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mimitatis_buecherkiste
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Krefeld

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Insgesamt 568 Bewertungen
Bewertung vom 12.07.2023
Die Affäre Alaska Sanders
Dicker, Joël

Die Affäre Alaska Sanders


ausgezeichnet

Im April 1999 wurde Alaska Sanders tot aufgefunden, nach einer relativ kurzen Ermittlung wurde ein Verdächtiger gefunden, der gestanden und seinen Komplizen verraten hat. Elf Jahre später erhält Sergeant Perry Gahalowood, der seinerzeit zum Ermittlungsteam gehört und von der Schuld der Verdächtigen überzeugt war, eine anonyme Nachricht zugespielt, die ihn daran zweifeln lässt, damals die richtigen Personen verhaftet zu haben. Gemeinsam mit dem Schriftsteller Marcus Goldman, den er aus der Ermittlung gegen Harry Quebert kennt, rollt er den Fall gegen alle Widerstände auf und fördert erstaunliche Einzelheiten zutage, die die damaligen Ereignisse in einem ganz anderen Licht erscheinen lassen.

Zum dritten Mal gibt es ein Wiedersehen mit dem Schriftsteller Marcus Goldman und zum wiederholten Male konnte mich die Geschichte abholen, unterhalten und begeistern. Dabei bleibt der Autor seiner Art der Erzählung treu und verknüpft scheinbar mühelos Vergangenheit und Gegenwart zusammen, sodass am Ende alle Fragen beantwortet sowie alle losen Enden lückenlos zusammengeführt werden. Hierbei wird jeder zeitliche Sprung penibel beschriftet, sodass keine Unklarheiten entstehen können, um welche Zeitspanne es sich gerade dreht. Man muss die ersten zwei Teile nicht zwingend gelesen haben, um dieser Geschichte folgen zu können, sollte sich aber im Klaren darüber sein, dass abgesehen davon, dass man tolle Bücher verpasst, es immer wieder Hinweise und Andeutungen auf vergangene Vorgänge gibt, die nicht immer Sinn ergeben, wenn man nicht ungefähr weiß, um was es geht. Zu Beginn hatte ich, obwohl ich beide Bücher kenne, selbst einige Schwierigkeiten, die Zusammenhänge zu verbinden, dies legte sich aber zum Glück ziemlich schnell und ich rauschte nur so durch das Buch.

Die Spannung wurde durch die permanenten Zeitsprünge konstant oben gehalten, die kleinen Hinweise an vielen Kapitelenden führten zusätzlich dazu, dass ich unbedingt wissen wollte, wie es weitergeht. Dies endete oft damit, dass mein Vorsatz, nur noch ein Kapitel zu lesen, torpediert wurde, denn das Buch aus der Hand zu legen, war so natürlich gar nicht möglich. Glücklicherweise hatte ich Zeit und Muße, am Ball bleiben zu können, denn gedanklich konnte ich mich vom Fall nur schlecht lösen. Die vielen Wendungen haben mir sehr gefallen, und auch wenn ich versucht habe, den Hergang zu erraten, lag ich doch meilenweit daneben, was den tatsächlichen Ausgang betrifft. Großartig hat der Autor die vergangenen Ereignisse mit der Gegenwart im Buch verbunden und eine Auflösung präsentiert, die mich verblüfft hat. Erstaunlich dabei ist, dass jedes Puzzleteil seinen exakten Platz gefunden hat. Andeutungen zum Ende hin lassen einen weiteren Teil mit Marcus Goldman vermuten, wobei der Fall Alaska Sanders komplett abgeschlossen worden ist. Ich freue mich drauf! Für die spannende Unterhaltung vergebe ich gerne die volle Punktzahl und lege ein extra Sternchen hinzu.

7 von 7 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 10.07.2023
Suzukis Rache
Isaka, Kotaro

Suzukis Rache


ausgezeichnet

Suzukis Frau ist tot, sie wurde bei einem Autounfall getötet, den der Sohn eines bekannten Gangsters verursacht hat, weil er wieder einmal unter Einfluss von Alkohol und anderen Substanzen unterwegs war. Bestraft wurde er dafür nicht, sodass Suzuki nun Rache schwört, wozu er sich in das kriminelle Unternehmen des Gangsters einschleicht. Als ein Unfall passiert, bekommt es Suzuki auf einmal mit drei Auftragskillern zu tun, die es plötzlich alle auf ihn abgesehen haben.

Dies war ein ungewöhnliches Lesevergnügen, das Buch lässt mich nach anfänglichen Schwierigkeiten begeistert zurück. Die Probleme haben weniger mit dem Buch zu tun, als damit, dass ich es zu Beginn unterlassen habe, den Klappentext zu lesen, weil ich mich überraschen lassen wollte. Das funktioniert normalerweise sehr gut, hier habe ich mir allerdings keinen Gefallen damit getan, denn auf den ersten Seiten verstand ich dadurch nur Bahnhof und wer Durchsagen der Bundesbahn kennt, der weiß, dass es dabei bleibt. Nach Durchsicht der Zusammenfassung machte alles endlich Sinn und meine kuriose Lesereise konnte weitergehen.

Ich habe selten eine Geschichte gelesen, die so crazy und abgefahren war. Die drei Auftragskiller töten auf unterschiedliche Weise, lediglich den Killer mit dem Messer könnte man alltäglich nennen. Durch die Spitznamen der Killer kam ich manchmal etwas durcheinander, welche Todesart zu welchem Mörder gehört; manchmal löste sich dies von selbst auf, manchmal musste ich kurz überlegen, aber letztendlich verankerten sich die Eigenarten der drei irgendwann in meinem Gehirn. Jedes Kapitel war mit dem Namen beziehungsweise Spitznamen im Falle der Auftragskiller betitelt, die Handlung spielte parallel oder zeitlich versetzt.

Die Story ist insgesamt mit einem Augenzwinkern zu genießen, der Humor ist fein und nicht immer auf den ersten Blick erkennbar. Die Charaktere sind speziell, um nicht zu sagen skurril, die Handlung ein wenig verrückt und übernatürliche Phänomene gibt es als Sahnehäubchen dazu. Insgesamt ein amüsantes Werk voll mit schwarzem Humor, das mich sehr gut unterhalten hat. Dafür gibt es von mir die volle Punktzahl und eine Leseempfehlung.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 07.07.2023
Mutterliebe
Selvig, Kim

Mutterliebe


sehr gut

Die reiche Unternehmergattin Sylvia Bentz ist angeklagt, ihren dreijährigen Sohn Linus umgebracht zu haben, die Tötung der fünfjährigen Larissa ging zum Glück schief, das Mädchen hat überlebt. Die Reporterin Kiki Holland springt für eine erkrankte Kollegin ein, um über die Gerichtsverhandlung zu berichten. Dabei fallen ihr Ungereimtheiten auf, sodass sie sich auf die Suche nach Antworten macht. Dass sie sich selbst in große Gefahr bringt, hat sie dabei nicht erwartet, aber ihr Gegner ist mächtig und will alles dafür tun, dass die Wahrheit nicht ans Licht kommt.

Unter dem Pseudonym Kim Selvig haben die Autoren Silke Porath und Sören Prescher einen Justizkrimi geschrieben, der mir spannende Lesestunden beschert hat. Die Ereignisse wurden immer wieder durch Rückblenden unterbrochen, die nicht chronologisch geordnet, dadurch aber umso dramatischer in der Wirkung waren. Durch eine genaue Zeitangabe am Anfang des jeweiligen Kapitels stand einer exakten Zuordnung nichts im Wege, sodass keine Unklarheiten entstehen konnten, wann die Handlung spielt. Der Erzählstil war insgesamt sehr ausführlich, um nicht zu sagen ausschweifend, ich hätte mir an einigen Stellen eine Kürzung gewünscht. Ebenso war das Tempo oft sehr reduziert, sodass ich mir mehrere Male einen beschleunigten Ablauf gewünscht hätte.

Bereits früh war mir klar, worauf die investigativen Recherchen hinauslaufen, Hinweise dazu fand ich im Text einige. Dies schmälerte aber nicht meinen Lesegenuss, im Gegenteil war ich gespannt darauf, ob die Autoren hier eine überraschende Komponente einbauen würden. Dem war zwar nicht so, dennoch gab es einige interessante Ansätze, die zur Spannung beitrugen. Die Auflösung war schlüssig, allerdings gab es zum Ende hin einen solchen Fehler im Text, dass ich es kaum glauben konnte. Das sollte und dürfte nicht passieren, ich hoffe, dass dies in der nächsten Auflage korrigiert wird.

Insgesamt ein guter und spannender Justizkrimi, dem eine leichte Kürzung gutgetan hätte. Aufgrund des eklatanten Fehlers auf den letzten Seiten erfolgt der Abzug von einem halben Stern. Wer über einen solchen Fehler hinwegsehen kann, rechnet diesen einfach zu den von mir letztendlich vergebenen dreieinhalb Sternen hinzu.

3 von 3 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 03.07.2023
Feinde
Grisham, John

Feinde


ausgezeichnet

Die Einwanderersöhne Keith Rudy und Hugh Malco wachsen gemeinsam auf, ihre Freundschaft bekommt aber bereits in der Teenagerzeit erste Risse, da der Werdegang ihrer Väter nicht unterschiedlicher sein könnte. Während Lance Malco sich mit Alkohol, Glücksspiel und Prostitution ein Imperium aufbaut und zum Oberboss mutiert, drückt Jesse Rudy die Schulbank, um im Abendstudium die Zulassung zum Anwalt zu erreichen, was ihm auch gelingt. Als Lance mit Hilfe des kriminellen Sheriffs in Biloxi immer mächtiger wird, kandidiert Jesse für das Amt des Bezirksstaatsanwalts und gewinnt im zweiten Anlauf die Wahl. Sein Ziel ist es, die kriminellen Machenschaften an der Küste zu unterbinden und besonders Lance Malco für seine unzähligen Verbrechen zur Rechenschaft zu ziehen.

Die Handlung setzt an in Biloxi, Mississippi, im Jahre 1948, als Keith und Hugh geboren werden. Anders als der Klappentext suggeriert, sind die beiden Freunde nicht Mittelpunkt des Buches, denn neben der ausführlichen Historie der Ereignisse im Staat Mississippi bis ins Jahr 1925 hinein, geht es um ihre Väter und deren Lebensgeschichten. Schon früh zieht mich die Erzählung in ihren Bann, fasziniert folge ich den unzähligen Erzählsprüngen, die mal diese und mal diese Familie skizzieren. Nebenbei weiß der Autor mich mit skurrilen Nebencharakteren zu unterhalten, was die Geschehnisse auflockert. Jesse und Lance schlagen bereits früh den gewünschten Weg ein und beide verfolgen ihr Ziel verbissen, was verständlicherweise nicht immer fair und legal abläuft, zumindest wenn es Lance betrifft. Die Söhne folgen den Vätern, was später zur Katastrophe führt.

Es ist, wie bei Grisham üblich, ein Kampf zwischen Arm und Reich, zwischen Gut und Böse, zwischen David und Golliath im übertragenen Sinn. Die juristische Komponente kommt dazu, als Jesse die Wahl gewinnt und der wortwörtliche Krieg beginnt; der auf der Straße und ein solcher im Gerichtssaal. LeserInnen, die mit der juristischen Seite nichts anfangen können, werden wahrscheinlich enttäuscht sein, denn ab diesem Zeitpunkt nimmt diese Thematik den meisten Raum ein und wer den Autor kennt, weiß selbst, wie detailverliebt er sein kann; hier schöpft er aus dem Vollen, wozu noch die politische Seite kommt, weil die von Jesse angestrebten Ämter damit verknüpft sind.

Trotz des Umfangs, des fast schon ausschweifenden Erzählstils und der langen, mehrere Jahrzehnte umfassenden Handlung habe ich mich zu keinem Zeitpunkt gelangweilt. Ich bin immer wieder überrascht darüber, wie interessant und spannend Grisham die langweiligsten Dinge vermitteln kann, denn bei Politik bin ich normalerweise raus und auch das Recht in Amerika kann reichlich kompliziert sein, wenn man es nicht gut erklärt. Ein großartiges Buch, Familiengeschichte, Drama, Gangsterepos und Justizkrimi zugleich. Volle Punktzahl gibt es dafür von mir und eine Leseempfehlung.

8 von 8 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 01.07.2023
Wolfskinder
Buck, Vera

Wolfskinder


sehr gut

Seit zehn Jahren wird Juli vermisst, sie war mit ihrer Freundin Smilla im Wald campen und verschwand mitten in der Nacht. Die sechsundzwanzigjährige Smilla hat dies nie verarbeitet und gibt die Suche nach Juli nicht auf, kommt zum Jahrestag zum Berg zurück. Als kurz darauf die sechzehnjährige Rebekka verschwindet, wittert Smilla einen Zusammenhang und lässt nicht locker. Zu spät merkt sie, dass etwas mit der Siedlung über dem Dorf nicht stimmt, die Bewohner von Jakobsleiter etwas zu verbergen haben und alles dafür tun würden, dass ihr Geheimnis nicht ans Licht kommt.

Zu Beginn des Buches wurde ich von den vielen beteiligten Personen förmlich erschlagen, jede wollte mir etwas erzählen, aber nicht alles ergab für mich einen richtigen Sinn, denn obwohl jede Person so viel zu erzählen hatte, verbarg sie noch viel mehr vor mir, unterschlug Fakten, sprach in Rätseln und tat alles dafür, dass ich vorerst nicht errate, um was es überhaupt geht. Das war anfangs durchaus spannend, irritierte mich aber zusehends, sodass ich ziemlich erleichtert war, als sich langsam herauskristallisierte, in welche Richtung es geht. Das dachte ich zumindest, lag aber natürlich falsch und war nun plötzlich auf der Hut und gespannt darauf, worauf das Ganze wirklich hinausläuft.

Die sehr schnellen Wechsel zwischen den Personen fand ich nicht immer gelungen, manchmal ist weniger bekanntlich mehr. Noch ein, zwei Mal beschlich mich das Gefühl, dass ich etwas nicht verstehe, aber letztendlich hat sich alles aufgeklärt und zum Ende hin wurden fast alle Fragen beantwortet, wenn auch ein kleiner Zweifel bei mir bleibt, ob es das gewesen ist. Zusammenfassend kann ich sagen, dass ich sehr gut unterhalten wurde, sodass ich gerne dreieinhalb Sterne vergebe und eine Leseempfehlung ausspreche.

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 28.06.2023
Der Follower / Tom-Bachmann-Serie Bd.3
Meyer, Chris

Der Follower / Tom-Bachmann-Serie Bd.3


ausgezeichnet

Tom Bachmann, Profiler beim BKA, bekommt einen Anruf von Lisa, mit der ihn eine schlimme Zeit in der Kindheit verbindet. Lisa vermisst ihre beste Freundin, Tom soll ihr helfen, die Vermisste zu finden, die am Tag ihres Verschwindens ein Foto von sich auf Instagram hochgeladen und angekündigt hat, nach Dubai auswandern zu wollen. In der Wohnung deutet nichts darauf hin, dass die Frau ausgewandert ist, im Gegenteil finden sich in einem Raum mit Chemie sichtbar gemachte Spuren, wonach eine unglaubliche Menge Blut geflossen sein muss. Da taucht das zweite Foto einer Influenzerin auf und es wird klar, dass Tom und sein Team es mit einem Serienkiller zu tun haben, der nicht so schnell aufhören wird.

„Es war nicht mehr nur die Gier nach den schönen Beinchen, die ihn antrieb. Nein, er mochte auch die Amputationen bei lebendigem Leib inzwischen immer lieber. Die Angst in den Augen, den Schmerz in ihren Gesichtern…“ (Seite 261)

Beim vorliegenden Buch handelt es sich um den dritten Teil der Buchreihe um Tom Bachmann, natürlich habe ich die ersten beiden Bücher ebenfalls gelesen. Hierbei fand ich den zweiten Teil ein wenig schwächer als den Reihenstart, weswegen ich sehr neugierig war, wie es weitergehen würde, allerdings hat sich meine Sorge als völlig unbegründet herausgestellt, denn dieser Teil war an Einfallsreichtum, Spannung, aber auch Brutalität nicht zu überbieten! Was die Autorin sich hier hat einfallen lassen, lässt mich immer noch schaudern, manche Szenen führten dazu, dass mein Magen sich merklich hob und lange nicht beruhigen ließ. Die Perspektive des Mörders fand ich außerordentlich faszinierend, ich war sehr gespannt darauf, ob es mir gelingt, seine Motive zu durchschauen oder vielleicht herauszufinden, wer es sein könnte. Dazu kam es nicht, denn viel zu schlau hat Chris Meyer hier einige falsche Fährten gelegt.

Der vorliegende dritte Teil der Reihe war schauerlich, spannend, brutal und blutig, für sensible LeserInnen ist er nicht geeignet, denn manche Szenen und Beschreibungen waren sehr ausführlich und sparten nicht mit Details. Man muss die ersten zwei Teile nicht gelesen haben, denn die Fälle sind alle in sich abgeschlossen, aber im Privatleben von Tom und auch im Zusammenhang mit seinem Team gibt es Entwicklungen, die sicherlich besser verständlich wären, wenn man die Bücher kennt. Ein großartiger Thriller, der diese Bezeichnung mehr als verdient. Von mir gibt es volle Punktzahl und eine Leseempfehlung.

7 von 7 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 26.06.2023
Mit zitternden Händen
Persson Giolito, Malin

Mit zitternden Händen


ausgezeichnet

Nachts in einem Vorort in Stockholm. Kalt ist es, nass, ungemütlich, als bei der Notrufzentrale ein Anruf eingeht. Ein Kind ruft an und spricht von Schüssen, fordert einen Rettungswagen an und legt dann auf. Kurz darauf wird das Opfer gefunden, es ist Billy Khalid Ali und schnell wird ermittelt, dass der Anrufer Douglas Arnfeldt, genannt Dogge, war, sein bester Freund seit über zehn Jahren. Der vierzehnjährige Dogge wird kurz darauf festgenommen unter dem dringenden Verdacht, auf seinen besten Freund geschossen zu haben. Bei einer ersten Vernehmung stellt sich heraus, dass die Dinge komplizierter sind, Beschuldigungen werden ausgesprochen, Aussagen widerrufen und die Mahlen der Justiz in den Gang gesetzt. Die Spuren führen zu einer Bande, der nichts nachzuweisen ist und die unschuldige Kinder für ihre Zwecke missbraucht. Da verschwindet Dogge aus dem Heim, in dem er untergebracht wurde.

Am Anfang steht die Tat, die unbegreiflich ist. Der Tag und das Datum stehen über den Kapiteln, die in der Gegenwart spielen, die Überschrift ‚Die Jungen‘ kündigt dagegen Ereignisse aus der Vergangenheit an, sodass es keine Unklarheit darüber gibt, in welcher Zeit sich die Erzählung abspielt. Es bleibt vorerst aber unklar, was genau passiert ist und warum, durch die Zeitsprünge erfährt man zuerst, wie es dazu kommen konnte, dass die Situation dermaßen eskaliert, was dazu geführt hat, dass diese Tat geschehen ist. Erst langsam finde ich in das Buch hinein, der zurückhaltende Schreibstil erfordert meine volle Konzentration, die Spannung schleicht sich erst langsam hinein, dann aber bin ich in der Geschichte drin und sauge alles in mich hinein.

Die Geschehnisse könnten so oder so ähnlich überall passiert sein, zwei Kinder aus unterschiedlichsten Verhältnissen, fehlende Beaufsichtigung, abwesender Vater, Langeweile und ein charismatischer Typ. Wenn man einmal in den Fängen solcher Banden gelandet ist, gibt es kaum Entkommen, ein Ausstieg ist meistens nicht drin. Die Ohnmacht von Jugendamt, Sozialamt, den Eltern und dem Staat sowie die fehlenden Mittel auf der einen Seite, auf der anderen Einschüchterung, Aggression, Kriminalität, Wut, Hass und Unterdrückung. Die Autorin zeigt hier einige Probleme auf, die in den letzten Jahren immer öfter diskutiert worden sind, unter anderem die steigende Kinder- und Jugendkriminalität, die dazu führt, dass man das Alter für die Strafmündigkeit anpassen will.

Es ist kein reißerischer Roman, leise und zurückhaltend steuerten wir auf den Ausgang zu, ich fühlte die Bedrohung, kontinuierlich steigerte sich die Nervosität, die Nerven lagen blank. Ich hatte mir Begründungen zurechtgelegt und lag meilenweit daneben. Eine großartige Sozialstudie, ein Drama, eine Gesellschaftskritik und ein Buch über Freundschaft, vereint in einem Roman, der mich entsetzt und sprachlos zurücklässt. Volle Punktzahl gibt es dafür von mir und eine Leseempfehlung.

10 von 10 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 23.06.2023
Menschen, die wir noch nicht kennen
Sampson, Freya

Menschen, die wir noch nicht kennen


ausgezeichnet

Libby ist auf dem Weg zu ihrer Schwester, die in London wohnt, nachdem ihr Lebensgefährte festgestellt hat, dass er eine Beziehungspause braucht. Im Bus lernt sie Frank kennen, der mit Anfang achtzig fast täglich drin sitzt und Ausschau hält nach einer Frau, die er vor sechzig Jahren im Bus getroffen und in die er sich damals verliebt hat. Leider hat Frank ihre Telefonnummer verloren, sodass es nie zu einem weiteren Treffen kam. Libby ist so fasziniert von dieser Geschichte, dass sie beschließt, Frank bei der Suche zu helfen, zumal es sie selbst von ihrer prekären Lage ablenkt.

Ich bin bezaubert von diesem Buch! Was für eine wunderbare Story, was für charmante und außergewöhnliche Charaktere und Persönlichkeiten hat die Autorin erschaffen. Aber der Reihe nach. Libby erlebt etwas, was viele Frauen täglich erleben; eine Trennung auf Zeit, die einseitig ist und dazu führt, dass sie quasi obdachlos wäre, wenn ihre Schwester sie nicht aufnehmen würde. In dieser Situation lernt sie Frank kennen, dessen Erzählung sie berührt und dazu führt, dass sie sich mit Elan auf die Suche nach der geheimnisvollen Frau begibt. Dabei lernt sie verschiedene Personen kennen, die sie mal kurz, mal länger auf ihrem Weg begleiten. Die Suche wird dadurch erschwert, dass Frank im Anfangsstadium einer Demenz ist, sodass die Zeit drängt. Unterbrochen wurde die Erzählung durch Gespräche einer unbekannten Person, die viele Hinweise gab und trotzdem nichts verriet. Dies führte dazu, dass es immer wieder aufregend wurde, weil die Wege dieser Person sich oft mit Libby und ihren Wegbegleitern kreuzten, ohne dass sie davon etwas mitbekamen. Dadurch ergaben manche Situationen im Nachhinein einen ganz anderen Sinn, was außerordentlich spannend war.

Ein Buch, das Mut macht, das zeigt, dass es richtig und wichtig ist, für das eigene Glück zu kämpfen, und dass man sich dabei nicht beirren lassen soll. Mit Hilfe ist vieles leichter und so manche Situation erscheint plötzlich gar nicht mehr so ausweglos. Ich habe die Daumen gehalten, habe gelacht, geschmunzelt, war entsetzt und habe geweint. Liebe, Freundschaft, Hilfsbereitschaft, gepaart mit dem britischen Humor ergab dies eine tolle Mischung, die mir schöne Lesestunden beschert hat. Ein Herzensbuch, das von mir die volle Punktzahl bekommt und das ich sehr gerne weiterempfehlen möchte.

5 von 5 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 21.06.2023
Strafsachen
Hoven, Elisa;Weigend, Thomas

Strafsachen


ausgezeichnet

In dem vorliegenden Buch beschäftigen sich die Autoren anhand interessanter und spannender Fallbeispiele mit dem deutschen Strafrecht. Mittels achtzehn Fällen, von denen ich die meisten tatsächlich aus verschiedenen Medien kannte, stellen und beantworten sie Fragen, wie zum Beispiel: Darf man ungeborenes Leben straflos schädigen? Darf man jemanden mit seiner Einwilligung töten (und essen)? Warum ist Folter verboten? Sind Raser Mörder?

Mir hat gefallen, dass das Autorenduo mit Kritik an dem ein oder anderen Paragrafen und auch Urteil nicht gespart, dies zudem ausführlich und nachvollziehbar begründet hat. Mir war gar nicht so richtig klar, wie schwer es ist, eine sinnvolle und notwendige Änderung oder sogar Streichung eines veralteten oder überholten Paragrafen zu erreichen, denn nicht immer läuft dies so zügig wie im bekannten Fall Böhmermann und § 103 des Strafgesetzbuches, der die Beleidigung von Organen und Vertretern ausländischer Staaten unter Strafe stellt, in der Öffentlichkeit bekannt geworden als Majestätsbeleidigung.

Ich empfand die Zusammenstellung der Fälle sehr klug gewählt, die Erklärungen sollten auch einem Laien gegenüber verständlich genug sein, um ohne Vorkenntnisse folgen zu können. Es gab und gibt immer wieder Entscheidungen der Gerichte, die in der Vergangenheit ein Kopfschütteln meinerseits zur Folge hatten, in Zukunft werde ich da wohl tiefer graben und mir weitere Informationen besorgen, bevor ich mir anmaße, selbst ein Urteil bilden zu können. Und auch dann werde ich weiterhin vorsichtig mit meinen Äußerungen sein, denn die Beleuchtung von allen Seiten ist mir als unbeteiligte Person verständlicherweise gar nicht möglich.

Das Buch war informativ und lehrreich, trotz des Umstandes, dass ich schon immer eine große Schwäche für juristische Sachverhalte hatte und zu diesem Thema Zeitschriften und Bücher quasi verschlinge, konnte ich einiges dazulernen und dadurch besser verstehen. Dafür gibt es von mir volle Punktzahl und eine Leseempfehlung.

3 von 3 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 19.06.2023
Fische, die in Sonnensprenkeln schwimmen
Onda, Riku

Fische, die in Sonnensprenkeln schwimmen


ausgezeichnet

Aki und Hiro haben ihre Wohnung in Tokio ausgeräumt, am nächsten Tag kommen Handwerker, um Gas, Wasser und Strom abzustellen, danach trennen sich ihre Wege. Eine letzte Nacht möchten die beiden miteinander verbringen, gemeinsam essen, trinken und darüber sprechen, was vor einem Jahr geschah, als während einer Bergwanderung ihr Bergführer tödlich verunglückte. Beide geben dem jeweils anderen die Schuld an dem Unglück, aber keiner ist bereit, die Verantwortung für den Tod des Mannes zu übernehmen. Nach dieser Nacht wird alles anders sein, falls sie die Wohnung lebend verlassen.

Ich habe nicht gewusst, was auf mich zukommt und war zu Beginn überrascht, dass beide Beteiligte jeweils abwechselnd zu Wort kommen und mir ihre Gedanken und Vermutungen verraten, die Gespräche mit ihrem Gegenüber wiedergeben und dennoch sehr geheimnisvoll tun. Aki und Hiro umkreisen einander, wie ein Hai es mit seiner Beute tun würde, Kreis um Kreis umrunden sie ihr Gegenüber, wägen ab, taktieren und fordern sich gegenseitig heraus. Im Laufe der Gespräche kommen Dinge ans Licht, die zu Erkenntnissen führen, die weitgehende Konsequenzen für beide haben. Bereits früh erfahre ich etwas, das mich befremdet, das die Geschichte anders erscheinen lässt, als gedacht. Am Ende jedes Kapitels gibt es kleine Cliffhanger, die die Spannung erhöhen und mich wahnsinnig machen, weil ich immer dringender wissen möchte, was nur angedeutet, aber nicht ausgesprochen wird. Ganz kalt erwischt mich, was dann passiert, damit hätte ich nicht gerechnet und bin mehr als erstaunt, glaube fast, dass ich etwas falsch verstehe, blättere zurück und wundere mich. Diese geniale Wendung ist das sprichwörtliche i-Tüpfelchen, das Sahnehäubchen der Geschichte, der ganz große Knall. Passend und stimmig erscheint nun vieles, macht einiges rückblickend endlich mehr Sinn. Die Auflösung kommt leise, aber gewaltig und ich bin fast traurig darüber, dass ich fertig bin.

Ein weiteres Highlight dieses Jahres habe ich mit diesem Buch für mich gefunden und bin dankbar, dass ich es lesen durfte. Dafür gibt es von mir fünf Sterne mit Sternchen und eine Leseempfehlung.

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.