondere Levs Entwicklung, Katos Rolle dabei, die Veränderungen in seinem Umfeld und in seinen Beziehungen. Vieles bleibt angedeutet, lässt Raum für eigene Gedanken. Ein berührendes Buch mit Tiefgang.

Bewertung vom 02.01.2024
Hab ich noch Hoffnung, oder muss ich mir welche machen?
Raether, Till

Hab ich noch Hoffnung, oder muss ich mir welche machen?


sehr gut

Die Kraft der Hoffnung in schwierigen Zeiten
Der Titel kommt witzig daher, aber das Thema ist ernst und hoch aktuell: Wie steht es um unsere Hoffnung und die unserer Kinder in Zeiten schier unermesslich wachsender Krisen und dunkelster Perspektiven? Feuilletonistisch, in gut zu lesendem Plauderton, versucht Till Raether das Thema zu ergründen.
Er nähert sich der Hoffnung weder philosophisch noch politisch, vielmehr aus persönlichen, teils sehr privaten Erfahrungen heraus, die er anschaulich schildert. Daraus leitet er gesellschaftliche Folgerungen ab: Was bedeutet Hoffnung in Zeiten der Klimakrise für die ältere und die nachwachsende Generation, für die Gesellschaft, für jugendliche Aktivisten wie für arrivierte Politiker? Wann schlägt Hoffnung um in Resignation, wann beflügelt sie zu eigenen Aktivitäten? Wann erzeugt der gute Wille anderer zur Veränderung hingegen Ärger, Frust und Bevormundung? Was können wir tun, um uns selbst Hoffnung zu machen? Lauter wichtige Fragen und der sehr persönliche Versuch des Autors Antworten zu finden und zum Nachdenken anzuregen.

Bewertung vom 05.12.2023
Der Spion und der Verräter
Macintyre, Ben

Der Spion und der Verräter


gut

Gefährlicher Einsatz
Kein Zweifel, diese wahre Spionagegeschichte aus der Zeit des Kalten Krieges ist tatsächlich spektakulär, zudem sehr gut recherchiert. Der Autor führt uns gekonnt in die Welt der Spionage ein, wo der KGB-Agent Oleg Gordijewski zum Doppelagenten für die Briten wurde und so die westliche Politik maßgeblich beeinflussen konnte. Wir erfahren vieles über seine Herkunft und Entwicklung, seine Motive und herausragenden Fähigkeiten, sein Privatleben und die Gefahren, denen er seine Familie und sich aussetzte. Der fiktionale Anteil der Geschichte beschränkt sich auf das Notwendige. Die meisten Interna aus dem KGB, dem britischen Geheimdienst und dem CIA sind gesichert und werden ausführlich geschildert. Ein Höhepunkt ist schließlich die perfekt inszenierte Flucht des enttarnten Agenten. Wer aber war der Verräter? Auch hierzu liefert der Autor glaubwürdige Indizien. Das Buch ist sicherlich spannend für alle, die sich für Politik und Spionage interessieren, linear erzählt im sachlichen Stil einer Reportage.

Bewertung vom 04.11.2023
Endstation Malma
Schulman, Alex

Endstation Malma


sehr gut

Verstörende Erlebnisse
In kurzen Sequenzen erzählt Alex Schulmann Geschichten einer Kleinfamilie über drei Generationen. In Zeitsprüngen, vor und zurück, erkennen wir allmählich die Struktur der Familie, erst Vater, Mutter und zwei Töchter; Vater und jüngere Tochter; Vater, Mutter und Tochter der nächsten Generation; auch dort schließlich Vater und Tochter. Alle fahren sie irgendwann zur Endstation Malma, und erst spät verstehen wir die Zusammenhänge. Durchgängig herrscht eine beklemmende, teils verstörende Stimmung. Schmerzhafte Erlebnisse prägen die Protagonisten, besonders die Töchter und ihre Väter. Vieles bleibt zwischen ihnen unausgesprochen, quält sie im Verborgenen. Die Kommunikation ist gestört. Die Töchter erleben den Verlust der Mutter, in der Folge Angst, Gefühlskälte, Einsamkeit. Das prägt sie für ihr Leben.
Bedeutungsgeladene Motive ziehen sich durch den Roman, wie die Zugfahrt und ihr düsteres Ende, Fotografien, der einsame Adler als Lieblingsmotiv des fotografierenden Vaters, das Reinigen und Ordnen der Objektive, das grausame Schicksal eines geliebten Haustiers. Der Roman bleibt spannend bis zum Ende. Er ist meisterhaft erzählt, aber schwer zu verdauen.

Bewertung vom 15.10.2023
Memoria
Beck, Zoë

Memoria


sehr gut

Beklemmendes Szenario
Der Roman spielt in einer leider nicht so fernen deutschen Zukunft: In den Städten herrscht große Hitze, im ganzen Land wüten Flächenbrände, die Kluft zwischen arm und reich ist extrem, viele Menschen leben in Armut, wohnen z.B. in aufgegebenen Bürotürmen, kämpfen um Wasser, Energie und Lebensmittel, während sich die Reichen abschotten und von Securityfirmen bewachen lassen. Brände spielen in der Story eine wichtige Rolle. Harriet, eine junge Frau, die in Frankfurt am unteren Rand der Gesellschaft lebt, hat lückenhafte bzw. fehlende und offenbar falsche Erinnerungen, erlebt Unerklärliches, stößt auf Widersprüche, will ihre Erinnerungslücken füllen. Wen soll sie fragen? Die Mutter ist tot, der Vater dement, Freunde hat sie nicht. Alpträume quälen sie mit immer gleichen oder ähnlichen Bildern, oder sind es Erinnerungen? Warum passt nichts zusammen, wo ist der Schlüssel zu ihrer Vergangenheit? Harriet macht sich auf nach München, den Ort ihrer behüteten Kindheit als Tochter wohlhabender Eltern, den die Familie überstürzt verlassen hatte. Wir erleben eine rasante, teils sehr konstruierte Story, immer wieder überraschende Entwicklungen, Spannung bis zum Schluss. Sprachlich ambitioniert und mit lebendigen Schilderungen führt uns die Autorin nach einem sehr spannenden Einstieg hinein in die beklemmende Gegenwart einer Zukunft, in der nicht einmal mehr auf eigene Erinnerungen Verlass ist.

Bewertung vom 27.08.2023
Hinter der Hecke die Welt
Molinari, Gianna

Hinter der Hecke die Welt


gut

Endzeitstimmung
Die beiden Kinder Pina und Lobo sind die einzige Hoffnung eines halb verlassenen Dorfes auf eine Zukunft. Nur leider wachsen die Kinder nicht mehr. Einzig die Hecke am Dorfrand scheint noch zu wachsen. Pinas Mutter Dora arbeitet weit entfernt auf einem Forschungsschiff in der Arktis, dokumentiert dort das langsame Verschwinden des Eises. Viel passiert dort nicht, genau wie im Dorf, und davon erzählt das Buch. Auch von den Sehnsüchten, Wünschen und Träumen der Protagonisten, und von ihren Ängsten. Die Angst vor dem Verschwinden dominiert, sowohl im Dorf als auch in der Arktis, wo eine gigantische Klimakatastrophe in Gang kommt. Die Sprache ist eher dem Duktus der Kindersprache angepasst, wie ein Kinderbuch, die Sätze sind kurz, die Kapitel ebenso. Bedrohliche Entwicklungen lassen sich auch so darstellen. Ein gleichermaßen poetisches wie verstörendes Buch.

Bewertung vom 23.08.2023
Diese paar Minuten
Habringer, Rudolf

Diese paar Minuten


ausgezeichnet

Alltagsgeschichten mit Tiefgang
Zwölf Erzählungen, kurze Episoden aus dem Leben von Menschen, die auf den ersten Blick nur eines gemeinsam haben, ihren Lebensraum im Donauhügelland. Wie beiläufig erzählen die Protagonisten uns, sich selbst, Freunden oder Bekannten Begebenheiten aus ihrem Alltag, in einer stark verdichteten, knappen und doch anschaulichen Sprache. Was so beiläufig daherkommt, lässt oft genug den Atem stocken. Hier offenbaren sich menschliche Abgründe, Betrügereien aller Art bis hin zu Morden. Rache und Eifersucht, Ehebruch und Unfallflucht, vielfache Schuld und düstere Geheimnisse durchziehen diese Geschichten. Ein starkes Gefühl der Aussichtslosigkeit verbirgt sich unter der harmlos scheinenden Oberfläche. Immer wieder deuten sich bei der Lektüre Verbindungen zwischen den Personen an, die diesen oft nicht einmal bewusst sind. Man kennt einander im Dorf, aus der Schule, den Vereinen, der Nachbarschaft und dem Beruf. Aber kennen die Menschen sich selbst? Welche Rolle spielt der Zufall im Leben? Vieles bleibt im Dunkeln. Und gerade darum sind diese kurzen Geschichten nicht nur spannender als manch ein Roman, sie bleiben auch haften. Sehr lesenswert!

Bewertung vom 12.08.2023
Simone
Reich, Anja

Simone


sehr gut

Spurensuche
Simone war eine auffallend schöne junge Frau voller Erlebnishunger, aufgewachsen in Ostberlin zu DDR-Zeiten als privilegierte Arzttochter. Sie war zwanzig, als die DDR mit dem Fall der Mauer zusammenbrach, und mit dem Staat viele Regeln und Gewissheiten, die bis dahin ihr Leben bestimmt hatten, aber auch Halt gaben. Sie wurde in eine Freiheit entlassen, die sie intensiv nutzte. Sieben Jahre später sprang sie in den Tod, immer noch Studentin und ohne feste Bindung. Einen Tag zuvor und noch einmal am Todestag hatte sie ihre fast gleichaltrige Freundin Anja angerufen und um einen Besuch gebeten, aber Anja hatte keine Zeit. Der Schock über Simones Selbstmord saß tief. Jahrzehnte später erst macht sich die Journalistin Anja Reich an die Recherche, um sich mit ihren Schuldgefühlen auseinanderzusetzen und herauszufinden, was Simone in den Tod getrieben hatte. In bester Journalistenmanier recherchiert sie Simones Familiengeschichte, ihre Herkunft und Prägung, frühkindliche Erlebnisse, die Erwartungen der Eltern, die enge Bindung an den Bruder, Freundschaften und Liebschaften, ihr bewegtes Leben nach dem Fall der Mauer, erzählt auch die Geschichte ihrer Freundschaft. Sie nimmt die Leser mit zu vielen Gesprächen, lässt sie an Simones Aufzeichnungen teilhaben, auch an ihren eigenen Fragen. Psychologen und Wissenschaftler kommen zu Wort. Das Buch ist streckenweise spannend wie ein Roman, geschrieben in klarer, schnörkelloser Sprache. Viel Stoff zum Nachdenken, sehr lesenswert!