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Top-Rezensenten Übersicht

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Barbara
Wohnort: 
Remscheid

Bewertungen

Insgesamt 180 Bewertungen
Bewertung vom 08.10.2024
La Louisiane
Malye, Julia

La Louisiane


sehr gut

In La Lousiane von Julia Malye begleiten wir drei junge Frauen auf dem Weg aus der psychiatrischen Anstalt Salpêtrière in Paris nach Übersee in die französische Kolonie La Lousiane im Jahr 1720.
Charlotte kennt ihre Eltern nicht, sie wächst in der psychiatrischen Anstalt unter der Obhut der Schwestern auf. Geneviève musste in Armut ihre Heimat Provence verlassen, sie wird ungewollt schwanger und durch ihr eigenes Schicksal eine Engelmacherin. Pétronille stammt aus einem verarmten adeligen Haus. Zusammen mit anderen Frauen durchleben sie auf einem Schiff nach La Louisanne die Gefahren einer langen Reise. Dort angekommen werden sie mit den Männern der Kolonie verheiratet, um den Fortbestand zu sichern. Die drei Freundinnen erleben viele Höhen und Tiefen, müssen sich den neuen Gegebenheiten anpassen, ihren Ehemännern unterordnen und ihre eigenen Gefühle verdrängen.
14 Jahre im Leben der drei Frauen beschreibt Malye in ihrem gut recherchierten historischen Roman, wobei man als Leser*in alle Höhen und Tiefen vor allem in der neuen Welt durchlebt: es kommt zu Kriegen mit den Ureinwohnern, zu Sklavenaufständen, es gibt wohlmeinende und prügelnde Ehemänner, immer wieder droht den Frauen Armut aus Rechtlosigkeit. Dazu die vielen Schwangerschaften, die die Körper an die Grenzen führen und Kinderlosigkeit, die den Weg ins Kloster führen.
Mit viel Feingefühl beschreibt die Autorin die starken Bande zwischen den Frauen, die für manche auch über eine Freundschaft hinaus gehen. Durch die wechselnden Kapitel aus der Sicht verschiedener Frauen baut sich eine intensive Beziehung zu allen drei Charakteren auf, kurze Zeitsprünge tun hier dem Erlebten keinen Abbruch.
Es ist ein interessantes, wenn auch brutales Kapitel der französischen Geschichte und Julia Malye gibt hier an Hand von drei Beispielen vielen Frauen ein Gesicht, die sich den Gegebenheiten anpassen mussten, um zu überleben. Die beschriebene Stärke, die Anpassungsfähigkeit und Kompromissbereitschaft der Frauen machen dieses Buch neben einem historischen auch zu einem feministischen Roman, der bei aller Dramatik und stellenweise auch Brutalität gut unterhält.
Eine Empfehlung für Freunde von historischen Romanen, vor allem jedoch für Frauen.

Bewertung vom 02.10.2024
Das große Spiel
Powers, Richard

Das große Spiel


ausgezeichnet

Es sind vier sehr unterschiedliche Charaktere, mit den Richard Powers eine ungemein komplexe Geschichte über ein großes Spiel beschreibt. Dabei geht es um vielfältige Themen wie KI, Naturschutz, technischer Fortschritt, Liebe und Freundschaft. Verbindendes Glied zwischen den Menschen und Themen ist dabei die winzige Pazifikinsel Makatea im Jahr 2027, hier beginnt und endet die Geschichte in einem großartigen Finale.
Besonders fasziniert hat mich die Geschichte um die Meeresforscherin Evie Beaulieu, die als erste Frau in diesem Beruf eine Vorreiterin ist und sich immer wieder entscheiden muss zwischen ihrer grenzenlosen Liebe zum Ozean und einem Leben als Ehefrau und Mutter. Hier enthüllt Powers so ganz nebenbei ein großes Wissen über die Meere und ihre Lebewesen, seine Beschreibungen der Tauchgänge und der Unterwasserwelt sind extrem anschaulich und intensiv.
Die Freunde Todd Keane und Rafi Young sind so unterschiedlich wie zwei junge Männer nur sein können. Rafi wird als schwarzer Junge in einfachen Verhältnissen geboren, jedoch von seinem Vater zu Höchstleistungen gedrillt. Seine große Liebe gilt der Literatur und der Lyrik im Besonderen, seine hohe Intelligenz und seine Begeisterung für strategische Spiel lässt ihn mit dem weißen Todd aus gehobenen Verhältnissen zusammentreffen. Dieser ist fasziniert von den ersten Computern, er wird Programmierer und verdient zuletzt Unsummen in der Computertechnologie. Es entwickelt sich eine Freundschaft, die geprägt ist von einer an Besessenheit grenzenden Begeisterung für Spiele aller Art, dem Drang zu gewinnen und besser zu sein als der andere.
Ina Aroita ist Künstlerin und erschafft mit dem auf Makatea angeschwemmten Plastikmüll eine Skulptur, die für die Verschmutzung der Meere und die Bedrohung der Tierwelt durch den Menschen steht.
Überhaupt ist diese kleine Insel im Gebiet Französisch-Polynesien der Schauplatz für alle Gegensätzlichkeiten. Die vor vielen Jahren von den Amerikanern ausgebeutete Insel soll der Ort werden für den ganz großen Fortschritt, ihre Bewohner sind Fischer und einfache Geschäftsleute, eine Handvoll Kinder, Rafi und Ina, die hochbetagte Evie, eine Königin. Hier kommen immer wieder die großen Fragen ins Spiel, die Natur gegen den Menschen, Erneuerung gegen Tradition, Vergangenheit und Zukunft.
Am Anfang hatte ich etwas Schwierigkeiten, in den Roman hinein zu finden. Die verschiedenen Schauplätze, die unterschiedlichen Erzählweisen der Charaktere und die Zeitsprünge erfordern hohe Konzentration. Doch je weiter die Geschichte sich entwickelt um so mehr gerät man als Leser*in in ihren Bann, verfolgt die geschickt sich entwickelnden Zusammenhänge der Personen und staunt über dieses ganz große Spiel, das Powers hier präsentiert. Der Schreibstil des Autors ist unglaublich schön und fesselnd, er bringt dem Leser seine Themen gekonnt und dabei unterhaltsam nahe und lässt eine schillernde und faszinierende Welt entstehen.
Eine unbedingte Empfehlung für Freunde von etwas anspruchsvollerer Literatur und herausragendem Schreibstil.

Bewertung vom 27.09.2024
Coco kann!
Harel, Maike

Coco kann!


ausgezeichnet

Es gibt so vieles, was Kinder nicht können, so wie die kleine Coco. Schnell ist sie dabei zu sagen: ich kann das nicht, ist ungeduldig beim Schleife binden, hat Angst an dem großen Hund vorbei zu gehen und ist zornig, weil sie die Uhr nicht lesen kann. Doch mit einer erzählten Geschichte und ein wenig Geduld, Übung und Überwindung wird Coco ein strahlendes Mädchen das ruft: Hurra, ich kann!
Mir gefällt diese Geschichte von Maike Harel, die das Selbstvertrauen stärkt und Mut macht auch deshalb gut, weil die kleine freche Coco am Ende den Spieß rumdreht und den Vater mit seinen eigenen Geschichten schlägt. Bei den liebevollen Illustrationen von Julia Christians liegt der Fokus vor allem auf der Mimik der eher schematisch gezeichneten Figuren. Ein nettes Beiwerk ist der kleine Vogel, der Coco in jeder Szene begleitet und den die Kinder beim Vorlesen zusätzlich auf jeder Seite suchen können. Zudem mag ich die Reimform, die für Kinder immer schön ins Ohr gehen und sich melodisch vorlesen lässt.
Ein schönes Buch als Anregung für das Selbstvertrauen der Kleinen, das sich sehr gut moduliert vorlesen lässt und damit auch Eltern und Kindern viel Spaß macht.

Bewertung vom 09.09.2024
Uppppps! Entschuldigung!
LaRochelle, David

Uppppps! Entschuldigung!


ausgezeichnet

Als erstes fällt das Format dieses Buches auf, das deutlich größer ist als ich erwartet habe. Aber dadurch kommen die witzigen Illustrationen sehr gut zur Geltung, die diesem Buch mit dem ernsten Thema viel Leichtigkeit und Spaß verleihen.
Schon das Cover mit dem vom Biber abgenagten Baum ist ein schöner Hingucker, die grummelige Eule ist not amused.
Der Titel mit dem umgangssprachlichen UPPPPPS! lässt das erwarten, was man dann auch findet: lustige Episoden, warum, wann und wie man sich entschuldigen sollte - und wie nicht! Der Text dazu ist zunächst sehr kurz, wird dann jedoch ausführlicher wenn es darum geht, wie man es nicht machen sollte. Das erfordert von den Kleinen schon eine deutlicheres Abstrahieren, hier wird wohl nicht jedes 3jährige Kind schon alles verstehen können. Auf der anderen Seite ist dieses Buch dadurch auch für deutlich ältere Kinder noch interessant.
Ansonsten gefallen mir die deutlichen und schnörkellosen kurzen Aussagen, die so schön durch die doppelseitigen großen Bilder untermalt sind. Schon die erste und auch die letzte Seite sind ein echter witziger Hingucker.
Ein Buch, das auch den Erwachsenen Spaß macht und manchem sicher auch thematisch gut tut! Für mich besonders gut für Kindergärten und erste Grundschuljahre geeignet.

Bewertung vom 09.09.2024
Ein anderes Leben
Peters, Caroline

Ein anderes Leben


gut

Drei Töchter von drei verschiedenen Männern und drei mal geschieden, das ist die Lebensbillanz von Hanna. Bei der Beerdigung ihres Vaters versucht ihre jüngste Tochter sich an das Leben ihrer Mutter zu erinnern, das so anders war als das der Mütter ihrer Klassenkameradinnen. Dabei umfasst die Handlung des Buches nur einen Tag, nämlich den der Beerdigung, während der Rest Rückblenden und Erinnerungen sind.
Hanna war eine ungewöhnliche Frau und wirkt in der Erzählung ein bisschen aus der Zeit gefallen. Sie heiratete nacheinander ihre drei Studienfreunde und behält einen guten Kontakt zu all ihren geschiedenen Männern bis zum Schluß. Mutter wird sie eher nebenbei, ihre Leidenschaft gilt der Lyrik, der Literatur und der Kunst. Geregelte Tagesabläufe ihrer Töchter oder warmes Mittagessen interessieren sie wenig, sie ist ein Freigeist und lebt ihr eigenes Leben. Die Töchter halten nur selten zusammen, vielmehr beherrschen Eifersucht, Streit und die Anerkennung des jeweiligen Vaters ihren Umgang miteinander. Wenige schöne Erinnerungen oder liebevolle Episoden beschreibt die Autorin hier in ihrer Kindheit, selbst auf der Beerdigung herrscht vorwiegend Uneinigkeit.
Ich gehe davon aus, dass Caroline Peters ihre eigene Kindheit und damit das Leben ihrer Mutter beschreibt. Mir gefällt der Schreibstil, obwohl ich den angekündigten hinreißenden Humor nur ganz selten als kurzes Aufblitzen wahrnehme. Leider werde ich mit keiner der beschriebenen Personen wirklich warm, auch die jüngste Tochter, von der man viel erfährt, bleibt mir immer doch fremd und seltsam unnahbar.
Dieser Roman wirkt auf mich wie ein Abrechnen mit der schwierigen Familie. Einerseits wird die Mutter vergöttert, das Buhlen um ihre Anerkennung zieht sich wie ein roter Faden durch all die fehlende mütterliche Zuwendung und Aufmerksamkeit. Andererseits scheint es ein Versuch der Tochter zu sein, das Leben der Mutter zu verstehen und mit ihr Frieden zu schließen, um ihre schwierige Kindheit aufzuarbeiten und eigene Wege gehen zu können.
Das Cover des Buches passt in meinen Augen nicht wirklich zum Inhalt des Romans, ich würde die dargestellte Frau keiner der handelnden Personen zuordnen.
Die Autorin ist eine sehr bekannte Schauspielerin, um so mutiger finde ich es, die eigene Lebensgeschichte so unverblümt zu erzählen.
Ein interessantes Buch, dass mich jedoch nicht vollends überzeugen konnte.

Bewertung vom 02.09.2024
Die Frauen jenseits des Flusses
Hannah, Kristin

Die Frauen jenseits des Flusses


sehr gut

Frankie McGrath meldet sich 1965 freiwillig als Krankenschwester in Vietnam und verlässt zum Entsetzen ihrer Eltern damit den vorgezeichneten Weg einer höheren Tochter, die ausschließlich nach Ehe und Mutterschaft zu streben hat. Die Gräuel des Krieges sind entsetzlich, doch Frankie wächst über sich hinaus und entwickelt sich zu einer mutigen und tüchtigen jungen Frau. Doch mit der Rückkehr in die Heimat muss sie erleben, dass die Verleugnung ihrer Umgebung und der Hass, der allen Vietnam-Veteranen entgegenschlägst, sie zu vernichten droht.
Kristin Hannah ist es wieder gelungen, ein starkes Frauenbild zu schaffen und den Unsichtbaren eine Stimme zu geben. Am Beispiel von Frankie erlebt man das Frauenbild in der Zeit um den Vietnamkrieg, erlebt mit ihr das Grauen an der Front, die Schrecken von Napalm und Agent Orange und das Kippen der Einstellung eines Großteils der amerikanischen Bevölkerung zum Krieg. Das Krankheitsbild der Posttraumatischen Belastungsstörung, unter der so viele Kriegsheimkehrer leiden, ist noch nicht anerkannt und zusätzlich wurde die Teilnahme von Frauen im Vietnamkrieg schlichtweg verleugnet. 1974, als der Krieg vorbei und Nixon zurückgetreten war, verschwanden Vietnamveteranen weitgehend von der Bildfläche, sie wurden entweder verachtet oder nicht beachtet. Die Folgen für die Betroffenen werden von Hannah schonungslos beschrieben.
Einfühlsam und eindringlich beschreibt die Autorin nicht nur den Krieg, sondern auch die Zeit der Rückkehr, das Sehnen nach der erlebten Kameradschaft, nach Zugehörigkeit und Liebe. Das Gefühl der Scham wird ebenso thematisiert wie Schlaflosigkeit, Alpträume, Alkohol- und Drogenabhängigkeit. Mit Frankie durchläuft man als Leser*in alle Stadien ihres Lebensweges mit Höhen und Tiefen und erlebt die große Kraft von Freundschaft und die verschiedenen Facetten der Liebe.
Ein mitreißender Roman, der leider auch einige Klischees aufweist, die ihn für mich an dieser Stele einen halben Stern gekostet haben. Allerdings aber auch diese Geschichte gleichzeitig zu einem historischen Roman, einem Liebesroman und einem Politischen Roman mit hohem Unterhaltungswert machen.
Eine starke Hommage an alle Frauen, die im Krieg ihr Leben riskiert haben, ohne dafür Anerkennung oder Respekt bekommen zu haben.

Bewertung vom 02.09.2024
Das Schweigen meiner Freundin
Baldelli, Giulia

Das Schweigen meiner Freundin


ausgezeichnet

Giulia und Cristi werden tief verbundene Freundinnen, bis eines Tages ein Dritter im Bunde auftaucht: Mattia will zunächst nur mitspielen. Giulia muss erleben, dass ihre beiden Freunde eine innige Verbindung zueinander haben, die sie, ohne es zu wollen, ausschließt. Mit 60 Jahren kehrt Giulia in ihr Heimatdorf zurück und erinnert sich an die gemeinsame Vergangenheit von Cristi, Mattia und ihr. Es ist eine Geschichte von Liebe, Obsession, Verrat und unerfüllten Lebensträumen.

Giulia Baldelli gelingt es in ihrem Roman "Das Schweigen meiner Freundin" ganz große Gefühle auszudrücken, ohne pathetisch oder schwülstig zu werden. Sie beschreibt das Leben der Protagonisten intensiv und berührend, so dass man mit Giulia leidet, mit Mattia zweifelt und mit Christi fast untergeht. Nicht zuletzt durch ihre Liebe zum Heimatdorf treffen die Lebenswege der drei Personen immer wieder aufeinander, dadurch schaffen sie es nicht, sich voneinander zu lösen. Dabei gelingt es der Autorin mit einem bildhaften Schreibstil auch, die Umgebung des kleinen Dorfes in den Marken den Leserinnen und Lesern genauso Nahe zu bringen wie die winzige Wohnung in Bologna und das Leben und Arbeiten in der Stadt. Dadurch ist es auch ein sehr italienischer Roman, der sich gut als etwas anspruchsvollere Urlaubslektüre eignet.

Beeindruckt hat mich in diesem Roman, wie einfühlsam die Autorin die Kraft der Gefühle dreier Menschen zueinander beschreibt. Die Geschichte bleibt dabei interessant und spannend bis zum Schluß. Eine unbedingte Leseempfehlung, vielleicht eher für Frauen als für Männer.

Bewertung vom 26.08.2024
Unsere Jahre auf Fellowship Point
Dark, Alice Elliott

Unsere Jahre auf Fellowship Point


sehr gut

Agnes und Polly sind über 80 und Freundinnen, seitdem ihre Familien die Sommer auf Fellowship Point in Maine verbringen. Obwohl beide Frauen extrem unterschiedlich sind gehen sie gemeinsam durch die Jahrzehnte, erleben Geburten und Tod, Freundschaften und Feindschaften, Liebe und Schmerz.
Agnes hat nie geheiratet, ist eine erfolgreiche Schriftstellerin und genießt ihre Freiheit und Unabhängigkeit - jedenfalls meistens. Polly ist mit einem Mann verheiratet, dem sie sich immer unterordnet und zieht dabei ihre 4 Kinder groß. Wir erleben ihre Wege durch die Jahre nicht chronologisch sondern in Rückblicken, in Briefen und Tagebüchern. Viele Erlebnisse, die Alice Elliott Dark in ihrem Roman schildert, sind ganz alltägliche Episoden. Hier geht es um das Bewältigen des täglichen Allerleis, aber auch um Umweltschutz und Engagement, um Freundschaften und Tierliebe. Doch sind es vor allem die einschneidenden Erlebnisse in beider Leben, vor allem auch das Schicksal der kleinen Nan, die ein tiefes Mitgefühl beim Lesen wecken. Und häufig stellt man fest, dass Pollys Alltagsweisheit die intellektuelle Brillanz von Agnes in den Schatten stellt.
In ihrem wunderbaren Schreibstil gelingt es der Autorin, Polly und Agnes den Lesern nahe zu bringen. Ihre detaillierten Landschaftsbeschreibungen, ihr leichter Humor und die beiden unterschiedlichen Charaktere machen dieses Buch auf ruhige Art sehr intensiv und unterhaltsam. Dark hat 17 Jahre an diesem Roman gearbeitet, das merkt man vor allem an den liebevollen Details, mit denen sie Personen und Geschehnisse darstellt.
An manchen Stellen gab es für mich jedoch ein paar kleine Längen, hier hätte man das dicke Buch sicher auch um 100 Seiten kürzen können. Trotzdem eine unbedingte Leseempfehlung an alle, die ruhige und intensive Familienromane zu schätzen wissen.

Bewertung vom 26.08.2024
Sing, wilder Vogel, sing
O'Mahony, Jacqueline

Sing, wilder Vogel, sing


ausgezeichnet

Schon die Geburt von Honora steht unter einem schlechten Stern und so wird das bettelarme aber intelligente Mädchen stets von den Dorfbewohnern ausgegrenzt und verhöhnt. Es ist 1849 und in Irland herrscht eine katastrophale Hungersnot, der Honora nur ganz knapp entflieht. Ihr altes und unglückliches Leben zurücklassend reist sie nach Amerika, nur um dort wieder Unterdrückung und Elend zu erleben.

Die Suche nach Freiheit ist ein immer wiederkehrendes Thema in Jacqueline
O´Mahonys Roman, der geschickt historische Fakten mit dem Schicksal einer wilden und starken jungen Frau verbindet. Die große Hungersnot in Irland und die Tragödie von Doolough berühren zutiefst, die Erlebnisse von Honora und das Leben in der damaligen Zeit werden einfühlsam und intensiv beschrieben.

Es ist kein Wunder, dass Honora immer wieder nach Freiheit strebt, erlebt sie doch von Kind an, dass sie nichts zu sagen hat und den Männern untertan ist: erst dem lieblosen Vater, dann dem Ehemann. Auch in Amerika bestimmt Armut und harte Arbeit ihr Leben, Ungerechtigkeiten soll sie als Frau hinnehmen, Rechte hat sie keine. Doch die Stärke dieser Frau ist unermesslich, Angst ist für sie ein Ansporn. Der Versuch in Amerika, ihr altes Leben hinter sich zurück zu lassen, misslingt immer wieder. Ihr Rückzug vom Sprechen entspringt dem Wunschdenken, dass etwas was nicht erzählt wird auch niemals stattgefunden hat. Es gibt ihr ein Machtgefühl in Zeiten, in denen sie sich hilflos ausgeliefert fühlt: "Sag nichts, denk nichts, und fühl nichts, ermahnte sie sich. Halt einfach durch." (S147)
Immer wieder versucht Honora, ihre Fesseln abzustreifen und glücklich zu werden. Ihre unbändige Liebe zur Natur ist von klein auf tief in ihr verwurzelt, atemlos verfolgt man beim Lesen ihre unermüdlichen Neuanfänge und die Hoffnung auf Freiheit.
Die Autorin versteht es mit einem wunderbaren Schreibstil, die Natur nahe zu bringen und die Emotionen sehr bildhaft zu beschreiben. Beim Lesen sieht man die irische Landschaft und die amerikanische Prärie, man durchlebt Hunger, Kälte und Verrat mit der Protagonistin und bewundert ihre Stärke und ihr Streben nach Glück.
Ein intensiver und berührender Roman in einer wunderbaren Sprache geschrieben, der eine unbedingte Leseempfehlung verdient.

Bewertung vom 19.08.2024
Hortensientage
Inusa, Manuela

Hortensientage


gut

Lisa und Werner sind noch Schulkinder, als sie sich kennen und bald auch lieben lernen. Doch es stehen ihnen zunächst schwere Zeiten bevor, Werner muss in den Krieg ziehen und sie müssen eine lange Trennung überstehen. Doch die Entbehrungen schweißen die beiden Liebenden nur noch mehr zusammen und die Leser*innen begleiten sie durch ihr gemeinsames, überwiegend glückliches Leben.

Manuela Inusa erzählt in diesem Roman die Geschichte ihrer Großeltern, zu denen sie ein sehr inniges Verhältnis hatte. Dabei gibt die Autorin auch viel über sich und ihre eigenen Familie Preis, was ich sehr mutig finde.

Sehr interessant ist es zu verfolgen, wie Lisas und Werners Leben die deutsche Geschichte durchläuft. Das Leben im 2. Weltkrieg, der Hunger und die Armut, die beengten Verhältnisse nach dem überstandenen Krieg und die Freude am Sohn und den Enkelkindern - durch dick und dünn gehen diese beiden Liebenden. Als Lisa ihrer Enkelin nach langem Zögern aus ihrem früheren Leben erzählt, lebt sie bereits im Heim und gibt ihre Vergangenheit in kurzen Etappen und Erinnerungen wieder. Leider wird der Erzählfluss von Lisa immer wieder durch längere Passagen aus der Gegenwart unterbrochen, in der Manuela ihre Großmutter im Heim besucht. Die immer wiederkehrenden Besuche der Enkelin, das gemeinsame Kuchenessen und die Befindlichkeiten der anderen Heimbewohner sind anfangs interessant, nehmen mir aber viel zu viel Raum ein. Dadurch kommt bei mir eine gewisse Langeweile auf, da ich die Geschichte der Großmutter viel spannender finde. Auch geht mir die Autorin oft zu rührselig mit der Geschichte um, obwohl das durch ihre große persönliche Beziehung zu den Protagonisten natürlich zu erklären ist. Zudem hätte ich mir einen etwas weniger schlichten Schreibstil gewünscht. Die Liebesgeschichte zwischen Lisa und Werner ist anrührend und zeigt, wie sehr Entbehrungen die Menschen zusammen schweißen können und macht auch die Unterschiede zu Beziehungen in der heutigen Zeit deutlich.