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Abnuncha

Bewertungen

Insgesamt 26 Bewertungen
Bewertung vom 18.09.2024
Die Bilder meines Vaters
Goltz, Astrid

Die Bilder meines Vaters


sehr gut

Im Entwurf, da zeigt sich das Talent, in der Ausführung die Kunst.
(Marie von Eber-Eschenbach)
Rezension
Johann Heinrich Vogeler geb. 12. Dezember 1872, gest. 14. Juni 1942 war ein deutscher Maler, Grafiker, Architekt, Designer, Pädagoge, Schriftsteller und Sozialist. Der vielseitig begabte Künstler ist besonders durch seine Werke aus der Jugendstilzeit bekannt geworden. Er gehört zur ersten Generation der Künstlerkolonie Worpswede Worpswede ist eine Gemeinde im Landkreis Osterholz in Niedersachsen, an der Hamme nordöstlich von Bremen, mitten im Teufelsmoor gelegen Quelle Wikipedia. Diese Zeilen als Einleitung, in dem Buch „Bilder meines Vater“ beschreibt die Schriftstellerin und Kulturwissenschaftlerin Astrid Gölz einen biografischen Familien- und Entwicklungsroman über das Leben Marie Luise Vogelers, Goldschmiedin, Künstlerin; 1901-1945, geboren in Worpswede, Deutschland, gestorben in Coyoacán, Mexiko. Marie Luise Vogeler genannt Mieke wuchs in einer Stätte der geistig-künstlerischen Begegnung auf, in einer paradiesischen Jugendstil-Idylle – einer besseren Welt? Ihr Vater hat sich freiwillig für den Kriegsdienst gemeldet und kam als ein anderer Mensch wieder. Leid, Krieg und Politik haben die Familie beeinflusst.
Ich habe den Eindruck das Marie Louise Vogeler nie richtig Glücklich geworden ist, ein Bruch mit dem Vater, die Mutter eine neue Liebe, ihre eigenen Ehe etwas kalt und schließlich ihre Krebserkrankung. Nazideutschland verlassen zu müssen und über Paris New York nach Mexiko zu fliehen ist ihr sehr schwergefallen. Auch scheint es nie genug Geld gegeben zu haben, Arm aber glücklich trifft hier irgendwie nicht zu, wer ist hier wirklich glücklich geworden? Da das Buch im Text wechselt zwischen verschiedenen Erzählungen fand ich es manchmal schwierig flüssig weiterlesen zu können. Ich hätte mir mehr Bilder gewünscht um eben noch tiefer in das Buch zu kommen. Aber das Internet konnte Abhilfe schaffen so dass ich für mich die Geschichte entwickeln konnte. Ich war auch persönlich schon in Worpswede, auch den Eindruck konnte ich mit einbringen. Das Cover gefällt mir sehr und auch die eher ungewöhnliche Form des Buches. Das Einbringen der plattdeutschen Sprache hat mir sehr gut gefallen, ich spreche und verstehe sie und habe sie lange nicht gelesen. Was ich persönlich nicht ganz so gut fand war die Erwähnung einer Fehlgeburt von Marie Louise und wie die Autorin im Anhang schreibt hat sie diese Form aufgegriffen, weil sie die Frage zur Mutterschaft mit einbringen wollte, kann man so schreiben finde ich aber sehr privat. Die Kinder und Beziehungen von Geschwistern und Freunden werden ja auch nur erwähnt und liefen so im Text mit ein. Ich habe mir während des Lesens die Frage gestellt, wie lange mag die Autorin für dieses Buch Recherche betrieben haben und wie lange hat es gedauert bis das Buch beendet war? Ich habe mich sehr gerne auf dieses Buch eingelassen und es gelesen, vielen Dank.

Bewertung vom 14.09.2024
Mensch sein - Mensch bleiben
Ruthardt, Ralf M.

Mensch sein - Mensch bleiben


sehr gut

Mit offenen Augen durch den Tag – oder lieber Blinde Kuh, diese Eingangsfrage stellt sich auch dem Leser zu Anfang des Buches. Mensch sein – Mensch bleiben zeigt in 16 Kurzgeschichten Einblicke in verschiedene Bereiche unseres Lebens, mal nachdenklich, mal Weltoffen, in Teilen religiös, vom Gedanken zur Erziehungszeit für Männer über Mobbing in der Schule, verdrehte Wörter die zu einem unerwarteten Ergebnis führen, Luxusgüter, Freisein und letztendlich ein Perspektivwechsel. Nachdenklich haben mich vor allem die Geschichten „In der Pause lauf ich mit“ in der es um eine späte Entschuldigung geht, die sicherlich viel Mut gebraucht hat, mehr Mut als das Mobbing was er getan hat. Tun können manche vieles, aber Entschuldigungen brauchen eine Einsicht das es falsch war, dann viel Mut und leider ist der viel zu selten. Um bei Schülern zu bleiben, eine Geschichte heißt „Technologie kann springen“ eine Thematik zur Technologie und wie Jugendliche damit umgehen, ist es schon Normalität, weil sie damit aufwachsen, erschreckt sie noch etwas, erreicht es Schüler, wo es doch oft so schwer ist sie für etwas zu begeistern und Wissen zu vermitteln. Was mir an dieser Kurzgeschichte nicht gefallen hat ist das diese Frage mit Hauptschülern erörtert wird, es macht den Eindruck den muss man mehr erklären, eine allgemeinere Betitelung Schülern wäre an dieser Stelle besser gewesen. Meine zweite Lieblingsgeschichte ist „Bei sich selbst sein“ zwei wahrscheinlich sehr unterschiedliche Frauen die sich einfach mal etwas trauen, Reimt sich sogar, also sollte man das öfter machen, sich Zeitnehmen etwas angehen und los. Text Seite 84: Ein paar Minuten später stehen zwei Frauen ungleichen Alters in den Wellen. Es wird geplaudert, es wird gelacht – und es scheint, als ob sich zwei freie Geister gefunden haben, die mindestens hier und jetzt eine gut Zeit miteinander haben.(Textende). Zu guter Letzt folgen zwei Kurzgeschichten, sie haben die gleiche Handlung werden aber quasi in einem Perspektivwechsel geschrieben und man darf sich fragen welche Eigenschaften sprechen wir Mann und Frau zu und hat es eine Relevanz? Einfach gesagt Mensch sein – Mensch bleiben. Ich finde ein gelungenes Überraschungsei, vielen Dank.

Bewertung vom 11.09.2024
Ein anderes Leben
Peters, Caroline

Ein anderes Leben


sehr gut

Familie ist wie ein Baum. Die Äste können in unterschiedliche Richtungen wachsen, doch die Wurzeln halten zusammen
Ich hatte erst gedacht das dieses Buch nur Autobiografisch ist, das denke ich nach dem lesen nicht mehr. Die Frage des Klappentextes „Wer ist Hanna“ ist die Frage die sich auch Caroline Peters stellt, so macht es den Eindruck. Es scheint als eine Auseinandersetzung mit ihren Eltern, vielem Ungesagtem, vielleicht auch eine Eigenfindung, wer ist sie, was bleibt, wer oder was waren und sind die Eltern und ihre zwei Schwester? Die Autorin scheint Antworten zu suchen und da es viel Konkurrenzkampf zwischen den Geschwistern gibt sucht sie auch vergeblich nach der Liebe der Mutter. Sie denkt den Begriff Mutter, schreibt aber die ganze Zeit von Hanna, ist ihr diese Hanna ein Leben lang fremd? Die Erzählung beginnt mit der Beisetzung ihres Vaters, also ein Abschiednehmen und der Weg zu einem Rückblick. Hanna hat mit drei Studienkollegen zusammengewohnt, einen nach dem anderen geheiratet und von jedem eine Tochter. Caroline ist die jüngste der drei Schwestern. Es macht den Anschein das sie stehst darauf bedacht war es alles recht zu machen, sich zu kümmern, da zu sein, wie auch bei der Beisetzung, sie organisiert ein Essen zunächst von den Schwestern kritisiert, weil es nur Suppe und Kuchen gibt, dabei hat sie heimlich auch ein Buffet von Köstlichkeiten hinter einem Vorhang hergerichtet. Ein Danke für ihr tun oder Anerkennung gibt es irgendwie nie. Die Autorin schreib in einem Kapitel von ihrer Angst beim Taxifahren und das ankommen in ihrer Wohnung, ein sehr privater Einblick. Ich hatte Caroline Peters, wenn man sie auf der Bühne oder im Fernsehen sieht immer als sehr taff empfunden, selbstbewusst, nun habe ich leisere Worte von ihr gelesen. Als Fazit würde ich sagen ist sie vielleicht aufgrund dieser Erzählung und damit Erlebtem über ihre Eltern und Geschwister eine so gute Schauspielerin geworden. Ich hoffe das viele Leser sich die Chance geben dieses Buch zu lesen, ich habe es sehr gerne getan, vielen Dank.

Bewertung vom 29.08.2024
Aus dem Haus
Böttger, Miriam

Aus dem Haus


sehr gut

Witz: „Lass uns das Haus verkaufen und abhauen“ „Wir wohnen zur Miete“ „Weit abhauen“
Ein Zuhause ist nicht einfach ein Ort es ist ein wundervolles Gefühl. Eigentlich wollte ich das als Titel nehmen, aber in diesem Roman „Aus dem Haus“ von Miriam Böttger, der mit viel Witz und Herz geschrieben ist scheint das Haus eher das Leben der Familie na was gehindert zu haben? In diesem Fall ziehen in dem Roman „Außer Haus“ nicht die Kinder aus wie man am Titel vielleicht glauben möchte, nein die Eltern die alt geworden sind, wollen das Haus oder die Bruchbude nebst Renovierungsstau verkaufen, an dem sie ja so gar nicht hängen wie sie immer betonen und in einen kleine Wohnung ziehen. Durch tägliche Telefonate der Tochter kann man den Auszug der Eltern mit all dem Wahnsinn den er mit sich trägt begleiten. Plötzlich werden Dinge die eigentlich als unwichtig empfunden unabdingbar, man stellt sich die Frage war den wirklich alles so schlimm wie die Eltern das immer empfunden und dies durch all die Jahre in diesem Haus hindurchgetragen haben. Kassel ist die Stadt in dem das Einfamilienhaus eigentlich in einer sehr vornehmen Gegend steht. Kassel kommt als Stadt in dem Buch nicht besonders gut weg, da geschieht ihr Unrecht, aber es ist ja mit Humor gedacht. Werden die Eltern es schaffen sich von dem Haus zu trennen, sich dabei selber übertreffen, sich von Dingen trennen können oder trennt sich am Ende das Haus von den Eltern, weil sie sich einander nicht mehr hören und sehen können und wo geht es hin? Vielleicht nach Zuhause Ortsteil Sofa Kreis Wohnzimmer/Kaffeemaschine entdecken sie es das Lesen lohnt sich. Um sie gleich mitzunehmen ein paar Sätze die mich gleich gefesselt haben (Ups, bin ich jetzt mit eingepackt worden?)
Satz aus dem Buch: Ich hatte meinen Eltern schon mein ganzes Leben lang zugeschaut, aus nächster Nähe oder von etwas größerer Entfernung, ich hatte mich immerzu gewundert und versucht, mir einen Reim auf die beiden Menschen zu machen, die ich am längsten kannte und die mir trotzdem immer rätselhafter wurden.
Satz aus dem Buch: Als träfen Familientragödien aus heiterem Himmel und gänzlich unberechenbar ein, sodass Verwandte und Nachbarn anschließend grenzenloses Überrascht sein heucheln und etwas von »völlig unauffällig« und »Bilderbuchfamilie« faseln können, während die Polizei über »familieninterne Schwierigkeiten« spekuliert. Vielen Dank.

Bewertung vom 27.08.2024
Kleine Monster
Lind, Jessica

Kleine Monster


sehr gut

Kein Mensch ist eine Insel, die ganz für sich alleine ist schreibt der englische Dichter John Donne. Die Geschichte „Kleine Monster“ ist in 3 Teilen mit 61 Kapiteln ungekünstelt und einfach geschrieben, sie lässt den Leser dennoch nachdenklich zurück, was ist im Leben von Pia Reiserer geschehen, dieses wird in zwei Zeitebenen erzählt, die Gegenwart und die Vergangenheit. Wie spiegelt sich Vergangenheit in der Gegenwart wider, was tragen wir mit oder geben wir weiter, das gilt es hier zu lesen.
Leon der Sohn der Familie hat in der Schule, ja was eigentlich getan? Die Eltern werden zu einem Gespräch in die Schule gebeten, Leon soll sich in der Pause einem Mädchen ungewöhnlich genährt haben, Leon schweigt dazu. Denkt man als Eltern hier habe ich zu wenig Vertrauen zu meinem Kind? Aus der WhatsApp-Gruppe der anderen Eltern werde sie gelöscht, wie schnell wird man zum Außenseiter, oder legen wir in eine WhatsApp-Gruppe zu viel rein, warum hinterfragen die anderen Eltern nicht was geschehen ist? Das Ganze verläuft irgendwie im Sande, bleibt das Kind damit schuldig und auch die Eltern, die Beziehung zur Schule bleibt schwierig, man geht sich irgendwie aus dem Weg. Erst zum Ende des Buches löst sich auf was wirklich geschehen sein kann, auf dem Weg dorthin geht gerade Pia durch eine Achterbahn der Gefühle. Ihre Schwester Linda ist mit vier Jahren in einem See ertrunken, die Schwester Romi war dabei, Pia scheint sich ihr Leben lang darüber Gedanken gemacht zu haben ob Romi mit dem Unfall etwas zu tun hat. In der Geschwisterbeziehung hat Romi eine eigene andere Rolle, Pia und Linda sind Geschwister, Romi ist adoptiert, ist hier die Beziehung eine andere? Pias Mutter geht auch härter mit Romi um und verteidigt das damit das sie es braucht, am Ende muss sie die Familie verlassen, sie geht warum? Ist in dieser Familie auch einiges Unausgesprochen, ein eindeutiges Ja, aber in wie vielen Familien wird schon gesprochen? Pia denkt immer wieder ob sie in ihrer Mutterschaft etwas falsch macht, ist Luca falsch, macht sie mit Luca etwas falsch, diese Fragen bleibt im verlauf ein wenig offen, als Eltern hat man eine große Verantwortung und ich finde die werden Jacob und Pia gerecht. Die Frage ist ja auch wie realistisch sind Erinnerungen, Forschungen haben gezeigt das es bei Erinnerungen unter Geschwistern vollkommen unterschiedliche Wahrnehmungen gibt und einiges verblasst auch im Laufe der Zeit oder wird hinzugedichtet. Ich finde das Ende lässt einiges offen, regt aber dadurch zum Nachdenken an. Die sensible Mischung aus spannender Handlung und tiefgehender Reflexion zum Familiensystemen machen "Kleine Monster" zu einem sehr empfehlenswerten Buch was ich gerne gelesen haben, vielen Dank.

Bewertung vom 22.08.2024
Ein neues Blau
Saller, Tom

Ein neues Blau


ausgezeichnet

Ein Roman wie Porzellan: fein, bunt, geerdet, zeitlos
„Ich verändere lediglich die Form ein wenig und versuche Schönheit darin zu finden; mir zu verdeutlichen, dass sie zwar anders sind, aber dennoch Sinn, sprich eine Daseinsberechtigung haben. Einen eigenen Sinn und ein eigenes Dasein.“ (Zitat Seite 239)

Inhalt 1919 – 1935 spiel die Geschichte
Lili Kuhn fühlt sich schon als Kind „halb“. Sie wächst ohne Mutter auf und ist Halbjüdin. Takeshi, der chinesisch-japanische Geschäftsfreund ihres Vaters, versteht es, sich „halb“ zu fühlen. Er versteht auch die kleine, phantasievolle Lili, die ihre Gefühle als Farben sieht und von ihrem Vater und nun auch Takeshi in liebevoller Geborgenheit aufgezogen wird. Heute, beinahe am Ende eines langen Lebens, in dem Porzellan, Malerei und Farben immer eine große Rolle gespielt haben, lebt sie zurückgezogen in Berlin. Auch Anja Hermann, gerade 18 Jahre alt, lebt in Berlin. Kritisch und dem Alter entsprechend unangepasst erlebt sie gerade die Scheidungsdiskussionen ihrer Eltern mit. Ausgerechnet sie wird von dem Direktor ihrer Schule gefragt, ob sie nicht manchmal nachmittags einer alten Dame Gesellschaft leisten möchte. Zusätzliches Taschengeld findet Anja immer gut und neugierig ist sie auch. Auch Lili interessiert diese eigensinnige, widersprüchliche junge Frau und sie beginnt, Anja ihr abwechslungsreiches Leben zu erzählen.

Thema und Genre
Im Mittelpunkt dieses zeitgeschichtlichen Familienromans stehen die Kunst der Porzellanerzeugung und die KPM, ab 1918 Staatliche Porzellan-Manufaktur Berlin, das Bauhaus und die japanische Kultur mit ihrer Garten- und Teetradition. Es geht auch um unterschiedliche Religionen, was besonders mit dem Beginn des Nationalsozialismus eine wichtige Rolle spielt. Werte wie Familie, Freundschaft, Liebe, aber auch Trauer Psychologie verbinden diese Komponenten zu einer Geschichte.

Charaktere
Zwei unterschiedliche Frauen, Lili und Anja, beide eigenwillig, neugierig auf das Leben. Zuerst auf der Suche, weiß Lili bald, was sie will und auch Anja findet in Lilis Geschichte neue Ideen für ihre eigene Zukunft.

Handlung und Schreibstil
Der Autor erzählt seinen Roman in zwei unterschiedlichen Geschichten und Zeitebenen. Lilis Geschichte zwischen 1919 und 1935 wird in der dritten Person erzählt, dazwischen abwechselnd Anjas Geschichte 1985 in der Ich-Form. Das Jahr 1985 verbindet beide Geschichten. Zusätzliche Rückblenden ergänzen beide Erzählstränge. Zwischen einigen Kapiteln, über das gesamte Buch verteilt, finden sich Auszüge aus „Handwerkskunst KPM Berlin“. Darin wird die Porzellanherstellung geschildert und die Texte sind durchaus auch metaphorisch zu verstehen.
Die Sprache ist bildhaft und poetisch, mit bunten Schilderungen und vielen interessanten Informationen. Poesie findet sich auch in den Kapitelüberschriften, während sich die Spannung aus dem ereignisreichen Leben Lilis ergibt.

Fazit
Ein Familienroman, ein Frauenroman, ein realer geschichtlicher Hintergrund mit bekannten Künstlern und Persönlichkeiten vermittelt Wissen über die aufwändige Porzellanherstellung, über den Bauhaus-Gedanken, über jüdische und japanische Traditionen. Eine Geschichte von engagierten, mutigen Frauen, die sich liest wie Porzellan: geerdet, zeitlos elegant, fein und robust, bunt und poetisch.

Bewertung vom 19.08.2024
Nur nachts ist es hell
Taschler, Judith W.

Nur nachts ist es hell


sehr gut

Ich habe beschlossen, über mein Leben zu schreiben
Der Roman „Nur Nachts ist es hell“ ist in Ich-Form geschrieben, was zunächst ungewöhnlich erscheint, aber letztendlich eine enge Verbindung zur Geschichte und der Figur schafft und somit den Leser in eine komplexe Gedanken- und Gefühlswelt mitnimmt, so dass man sofort ins Geschehen eintauchen kann und neugierig wird. Der Roman birgt eine interessante Medizingeschichte zu Anfang den 1900 Jahrhunderts. Zu der damaligen Zeit waren Frauen zum Medizinstudium nicht zugelassen, auch die Matura wie es in Österreich heißt, hier das Abitur waren für Frauen sicherlich nur eine Ausnahme. Die Protagonistin Elisabeth Brugger möchte allen Widrigkeiten zum Trotz Ärztin werden und sich auf Gynäkologie und Geburtshilfe spezialisieren, was ihr auch geling. Das Buch ruft auch die Debatte um die Engelmacherinnen auf, wie riskant und oft auch tödlich endend eine Illegale Abreibung war, die Not der Frauen wird bis heute nicht thematisiert. Sollte nicht jede Frau die Möglichkeit zur Entscheidung haben, kann und möchte ich ein weiteres Kind, das alleine ist schon ein schwerer Konflikt und leider diskutieren wir eine ausreichende Hilfe bis heute.
Ich hatte beim Lesen den Eindruck das es in der Zwischenkriegszeit von 1918 bis 1938 in Wien durch die Sozialdemokraten freizügiger, fortschrittlicher war auch für Frauen. Nach dem zweiten Weltkrieg gab es sicherlich eine gewaltigen Rückschritt, ein Krieg hat eben noch nie Gewinner hervorgebracht. Dann bereichert das Buch, das in einer sehr tragenden Schreibweise geschrieben ist die Entwicklung der Brugger-Kinder und ihren Familien, die durch schwere Zeite, der Liebe, den Krieg mit seinen Höhen- und Tiefen, durchzogen vom Misstrauen und Freude, über den Tod und Trauer bis hin zum Verrat erzählt wird. Ein faszinierendes Buch, ich habe es sehr gerne gelesen, vielen Dank.

Bewertung vom 18.08.2024
Die spürst du nicht
Glattauer, Daniel

Die spürst du nicht


sehr gut

Normal oder doch ungewöhnlich

Wie ist das mit dem Luxus, ich hatten den Eindruck man stellt zur Schau was man hat, imponiert, bemerkt gar nicht wie gut es einem geht. Hört man die leisen Stimmen auch, diejenigen die viel Erlebt haben und wo wie hier ein Urlaub etwas besonderen ist. Sieht man sich gerne in der Sonne und damit auf der Sonnenseite des Lebens, profilliert man sich mit den Schwächen anderer, sicherlich. Und dann wie viele ist die Tochter sehr in ihrem Smartphone versunken, sehen wir dann noch wo wir eigentlich sind? Um Menschen, von denen wir nichts wissen wollen, weil wir sie nicht spüren stand in einer anderen Rezension. Dann geschieht ein Unglück und das ändert alles, aber war das Leben von Aayana dem somalischen Flüchtlingskind nicht schon vorher ein Unglück? In der Leseprobe bleibt ja offen um was für ein Unglück es sich handelt, das Cuver wirkt zunächst wie ein Schwimmbad und die Geschichte beginnt an einem Pool, also gut gewählt, ein Ferienbild wie es auf Büchern über Urlaub üblich ist wäre auch gegangen ist aber hier nicht nötig. Ich bin gespannt was das Unglück ist was alles verändert, ist es vergleichbar mit dem "Unglück" von Aayan, wird deutlich wie schwer der Weg von Aayan war, weiß man danach das zu schätzen was man hat, wie verändert es den Leser, neue Sichtweisen sind immer spannend.

Bewertung vom 18.08.2024
Das erste Licht des Sommers
Raimondi, Daniela

Das erste Licht des Sommers


ausgezeichnet

Dove c’è luce, c’é anchore ombra
Dove c’è luce, c’é anchore ombra Wo Licht ist, da ist auch Schatten

„Wo Licht ist, da ist auch Schatten“ Der zweite Roman der Schriftstellerin Daniela Raimondi „Das erste Licht des Sommers“ nimmt uns mit in die Geschichte der Familie Casadio, eine Geschichte dreier Generation und ihrer Liebesbeziehungen, die von Höhen und Tiefen, von Verletzung und Fremdgehen, vom Armut und Lieblosigkeit, aber auch immer wieder von Verzeihen und Sich wieder zusammenraufen geprägt ist. Die Hauptfigur ist Norma Martiroli, deren Geschichte in mehreren Kapiteln ab ihrer Geburt 1947 erzählt wird und im Verlauf in die Gegenwart wechselt. In der Gegenwart macht sich Norma mit ihrer Mutter auf die Reise nach Italien, aber nicht um Urlaub zu machen, ihre Mutter ist schwer krank und Norma verbringt mit ihr dort die letzte verbleibende Zeit, sie begleitet ihr sterben. Das hat mich sehr bewegt, weil Norma eigentlich ihre Mutter als sehr lieblos empfunden hat.
Als Kind hat Norma regelmäßig die Sommerferien bei ihrer Großeltern in Stellata verbracht und mit dem gleichaltrigen Elio verband sie eine tiefe Freundschaft. Ihre Wege trennen sich, und erste Jahre später begegnen sie sich in London wieder, sie verlieben sich ineinander und heiraten. Aber „Dove c’è luce, c’é anchore ombra“. Das Buch ist in einer schönen flüssigen Sprache mit viel Empathie geschrieben, man kann sich in die Gefühls und Gedankenwelt der Figuren einfühlen. Es hat mich von beginn an bis zum stimmigen Ende sehr berührt, und man darf mit Freude auf das nächste Buch von Daniela Raimondi warten, es ist sicherlich so lesenswert wie dieses, ich war gerne dabei, vielen Dank.
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Bewertung vom 18.08.2024
Seinetwegen
Del Buono, Zora

Seinetwegen


ausgezeichnet

Nach „Die Marschallin“, erschienen 2021 erzählt Zora del Buono eine weitere Familiengeschichte als Zeitgeschichte.
In den 1963 Jahren wo ein Autos als modernes Fortbewegungsmittel galt und man sich über Sicherheit noch nicht so viel Gedanken gemacht hat spielt diese Familiengeschichte. Wie stolz war man auf sein damals gekauftes Auto in diesem Buch einen VW Käfer machte es doch frei und unabhängig. Und dann, wie oft stellt man sich die Frage war man zur falschen Zeit am falschen Ort, ein Unfall geschieht und die Frage nach dem wie hat er das Leben aller Beteiligten verändert steht im Raum. Wie auch hier müssen alle Beteiligten lernen damit zu leben, jeder auf seine Art. Die Autorin schreibt immer wieder Geschichte um die Geschichte, das normale Leben, Zeitgeschehnisse, das lässt es interessant bleiben, los geht’s. Mit nur acht Monate verliert Zora ihren Vater bei einem Unfall, im Kino sieht sie Bambi und weint, weil Bambi den Verlust ihrer Mutter durchleben muss, sie sieht Herby der ihr vermittelt wie lustig und bunt ein Käfer sein kann, zur Firmvorbereitung drehen Jugendliche einen Film, Zora spielt die Hauptrolle einen Unfall mit Ketchup, was hat der Pfarrer sich dabei gedacht, ist es gut therapeutisch durchdacht oder ist er einfach ein Sadist? Sie trägt einen Diamantring ihrer Mutter der schon zwei Mal verloren war. Der Brillant ist so teuer wie ein Auto, der Ring erinnert aber eher an ihre süditalienischen Schwiegereltern als an ihren Mann um den sie ein Leben lang getrauert hat. Ein Juwelier wo sie einen Vorsteckring kaufen möchte erkennt sofort den Wert des Rings, nicht ein ganzes Auto trägt sie eher einen gebrauchten.
Eingangs habe ich mich gefragt warum sucht sie erst jetzt nach dem Verursacher, möchte jetzt wissen wie alles war, wo sie selber 60 Jahre alt ist, etwa ab der Mitte des Buches erzählt sie warum. Das Buch ist im Wechsel geschrieben von Erzählung zu einem Sprachdialog in einem Café. Sie sucht den Verursacher, zunächst weiß sie nicht wie er heißt nur die Initialen E.T. im Verlauf findet sie den Namen aber es gibt mehrere davon, wer ist der richtige? Sie schreibt zunächst wertend über die Personen, ihr Vater ein Arzt, der Verursacher ein Arbeiter, ist einer mehr wert wie andere. Zu Anfang des Buches hat die Autorin harte Worte zum Verursacher, sie schreibt „Der Täter meines Vaters“, aber ist er das? Ich frage mich auch wie wird der Verursacher damit umgehen nach so vielen Jahren wieder damit konfrontiert zu werden, was mutet sie ihm zu? Nein, er ist kein rüpelhafter Fahrer gewesen, was er gewesen ist, hinterfragt und findet sie und kommt zu dem Schluss ihn letztendlich doch nicht kennenlernen zu wollen. Satz: Ich werde ihn nie kennenlernen. Eine sich verlaufende Spur. Das Buch hat ein schönes Ende, sie findet ihr unbekannte Filme ihrer Eltern, ihre Eltern als Paar, als Liebespaar. Zwei Textzeilen in dem Buch fand ich besonders gut. 1. Textzeile: Keiner, der im Straßenverkehr stirbt, hat morgens das Haus mit dem Wissen verlassen, das dies sein letzter Tag sein wird (und keiner denkt, dass er heute einen Menschen töten wird) Es kann jeden und jede treffen, auch mich. (Hier habe ich gedacht muss das nicht andersherum sein jede und jeden?) 2. Textzeile: Nahezu jeder Mensch sagt in seinem Leben nicht nur ein erstes, sondern auch ein letztes Wort, und manche letzte Worte werden berühmt, wenn auch anekdotisch, das heißt zweifelhaft, wie Goethes: Mehr Licht. Jeder von uns wird sein ureigenes Wort haben, das wir jetzt noch nicht kennen, und ich erinnere mich bei keinem der drei Menschen, die ich durch ihre finalen Stunden begleiten dufte, welche es waren.
Die Autorin hat in ihrem Buch noch ein schönes Zitat geschrieben: „Immer wieder erstaunlich, wie Bücher ihren Weg zu einem finden. Manchmal liegen sie monate- oder jahrelang herum, bevor man sie aufschlägt, und genau dann passen sie zum eigenen Leben wie die Faust auf Auge“.
Resümee: Das Buch ist klar und sachlich, mit einen ruhigen Schreibstiel geschrieben, man findet leicht in das Buch, sie baut die Handlung auf, nimmt den Leser mit und entlässt ihn mit einem schönen Gedanken. Ich habe das Buch sehr gerne gelesen, es ist für jemanden geschrieben der sich nach einem Unfall die Frage stellt, wie geht es allen die daran beteiligt sind und was hat es aus ihnen gemacht, vielen Dank dazu. Erschienen ist es im C.H. Beck Verlag