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Rezensentin aus BW

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Insgesamt 217 Bewertungen
Bewertung vom 09.09.2020
Der Empfänger
Lenze, Ulla

Der Empfänger


ausgezeichnet

In dem Roman, der Familiengeschichte, historischer Roman und Agententhriller in einem ist, geht es um die Lebensgeschichte des Rheinländers Josef Klein, der 1925 22-jährig nach New York auswandert.

Josef, der in einer Druckerei arbeitet, liebt die Lebendigkeit und die kulturelle Vielfalt in den Straßen Harlems und er interessiert sich begeistert fürs Amateurfunken.
Für den aufkeimenden Rassismus, Antisemitismus und deutsch-Nationalismus hat er nicht viel übrig. Politik interessiert ihn nicht besonders, zu Vielem hat er keine eigene Meinung.

Dann lernt er Lauren kennen. Sie ist eine Aktivistin, die durchaus Gefühle für ihn geht.

Aber noch jemand anders interessiert sich für ihn, bzw. für seine Kompetenz, was das Funken anbelangt: die deutsche Spionageabwehr.

Heimlich, still und leise wird Josef, der ziemlich naiv ist, zu einem Teilchen des Spionage-Netzwerkes.

Neben diesem „USA-Strang“ gibt es noch eine Erzählebene, die 1949 in Deutschland spielt. Josef besucht dort seinen Bruder und dessen Familie, aber er fühlt sich fremd.

Die Autorin, die wertneutral erzählt, beschreibt Innen- und Außenwelten gleichermaßen beachtlich und meisterhaft.
Sie schreibt feinfühlig, authentisch, wort- und bildgewaltig und erschafft ein gleichermaßen historisch bedeutsames wie hochaktuelles Werk.

Die Figuren erwachen zum Leben, Orte und Szenerien werden plastisch und lebendig. Die Atmosphäre wird authentisch vermittelt.

Über Josef Klein zu lesen ist beeindruckend und erschreckend. Wer kann sicher sein, in bestimmten Ausnahmesituationen kein Josef zu sein?
Wer kann nicht nachvollziehen, dass ein Mensch fern der Heimat und um sein Leben bangend zum Opportunisten werden kann?

Brisante und schwierige Fragen, die durch einen Roman ausgelöst werden, in dem es um Entwurzelung, Heimatlosigkeit, Verantwortung und Schuld geht.

Ich möchte diesen fesselnden, unterhaltsamen und erkenntnisreichen Roman, in dem Ulla Lenze die Lebensgeschichte ihres Großonkels literarisch verarbeitet, unbedingt weiter empfehlen!

Ein rundum gelungenes Werk!

Bewertung vom 09.09.2020
Das Verschwinden des Dr. Mühe
Hilmes, Oliver

Das Verschwinden des Dr. Mühe


sehr gut

Oliver Hilmes auf der Spur eines spektakulären Kriminalfalls, den er in den Akten des Berliner Landesarchivs entdeckt hat.
Ein sogenannter „Cold Case“.

Realität vor dem Hintergrund der sich zu Ende neigenden Weimarer Republik und der bevorstehenden Naziherrschaft, angereichert mit Fiktion.

Wir öffnen das Buch und landen im Berlin der 1930-er Jahre.

Was ist mit dem renommierten, tüchtigen und vermögenden Hausarzt Dr. Mühe geschehen, nachdem er nachts seine schicke Wohnung mit den integrierten Praxisräumem verließ?

Für den Arztberuf ist es nicht außergewöhnlich, auch noch zu später Stunde Hausbesuche zu machen.
Aber es ist mehr als außergewöhnlich, wenn der Arzt und auch sein Auto anschließend spurlos verschwinden und sein Konto leer geräumt ist.

Im Rahmen seiner gründlichen und langandauernden Ermittlungen findet der Kommissar Ernst Keller heraus, dass Dr. Mühes Ehe mit Charlotte einer Zweckgemeinschaft glich und dass da einige Gerüchte über das Paar kursierten.

Eine Vielzahl unterschiedlicher und sich z. T. widersprechender Zeugenaussagen fördern zahllose Ideen, Möglichkeiten und Motive zu Tage.

Schließlich hegt der Kommissar die nachvollziehbare Annahme, dass der angesehene Dr. Mühe ein kriminelles Doppelleben geführt haben könnte.

Hilmes Art zu erzählen und die Erwähnung vieler Namen, Zahlen und Fakten lassen den Kriminalroman recht ernst, nüchtern und förmlich wirken, wodurch man den Eindruck bekommt, der Mordkommision bei ihrer Polizeiarbeit unmittelbar über die Schulter zu schauen.

Die Lektüre dieses Buches hat mich gefesselt. Ich wollte immer weiterlesen, um die Auflösung zu erfahren.

Der 1971 geborene Oliver Hilmes, ein deutscher Historiker, kennt sich mit Zeitgeschichte aus, hat umfassend recherchiert, vermittelt eine authentische Atmosphäre und hat mit „Das Verschwinden des Dr. Mühe“ auf pfiffige Art und Weise ein raffiniertes, unterhaltsames und zweifellos lesenswertes Werk komponiert.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 08.09.2020
Die rechtschaffenen Mörder
Schulze, Ingo

Die rechtschaffenen Mörder


ausgezeichnet

Norbert Paulini wächst bei seinem Vater und Frau Kate in Dresden auf. Seine Mutter ist früh verstorben und von seinen Mitschülern wird er ausgeschlossen.
In Büchern findet er Welten, in die er eintauchen und in denen er sich wohl fühlen kann.
Diese Leidenschaft wird zur Berufung und zum Beruf: Zusammen mit Frau Kate erweckt er das Antiquariat seiner verstorbenen Mutter wieder zum Leben.

Der Laden boomt!
Buchliebhaber kommen von weit her. Sie schätzen Paulinis Empfehlungen, das reichhaltige und qualitativ hochwertige Angebot und die literarischen Veranstaltungen.
Es geht steil bergauf.

Paulini heiratet Viola, eine Friseurin, und die beiden bekommen einen Sohn.
Mit der Maueröffnung ändert sich alles.
Es geht steil bergab.

Der 320-seitige Roman ist ein Highlight!
Ingo Schulze bedient sich mehrerer Erzählperspektiven, erzählt präzise und anschaulich und erschafft ein raffiniertes und fesselndes Werk mit brisanter Thematik, das immer wieder für Überraschungen sorgt und höchst unterhaltsam ist.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 08.09.2020
Damals in New York
Beattie, Ann

Damals in New York


gut

Nach außen hin wirkt alles wunderbar:
Ein hervorragend abgeschlossenes Studium an einer Elite-Universität.
Schönheit.
Jugend.

Die Welt scheint so einem Menschen offen zu stehen!

Die 22-jährige Jane empfindet das nicht so.
Sie spürt eine Leere, ihr fehlt der Sinn, sie weiß nicht so recht, was sie aus sich machen und wie es weitergehen soll.
Sie lebt so vor sich hin, dreht sich um sich selbst, verliert ihre Umwelt und ihr Leben aus den Augen.
Sie entwickelt sich im Verlauf der Geschichte nicht wirklich weiter.
Mir scheint, Jane ist in einer (depressiven) Krise und braucht professionelle Hilfe.

Da trifft sie Amors Pfeil.
Neil, ein 20 Jahre älterer, charmanter, erfolgreicher und vermögender Intellektueller, erobert ihr Herz im Sturm.
Er erklärt ihr die Welt.
Sie verfällt ihm.
Liebe macht blind...

Ann Beattie schreibt scharfzüngig und rasant. Was herauskommt ist eine besondere und eigenartige 144 Seiten lange Geschichte.
Emotionen bilden den Kern, aber eine emotionale Verbindung zwischen Buch und Leser entsteht nicht. Selten wurde ich von einem belletristischen Buch so wenig berührt.
Es resultiert ein Touch von nicht greifbarem und bruchstückhaftem, ein Hauch von Melancholie und Depression eingebettet in kaum fassbare Ängste, Hoffnungen, Wünsche und Träume.

Wer mal Lust auf was anderes hat, lese „Damals in New York“.

Bewertung vom 07.09.2020
Allegro Pastell
Randt, Leif

Allegro Pastell


ausgezeichnet

Der 288-seitige Roman „Allegro Pastell“ ist Liebesgeschichte, treffendes Gesellschaftsbild und präzises Generationenportrait in einem.

Er zeigt das Bemühen auf, das Alte abzustreifen und das Neue, im Grunde Alte, zu (er-)finden.

Leif Randt hat hier meines Erachtens ein Stock brandaktueller und unbedingt lesenswerter Gegenwartsliteratur geschaffen.

Die Autorin Tanja und der Webdesigner Jerome führen eine Fernbeziehung.
Sie sind um die dreißig, schön, erfolgreich und anstrengend ... und pendeln zwischen Berlin und Frankfurt hin und her.
Ihr Konstrukt scheint perfekt zu sein. Not und Probleme gibt es nur außerhalb.

Die beiden legen ein großes Bemühen an den Tag, damit das so bleibt. Ihre Gefühle und ihre scheinbar makellose Beziehung sollen konserviert bleiben. Doch auch ihre Partnerschaft verändert und entwickelt sich, was für die beiden zu einer großen Herausforderung wird.

Alles muss besonders, außergewöhnlich, tiefgründig und wohldurchdacht sein...alles wird reflektiert und diskutiert...auch, oder v. a. ihre virtuellen Kontakte zwischendurch...

Inszenierung des eigenen Lebens. Selbstdarstellung. Vorausschauendes Handeln, antizipierte Bewertungen und likes inbegriffen.

Wo bleiben da Spontaneität und Kompromissfähigkeit?
Wo bleibt da der bedingungslose Genuss im Hier und Jetzt?

Es scheint da eine tiefe Furcht vor Verbindlichkeit und Festlegung zu geben. Eine Angst davor, sich falsch zu entscheiden und irgendwann bereuen zu müssen.
Was, wenn man durch die falsche Tür tritt und es kein Zurück mehr gibt?
Die Vorstellung, dass es immer neue Chancen geben wird, dass man zwar Vieles nicht rückgängig machen, aber korrigieren und das Beste daraus machen kann, wird nicht in Betracht gezogen.

Alles wirkt auf den ersten Blick sehr tiefgründig, aber es ist gleichzeitig oder in Wahrheit sehr oberflächlich und gehaltlos.
Es wirkt, als würden die eigenen Gefühle ernst genommen und immer wieder zu Rate gezogen, aber eigentlich geht es nur darum, welche Gefühle mit der Selbstdarstellung beim Gegenüber ausgelöst werden und was dann zurück kommt.
Es ist im Grunde tief traurig, denn die treibende Kraft ist letztlich eine Orientierung am Gegenüber und eine Abhängigkeit von der Wertschätzung Anderer.

Aus meiner beruflichen und persönlichen Erfahrung heraus würde ich sagen, dass Tanja und Jerome äußerst glaubwürdige Vertreter einer Generation sind und deren Lebensgefühl und Haltung zwar überspitzt, aber im Kern treffend repräsentieren.

Ich finde den Titel des Buches bravourös gewählt!
„Allegro Pastell!“ -
Nicht Fisch, nicht Fleisch.
Lebhaft und heiter, aber verschwommen und gemäßigt.
Die Intensität scheint zu fehlen.
Es ist eine Suche nach Intensität und Tiefe.

Aber wahrscheinlich können Intensität und Tiefe nur gefunden werden, wenn Spontaneität und Mut zu Kompromissbereitschaft und Verbindlichkeit wieder Einzug halten.

Wer die heutigen jungen Erwachsenen zwischen 25 und 35 besser verstehen will, der lese „Allegro Pastell“.
Ich finde diesen pointierten aber unterm Strich wahren Roman klasse!

Bewertung vom 06.09.2020
Brüste und Eier
Kawakami, Mieko

Brüste und Eier


ausgezeichnet

Das furchtbare Cover und der schreckliche Titel haben mich erst einmal abgeschreckt.
Der Name der Autorin und der Klappentext haben mich dann neugierig gemacht.

Die sympathische 30-jährige Autorin Natsuko lebt in Tokio. Sie stammt aus einfachen Verhältnissen und sträubt sich dagegen, sich den Rollenerwartungen der immer noch sehr traditionell und konservativ orientierten japanischen Gesellschaft unterzuordnen.

Eines Tages wird sie von ihrer älteren Schwester Makiko und deren 12-jährigen Tochter Midoriko besucht. Die beiden kommen aus Osaka, dem Heimatort der Schwestern.

Auch das Mädchen Midoriko hat eine Leidenschaft fürs Schreiben entwickelt.
Sie notiert ihre Gedanken und Ängste, die um das Thema „Frau werden“ kreisen, in einem Notizbuch.
Während dieses Prozesses der Auseinandersetzung mit Fortpflanzung, Mutterschaft, den anstehenden Veränderungen ihres Körpers und ihrer künftigen Rolle in der Gesellschaft, entfremdet sie sich zunehmend von ihrer Mutter Makiko, die ihrerseits mit den Veränderungen ihres Körpers beschäftigt ist: Der Alterungsprozess. Hängende Brüste. Zu kleine Brüste. Eine Brust-Op muss her!

Die Autorin Natsuko wiederum wird von ihrem Kinderwunsch in Beschlag genommen.
Ein Spendersperma könnte die Lösung sein!

Der Leser wird mit schillernden, urkomischen, surrealen, grotesken, aber auch absolut realistischen und dann wieder fast peinlichen Szenen sowie mit teilweise schrägen Charakteren überrascht.

Der Text wird lebendig und heiter erzählt und liest sich flüssig und leicht.

Der Roman ist das Werk einer japanischen Autorin. Er spielt in Japan und gibt Einblicke in die gegenwärtige japanische Gesellschaft.
Und trotzdem bzw. gleichzeitig greift er auch westliche Fragestellungen und Diskussionen zu den Themen Mutterschaft, Schönheitsnormen, Rolle der Frau, Erwartungen der Gesellschaft an die Frau ... auf.

Der mich beeindruckende Kunstkniff der Autorin Mieko Kawakami ist, dass fast jede der Haupt- und Nebenfiguren eine Haltung und Position in diesen Debatten verkörpert.

Ich empfehle diese eigenwillige, radikale und etwas bizarre Lektüre sehr gerne weiter.
Es ist mal etwas anderes.
Man muss sich darauf einlassen... und wird dafür belohnt!

Bewertung vom 05.09.2020
Von schlechten Eltern
Kummer, Tom

Von schlechten Eltern


ausgezeichnet

Nach dem Tod seiner Frau Nina kehrt Tom zurück in die Schweiz. Seinen jüngeren Sohn Vince nimmt er mit, sein älterer Sohn Frank will in den USA bleiben.

Um seinem Sohn gerecht zu werden - Tom ist ein sehr verantwortungsbewusster und fürsorglicher Vater - nimmt er eine Stelle als Chauffeur an.
Nachts muss er seine Fahrgäste mit dem Taxi hierhin und dorthin kutschieren.

Auf diesen nächtlichen Fahrten verliert er sich in Gedanken und Erinnerungen, träumt und halluziniert er - er verarbeitet seine tiefe Trauer um seine verstorbene Frau Nina.
Dabei ist er hin- und hergerissen zwischen dem Sog des Todes und dem Reiz des Lebens, der v. a. von seinen Söhnen ausgeht und vermittelt wird.

Wir bekommen dabei nicht nur Einblicke in Toms Seelenleben sondern werden auch Zeugen interessanter Gespräche oder Monologe: philosophische Gespräche über Leben und Tod, mystische Erzählungen der zumeist afrikanische Fahrgäste...

Tom Kummer hat mich mit seinem berührenden und bewegenden Roman überzeugt.

Er handelt von emotionalem Schmerz und tiefer lähmender Trauer über den Verlust eines geliebten Menschen.

Es geht darum, dass und wie man nach so einer bodenlosen Trauer wieder ins Leben zurück finden kann.

Gleichzeitig ist „Von schlechten Eltern“ eine zart und fein geschriebene, aber niemals ins Kitschige abdriftende Liebesgeschichte und ein „Roadmovie“, über dem eine melancholische Atmosphäre schwebt.

Tom Kummer jongliert gekonnt, feinfühlig und aufrichtig sowie mit schlichter, direkter, schnörkelloser und präziser Sprache zwischen äußerer und innerer Realität.
Kein Wort ist zu viel, keines zu wenig.
Die z. T. philosophischen Gespräche über Leben und Tod regen Nachdenken an und die sehr bildhaften und wundervollen Beschreibungen der Landschaft kann man schlicht und ergreifend genießen.

Ein must-read!

Bewertung vom 04.09.2020
Margos Töchter
Stephan, Cora

Margos Töchter


ausgezeichnet

Es geht in diesem knapp 400-seitigen Roman um die rebellische, freiheitsliebende und nach Unabhängigkeit strebende Leonore, die in den 1960-er Jahren in Westdeutschland aufgewachsen ist und um ihre Brieffreundin Clara, eine linientreue und vorbildliche Genossin, die in der DDR groß geworden ist.

Die beiden haben sich in einem Jugendlager der DDR kennengelernt.
Die beiden freunden sich an und die beiden hüten ein Geheimnis.
Die beiden sind sehr unterschiedlich und die beiden haben etwas, das sie miteinander verbindet.
Die beiden verlieren sich aus den Augen und die beiden sehen sich nach Jahren wieder.

Es geht aber auch um Jana.
Jana, die 2011 34 Jahre alt ist und die Einsicht in die Stasiakte ihrer bereits verstorbenen Adoptivmutter Leonore nimmt.
Und Jana ist nicht die einzige und erste, die aus der Bahn geworfen wird, als sie in dieser Akte von Dingen liest, die ihr bis dato nicht bekannt waren.

Während der Leser die Frauen begleitet und v. a. Janas Geschichte erfährt und verfolgt, taucht er gleichzeitig tief in die Zeitgeschichte seit den 1960-er Jahren ein, die recht realistisch dargestellt wird.
RAF-Terroranschläge, Ost-West-Konflikt, politische Häftlinge der DDR, der Reaktorunfall von Tschernobyl, Waldsterben, Stasi, die 68-Bewegung... all das sind Themen, die mich an mein eigenes Aufwachsen erinnert haben.
Die Lektüre war ein bisschen wie eine Zeitreise in meine eigene Kindheit und Jugend.

Wie üblich, wurde mir erst nach der Lektüre klar, dass es schon einen ersten Band gibt: „Ab heute heiße ich Margo“.
Den werde ich nun sicher noch „nachlesen“, aber „Margos Töchter“ kann auch unabhängig von diesem ersten Band gelesen, verstanden und genossen werden.

Ich empfehle diesen packenden, spannenden und tragischen Familienroman, der in Zeitgeschichte eingebettet ist, sehr gerne weiter. Er ist unterhaltsam, berührend und informativ.

Deutsche Geschichte kurzweilig und interessant verpackt in eine bewegende Generationengeschichte.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 03.09.2020
Verschließ jede Tür
Sager, Riley

Verschließ jede Tür


ausgezeichnet

Meine Gedanken und Eindrücke zum Thriller „Verschließ jede Tür“ von Riley Sager.

Was für ein packender und spannender Pageturner!
Ich flog regelrecht durch die Seiten dieses gelungenen Thrillers und hatte das ein oder andere mal eine Gänsehaut.

„Apartment-Sitterin“.
Welch ungewöhnlicher Job.
Und wie reizvoll, wenn man praktisch ohne Arbeit und Dach über dem Kopf ist und nur fürs Wohnung hüten außerordentlich gut bezahlt wird.

Die 25-jährige Jules, die ich bisweilen recht anstrengend und nervtötend empfinde und die gerade eine Trennung hinter sich hat, kann und will dieser Verführung nicht widerstehen.

1000 Dollar pro Woche!
Und dafür nur auf eine traumhafte Wohnung in einem luxuriösen Hochhaus am Central Park aufpassen.
Was für ein Schnäppchen!

Die ungewöhnlichen Regeln nimmt sie dafür gern in Kauf.
Als Ingrid, ebenfalls eine Apartment-Sitterin, verschwindet, beginnt Jules ihre Nase zu tief in anderer Leute Angelegenheiten zu stecken. Sie wittert ein Geheimnis und will es lüften. Sie stellt Nachforschungen an.
Und jetzt wird der Traum zu einem Alptraum!

Die Autorin vermittelt eine düstere und mysteriöse , manchmal auch gruselige Atmosphäre, über der eine Bedrohlichkeit liegt.
Dass das Geschehen von der Ich-Erzählerin Jules im Präsens und in zwei Zeitsträngen erzählt wird, die aufeinander zulaufen und sich treffen, erhöht die Spannung.

Das Ende war eine Überraschung und für mich nicht vorhersehbar. Schon deshalb erhält der Thriller Pluspunkte.

Ich empfehle den Roman sehr gerne weiter. Er hat mir unterhaltsame Lesestunden beschert und kann getrost als lesenswerter Thriller bezeichnet werden.

Bewertung vom 03.09.2020
Mein Leben mit Martha
Bergmann, Martina

Mein Leben mit Martha


ausgezeichnet

Ist das nicht unfassbar? Da wird eine Mitte 80-jährige so langsam dement und eine fast Fremde nimmt sich ihrer an.
Das klingt märchenhaft und unrealistisch.
Aber nach der Lektüre dieses feinfühlig, taktvoll und zart geschriebenen Romans, der mit genau der richtigen Dosis Humor und trockenem Witz geschrieben ist, erscheint es nicht mehr unmöglich.

Würdevolles Altern? Das geht!

Die über 80-jährige zunehmend demente Martha und die fast 40-jährige Buchhändlerin Martina sind zwei außergewöhnliche Frauen, die zeigen, dass es möglich und sogar bereichernd für beide Seiten sein kann, eine Wohngemeinschaft zwischen Alt und Jung sowie zunehmend dement und geistig fit einzugehen.

Obwohl Martha sehr vergesslich ist und oft rational nicht nachvollziehbare Dinge tut, hat sie eine gute Portion Durchsetzungsfähigkeit und eine sehr sympathische Seite.
Und obwohl Martina viel um die Ohren hat, gelingt es ihr, ein Zusammenleben mit Martha möglich zu machen.

Ich empfehle diesen berührenden aber zu keinem Zeitpunkt kitschigen Roman, dessen roter Faden Menschlichkeit, Solidarität, Toleranz, Lebensfreude und Zuneigung ist, gerne weiter!

Er macht Mut, über den Tellerrand zu schauen, über eine Möglichkeit nachzudenken und sich vielleicht auf ein Abenteuer einzulassen, das trotz aller Schwierigkeiten und Herausforderungen eine Bereicherung sein kann.
Natürlich nicht in jedem Fall, aber manchmal.
Und natürlich nur, wenn man ein professionelles Netz aus Helfern an seiner Seite hat und auch nur bis zu einem bestimmten Stadium.
Martha kommt ja tagsüber noch recht gut zurecht und zwischendurch schaut der Pflegedienst vorbei.

Martina Bergmann, die aus Erfahrung spricht, nimmt der Demenz die Bedrohlichkeit und regt mit ihrer durch und durch respektvoll und tendenziell nüchtern geschriebenen Geschichte dazu an, gründlich darüber nachzudenken, ob ein Zusammenleben der Generationen im ein oder anderen Fall vielleicht doch möglich ist.

Die Autorin verklärt diese alternative Möglichkeit, einen alten Menschen zu betreuen nicht.
Sie zeigt die Tücken und Probleme und geht auch auf reale, bürokratische und organisatorische Schwierigkeiten ein.
Sie erwähnt dabei auch die Einwände und Vorurteile aus dem Umfeld, was so ein Projekt nicht gerade erleichtert.

Der Roman ist auch ein unaufdringliches Plädoyer dafür, einen dementen Menschen nicht auf seine Krankheit zu reduzieren, sondern offen zu sein für all das, was ihn darüber hinaus ausmacht.

Die Autorin hat hier eigene reale Erlebnisse und Erfahrungen in Fiktion eingebettet. Herausgekommen ist ein unterhaltsames, kurzweiliges, lesenswertes und zum Nachdenken anregendes Buch. Es ist kein Roman im eigentlichen Sinn. Vielleicht eher ein lebendig geschriebener Bericht. Eine Lebensgeschichte, die sich zu lesen lohnt.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.