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Lillith
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Berlin

Bewertungen

Insgesamt 64 Bewertungen
Bewertung vom 28.03.2024
Enna Andersen und das weite Land
Johannsen, Anna

Enna Andersen und das weite Land


sehr gut

Ruhig erzählter Krimi um einen Cold Case Fall, und einen aktuellen Mord. Kein Thrill aber akribische Ermittlungsarbeit und nettes Team

Dies ist mein zweiter Krimi dieser Autorin und wie ich mit Erstaunen gesehen habe bereits der 6. dieser Reihe. Ich hatte bisher nur ein Buch einer anderen Reihe von Anna Johannsen gelesen, welches mir zusagte.
Vorkenntnisse waren hier auch nicht unbedingt nötig, vielleicht für das Verständnis der Protagonistin, aber diese erzählt am Ende des Buches in einem Gespräch ihre ganz persönliche Lebensgeschichte, so bleibt keine offene Frage.

Enna Andersen, eine Expertin für ungelöste Kriminalfälle mit einer hohen Erfolgsquote, ermittelt auf Bitten ihres "Mentors" in der Nähe von Butjadingen. Vor zwanzig Jahren verschwanden Tjark und Eefke Feddersen spurlos von ihrem Bauernhof und ließen ihren verstörten 14-jährigen Sohn zurück, der mittlerweile den Hof leitet.

Die skelettierten Überreste der Familie Feddersen wurden nun zufällig entdeckt, was zur Wiederaufnahme der Ermittlungen führte. Sowohl damals als auch heute gilt Hinnerk, der Bruder von Tjark, als verdächtig. Aber auch Jan, der Sohn, rückt ins Zentrum der Verdächtigungen. Enna erkennt Parallelen zu ihrer eigenen Vergangenheit, da sie in ihrer frühen Jugend ebenfalls ihre Eltern durch ein Gewaltverbrechen verlor, und findet sich schwer mit diesem Gedanken ab.

Als plötzlich Hinnerk ermordet wird scheinen die Schatten der Vergangenheit bis in die Gegenwart zu reichen. Eine enge Zusammenarbeit zwischen Ennas Team und dem Team, das den aktuellen Mord aufklären soll, wäre erforderlich und sinnvoll, doch der ehrgeizige Leiter der anderen SoKo stellt sich des öfteren quer und erschwert die Ermittlungen.

Tjark Feddersen war jemand, der sich einige Feinde gemacht zu haben schien. Inwieweit könnten Motive bei seinen Tätigkeiten in Politik und Wirtschaft gelegen haben? Oder gab es doch einen persönlichen Grund und Täter und Motiv sind in der Familie zu suchen?

Verdächtige gibt es genug und Enna und ihr Team arbeiten sich mühsam voran...Der Leser weiß nie mehr als die Ermittler und die Spannung wird somit durch das Mitermitteln erzeugt. Mir persönlich war diese Art des Erzählens sehr angenehm.

Das Zusammenspiel zwischen Enna und ihren Kollegen wird sehr kollegial und sympathisch beschrieben. Gelegentlich erhält man auch Einblicke in das Privatleben der Ermittlerinnen Enna und Pia. Bei Enna fand ich die Szenen mit ihrem Kind und Lebensgefährten oft etwas zu kitschig und aufgesetzt. Bei Pia war es nun auch – wie es in letzter Zeit in vielen Büchern der Fall ist – eine gleichgeschlechtliche Beziehung mit Kinderwunsch. Solche Nebenhandlungen sind für mich in einem Krimi nicht zwingend notwendig.

Der Tod des Ehepaars Feddersen findet letztlich eine teilweise vorhersehbare Aufklärung. Ebenso wird der aktuelle Mordfall gelöst. Obwohl alles logisch erklärt wird, erschien mir der Abschluss des Buches etwas überstürzt, als ob schnell auf den letzten Seiten alle Erklärungen geliefert und zahlreiche Handlungsstränge zu einem harmonischen Ende gebracht werden müssten. Es war mir etwas zu sehr Friede, Freude, Eierkuchen.

Da ich das Buch jedoch gern gelesen habe und auch eine gewisse Spannung aufrecht erhalten wurde vergebe ich 3,5 – aufgerundet auf 4 - Sterne und eine Lese-Empfehlung für Freunde eines ruhigen, unblutigen Krimis mit viel Augenmerk auf den Ermittlungen.

Bewertung vom 27.03.2024
Prost, auf die Künstler
Kalpenstein, Friedrich

Prost, auf die Künstler


sehr gut

Leichter Provinzkrimi, der weniger durch Spannung als mit detailreichen Charakteren und viel Wortwitz punktet.

Schon oft wurde mir diese Reihe empfohlen, so dass ich sehr gespannt war. Ich freute mich sehr darauf, endlich in den Kosmos von Brunngries einzutauchen und mit Kommissar Tischler, seinem Kollegen Felix Fink und der resoluten Dackeldame Resi einen Fall aufzuklären.

Vorweg - es ist der 9.Band einer Reihe und obwohl man ihn schon für sich stehend lesen kann, bringt man sich vermutlich um viele schöne Aha-Effekte, wenn man die Reihe nicht von Anfang an verfolgt hat. Etliche Anspielungen waren für mich so nur schwer zu verstehen.

Worum geht es? Bauer und Stammtischler Hinterleitner wird tot neben seinem sehr wertvollen „Oldtimer-Traktor“ aufgefunden, dessen Motor lief. Selbstmord? Doch wer hat dann den Türspalt von außen verdichtet? Nein, es stellt sich heraus, das war Mord!

Ein rätselhafter Fall, denn wie es scheint hatte der Herr Hinterleitner neben dem wertvollen Traktor noch andere Schätze im Haus...und war selbst künstlerisch tätig, was niemand in seinem Umfeld bekannt war.

Die Spuren führen unsere Ermittler kreuz und quer durch die Kunstszene, in Museen, auf Auktionen und bis ins Darknet.

Natürlich wird der Fall am Ende auch aufgeklärt, aber das ist in meinem Augen hier fast nebensächlich, denn dieser Schmunzelkrimi punktet mehr mit seinen detaillierten Beschreibungen der Menschen, der Umgebung und vor allem mit den Dialogen, die einem beim Lesen permanent ein Lächeln, nein eher schon ein breites Grinsen ins Gesicht zaubern. Dabei wird der Autor nie zu platt, wie man es beim Titel „Provinzkrimi“ (und gar noch aus Bayern...) hätte befürchten können, sondern seine Wortspiele sind oft subtil und vor allem die Situationskomik kommt sehr gut rüber. Ich hatte beim Lesen andauernd Kopfkino, sah – und vor allem hörte – die handelnden Personen allesamt vor meinen Augen, Herr Kalpenstein kann Protagonisten wirklich Fleisch und Blut einhauchen.

Zusammengefasst: Als Kriminalroman eher nur 3 Sterne, aber Charaktere, Ambiente und Wortwitz sind allemal einen Extrastern wert.
Von mir gibt es also 4* und eine Leseempfehlung für Freunde des leichten, humorigen Genres. Obwohl ich beim Lesen bestens unterhalten wurde hat mich dieses Buch nicht komplett abgeholt, so dass Brunngries für mich wohl ein einmaliges Erlebnis bleiben wird.

Bewertung vom 19.03.2024
SCHREI IM EIS: Kanada-Krimi (Calista Gates ermittelt 5)
Calonego, Bernadette

SCHREI IM EIS: Kanada-Krimi (Calista Gates ermittelt 5)


ausgezeichnet

Wie immer habe ich schon ungeduldig auf das neue Buch von Bernadette Calonego gewartet - unglaublich, dass es schon Band 5 der Calista-Reihe ist!

Vorweg gesagt - es hat sich gelohnt, die Reihe wird von Band zu Band besser, wenn das überhaupt noch geht. Und man kann auch problemlos mit diesem Band in die Reihe starten, es sind nicht unbedingt Vorkenntnisse nötig. Dennoch würde ich empfehlen, die Bände der Reihe nach zu lesen, weil die Personen dann manchmal verständlicher agieren.

Es ist kein einfacher Stoff, den Frau Calonego hier aus vielen Fäden gewebt hat, und man muss schon ziemlich konzentriert „dabei bleiben“, um alles mitzubekommen.

Das Buch spielt im winterlichen Neufundland und Labrador und man sollte es warm eingepackt lesen, sonst fröstelt es einen bei der Beschreibung der Landschaft dort. Frau Calonego hat wieder ihre Ortskenntnisse und ihr Gespür für die Gegend und die Menschen, die dort leben, bewundernswert eingesetzt, um eine starke und spannende, atmosphärisch dichte und komplexe Geschichte zu erzählen, die sich aus vielen Stücken zusammensetzt, ähnlich wie ein Quilt. Durch die Überschriften der überwiegend kurzen Kapitel ist das Buch mit seiner Vielzahl an Personen, Schauplätzen und Zeitebenen jedoch gut strukturiert und am Ende bleibt kein loser Faden übrig.

Detective Sergeant Calista Gates hat dieses Mal einiges zu tun:

Eine Altenpflegerin wird auf Neufundland brutal niedergeschlagen im Schnee gefunden.
Kurz darauf entdeckt Calista die Leiche eines einheimischen Rowdys.
Eine Lodge in einem neuen Nationalpark soll in Labrador, auf heiligem Inuit-Gebiet, errichtet werden.
Vor acht Jahren verschwanden in derselben Gegend in vier Wanderinnen spurlos.
Und Gerald, der Geliebte von Calista, der mit dem Bauvorhaben betraut wurde, ist plötzlich ebenfalls unauffindbar...

Was hat das alles miteinander zu tun?
Gibt es überhaupt Zusammenhänge?
Und - wer will zudem Calista schaden?

Es scheint, dass sie sich nach ihrem letzten Einsatz gefährliche Feinde innerhalb der RCMP gemacht hat...und selbst ihren engsten Mitarbeitern kann sie vielleicht nicht mehr trauen.

Ich fand das Buch sehr gut.
Nicht nur, weil mir Calista und ihr Mitarbeiter und Vertrauter Fred inzwischen sehr ans Herz gewachsen sind, sondern vor allem, weil mir wieder einmal der Schreibstil unglaublich gut gefallen hat.

Es werden zwar sehr viele Charaktere eingeführt - ein Personenverzeichnis wäre eventuell hilfreich gewesen - doch werden diese fast ausnahmslos auch mit Leben gefüllt. Sehr gut als Figur gefiel mir die junge Schlittenhundeführerin Tiffany. Ich würde mir wünschen, ihr noch einmal wieder zu begegnen.

Dieses Buch legt man nur ungern aus der Hand, man ermittelt und leidet mit Calista, die einige schwere Momente durchzustehen hat. Der Cliffhanger am Ende lässt eine Weiterentwicklung in alle möglichen Richtungen offen, so dass ich schon jetzt Band 6 entgegenfiebere.

Von mir gibt es ohne zu Zögern 5 Sterne und selbstverständlich eine Leseempfehlung!

Bewertung vom 09.12.2023
Faule Äpfel
Helmut, Jäger

Faule Äpfel


sehr gut

Rasanter Krimi mit etwas zu vielen Handlungsfäden und Personen

Carl Sopran ahnt, dass etwas faul ist...und das sind keinesfalls die guten Äpfel der Region, die hier auf verschiedene Hofläden geliefert werden...

Aber von vorn:

Privatdetektiv Carl Sopran, der sich eigentlich von seinem letzten großen Fall in Italien noch nicht richtig erholt hat, versucht, wieder einmal mehr in Richtung seines ursprünglichen Berufs zu arbeiten, also journalistisch.

Ein Freund aus Litauen bittet ihn, sich in der Maklerszene Süddeutschlands umzuhören, weil dort evtl. Geld gewaschen wird. Da passt es gut, dass Julia, die Sopran im letzten Band kennengelernt hat, gerade eine Immobilie verkaufen will.

So harmlos es anfängt, so heftig geht es weiter:

Carls gute Freundin Francesca wird zur Polizei gebeten, weil ein an sie adressiertes Paket aufgerissen vorgefunden wurde und der Fahrer des Lieferfahrzeugs spurlos verschwunden ist. Sopran begleitet sie, und als er in dem Päckchen etwas findet, was dort nicht hineingehört, beginnt er wieder Blut zu lecken...

Es handelt sich um den dritten Band einer Reihe, man kann jedoch ohne Vorkenntnisse in die Handlung einsteigen. Für das Verständnis des Verhältnisses von Sopran zu den beiden Protagonistinnen Julia und Francesca könnte die Kenntnis des Vorgängerbandes jedoch von Vorteil sein.

Hier lässt er sich Hals über Kopf ohne Auftrag auf eine Ermittlung ein, die Recherchen in der Maklerszene werden - erst einmal - vertagt, dafür treten andere Figuren in Erscheinung...und mit der Verfolgung der Herkunft des kleinen Päckchens aus Francescas Sendung hat Sopran offenbar in ein Wespennest gestochen, und die Geschichte entwickelt sich zu etwas immer Größeren.

Alle Fäden führen zunächst auf einen Hofladen und zu einem obskuren Serben...doch sind der Hofladenbesitzer und der Serbe tatsächlich die, die die Fäden in der Hand halten?

Helmut Jäger nimmt den Leser mit auf gefährliche Ermittlungen, er schont seinen Protagonisten nicht. Dieser folgt immer seinem Instinkt und handelt sehr impulsiv, auch wenn sein Verstand ihm manchmal etwas anderes rät... Francesca und Julia sind dies Mal eher Randfiguren, kopfschüttelnd helfen sie Carl bei den Recherchen und versuchen damit, ihn vor unvorsichtigen Alleingängen zu bewahren. Doch wer Carl kennt weiß, dass dies vergebene Liebesmüh ist...

Das Buch liest sich angenehm und flüssig, Carl bliebt der liebenswerte Chaot und der Fall ist brisant und spannend, obwohl mir das eigentliche Thema allzu phantasievoll aufbereitet ist. Das Tempo der Handlung steigert sich ständig, so dass man am Ende beinahe so atemlos wie Carl ist, wenn man die Seiten umblättert...

Leider haben sich am Ende für mich nicht alle Rätsel aufgeklärt, ich blieb bei einigen Handlungssträngen etwas ratlos zurück. So habe ich zwar viele unterhaltsame Lesestunden genossen, bin aber nicht völlig mit dem Ende zufrieden. Auch zwischendurch fand ich es mehr als anstrengend zu versuchen, den handelnden Personen und ihrem Beziehungsgeflecht untereinander zu folgen.

Dennoch liegt mir die Schreibweise des Autors und ich bin auf weitere „Eskapaden“ von Carl Sopran gespannt.

Da mir der Vorgängerband um einiges besser gefiel vergebe ich dieses Mal
leider nur 3,5 *, aufgerundet auf 4* und eine Leseempfehlung für einen gut geschriebenen Regionalkrimi.

Bewertung vom 24.11.2023
Schwarzvogel / Fredrika Storm Bd.1
Skybäck, Frida

Schwarzvogel / Fredrika Storm Bd.1


sehr gut

Ein angenehm zu lesendes Familiendrama, jedoch kein Krimi in meinen Augen.

Fredrika Storm ist nach einem tragisch missglückten Einsatz in Stockholm heimgekommen, in die Gegend, in der sie aufwuchs und in der ihre gesamte Familie immer noch lebt – bis auf ihre Mutter, die verschwand, als sie noch ein kleines Mädchen war.

Ihr erster Fall scheint zunächst ein reiner Unglücksfall zu sein, denn eine junge Frau rennt panisch auf einern zugefrorenen See, dessen Eisfläche noch nicht trägt. Sie bricht ein und ertrinkt vor den Augen von Fredrikas Großmutter. Diese berichtet, dass das Mädchen verfolgt wirkte – und Fredrika wittert einen Fall.

Sie beginnt, nach den Ursachen zu suchen und buddelt immer tiefer, leider kommen dabei auch immer wieder unschöne Dinge über ihre eigene Familie zum Vorschein...

Ihr Partner bei den Untersuchungen ist Henry, ein interessanter Charakter, aus sehr wohlhabendem Hause und hoch gebildet macht ihm seine Ermittlungsarbeit mehr Spaß als das von seiner Mutter angestrebte Fortkommen auf der Karriereleiter.

Soweit zum Inhalt.

Das Buch ist sehr angenehm zu lesen, die Charaktere in meinen Augen recht gut herausgearbeitet. Die kurzen Kapitel ermöglichen einen zügigen Lesefluss.

Fredrika ist eine anstrengende Protagonistin, nicht unsympathisch, aber recht dickköpfig und uneinsichtig. Sie bringt sich selbst in Gefahr – trotz ihrer Vorgeschichte, oder vielleicht ist diese auch gerade der Grund für ihre Alleingänge ?

Da ihre Familie von Beginn an involviert scheint wäre es normalerweise eigentlich nicht möglich, dass sie weiter ermittelt. Jedoch schreckt sie nicht vor peinlichen Untersuchungen innerhalb ihrer Familie zurück, stößt diese oft vor den Kopf – und erntet doch immer wieder Schweigen auf ihre drängendsten Fragen. Denn der Kernpunkt des Buches und der Story liegt eigentlich darin, dass Fredrika einen Zusammenhang zwischen dem toten Mädchen und dem Verschwinden ihrer Mutter wittert und darum so hartnäckig ist...

Wie gesagt, das Buch liest sich gut, für einen rasanten Krimi ist es jedoch zu auschweifend erzählt. Die vielschichtige Verwandtschaft von Fredrika stellt die Leser ebenfalls auf eine harte Probe – wer ist jetzt wie mit wem verwandt fragt man sich fast bis zuletzt und muss sich arg konzentrieren.

Und auch wenn der Fall schließlich aufgeklärt wird, so gibt es für das Verhalten einiger Protagonisten nicht wirklich einen Grund – es ist eher so was wie „und der Berg gebar eine Maus“. Will sagen, der Schluss war dann nach all den ausschweifenden Vorentwicklungen für mich zu hastig und ohne großes Aha-Erlebnis.

Ich gebe dem Buch 3,5 Sterne, aufgerundet auf 4, weil es einfach ein nettes Buch ist. Empfehlenswert eher für Freunde von Familiendramen, nicht unbedingt für Fans von Skandinavien-Krimis. Da es der erste Band einer Serie sein soll werden ja weitere Geschichten folgen. Ich bin mir noch unschlüssig, ob ich der Reihe weiter folgen werde.

Bewertung vom 14.11.2023
Der sonderbare Fall der Rosi Brucker
Seel, Tina

Der sonderbare Fall der Rosi Brucker


ausgezeichnet

„Alles hängt mit allem zusammen“

Bereits mit ihrem Debütroman „Der Tod der dreckigen Anna“ hat mich die Autorin Tina Seel total geflasht, darum war ich sehr gespannt auf ihr neuestes Werk.

Worum geht es dieses Mal? Harald Hasenbach, genannt Hasel, ein 15jähriger Lehrling, der wegen seiner Hasenscharte einen Sprachfehler hat und im Dorf ziemlich gemobbt wird, findet durch Zufall die Leiche der geistig zurückgebliebenen Rosi. Daraufhin hat er die geniale Idee, eine Entführung vorzutäuschen, um das Geld für sein ersehntes Mofa zu erpressen. Gesagt – getan. Es funktioniert! Was er damit ins Rollen bringt, das muss man einfach selbst lesen.

Tina Seel gelingt es wieder in unnachahmlicher Weise die Gestalten und Typen in diesem kleinen Ort lebendig werden zu lassen. Man hat beim Lesen fortwährend Kopfkino, sieht jeden einzelnen ihrer skurrilen Charaktere deutlich vor sich. Dazu benutzt sie eine authentische, teilweise recht derbe Sprache, so dass ich mir das ganze Szenario tatsächlich auch sehr gut verfilmt vorstellen könnte – als rabenschwarze Krimikomödie. Ja, Komödie, obwohl es auch etliche tragische Verwicklungen gibt, so überwiegt für mich der lakonische Humor, der das Buch durchzieht.

Die Verwicklungen sind wahnsinnig gut miteinander verwoben, manche Handlungen ergeben förmlich einen Dominoeffekt – und das Ende, die Auflösung des Todesfalls, verblüfft dann trotz alledem.

Da das Buch in den 70er Jahren spielt – was durch eingestreute Liedererwähnungen oder andere Hinweise auch als Hintergrund stimmig ist – musste sich die Autorin zum Glück auch nicht an political correctness halten. Dann würde das Buch auch so nicht funktionieren, denn einige der Protagonisten weisen mehr oder weniger große Handicaps auf und auch das Rollenverständnis von Mann und Frau erscheint uns aus heutiger Sicht recht „machohaft“.

Tina Seel ist wieder ein kleines Juwel gelungen, was aus der Masse der Krimis heraussticht. Ich weiß gar nicht, ob ich es der Gattung Kriminalroman zuordnen oder eher eine eigene Rubrik finden sollte.

Jedenfalls gibt es von mir 5 Sterne und eine Leseempfehlung für eine spannende, schwarzhumorige und unterhaltsame Geschichte.

Bewertung vom 07.11.2023
Unfollow Stella
Dunne, Ellen

Unfollow Stella


ausgezeichnet

Die dunklen Seiten von Social Media

Dieses Buch ist Band 4 einer Reihe um die Deutsch-Irin Patsy Logan. Ich bin bei Band 3 eingestiegen. Die Bücher sind problemlos auch einzeln zu lesen, der Charakter von Patsy erschließt sich jedoch besser, wenn man der Reihe folgt.

Patsy, die ja eigentlich unter anderem in Dublin ihre Wunden lecken wollte, nach einer gescheiterten Ehe und einem verpatzten Karrieresprung bei der Kripo in München, lässt sich immer wieder in komplizierte Fälle hineinziehen, die ihre Ermittler-Instinkte wecken.

Dieses Mal bittet sie ihr Bekannter und seit dem letzten Fall guter Freund Sam Feurstein, Angestellter der österreichischen Botschaft, inoffiziell bei der Suche nach Stella Schatz, einer verschwundenen jungen Österreicherin, zu helfen. Der Bruder macht sich Sorgen, da er sie nicht erreicht. Liegt ein Verbrechen vor oder ist sie freiwillig untergetaucht? „Unfollow Stella?“ Nicht mit Patsy, sie versucht, sich an deren Fersen zu heften, so gut es geht...online und offline.

Wider besseres Wissen erklärt sich Patsy bereit, Sam zu helfen. Stella arbeitete als Content-Moderatorin bei einer IT-Firma, so dass man davon ausgehen kann, dass sie Schlimmes gesehen hat. Dazu kommt, dass sich Patsy bei ihren Nachforschungen bald selbst verfolgt fühlt. Und tatsächlich bringt sie sich ob ihrer wie immer impulsiven und unorthodoxen „Ermittlungsweise“ in große Gefahr...

Ellen Dunne begeistert wieder einmal mit ihrem einzigartigen, flapsig-schnoddrigen Erzählstil. Wir erleben das Buch aus Patsys Sicht und somit auch mit deren Worten. Selbstironisch, witzig, frisch - amüsant, selbst bei dunkleren Abschnitten.

Die Story wird aufgepeppt durch etliche Chatprotokolle, die zum einen dem Leser Aufschluss über einige Verbindungen geben, zum anderen super mit der behandelten Materie verflochten sind. Auch einige von Stella notierte Anmerkungen zum Konsum und zur Verbreitung von Social Media sind durchaus überdenkenswert. Zudem betätigt sich Patsys Cousine Sinéad derzeit recht erfolgreich als „Gute-Laune-Influencerin“ - das Buch ist also quasi ein gelungener Rundumschlag!

Die Figuren sind gut gezeichnet, man sieht sie vor sich. Ich habe dieses Mal auch Patsy etwas besser kennengelernt, da es einige Rückblicke in ihre Vergangenheit gibt. Ich verstehe jetzt die sie umgebende Düsternis und ihre oft sehr selbstironischen Gedanken besser. Denn zu allem Überfluss möchte sie ja eigentlich in Dublin herausfinden, ob ihr Vater sich tatsächlich in der irischen See vor vielen Jahren das Leben genommen hat...

Doch bis sie und wir Leser*innen das erfahren wird es hoffentlich noch viele weitere Bände dieser Reihe geben!
Ich möchte mehr von Patsy lesen und vergebe sehr gern 5* für das tolle, runde Buch und kann nur empfehlen, es zu lesen!

Bewertung vom 03.11.2023
Frau Morgenstern und der Abgrund
Huwyler, Marcel

Frau Morgenstern und der Abgrund


ausgezeichnet

Wortakrobatik und ein Feuerwerk an originellen Ideen – unübertroffen! Der Verbalzauberer Marcel Huwyler hat wieder zugeschlagen

Frau Morgenstern hadert, mit dem Alter, mit der Gesundheit, mit ihrer verlorenen Liebe... Dies macht sie in manchen Situationen nicht nur dünnhäutig, sondern auch anfällig. Und gar leichtsinnig – denn einen leichten Sinn vermisst sie tatsächlich...

Und Miguel, der Haderlump, geniesst zwar seine Quartalsliebe mit Leena, vermisst jedoch ein geordnetes Leben – wer hätte das gedacht?

Beider Schicksal ist ja auf Gedeih und Verderb miteinander verbunden, jedoch gehen sie dieses Mal teilweise getrennte und gefährliche Wege... Geheimnisse vor dem Partner sind auf der Flucht und im Untergrund nicht eben von Vorteil.

Aber oarum geht es überhaupt?
Man soll es zwar kaum glauben, aber nicht alle Leser'innen kennen diese überragende Buchreihe. Dies ist bereits der 5. Band um Violetta Morgenstern und Miguel Schlunegger, das ungleiche und unvergleichliche Duo, Hauptberuf Eliminator. Früher von Staats wegen, im Auftrag eines Geheimministeriums, nachdem sie in Ungnade gefallen sind nun jedoch auf der Flucht und selbstständig. Rent a Killer sozusagen.

Man kann das Buch sicher für sich allein lesen, jedoch würde ich jedem Interessenten dringend anraten, die Vorgänger auch zu genießen, denn viele Zusammenhänge sind so klarer – und außerdem ist jeder Band ein Lesegenuss! Für mich gibt es auf dem deutschsprachigen Markt derzeit keinen anderen Autor, der solche Schreibgewandtheit besitzt und derart mit Worten jongliert wie Marcel Huwyler. Mir gehen bei Band 5 nun aber bald die Superlative aus, darum nun zum aktuellen Buch:

Natürlich werden wir wieder Zeuge eines sehr originellen Auftragsmords und ebenfalls macht sich unser Duo quasi pro bono an die Aufklärung eines anderen, völlig unfantasievoll und brutal geschehenen Mordes, weil Miguels Liebste sie darum gebeten hat. Was hierbei zu Tage kommt könnte die Weltgeschichte erschüttern, wenn es denn ans Licht der Welt käme, doch soweit wird es nicht kommen...

Eine aberwitzige Story, bestens gespickt mit fantasievollen Wortgebilden, eingestreuten Schwyzer Begriffen und verbalen Spitzfindigkeiten, gewohnt flüssig zu lesen, doch nicht ganz so federleicht wie gewohnt, eine gewisse Melancholie schwebt über dem Ganzen, insbesondere in den Gedanken von Violetta... Die Protagonisten haben sich weiter entwickelt – dies bleibt bei einer Serie ja nicht aus.

Herrn Huwyler gelang es nicht nur, mich wieder einmal prächtig zu unterhalten und zu amüsieren, er führte mich bisweilen auch auf falsche Fährten.

Und – liebe Mitlesende: Schaut bitte auf gar keinen Fall zuerst in das letzte Kapitel!!! Hört Ihr? Auf gar keinen Fall! Was da geschieht ist so unglaublich, dass einem der Mund offenbleibt und man Marcel Huwyler mit vorgehaltenem Revolver zwingen möchte sofort, aber wirklich subito, am Band 6 zu feilen und diesen zu veröffentlichen...

Nun denn – was soll es anderes geben als 5* und eine absolute Leseempfehlung für Freunde skurriler Geschichten, mit Wortspielereien garniert und mit gehörig schwarzem Humor serviert!

Bewertung vom 28.09.2023
Nebel über der Uckermark
Brandes, Richard

Nebel über der Uckermark


ausgezeichnet

Packender dritter Teil der Brandenburg-Reihe! Gibt es Hellseherei? Oder alles Scharlatanerie? Kein Esoterik-Kram sondern ernsthafter Krimi!

Dies ist bereits der dritte Brandenburg-Krimi von Richard Brandes, den ich gelesen habe und ich wurde auch dieses Mal nicht enttäuscht.

Maria, die Wirtin der Gaststätte, in der gerade noch Kommissarin Carla ausgelassen ihren 60.Geburtstag gefeiert hat, berichtet, dass sie in einer Vision die Ermordung einer jungen Frau voraussah. Carla hält bekanntlich nichts von Hokus-Pokus. Als jedoch eine Vermisstenmeldung für Jeta, eine junge Albanerin, hereinkommt, deren Beschreibung bis ins kleinste Detail mit der Vision übereinstimmt, wird selbst Carla stutzig.
Zufall? Insiderwissen? Oder tatsächliche hellsichtige Begabung?
Julia und Carla beginnen zu ermitteln, beide haben allerdings höchst unterschiedliche Auffassungen von Wahrsagerei und Hellsichtigkeit...
Carla wird jedoch ebenfalls ein wenig unruhig, als Maria auch ihr eine warnende Vision mitteilt.

Das ganze Buch bewegt sich etwas im mystischen Rahmen, ohne jedoch in Esoterik abzugleiten. Man merkt, dass der Autor gut recherchiert hat. Er zeigt sowohl Möglichkeiten der Hellsichtigkeit, deren Bedeutung in anderen Kulturen (Julias Vater) auf, nimmt aber auch die Scharlatanerie aufs Korn, die oft mit derlei Weissagerei und verzweifelt nach jedem Strohhalm greifenden Menschen betrieben wird.
Bis zum Schluss weiß man nicht genau, was Trug und was Wahrheit ist...

Das Buch liest sich gewohnt flüssig, die Gegend wird anschaulich beschrieben, was ich als Kennerin der Uckermark sehr gut beurteilen kann. Die bereits bekannten Charaktere haben sich weiter entwickelt und wachsen dem Leser immer mehr ans Herz. Maik, um den wir uns bereits im letzten Band sorgen mussten, befindet sich in einem sehr gefährlichen Undercover-Einsatz, so dass dem Leser des Öfteren der Atem stockt.

Jedoch – hier kommt mein einziger Minuspunkt des Buchs: Das Umfeld dieses Undercover-Einsatzes ist mir zu plakativ gewählt. „Klimaleugner“, Reichsbürger, ein unehrenhaft entlassener Oberst, rechte Schlägertypen, hier wurde wirklich alles versammelt, was zum typischen Klischee der rechten Szene passt, und dann über das Klima und „Querdenker“ versucht, einen aktuellen Bezug herzustellen. Ich habe zwar keinen Verbesserungsvorschlag – Mafia in der Uckermark wäre vielleicht ungewollt komisch geworden - aber wie gesagt, dieser Handlungsstrang hat mir sehr missfallen. Glücklicherweise hat der Autor aber ein Händchen dafür, solche Themen relativ gut in den Gesamtkontext einzubinden, so wie er es ja auch mit anderen Themen wie z.B. Alltagsrassismus tut.

Und dass ich dennoch die volle Punktzahl – ebenso eine absolute Leseempfehlung!!! - gebe liegt daran, dass es einfach ein unglaublich guter und spannender Kriminalroman, fast schon ein „Uckermark-Thriller“, geworden ist. Die kurzen Kapitel, oft am Ende mit Cliffhangern versehen, lassen einen das Buch nicht aus der Hand legen – und am Ende werden alle Fäden zusammengeführt, mit einer Wendung, mit der ich nicht gerechnet hätte, die aber sehr stimmig war.

Ich freue mich jetzt schon auf den nächsten Band und auf ein Wiedersehen mit den mir nun schon so vertrauten Protagonisten!

Bewertung vom 16.09.2023
Nach der Zeit
Johannsen, Anna

Nach der Zeit


sehr gut

Ruhiger, angenehm lesbarer Krimi mit sympathischem Ermittler-Team

Dies ist mein erster Krimi dieser Autorin, ich habe also auch Band eins der Serie nicht gelesen. Das war aber für den Fall auch nicht unbedingt nötig, vielleicht aber für das Verständnis der beiden Hauptcharaktere.

Jan, ein Psychologe, der momentan vor lauter privaten Problemen (bevorstehender Scheidung mit Kind in England) manchmal schwer ins Tagesgeschehen findet und Hanna, junge, toughe Kommissarin, deren Innenleben uns noch etwas verborgen ist, die aber wohl schon mal eine Schulter zum Anlehnen bräuchte.

Beide ermitteln nicht zum ersten Mal miteinander und das Miteinander geht auf jeden Fall dienstlich sehr gut, denn sie ergänzen sich sowohl in ihren Schlussfolgerungen als auch bei den Vernehmungen und Beobachtungen. Und sind letztendlich oft dergleichen Ansicht - im Gegensatz der Polizeibeamten, denen sie beratend zur Seite stehen sollen, denen sie aber öfter als Wichtigtuer und Störfaktor erscheinen.

Der Fall selbst – zwei vorgetäuschte Selbstmorde, deren einzige gemeinsame Spur weit in die Vergangenheit führt – wird minutiös und ruhig aufgeklärt. Der Leser weiß nie mehr als die ermittelnden Teams und die Spannung erzeugt sich somit mehr durch das Mitermitteln. Mir persönlich war diese Art des Erzählens sehr angenehm.

Zwischendurch kommen sich Jan und Hanna ab und zu etwas näher, was beiden gut tut, aber die Angst vor Verletzungen sitzt bei beiden sehr tief. Diese Segmente fand ich sehr schön und nachvollziehbar geschildert.

Am Ende kommt auch noch wirkliche Spannung auf, als – fast zu spät – erkannt wird, wer hinter diesen und weiteren zumindest geplanten Morden steckt. Das Motiv war nachvollziehbar, wenn auch vielleicht für solch akribische Morde fast etwas dünn. Es blieben nur ganz wenige offene Fragen für mich und da ich Jan und Hanna beide sehr sympathisch fand, werde ich den nächsten Band auch lesen.

Was mir ein wenig fehlte: Die Beschreibung der Personen, ich konnte mir rein optisch vor meinem inneren Auge kein Bild machen. Die Schilderung der Lüneburger Heide dagegen kam ganz gut rüber.

Da in meinen Augen noch Luft nach oben ist vergebe ich 4 gute Sterne und eine Lese-Empfehlung für Freunde eines ruhigen, unblutigen Krimis mit viel Augenmerk auf den Ermittlungen.