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clematis

Bewertungen

Insgesamt 113 Bewertungen
Bewertung vom 01.11.2024
Still ist die Nacht / Maya Topelius Bd.2
Åslund, Sandra

Still ist die Nacht / Maya Topelius Bd.2


ausgezeichnet

Auf Svartlöga

Die letzten Wochen waren anstrengend für Kriminalinspektorin Maya Topelius, und so beschließt sie, eine Auszeit zu nehmen bei einer Yoga-Woche, welche ihre Freundin Emely auf der Schäreninsel Svartlöga anbietet. Doch so weit kommt es nicht: nach einem ausgiebig gefeierten Mittsommerfest liegt ein Toter im Schilf. Obwohl Maya – zumindest theoretisch – zum Kreis der Verdächtigen gehört, kann sie ihren Kollegen Pär davon überzeugen, verdeckte Ermittlungen anzustellen.

Ein aufgrund der Namen etwas befremdlicher Prolog leitet diesen wunderbaren zweiten Teil der Maya Topelius – Trilogie ein und kurz darauf nimmt Sandra Åslund uns mit auf eine Reise in die faszinierende Schärenwelt Schwedens. Mit der Waxholmfähre geht es von Stockholm aus Richtung Svartlöga, einer Insel, wo man noch ohne Elektrizität auskommt und Wasser vom Brunnen holt, ein idealer Platz für Meditation, Yoga und „Digital Detox“. Lebendige Beschreibung von Landschaft und Personen lassen den Leser rasch eintauchen in eine stimmige Handlung, die das traditionelle Mittsommerfest ebenso thematisiert wie tiefe Freundschaften, unterschiedlichste Lebensentwürfe und – natürlich Mord und Totschlag. Die Kriminalhandlung sticht nicht ununterbrochen hervor, ist vielmehr eingebettet in einen spannenden Roman rund um Maya und fügt sich gelungen in die Geschehnisse auf der abgelegenen Insel ein.

Da mir Åslunds Schreibstil und ihre bildreichen Beschreibungen schon im Vorgängerband (und bei ihren Provence-Krimis) sehr gut gefallen haben, war ich natürlich schon gespannt auf „Still ist die Nacht“. Und auch dieses Buch überzeugt in vielerlei Hinsicht: die beeindruckenden Inseln vor Stockholm, interessante Themen und überraschende Hintergründe, welche erst im Verborgenen schlummern. Im Epilog schließt sich der Kreis zur ersten Szene und wirft schon seine Schatten voraus auf den nächsten Band. Mit einer weiteren Leseempfehlung warte ich gebannt darauf, wie es weitergeht.

Bewertung vom 31.10.2024
Der Ruf des schwimmenden Gartens
Haigh, Tara

Der Ruf des schwimmenden Gartens


gut

Blumen und Intrigen

Richard Hauenstein ist geschäftlich in Bremen unterwegs und trifft unter anderem die junge Lungenfachärztin Sophie Schultheiß. Diese wird im Jahre 1914 unter der männlichen Kollegenschaft nicht richtig ernst genommen, obwohl sie in renommierten Kliniken ausgebildet worden ist und zudem über wertvolle Kenntnisse in Homöopathie und Naturheilkunde verfügt. Kurzerhand lässt sie sich darauf ein, mit Richard nach Madeira zu reisen, um im dortigen neu errichteten deutschen Krankenhaus eine Abteilung zu leiten. Dieses ist aber aus unerfindlichen Gründen noch weit davon entfernt, bald den Betrieb aufzunehmen. Während Sophie also als Überbrückung Land und Leute kennenlernen möchte, trifft Richards Bruder Ludwig auf der Insel ein und lässt ihr Herz höher schlagen.

Eine von Idealismus geprägte junge Frau begegnet uns schon auf den ersten Seiten im Buch, alsdann reisen wir mit dem Schiff Richtung Blumeninsel und dürfen uns an der Pracht und Vielfalt der hiesigen Natur erfreuen. Die Handlung selbst ist interessant, aber doch an etlichen Stellen etwas langatmig, sodass der Lesefluss bisweilen ins Stocken gerät und keine rechte Spannung aufkommen lässt. Bestechend hingegen ist die Wendung, welche diese Geschichte auf Madeira nimmt, diese hätte ich so keinesfalls vermutet, aber auch da fehlen tiefergehende Details, der vergleichsweise aufregende Schluss kommt daher fast überfallsartig. Was mir gut gefallen hat, sind die Charaktere, welche Tara Haigh sehr glaubwürdig darstellt und somit immer wieder lebendige Momente und Dialoge erschafft.

Ein sympathischer Blick auf die prächtige Blumeninsel, welcher Neugierde weckt und einen bezaubernden Urlaub im Kopf entstehen lässt, dazu eine Handlung, angelehnt an wahre Ereignisse Anfang des 20. Jahrhunderts.

Bewertung vom 29.10.2024
Böhmische Schicksalstage
Lindberg, Karin

Böhmische Schicksalstage


ausgezeichnet

Die Lembergs II

Mit dem Jahre 1938 nehmen politische Umwälzungen in Böhmen ihren Lauf, Tschechen und Sudentendeutsche geraten immer öfter aneinander, die gegenseitigen Anfeindungen werden aggressiver. Mittendrinnen befindet sich die angesehene Familie Lemberg mit ihrer Weberei, die mittlerweile wieder besser läuft. Nun sind es jedoch die Arbeiter unterschiedlicher Herkunft, welche dem Unternehmer und Besitzer des Werkes mit ihren politisch motivierten Streitereien Probleme bereiten. Während Carl nicht nur in diesem Zusammenhang Lösungen sucht und etwas verbirgt, hüten auch seine Frau Emilie und seine vier Kinder mehr oder weniger aufregende Geheimnisse.

Die Lemberg-Saga nimmt mit diesem zweiten Teil ihren Lauf. Auch wenn einige frühere Ereignisse ins Geschehen einfließen, so empfiehlt es sich doch, mit Band 1, Böhmische Hoffnung, zu beginnen, um alle Figuren noch besser kennen zu lernen und deren Entwicklung optimal mitverfolgen zu können. Höchst lebendig, teils gar turbulent, geht es diesmal zu. Die Szenen wechseln einander flott ab, sodass verschiedenste Familienmitglieder begleitet werden und gleichzeitig der Spannungsbogen auf hohem Niveau gehalten wird, wenn Kapitel mit offenen Fragen enden. Unterschwellig fügt Karin Lindberg so manches Detail in die Handlung ein, sodass zuweilen der Leser mehr Informationen hat oder sich diese eher zusammenreimen kann, als es den Personen im Buch möglich ist. Das zaubert einem so manches Schmunzeln ins Gesicht, wenn man dann die Aktionen und Reaktionen der einzelnen Charaktere betrachtet. Neben der exzellent entworfenen Familie Lemberg überzeugen auch deren Wegbegleiter durch ihre realistische Darstellung, das Leben zur damaligen Zeit wird mit gesellschaftlichen und politischen Themen anschaulich wiedergegeben. So ist es kaum verwunderlich, dass man sich schnell in Lindbergs Zeilen verliert und mit dem Ehepaar Lemberg und den vier Kindern, Ferdinand, Alba, Charlotte und Kilian mitfiebert. Sie alle stehen vor großen Herausforderungen und müssen sich den Gegebenheiten stellen, welche Standesunterschiede und Zeitgeist vorgeben. Allen voran aber begleiten wir die willensstarke Alba, welche keinesfalls nur eine Rolle als Ehefrau und Mutter anstrebt, sondern vielmehr eine berufliche Tätigkeit im väterlichen Webereiunternehmen vor Augen hat, was sich wiederum für eine Unternehmertochter nicht geziemt. Man sieht, Reibereien sind vorprogrammiert.

Auch dieser Teil der Lemberg-Saga hat mich ausgezeichnet unterhalten, Schatten und Ungewissheiten schweben über der Familie, manche Fragen werden beantwortet, andere warten auf den nächsten Band. Ich habe so meine Hoffnungen, wie sich die eine oder andere Angelegenheit weiterentwickelt, ob diese erfüllt werden, wird sich weisen. Ich bin jedenfalls sehr gespannt und empfehle in der Zwischenzeit die bisher erschienenen Bücher im bewährt bildhaften Schreibstil Karin Lindbergs sehr gerne weiter.

Bewertung vom 28.10.2024
Der Seidenweber (eBook, ePUB)
Weiler, Torsten

Der Seidenweber (eBook, ePUB)


sehr gut

Seiden - Raupen

Im Jahre 1820 erblick Gustav als viertes Kind seiner Mutter das Licht der Welt und gerät in turbulente Zeiten: die Seidenweberei erlebt einen Aufschwung, Telegrafie, Eisenbahn und Dampfmaschinen verändern die Zeit und bald darauf bricht die Konjunktur drastisch ein. Torsten Weiler erzählt aus Gustavs Pullers Leben und damit die Geschichte seiner Vorfahren.

Tatsächlich stellt Weiler historische Figuren in einen Mix aus realen und hinzuerfundenen Elementen, sodass ein schlüssiger Bericht entsteht. Dabei beschränkt sich der Autor auf wesentliche Szenen und Episoden, mitunter mit größeren Zeitsprüngen, sodass keine langatmigen, sich wiederholenden Aufzählungen den Lesefluss stören. Von der Geburt bis zu seinem Tod dürfen wir Gustav begleiten, seine Familie und Freunde kennenlernen. Das Dasein für den Bäckersohn ist einfach, aber nicht unglücklich. Sowohl mit dem ärmeren Webersohn Willi als auch mit den wohlhabenden Kindern von Gut Cracau vergnügt er sich in Kindertagen, entdeckt am Ende seiner Schulzeit die Liebe zu feinen Stoffen und Mustern und erlernt alsdann den Beruf eines Seidenwebers. Die beschwerlichen Tage mit mitunter 16 Stunden Arbeit pro Tag, die Aufstände während des Wirtschaftseinbruches, den Zusammenhalt innerhalb der Familie und vieles mehr verpackt Torsten Weiler in ein abwechslungsreiches Buch, welches uns die Zeit damals sehr gut vor Augen führt. Ein wenig mehr aus der Gefühlswelt der einzelnen Personen hätte mir noch besser gefallen, aber vielleicht zeigt dies genau das, was im 19. Jahrhundert vonnöten war: Lohnkürzungen, Kindstod, Ernteausfälle und andere Schicksalsschläge mutig annehmen und nach vorne schauen, denn das Leben muss einfach weitergehen. Die Entwicklung der Raupe zum Schmetterling wird in diesem Zusammenhang ausgezeichnet in die Handlung eingebettet.

Ein interessanter Querschnitt aus dem Leben einfacher Bürger und Arbeiter in Krefeld, welches für spannende Lesestunden sorgt.

Bewertung vom 26.10.2024
Flucht nach Karlsbad
Caine, Ada

Flucht nach Karlsbad


ausgezeichnet

Beste Oblaten

1894, Bunzelwitz, Böhmen: Die Leitner Burgl (Walburga) hat sich immer gut mit ihrem Bruder Franz verstanden, bis die Eltern gestorben sind und Franz die Schustertochter Josefa heiratet. Einerseits soll sie nun rasch den Krämerladen und das Haus verlassen, andererseits spekulieren Franz und Josefa auf ein Sparbuch, das Burgl von einer Verwandten geerbt hat. Von verschiedensten Seiten bedrängt, flieht das junge Madl zu ihrer Tante Zöpfel, welche in Karlsbad Hausdame des renommierten Hotels Adonis ist.

Die erste Häfte des Buches handelt von Burgls Leben in Bunzelwitz und geht detailliert auf die Schwierigkeiten der Waise ein, danach führt uns der weitere Verlauf in die weithin bekannte Kurstadt Karlsbad mit ihren geräumigen Trinkhallen und imposanten Häusern an der Tepl. Während anfangs nicht nur Franz über das Leben seiner Schwester bestimmen möchte, zeigt Tante Zöpfel später dem fleißigen Mädchen, wie es auch allein einen vernünftigen und zukunftsweisenden Weg finden kann. Immerhin kann sie hervorragend kochen und backen und Zöpfel kennt die Herstellerin der besten Oblaten in Karlsbad. Die Atmosphäre in beiden Teilen ist großartig eingefangen, sehr gut kann man sich die Gegebenheiten und die handelnden Personen vorstellen. Dies insbesondere dann, wenn man bereits Ada Caines Karlsbad-Trilogie gelesen hat und so manche Figur in der Kurstadt schon kennt.

Flott fließen die Zeilen dahin, bildhafte Beschreibungen und bestens gezeichnete Charaktere sorgen für Spannung und Lebendigkeit. Der Charme der Zeit wird rasch offenbar, unterschiedlichste allgegenwärtige Themen wie Erbschaftsstreit, Neid oder die Schwierigkeiten alleinstehender Frauen werden wie nebenbei angesprochen und verleihen dem Geschehen Authentizität.

So fällt es leicht, das Buch in wenigen Tagen durchzulesen und sich in eine vergangene Zeit zurückversetzen zu lassen. Burgl und Tante Zöpfel sorgen für gelungene Unterhaltung, nun heißt es warten, ob es dem Mädl in Karlsbad gelingt, erfolgreich ins Oblatengeschäft einzusteigen.

Bewertung vom 24.10.2024
Villa Obscura (eBook, ePUB)
Hill, Melissa C.; Stapor, Anja

Villa Obscura (eBook, ePUB)


sehr gut

Halloween und Hexenzauber

Eine Villa im Harz, der Brockengipfel im Nebel, die Kulisse für eine aufregende Halloweennacht ist perfekt, die Gäste erscheinen in atemberaubenden Kostümen. Aber was als spaßige Party für junge Leute beginnt, endet in einer Geiselnahme von sechs Gästen und entwickelt sich rasch zu einem spannenden Wettlauf um die Zeit. Haben die gruseligen Legenden und Hexenzaubergeschichten aus der Gegend mit der Entführung zu tun?

Unterschiedliche Blickwinkel der Partyteilnehmer sorgen beim Leser für Abwechslung und gute Einblicke ins Geschehen. Erst werden die Kostüme abgelichtet und die handelnden Figuren vorgestellt (welche ich mir aufgrund der Kurzinfo etwas jünger vorgestellt habe), dann erst passieren sonderbare Dinge, wie im Klappentext beschrieben. Interessant ist jedenfalls der Aspekt, dass man über geraume Zeit so gar keine Ahnung hat, was warum geschieht, welche Motive sich hinter all dem verbergen könnten. In große, übersichtliche Abschnitte gegliedert, tasten sich Geiseln und Leser eher langsam an die wahren Beweggründe der Entführer heran und erleben so manche Überraschung, die wiederum Lebendigkeit und aufregende Momente ins Spiel kommen lassen. Ich persönlich hätte jedenfalls nicht mit diesem Verlauf der Dinge gerechnet und bin, speziell im letzten Drittel, noch mit unvorhersehbaren Wendungen konfrontiert worden.

Fazit: ein unterhaltsamer Thriller für Jugendliche ab 14 Jahren, der genau zu den aktuell kürzer werdenden Tagen und der bevorstehenden Halloweennacht passt. 4 Sterne.

Bewertung vom 20.10.2024
Wer mit den Wölfen heult / Die Canterbury-Fälle Bd.2
Duncan, Tessa

Wer mit den Wölfen heult / Die Canterbury-Fälle Bd.2


ausgezeichnet

Banküberfall

In der Dover Police Station geht ein Alarm ein – Banküberfall. Im flotten Einsatz fällt ein Schuss, abgefeuert von Police Sergeant Martin Gordon, direkt auf seinen Kollegen Clark Jarrett. Notwehr oder Absicht? Das ist hier die Frage, Psychotherapeutin Lily Brown soll ein Gutachten über die Dienstfähigkeit von Gordon erstellen und sticht dabei in ein Wespennest.

Spannend beginnt der neue Canterbury-Fall mit einem Prolog zum Banküberfall aus der Ich-Perspektive. Noch weiß niemand, welche Ursachen und welche Folgen der Schuss aus einer SIG Sauer hat, aber Lily könnte eventuell Licht ins Dunkel bringen. Zumindest soll sie einen Befund erarbeiten im Auftrag des Vorgesetzten von Martin Gordon und Clark Jarrett. Neben Lilys Blickwinkel kommt natürlich auch Martin zu Wort, nach und nach wird immer tiefer gegraben und vergangene Szenen erhellen das Bild. Aber die Angelegenheit soll ja kurzweilig und authentisch bleiben, weshalb auch eine andere Klientin Lilys große Aufmerksamkeit bekommt bei ihrer Angst vor plötzlichem Kindstod und selbstverständlich spielt auch Dan wieder – wie schon im Vorgängerband - eine Rolle und lässt uns teilhaben an seiner Arbeit als Profiler bei der Londoner MET. Nicht zu kurz kommt auch Lily Browns Privatleben, welches das interessante und überaus fesselnde Geschehen perfekt abrundet.

Anders als in klassischen Krimis geht es hier nicht um ein einzelnes Verbrechen, das aufgeklärt werden muss, nein, vielmehr darf der Leser die selbständig tätige Lily in ihrem Alltag begleiten, welcher von Tessa Duncan in brillanter Art und Weise dargestellt wird. Die Autorin, selber promovierte Psychologin und ausgebildete Therapeutin, bringt ihr feines Gespür für Zwischenmenschliches auch diesmal durch ihren bemerkenswerten Schreibstil zu Papier, verwebt tatsächlich geschehene Verbrechen gekonnt mit einer fiktiven Handlung und erzielt mit diesem Vorgehen größtmögliche Authentizität. Die gewählten Themen spannen einen großen Bogen über Kameradschaft, bei Polizei und Marine Korpsgeist genannt, über plötzlichen Kindstod bis hin zu einem Leben als Patchworkfamilie. Auch Kater Mick darf natürlich nicht fehlen, dass es ein reales Vorbild für ihn gibt, ist kaum zu überlesen. ☺ So reiht sich ein aufregendes Kapitel an das nächste, hält die unvorhersehbare Handlung den Leser in Atem. Wie im wahren Leben gibt es Gewinner und Verlierer – und natürlich eine offene Frage am Ende des Buches, welches zwar die kriminalistischen Details zu einem runden und logischen Abschluss bringt, aber offen lässt, wie es mit Lily im Privaten weitergeht. Das wird uns hoffentlich bald ein weiterer Teil dieser großartigen Reihe beantworten.

Wie schon Band Eins, hat mich auch „Wer mit den Wölfen heult“ restlos begeistert. Tessa Duncans Herangehensweise an schwierige Fachgebiete und Problemstellungen (Achtung: plötzlicher Kindstod, Mobbing, Gewalt gegen Frauen) ist ausgezeichnet, insbesondere, wie sie das alles in eine romanhafte Handlung einbettet. Nicht nur die geschilderten Geschehnisse, auch der Ohrwurm „Don‘t Pay the Ferryman“ von Chris de Burgh werden mich noch einige Zeit begleiten. Mir bleibt nun nur mehr, eine Empfehlung für beide bisher erschienenen Bände der Canterbury-Fälle auszusprechen und gebannt auf eine Fortsetzung zu warten.

Bewertung vom 17.10.2024
Tod auf Schloss Solitude
Fiess, Martina

Tod auf Schloss Solitude


sehr gut

Kostüme

In ihrem Job in der Werbebranche muss Bea Pelzer so einiges hinnehmen, aktuell Rokokokostüme und turmartige Perücken, während sie interessante Führungen durch das Schloss Solitude in Stuttgart durchführt. Anschließend plant ihr Chef eine Weinverkostung, um sich selbst vor zahlungskräftigem Publikum in Szene zu setzen. Aber es kommt anders als geplant, Beas Kollegin Pauline, welche schon zuvor nicht auf ihrem Posten anzutreffen ist, wird tot im Gebüsch aufgefunden. Ihrem Naturell entsprechend, will Bea der Polizei unter die Arme greifen und gerät selbst in Gefahr. Ist sie vielleicht gar aufgrund des ähnlichen Kostüms mit Pauline verwechselt worden?

Das malerische Schloss Solitude bildet sich bereits im Titelbild ab und setzt sich samt seiner schönen Umgebung in den konkreten Beschreibungen von Martina Fiess fort. Wissenswerte Details fließen aufgrund der Führungen wie nebenbei ein und verleihen der Kriminalhandlung einen passenden Rahmen. So wird es auch zu Beginn des Romans nicht langweilig, während noch keine Leiche im Spiel ist. Ein angenehmer Schreibstil führt chronologisch durch die Geschichte, welche aus Beas Sicht in der Ich-Form erzählt wird. Verschiedene Theorien zu möglichen Tätern werden aufgegriffen, Bea und Kommissar Gabriel gehen den Hinweisen unabhängig voneinander nach, wobei natürlich Missverständnisse und falsche Schlussfolgerungen nicht fehlen dürfen. Auch der Leser wird mit so mancher Vermutung in gedankliche Sackgassen gelockt und darf miträtseln, was sich im Schlosspark tatsächlich zugetragen hat. Am Ende wartet eine schlüssige Auflösung des Ganzen.

Weniger aufregend als unterhaltsam präsentiert sich Fall Acht rund um Bea Pelzer mit der schönen Schlosskulisse und interessanten Einblicken in die Werbebranche. Vorkenntnisse sind nicht unbedingt nötig, für die Entwicklung der Figur der Bea Pelzer aber auch nicht verkehrt. Ein Buch für vergnügliche Regionalkrimistunden.

Bewertung vom 17.10.2024
Wer das Vergessen stört / Die Canterbury-Fälle Bd.1
Duncan, Tessa

Wer das Vergessen stört / Die Canterbury-Fälle Bd.1


ausgezeichnet

Spielplatz

Lily Brown, ehemals Polizeipsychologin bei der Londoner MET, arbeitet nun als selbständige Psychotherapeutin in Canterbury und hat sofort zwei besonders schwierige Fälle zu begleiten, nämlich jene von Vera Osmond, die unter unerklärlichen Panikattacken leidet und von Samantha Harris, die einem gewalttätigen Ehemann ausgeliefert ist. Als Vera tot aufgefunden wird, deutet vieles auf Selbstmord hin, Lily ist von dieser Theorie aber ganz und gar nicht überzeugt.

Spannende Szenen aus verschiedenen Blickwinkeln, Rückblenden in die 1980er-Jahre, bewegende Schicksale und ein empathischer Schreibstil aus der geschulten Sicht einer Autorin, die selber promovierte Psychologin und ausgebildete Therapeutin ist. Das alles trägt dazu bei, dass dieses Buch überaus fesselnd zu lesen ist und wohl kaum jemanden kalt lässt. Lebendige Figuren und authentische Schauplätze lassen die Handlung sehr realistisch werden, tatsächlich gibt es sogar ein echtes Vorbild für die fiktive Geschichte, wie man im Nachwort erfährt. Lily Brown überzeugt in ihrer Rolle als Psychotherapeutin, obwohl sie selber keineswegs ein geruhsames Leben führt und gerade dadurch so glaubwürdig ist. Über verschiedenste Wege führt sie Vera an den Auslöser ihrer Anfälle heran, es könnte ein frühkindliches Erlebnis auf einem Spielplatz gewesen sein und so nimmt die Geschichte ihren Lauf. Als Leser kann man sich dem entstehenden Sog kaum entziehen, wartet gebannt auf die Fortsetzung, wenn am Ende eines Kapitels Fragen offen bleiben und auf den Seiten darauf ein Szenenwechsel stattfindet. Gekonnt belässt Tessa Duncan einige Details lange im Dunklen, löst aber am Ende alles sauber auf. Alles? Nein, nicht alles – auch wenn die Kriminalhandlung an sich abgeschlossen ist, weckt der letzte Satz Neugierde auf den weiteren Verlauf von Lilys Privatleben. Wer also wissen will, wie es weitergeht, wird alsbald Band Zwei dieser Reihe zur Hand nehmen und in „Wer mit den Wölfen heult“ schmökern. Mein Buch liegt schon bereit!

Hier passt einfach alles: Schreibstil, schwierige Themen (Achtung - Missbrauch, Abhängigkeit!) geschickt zu einem lesenswerten Spannungsroman verwoben, der mit einer sympathischen, ganz und gar nicht perfekten Hauptfigur punkten kann. Ich freue mich auf die Fortsetzung und vergebe gerne fünf verdiente Sterne und eine Leseempfehlung.

Bewertung vom 10.10.2024
Aschezeichen / Liv Jensen Bd.2
Engberg, Katrine

Aschezeichen / Liv Jensen Bd.2


sehr gut

Flucht

Privatdetektivin Liv Jensen soll ihrem Bekannten von der Polizei nur eine kleine Information liefern und landet prompt in einem brisanten Fall, der 30 Jahre in die Vergangenheit zurückführt. Vordergründig geht es um einen Mord auf der naturgeschützten dänischen Insel Vorsø, die Nachforschungen deuten aber schnell auf ein Flüchtlingslager im Jahr 1990 hin.

Ein enges Zelt, beschlagene Innenflächen, ein Toter mit brutal durchschnittener Kehle. Wer sind die handelnden Figuren, wie die Umstände? Das herauszufinden, braucht der Leser ein wenig. Inzwischen kommt Liv auf den Plan, die manche schon vom Vorgängerband Glutspur kennen. Wie schon im Band Eins, geht es überwiegend ruhig zu, wenn auch die anklingenden Themen alles andere als ruhig sind: zur Sprache kommen Flüchtlinge, Integration, ein Auffanglager 30 Jahre zuvor, Drogen, Gewalt gegen Frauen, alleingelassene Jugendliche, alles in allem ein recht düsteres Szenario, das sich gekonnt auf die Gefühle des Lesers überträgt. Katrine Engberg zieht Dänemark als Kulisse geschickt heran, um diesen Kriminalroman zu untermalen, ihm die nötige und vor allem passende Atmosphäre zu verschaffen. Auch die Figur der Privatdetektivin spielt hier entsprechend herein mit einer Frau, die Ecken und Kanten hat und durchaus ihre persönlichen Probleme mitbringt ins Geschehen. Ebenso alle anderen Personen hat der Leser sehr gut vor Augen, sei es die Tochter des Opfers, sei es Livs Nachbar, sei es die Psychologin. Das Zusammenspiel zwischen Vergangenheit und Jetztzeit ist spannend, da und dort geht es um Flucht und Problembewältigung, die einer gut, ein anderer weniger gut hinbekommt. Der Fall selber bringt interessante Ermittlungen mit sich, bei denen man falsche Fährten verfolgt, schlussendlich aber eine nachvollziehbare Auflösung bekommt.

Auch Band 2 mit Liv Jensen hat mich gut unterhalten, ich empfehle Aschezeichen gerne weiter an jene Leser, die mit düsterer Atmosphäre und belastenden Themen (siehe oben) gut umgehen können.