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Nerwen_1205

Bewertungen

Insgesamt 16 Bewertungen
12
Bewertung vom 25.03.2022
Dschinns
Aydemir, Fatma

Dschinns


ausgezeichnet

Intensive Familiengeschichte

Hüseyin hat sich einen großen Traum erfüllt. Er kam als Gastarbeiter nach Deutschland und hat nach vielen Jahren harter Arbeit genug Geld gespart, um eine Wohnung in Istanbul zu kaufen. Endlich ist er nicht mehr derjenige, der arbeiten muss, sondern schaut den Handwerkern dabei zu, wie sie die Wohnung nach seinen Vorstellungen für sich und seine Familie herrichten. Dann erleidet Hüseyin in seiner Istanbuler Wohnung einen Herzinfarkt und stirbt.

Seine Familie – bestehend aus seiner Frau Emine, den beiden Töchtern Sevda und Perihan sowie den beiden Söhnen Hakan und Ümit – kommen zur Beerdigung in Istanbul zusammen. Das Buch ist so aufgebaut, dass jeweils ein Kapitel aus der Sicht jedes Familienmitglieds erzählt wird. Schnell wir klar, dass in der Familie viele Konflikte herrschen und das Schweigen eines der größten Probleme ist.

Aydemir spannt den inhaltlichen Bogen über unterschiedliche Identitätsprobleme, die nicht immer etwas mit der Migrationshistorie der Familie zu tun haben. Es werden aber auch Themen, wie Rassismus oder das Ankommen und Zurechtfinden in einem anderen Land und einer anderen Kultur behandelt, ebenso wie innerfamiliäre Konflikte. Insgesamt hat mich das Buch zum Nachdenken angeregt und ich denke, dass es noch eine Zeit lang nachhallen wird.

Die Geschichte ist von Fatma Aydemir großartig erzählt, intensiv und atmosphärisch dicht. Sie gibt jedem Familienmitglied eine eigene Stimme, die Charaktere sind toll herausgearbeitet und authentisch. Die Geschichte hat mich sehr berührt.

Aus meiner Sicht verdient „Dschinns“ 5 Sterne. Ein großartiges Buch, das stellenweise hart ist, aber tief bewegt.

Bewertung vom 24.02.2022
So reich wie der König
Assor, Abigail

So reich wie der König


ausgezeichnet

Casablanca zwischen Arm und Reich

Sarah lebt gemeinsam mit ihrer Mutter in einem Elendsviertel Casablancas. Da sie aus Frankreich stammt, besucht sie trotz ihrer Armut eine französische Schule - gemeinsam mit Töchtern aus reichen Familien. Sarah möchte ebenfalls wohlhabend sein. Ihr Ziel ist es, einen reichen Mann zu heiraten und damit ihrer Armut zu entfliehen. Als sie Driss kennenlernt, von dem es heißt, dass er "so reich wie der König" ist, setzt sie alles daran, mit ihm zusammenzukommen.

Die Geschichte gibt einen Einblick in das Leben im Casablanca der 1990er Jahre und zeigt die Widersprüche zwischen Arm und Reich. Die Schilderungen in poetischer Sprache sind schonungslos und ehrlich. Direkt am Anfang hat es mich schockiert darüber zu lesen, dass sich Sarah für Paninis oder einen Saft in einem Lokal prostituiert.

Die junge Frau hat es alles andere als leicht in ihrem Leben. Als sie den Entschluss fasst, einen reichen Mann zu finden, fand ich es dennoch sehr berechnend. Die Beziehung, die sich dann zwischen Sarah und Driss entwickelt, ist keine klassische Liebesgeschichte. Sie ist aber auch nicht gefühllos, wie ich erwartet hätte. Trotz der Widersprüche erkennen sie beide Zwänge und Grenzen, die ihre Leben bestimmen und werden zu einer Art Schicksalsgenossen.
Sarah bekommt einen Einblick in das Leben der Reichen und gehört dennoch nicht dazu.

Wer von "So reich wie ein König" einen Liebesroman erwartet, der die Grenzen zwischen Arm und Reich überwindet, wird bitter enttäuscht. Der Roman bietet zum Teil schwere Kost. Es geht um Drogen, Gewalt und Prostitution. Darum wie das Leben der Reichen und Armen ist und wie nah beides nebeneinander stattfindet, aber nicht weiter voneinander entfernt sein könnte.

Das Thema von "So reich wie der König" ist kein einfaches. Mich hat das Buch dennoch gefesselt. Das liegt insbesondere auch an der bildgewaltigen Sprache, die einen mitten in die Erzählung in Casablanca hinein versetzt hat.

Bewertung vom 08.02.2022
Thirteen / Eddie Flynn Bd.4
Cavanagh, Steve

Thirteen / Eddie Flynn Bd.4


ausgezeichnet

Rasanter Justizthriller

Eddie Flynn ist Strafverteidiger in New York und lebt in seinem Job gefährlich. Nun soll er den Hollywood-Star Bobby Solomon vor Gericht vertreten. Ihm wird vorgeworfen, seine Frau und seinen Sicherheitschef ermordet zu haben. Alle Beweise scheinen gegen Bobby zu sprechen, aber Eddie glaubt an dessen Unschuld. Seine Ermittlungen führen ihn zu einem neuen Verdächtigen - und der sitzt in der Jury!

Die Geschichte wird abwechselnd aus der Sicht von Eddie und dem Mörder Kane erzählt. Wenn man nun denkt, dass von Anfang an alles klar ist, kann ich nur sagen: Weit gefehlt! Auch wenn man den Mörder bereits kennt, ist der Thriller unglaublich spannend und bietet bis zum Ende viele Wendungen. Nicht jede, aber doch die meisten davon, kamen überraschend. Zudem ist der Thriller so rasant und gut durchdacht, dass man das Buch einfach nicht aus der Hand legen kann. Es geht manchmal blutig zur Sache, aber nicht übertrieben. Die Szenen vor Gericht sind interessant und spannend.

Eddie erscheint manchmal ein wenig James Bond-like, aber darüber kann ich hinwegsehen, weil der Rest für mich einfach passt. Ich war überrascht, dass es vom Autor bereits einige Vorgänger- und Folgebände rund um Eddie Flynn im englischen Original gibt. Warum haben die es nicht in die deutsche Übersetzung geschafft? Ich bleibe auf jeden Fall dran und frische meine Englisch-Kenntnisse auf ;-)

Zu "Thirteen" kann ich nur sagen: Ein toller Justiz-Thriller, der mich begeistert hat!

Bewertung vom 31.01.2022
Gala und Dalí - Die Unzertrennlichen / Berühmte Paare - große Geschichten Bd.1
Frank, Sylvia

Gala und Dalí - Die Unzertrennlichen / Berühmte Paare - große Geschichten Bd.1


gut

Die große Liebesgeschichte bleibt leider aus

Um seine Schaffenskrise zu überwinden und die abgekühlte Ehe zu beleben, fährt der Dichter Paul Éluard mit seiner Frau Gala über den Sommer in das katalonische Cadaqués. Dort lernen sie den jungen und aufstrebenden Maler Salvador Dalí kennen. Zwischen Gala und Dalí keimen Gefühle auf. Dennoch begleitet Gala ihren Mann zurück nach Frankreich. Als Dalí wegen seiner ersten Ausstellung nach Paris reist, trifft er Gala wieder und die beiden werden ein Paar.

Der Schreibstil des Autorenpaars Sylvia Frank hat mir unglaublich gut gefallen. Er ist sehr bildhaft und besonders in der Beschreibung von Landschaften stark. Ich habe mich direkt nach Katalonien versetzt gefühlt. Dadurch war der Roman gut und flüssig zu lesen.

Ich habe mich unterhalten gefühlt, muss aber sagen, dass meine Erwartungshaltung eine etwas andere war. Eine "bewegende Liebesgeschichte" wurde angekündigt. Die Liebe zwischen Gala und Dalí wird im Roman allerdings sehr blass dargestellt. Es geht vielmehr darum, wie Dalí es zu seinem Durchbruch geschafft und Gala ihn dabei unterstützt und den Rücken freigehalten hat. Gala wirkt im Roman berechnend. Als ob ihr Motiv war, an der Seite eines großen Künstlers zu stehen - und als Éluard seinen künstlerischen Zenit überschritten hat, wendet sie sich Dalí zu. Ich befürchte, dass das der Geschichte der beiden nicht gerecht wird. Immerhin verlässt Gala ihr sehr priviligiertes Leben für ein - vor allem finanziell - unsicheres Leben an der Seite eines noch nicht etablierten Künstlers.

Falls es nicht die innige und leidenschaftliche Liebe zwischen den beiden war, ist das natürlich ok. Immerhin betrachtet das Buch historische Personen und ist nicht reine Fiktion. Aber eine bessere Einordnung der Hintergründe oder eine andere Bewerbung wären vorteilhaft gewesen. Dem Nachwort der Autoren habe ich entnommen, dass die Recherche sehr schwierig war, da Gala und Dalí über ihr Privatleben eher geschwiegen haben. Das merkt man leider aus meiner Sicht insbesondere an dem oben genannten Punkt.

Der Roman befasst sich auch nur mit einem relativ kurzen Zeitraum von wenigen Jahren. Ich hätte mir eine längere Zeitspanne gewünscht, da es sehr schnell und abrupt zu Ende geht.

Aufgrund der oben genannten Punkte hat mich "Gala & Dalí" nicht restlos überzeugt. Durch den tollen Schreibstil und auch den Einblick in den künstlerischen Schaffensprozess konnte der Roman aber punkten. Und er hat definitiv mein Interesse daran geweckt, mehr über Dalí und seine Kunst zu erfahren.

Bewertung vom 18.01.2022
Der fürsorgliche Mr Cave
Haig, Matt

Der fürsorgliche Mr Cave


ausgezeichnet

Eine Tragödie

Terence Cave hat schon einige Schicksalsschläge erlebt. Seine Mutter beging Suizid, seine Frau wurde bei einem Raubüberfall getötet und nun stirbt sein Sohn Reuben bei einer Mutprobe. Terence bleibt nun nur noch seine Tochter Bryony. Er hat Angst sie auch noch zu verlieren und setzt alles daran, sie zu schützen.

Das Buch gleicht einer Art Bericht. Er ist aus der Perspektive von Terence Cave geschrieben und richtet sich an dessen Tochter Bryony. Terence ist alles andere als ein sympathischer Charakter. Ich habe während des Lesens viele Male den Kopf über ihn geschüttelt und war zunehmend fassungslos über sein Verhalten und darüber wie sich die Lage immer weiter zuspitzt. Terence versucht Bryony mit krankhaftem Eifer zu schützen und nimmt ihr immer mehr die Luft zum Atmen. Dabei wird er immer wahnhafter und sein Verhalten zunehmend paranoid.

Terence hat seine Tochter bereits seit ihrer Geburt auf ein Podest gestellt und sie gegenüber ihrem Bruder bevorzugt. Sie war in seinen Augen immer die Unschuldige, Reine und Schöne – und ihr Bruder Reuben eher das Gegenteil. Ohne zu viel verraten zu wollen, ist „Der fürsorgliche Mr. Cave“ für mich auch ein Buch über Schuld.

Die Geschichte ist düsterer als man es vielleicht aus anderen Büchern von Matt Haig gewohnt ist. Für mich las es sich eher wie Drama oder auch eine Tragödie. Klar ist aber, dass Matt Haig einfach unglaublich gut darin ist, über die menschliche Psyche zu schreiben – auch wenn sie wie im Fall von Terence Cave in dunkle Gefilde gelangt ist. Wenn man damit also kein Problem hat, kann ich „Der fürsorgliche Mr. Cave“ auf jeden Fall empfehlen.

Das Cover passt für mich am Ende nicht so gut zu der Geschichte. Es erscheint mir zu weich für das, was sich zwischen den Buchdeckeln verbirgt. Und ich denke auch, dass der englische Titel deutlich besser passt: „The possession of Mr. Cave“. „Fürsorge“ ist ein Begriff, der mir nach der Beendigung des Buchs weniger in den Sinn kommt.

Bewertung vom 18.01.2022
Milch Blut Hitze
Moniz, Dantiel W.

Milch Blut Hitze


ausgezeichnet

Ein Mädchen ist erfüllt von Leere und weiß nicht warum. Dann passiert eine Tragödie. Ein Mann muss dabei zusehen, wie seine Frau stirbt. Sie hat sich gegen die weitere Behandlung ihrer Krankheit entschieden. Eine junge Frau wird schwanger und weiß nicht, ob sie ihr Kind behalten soll. Sie ist gefangen zwischen ihren eigenen Wünschen, den Erwartungen ihrer Mutter und den Entwicklungen in dieser Welt. Eine andere Frau muss damit umgehen, dass sie eine Fehlgeburt erlitten hat. Die Beziehung zu ihrem Mann droht daran zu zerbrechen.

In insgesamt elf Kurzgeschichten erzählt Dantiel W. Moniz in „Milch Blut Hitze“ vorrangig von schwarzen Mädchen und jungen Frauen. Die Geschichten sind komplex, wie die Lebenssituationen der Protagonist:innen, aber dennoch präzise und auf den Punkt gebracht.
Es geht um die Beziehungen zu ihren Familien (meist ihren Müttern), ihren Partnern, Freundinnen und vor allem zu sich selbst. Alle Frauen haben Herausforderungen zu meistern. Wie gehe ich mit einer traumatischen Kindheit um? Möchte ich Kinder? Liebe ich meinen Mann noch? Warum hat meine Mutter mich verlassen? Warum hat der Priester unserer Kirche einen Hass auf Frauen? Warum lehnt mich meine Tochter ab?

Die Kurzgeschichten habe ich als ehrlich und schonungslos empfunden. Sie nehmen oft eine unerwartete oder düstere Wendung und die Protagonistinnen treten in den Kontakt mit der dunklen Seite in ihnen. Nicht alles wird ausgesprochen, manches bleibt zwischen den Zeilen. Gerade das macht es für mich so fesselnd und hat so manche Geschichte nachhallen lassen. Unbedingt lesenswert!

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