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Benutzername: 
Barbara
Wohnort: 
Remscheid

Bewertungen

Insgesamt 157 Bewertungen
Bewertung vom 01.05.2024
Bonjour Agneta
Hamberg, Emma

Bonjour Agneta


ausgezeichnet

Agneta ist 49, Mutter zweier erwachsener Kinder und Ehefrau von Magnus, der in der Beziehung das Sport- und Ernährungsprogramm vorgibt. Als ihr das zu viel wird bewirbt sie sich auf eine Zeitungsannonce, die sie in ein kleines Städtchen in der Provence und zu einer große Herausforderung führt.
Mit viel Humor beschreibt Emma Hamberg eine völlig durchschnittliche Frau, die immer ihren Pflichten nachgekommen ist, sich um die Familie gekümmert hat, in ihrem Beruf fleißig war und dabei immer unsichtbarer geworden ist. Ihr heimliches Aufbegehren gegen Magnus Fitnesswahn ist herrlich zu lesen, das versteckte Toastbrot, die ungesunde Marmelade, die Flasche Rotwein unter dem Bett. Der Mut, die Auszeit in der Provence zu machen und Haus, Mann und Kinder einmal hinter sich zu lassen, überrascht Agneta selber am meisten. Es ist faszinierend zu lesen, wie diese angepasste und unsichere Frau ihre Komfortzone verlässt. Am liebsten möchte man sie packen und sagen: Kopf hoch, du schaffst das schon, du hast ein bisschen Freiheit und Glück und Unabhängigkeit verdient. Wunderbar versteht es die Autorin zu beschreiben, wieviel Lebensfreude ein schönes Essen, ein Besuch auf einem französischen Markt und ein gutes Glas Wein bedeuten kann. Überhaupt sind die Beschreibungen der Franzosen im Gegensatz zu den Schweden sehr unterhaltsam, was dieses Buch zu einem wunderbaren Urlaubsroman macht.
Doch gibt es auch einen Teil der Geschichte, der nachdenklich stimmt. Themen wie Vorurteile gegen Homosexuelle und der Umgang mit Dementen und älteren Menschen sind überall aktuell. Und natürlich das Selbstwertgefühl von Frauen, der Sinn des beständige Streben nach einem schlankeren und fitteren Körper.
Zu lesen, wie Agneta sich langsam verändert, sich selber wahrnimmt, aus sich heraus geht und neue Freunde kennen lernt, ist witzig und unterhaltsam. Dieses Buch kann ich jedem empfehlen, der in einer belastenden und unruhigen Zeit eine ungeheuer humorvolle und charmante Geschichte lesen möchte, die einfach gute Laune macht und trotzdem einen nachdenklichen Kern hat.

Bewertung vom 01.05.2024
Die Halbwertszeit von Glück
Pelt, Louise

Die Halbwertszeit von Glück


ausgezeichnet

Es sind drei Frauen, deren Schicksal Louise Pelt erzählt und dabei geschickt verschiedene Zeiten und Schauplätze miteinander verknüpft.
Die Geschichte von Johanna spielt in der DDR und beginnt 1987, als sie eine junge Frau im Wald findet, die sich auf der Flucht vor den Grenzern befindet. Die unnahbare und unfreundliche Johanna wächst einem langsam immer mehr ans Herz, je mehr man von ihrer Vergangenheit und Lebensgeschichte erfährt.
Die junge Holly versucht sich 2003 in Los Angeles ein Leben als Drehbuchautorin aufzubauen, wird jedoch durch ein tragisches Unglück jäh aus der Bahn geworfen. Es ist ergreifend zu verfolgen, wie sie sich, geplagt von Schuldgefühlen, in eine schwierige Situation bringt.
Als Drittes geht es um Mylène, die 2019 in Paris lebt und kurz vor der Hochzeit ein Geheimnis aus ihrer Vergangenheit erfährt, das ihr gesamtes Leben auf den Kopf stellt. Auf der Suche nach ihren Wurzeln begibt sie sich auf eine Reise , die das Schicksal der drei Frauen schließlich miteinander verknüpft.
In diesem Roman geht es um das Streben nach Glück, um Liebe, Vertrauen und Schicksal. Durch den Wechsel zwischen den Geschichten und verschiedenen Schauplätzen ist es ein sehr unterhaltsames und abwechslungsreiches Buch, zudem bleibt die Verbindung zwischen den drei Protagonistinnen bis kurz vor Schluß spannend. Einen Stern Abzug gebe ich nur für einen Hauch zu viel Klischeehaftes an der einen oder anderen Stelle.
Eine Leseempfehlung für alle, die Frauenschicksale mögen.

Bewertung vom 25.04.2024
Unter dem Moor
Weber, Tanja

Unter dem Moor


ausgezeichnet

Es ist das Schicksal von drei Frauen, die zu verschiedenen Zeiten mit der Idylle des Haffs und der Moorlandschaft Bekanntschaft machen.
Die 14jährige Gine wird 1936 als billige Arbeitskraft von den Nazis ans Stettiner Haff geschickt und erlebt dort furchtbare Dinge. Als erwachsenen Frau stellt sie sich ihrer Vergangenheit und reist erneut dorthin in der Hoffnung, mit ihrem Trauma abzuschließen.
1979 lebt die junge Ehefrau und Mutter Sigrun in dieser Region und leidet unter dem Druck des DDR-Regimes.
Und als Dritte steht die junge Ärztin Nina kurz vor einem Burnout und beschließt, alleine mit ihrem Hund eine Auszeit in Mecklenburg-Vorpommern am Haff zu nehmen. zwischen Einsamkeit, Bedrohung und Faszination erlebt sie die Landschaft und die Menschen und wird mit Geschichten aus der Vergangenheit konfrontiert.

Geschickt versteht es Tanja Weber, die Geschichten der drei Frauen miteinander zu verweben und einen Bogen über die Moorlandschaft zu spannen von 1936 bis heute.
Alle drei Schicksale sind Beispiele ihrer Zeit und sehr berührend.
Als Leser*in leidet man mit Nina, die nach Corona trotz ihres jungen Alters und der Arbeit in ihrem Traumberuf ausgebrannt und desillusioniert ist. Zu gut haben wir noch die Bilder der Pandemie und ihrer verzweifelten Bekämpfung durch medizinisches Personal im Kopf.
Gine durch ihr Landjahr zu begleiten ist grausam und bedrückend, der Blick in der Zeit zurück in die Geschichte ist immer wieder entsetzlich und beschämend. Um so mehr tut es gut zu erfahren, wie ihr weiteres Leben verläuft.
Mit Sigrun erlebt man die Repressalien der DDR, den harten Alltag und den Wunsch, daraus auszubrechen. Auch dieser Teil der Geschichte des geteilten Deutschlands erlebt man durch die Augen einer jungen Frau, die sich nicht unterkriegen lässt, die ihre Familie liebt und versucht, das Beste aus ihrer Situation zu machen.
Der Wechsel zwischen den verschiedenen Geschichten ist abwechslungsreich und erzeugt eine Spannung, die einen das Buch kaum aus der Hand legen lassen. Und über allem immer wieder das Moor und das Haff, die Weite der Landschaft, die Schönheit der Natur und die große Tierwelt, die die Autorin bildgewaltig und ausdrucksstark beschreibt.
Ein Roman, der Zeitgeschichte, einen Kriminalfall und menschliche Schicksale sehr unterhaltsam miteinander verbindet und den ich unbedingt empfehlen kann.

Bewertung vom 16.04.2024
Der Wind kennt meinen Namen
Allende, Isabel

Der Wind kennt meinen Namen


ausgezeichnet

Zwei Geschichten erzählt Isabel Allende, die von Flucht, Bedrohung, Leid, Einsamkeit und der Sehnsucht nach der Mutter handeln. Da ist zum Einen Samuel Adler, der 1938 mit 6 Jahren alleine aus Deutschland nach England geschickt wird, um der Judenverfolgung zu entgehen. Die zweite Geschichte handelt von der 7jährigen Anita Díaz, die 2019 aus El Salvador flieht und an der mexikanischen Grenze brutal von ihrer Mutter getrennt wird.
Beide Geschehnisse liegen rund 80 Jahre auseinander, trotzdem ist der Leidensweg dieser beiden Kinder ähnlich. Zu lesen, wie der kleine Samuel nach seiner Flucht zunächst einsam und lieblos aufwächst, ist genauso erschütternd wie das Schicksal der sehbehinderten Anita, die sich in ihrer Verzweiflung in eine eigene Zauberwelt flüchtet und mit ihrer toten Schwester spricht. Die Sehnsucht nach der Mutter, die Ungewissheit, die verzweifelte Hoffnung der beiden geht einem beim Lesen unheimlich zu Herzen.
Allende versteht es wieder meisterhaft, ein Stück Zeitgeschichte mit Politik und menschlichen Schicksalen so zu verknüpfen, dass ein mitreißender Roman entsteht, den man bis zum Ende kaum aus der Hand legen kann. Zwischen Nazi-Deutschland und Südamerika, England und den USA - die vielen Schauplätze und Charaktere werden von ihr geschickt miteinander verwoben und offenbaren, wie sich auch heute noch das Schicksal vieler Kinder wiederholt. Auch die Verzweiflung der Eltern, hier vor allem der beiden Mütter, die für ihre Kinder große Opfer bringen, ist sehr berührend. Trotzdem lässt einen dieser Roman nicht traurig zurück sondern stellt auch die Menschen in den Vordergrund, die sich unermüdlich um das Wohl anderer kümmern, sich engagieren und ein großes Herz haben.
Dieses Buch kann ich uneingeschränkt jedem empfehlen, da es eine spannende und berührenden Geschichte mit einem Appell zur Menschlichkeit verbindet und damit eine Botschaft aussendet, die jeden etwas angehen sollte.

Bewertung vom 12.04.2024
Meeresfriedhof / Die Falck Saga Bd.1
Nore, Aslak

Meeresfriedhof / Die Falck Saga Bd.1


ausgezeichnet

Familia Ante Omnia - Die Familie vor allem, das ist das Motto der Familie Falck, die aus zwei Teilen besteht: dem verarmten Zweig um Hans Falck, der in Bergen wohnt, und dem reichen Zweig um Olav Falck in Oslo. Als Olavs Mutter Vera stirbt entbrennt ein Streit um das verschwundene Testament, der nicht nur diese beiden Familien gegeneinander aufbringt. Auch Olavs Kinder beziehen unterschiedliche Positionen und versuchen, sich gegen den übermächtigen Vater durchzusetzen.

Dieser erste Teil der Trilogie von Aslak Nore ist eine spannende Mischung aus verschiedenen Genre. Da ist zunächst die Familiensaga rund um die Reeder-Dynastie Falck, die gespickt ist mit vielen Höhen und Tiefen, mit Neid, Missgunst, dem Snobismus der Reichen und Skrupellosigkeit. Dann gibt es einen großen Anteil an geschichtlichen Fakten, allen voran der historischen Schiffskatastrophe mit dem Untergang der DS Prinsesse Ragnhild 1940 und die deutsch-norwegischen Beziehungen im 2. Weltkrieg, aber auch der Krieg im Nahen Osten wird thematisiert. Die Suche nach der Wahrheit rund um das Testament und das Manuskript der Schriftstellerin Vera liest sich spannend wie ein Krimi, immer wieder werden die Verdächtigen neu gemischt und alles erscheint plötzlich in einem anderen Licht. Natürlich darf auch eine Liebesgeschichte nicht fehlen, die aber eher in die Kategorie Drama fällt. Dem Autor gelingt es so, eine sehr komplexe Geschichte unterhaltsam zu erzählen und dabei Fakten und Fiktion geschickt zu verknüpfen.

Die leichte Verwirrung am Anfang des Romans über die verschiedenen Erzählstränge und zahlreichen Personen weicht auch dank des abgedruckten Familienstammbaums der Familie Falck im Laufe des Buches einer Faszination über das Land Norwegen, die Hurtigruten- Schifffahrt und der komplexen Verkettung von Gegenwart und Vergangenheit.
Mit Bedauern habe ich festgestellt, dass der 2. Band erst im Mai 2025 erscheint. Ich bin gespannt ob es Nore gelingt, auch in den nächsten beiden Bänden die Spannung und die Komplexität der Geschichte so hoch zu halten wie in "Meeresfriedhof".

Bewertung vom 31.03.2024
Die Vermesserin der Worte
Seck, Katharina

Die Vermesserin der Worte


sehr gut

s war einmal eine junge Autorin mit Schreibblockade, die dringend Geld brauchte und eine alte Dame, die zunehmende Zeichen einer Demenz entwickelte und in ihrem großen Anwesen nicht mehr alleine zurecht kam. So geschah es, dass Ida als Haushälterin bei Ottilie einzog um sich um alles zu kümmern und dabei das Leben beider Frauen von Grund auf veränderte.
In diesem Roman von Katharina Seck geht es viel um Einsamkeit und um die Angst vor dem Vergessen. Und es ist nicht nur Ottilie, die auf Grund ihrer zunehmenden Demenz zurückgezogen und abgeschnitten von Freunden und Nachbarn lebt. Auch die junge Ida hat sich ganz abgekapselt, leidet unter Versagensängsten und der Ablehnung durch ihren Vater. Ihr einziger Freund und Postbote Theobald ist selber ein einsamer und unglücklicher Mensch, ihre Wohnung in der Großstadt anonym und ihr Rückzugsort, an dem sie ihre große Leidenschaft ausleben kann: das Lesen. Ihre Liebe zu Büchern verbindet sie auch als erstes mit Ottilie, der Herrin des papiernen Anwesens. Deren Geschichte zu erzählen, die von einer starken und unabhängigen Frau handelt, die in ihrem Leben viel jenseits der gängigen Erwartungen erlebt hat, lässt Ida selber zu einem völlig anderen Menschen werden.
Immer wieder geht es um die Kraft von Literatur und von Worten, aus vielen Sätzen spricht die absolute Liebe zu Büchern, zu alten und neuen. Doch darf man sich nicht ausschließlich dahinter verkriechen, sondern braucht auch den Kontakt zu Menschen. Die Autorin beschreibt, wie wichtig es ist zu verzeihen, aufeinander zu zu gehen und um Hilfe zu bitten. Zu Zeiten mit zunehmenden Demenz-Erkrankungen und einer erwarteten Überalterung der Gesellschaft ein wichtiges Fazit.
Natürlich sind auch ein paar Klischees enthalten und einige Wendungen sind recht vorhersehbar. Das tut aber dieser Wohlfühlgeschichte keinen Abbruch, die auf Grund ihrer Erzählweise für mich ein modernes Märchen darstellt.
Eine herzerwärmende Geschichte, ein Appell an mehr menschliches Miteinander und eine absolute Liebeserklärung an die Literatur: "Worte kann man nur in den Abertausenden Welten ermessen, die man mit ihnen erschafft." (S.176)

Bewertung vom 29.03.2024
Lichtjahre im Dunkel
Ani, Friedrich

Lichtjahre im Dunkel


gut

Ein verschwundener Schreibwarenladen-Besitzer, eine seltsam unbeteiligte Ehefrau, ein etwas seltsamer Privatdetektiv und eine engagierte Oberkommissarin - Friedrich Ani hat in seinem Roman "Lichtjahre im Dunkel" mehrere unglückliche Charaktere aufeinander treffen lassen. Dieser Roman hätte ein Krimi sein können, wenn nicht statt einer Mordermittlungen die Menschen und ihre Lebensumstände im Fokus stehen würden.
Da ist zum einen Leo Ahorn, zutiefst unglücklicher Besitzer eines Geschäftes, das langsam aber sicher den Berg runter geht. Mit seiner Frau Viola verbindet ihn eine lieblose Ehe, in der sich beide wenig beachtet und frustriert fühlen. Leos Ausflüge in seine Stammkneipe Blaues Eck sind seine einzigen Lichtblicke im Leben, hier trinkt er - zum Leidwesen seiner Frau - mit anderen unglücklichen Gestalten. Diesen kommt eine wichtige Rolle zu, haben sie etwas mit Leos Verschwinden zu tun? Tabor Süden ermittelt, ein Privatdetektiv mit eigenen Methoden und der spröden Art im Umgang mit anderen Menschen. Zusammen mit Oberkommissarin Nasri, die sich mit seiner umkooperativen Frau und der Schar von Leos Bekannten auseinander setzen muss.
Friedrich Ani schreibt in seinem für ihn typischen Schreibstil, der ausgefallen und eher anspruchsvoll ist. Seine beschriebenen Charaktere sind durchaus interessant, ebenso wie das Wechselspiel um das Verschwinden von Leo Ahorn.
Aber diese Buch lässt mich extrem schwermütig zurück, fast ist es eine Erleichterung, diese beklemmenden Einblicke in das Leben der verschiedenen Personen hinter mir zu lassen. Es gibt tatsächlich wenige Momente in diesem Buch, die etwas Positives oder Zufriedenheit ausdrücken. Dieser depressive Grundton macht mir die Lektüre nach einem guten Start immer schwerer, ich konnte mich mit keinem der Charaktere identifizieren oder fand sie auch nur besonders sympathisch. Daher für eine interessante Story mit einem bedrückenden Tenor zwei Sterne Abzug von mir.

Bewertung vom 24.03.2024
Die Entflammten
Meier, Simone

Die Entflammten


sehr gut

Es ist eine Liebe auf den zweiten Blick zwischen Johanna Bonger und Theo van Gogh, dem Bruder des Malers Vincent. Die große Liebe endet früh durch Theos Tod und Jo beginnt mit der Mission, ihren Schwager bekannt und schließlich berühmt zu machen. Sie verschreibt ihr Leben als Witwe ganz seinen Bildern, seine Kunst soll das Publikum überwältigen und erobern.
Jo ist eine ungewöhnliche Frau, für die sich die Bedeutung von Kunst ändert, als sie eine van Gogh wird: sie versteht Kunst nun als Prozess, nicht nur als Werk. Anders als damals üblich malte Vincent keine ästhetische Vollkommenheit sondern das Unperfekte. Mit großem Engagement, neuen Ideen und einem guten Geschäftssinn gelingt es Jo, der Welt seine Kunst nahe zu bringen.

Doch es gibt eine zweite Geschichte in diesem Buch, nämlich die der Kunstgeschichtsstudentin Gina, die sich auf die Spuren von Jo van Gogh-Bonger begibt. In ihren Recherchen über die junge Witwe und bei dem Versuch, ein gutes Buch darüber zu schreiben, verschwimmen die beiden Frauengestalten, halten Zwiesprache miteinander und bewerten gegenseitig ihr Leben. Die junge Gina war als Kind schon von van Goghs Geschichte fasziniert. Auf der Suche nach einer Aufgabe widmet sie sich dem Schreiben und tritt damit in die Fußstapfen ihres Vaters, der als Schriftsteller jedoch nur ein Buch veröffentlicht hat. Sie hadert mit sich, taucht immer tiefer ein in das Leben von Jo und erinnert dabei auch ihr eigenes Leben und ihr Verhältnis zu den Eltern, der Großmutter und der Schwester.

In einem sehr schönen Schreibstil erzählt Simone Meier die Geschichte zweier Frauen, die zwar sehr unterschiedlich sind, deren Geschichte aber miteinander verschmilzt. Ihre oftmals langen Sätze sind leidenschaftlich und voller bildhafter Beschreibungen. Viel Interessantes über die Kunst von Vincent van Gogh und die Kunstszene um 1900 erfährt man in diesem Roman, es ist ein Ausflug in die Geschichte und das Leben der Menschen um diese Zeit.
Ein schönes Buch, ungewöhnlich und interessant, nicht nur für Kunstinteressierte zu empfehlen.

Bewertung vom 18.03.2024
Wir werden jung sein
Leo, Maxim

Wir werden jung sein


ausgezeichnet

Was wäre, wenn durch Zufall ein Herzmedikament so ganz nebenbei zu ewiger Jugend verhelfen würde? Dieser Frage geht Maxim Leo am Beispiel von 4 unfreiwilligen Probanden nach und vergisst dabei auch die Position des Erfinders und eines Mitgliedes der Ethikkommission nicht. Dabei sind die 6 wichtigen Personen in diesem Buch der interessant und vielseitig ausgewählt.
Der Schüler Jakob erlebt endlich eine unbeschwerte Zeit trotz seines Herzleidens, sein Körper mutiert jedoch durch die Nebenwirkung der Verjüngung zu dem eines Kindes. Das Problem hat der alte und zum Sterben bereite Wenger nicht, allerdings wird er mit dem Verhältnis zu seiner Frau und seinen Kindern konfrontiert, denen er das Leben nicht leicht macht. Die ehemalige Leistungsschwimmerin Verena läuft zur alten Hochform auf und beginnt, ihr Leben als Hochleistungssportlerin zu hinterfragen. Jennys Wunsch schwanger zu werden erfüllt sich überraschend und anders als geplant. Der Professor und Erfinder des verjüngenden Medikaments, Martin, ist durch Selbstversuch in der gleichen Situation wie seine Probanden und ist selber überrascht von dem großen Wirbel, den er auslöst. Die taffe Miriam setzt sich als Mitarbeiterin des Bundesgesundheitsamtes mit der ethischen und gesellschaftspolitischen Seite auseinander.
Mit großartigem Humor beleuchtet Maxim Leo die Frage was passieren könnte, wenn wir mit Hilfe einer Pille jung sein werden. Mir gefällt, dass er viele verschiedenen Facetten anspricht und das Ende relativ offen bleibt.
Dieses Buch regt zum Nachdenken an und bleibt noch lange nach der spannenden Lektüre im Kopf. Dabei ist es federleicht geschrieben und packt einen so, dass man es kaum aus der Hand legen kann. Ein ernstes Thema mit hohem Unterhaltungsfaktor mitreißend verpackt - Chapeau!

Bewertung vom 22.02.2024
Geordnete Verhältnisse
Lux, Lana

Geordnete Verhältnisse


ausgezeichnet

Die Beziehung zwischen Philipp und Faina beginnt schon in der Schulzeit. Hier lernen sich das aus der Ukraine stammende Mädchen und der einzelgängerische Junge kennen, eine tiefe Freundschaft verbindet die beiden Außenseiter. Bis sich ihre Lebenswege trennen, sie sich wieder treffen und eine dramatische Abwärtsspirale aus Abhängigkeiten, Wut und Selbstbehauptung entsteht.
Abwechselnd erzählt Lana Lux die Geschichte aus der Sicht von Philipp und Faina, so dass beide Charaktere ihre Sicht auf die Dinge erzählen. Gemeinsam ist ihnen eine schwierige Kindheit, die beide sehr intensiv prägen. Bei Philipp entwickelt sich eine starke Verlustangst, bei Faina ist es ein geringes Selbstwertgefühl. Dabei hat man durchaus Mitleid mit beiden Protagonisten und erkennt das Krankhafte, das sich in ihre Beziehung schleicht.
In einer starken Sprache beschreibt Lux sehr eindringlich, wie aus einer Freundschaft ein Drama wird. Das geschieht eher langsam und ganz allmählich, steigert sich in eine furchtbare Ahnung, bis man dieses Buch wirklich nicht mehr aus der Hand legen kann um zu erfahren, was am Ende geschehen wird. Eine intensive Geschichte, die noch lange nach Ende der Lektüre im Gedächtnis bleibt.
Wenn man die Informationen über die Autorin liest dann drängt sich der Gedanke auf, dass sie auch ein paar eigene Erfahrungen mit in ihre Figur der Faina hat einfließen lassen. Zumindest ihre Herkunft und auch die Schauplätze der Handlung stimmen überein.
Ein ungewöhnliches Buch, das nicht nur mit einem tollen Cover und einem zynischen Titel punktet, sondern intensiv und mit präzisem Schreibstil den Leser*innen eine dramatische Geschichte wie einen Sog präsentiert. Eine unbedingte Leseempfehlung für Männer und Frauen, jung und alt.