Benutzer
Top-Rezensenten Übersicht

Benutzername: 
amena25

Bewertungen

Insgesamt 278 Bewertungen
Bewertung vom 12.11.2017
Dunkel Land / Carl von Wuthenow und Verena Hofer Bd.1
Hill, Roxann

Dunkel Land / Carl von Wuthenow und Verena Hofer Bd.1


gut

Potential leider nicht ausgeschöpft

Als Verena Hofer im Havelland ankommt, wo sie für die nächsten drei Monate einen Babysitter-Job antritt, ist sie mehr als erstaunt. Der Ort Wuthenow entpuppt sich als altehrwürdiges Gut, der Neffe der Hausherrin, um den sie sich kümmern soll, ist Mitte 30 und überaus attraktiv. Dr. Carl von Wuthenow ist Kriminalist, der erst kürzlich im Dienst angeschossen wurde und seitdem unter Störungen des Kurzzeitgedächtnisses leidet. Verena Hofer soll Carl von Wuthenow beschäftigen und ihn im Alltag begleiten. Da Verena Hofer dringen Geld braucht, nachdem sie für ihre Nichte Amelie das Sorgerecht übernommen und ihren Job an der Uni verloren hat, nimmt nach kurzem Zögern das finanziell sehr lockende Angebot an. Carl von Wuthenow nutzt Verenas Hilfe geschickt, indem er sie sofort in seine nächste Ermittlung einbezieht, die die beiden nach Berlin führt. Die übel zugerichtete Leiche eines jungen Mannes, vermutlich eines Strichers, wird gefunden und erste Hinweise deuten auf einen Täter in der rechten Szene hin.
Das erste Drittel des Krimis liest sich durchaus spannend. Das ungleiche Ermittlerpaar bietet interessanten Zündstoff. Besonders die Szene, als Carl von Wuthenow Verena am nächsten Tag nicht mehr erkennt, da er sich ja nicht mehr an sie erinnern kann, und sie bedroht, ist wirklich originell. Auch die Konflikte, die sich mit dem zuständigen Hauptkommissar ergeben, der von außen stehenden Beratern natürlich gar nichts hält, sind zunächst unterhaltsam.
Dann flacht die Handlung allerdings ziemlich ab. Der Fall wird zunehmend spannungsärmer und vorhersehbar, dafür rücken Verenas Gefühle ihrem Schützling gegenüber in den Vordergrund, was aber eher klischeemäßig und vorhersehbar daherkommt. Die Nichte Amelie, für die Verena Mutterersatz sein soll, ist nur noch eine Randfigur, die Dialoge mit ihr für ein Kind im Kindergartenalter dagegen doch recht ungewöhnlich. Die Konflikte mit dem Hauptkommissar lösen sich in allseitiges Wohlgefallen und harmonische Zusammenarbeit auf.
Schade. Diesem Ermittlerduo wäre eigentlich mehr Potential zu gönnen gewesen. Wer weiß, vielleicht ist der nächste Fall ja weniger gefühlsbetont und dafür kriminalistisch interessanter.

Bewertung vom 02.11.2017
Der Fall Kallmann
Nesser, Hakan

Der Fall Kallmann


sehr gut

Für geduldige Leser

Wer bei diesem Buch einen spannenden Krimi oder gar Thriller erwartet, wird ziemlich enttäuscht sein. Zwar ist der Autor für kriminalistische Literatur bekannt, doch ,,Der Fall Kallmann“ ist eher ein ruhiger Roman, ein literarisches Puzzle rund um den Tod des Lehrers Kallmann.
In einer Art Tagebuchform erzählen verschiedene beteiligte Personen aus der Ich-Perspektive, wie sie der Fall Kallmann beschäftigt.
Zunächst steht der Lehrer Leon Berger im Mittelpunkt. Er verlor seine Frau und seine Tochter bei einem Schiffsunglück und zieht, auf Anraten seiner früheren Studienkollegin Ludmilla, in die schwedische Kleinstadt K., um dort ein neues Leben zu beginnnen. Dort tritt er die Nachfolge des sehr beliebten, doch auch sehr exzentrischen Lehrers Eugen Kallmann an. Dieser war am Ende des letzten Schuljahres tot in einem verlassenen Haus aufgefunden worden. Ein Unglücksfall?
Als Leon Berger im Pult seines Vorgängers Tagebücher findet, die erkennen lassen, dass Kallmann sich mit alten und ungelösten Kriminalfällen beschäftigte und sogar behauptet, als Elfjähriger seine eigene Mutter ermordet zu haben, beginnt Berger zu recherchieren. Dabei wird er von Ludmilla Kovacs und seinem Kollegen Igor Masslind unterstützt, was die drei einander näher bringt.
Eine weitere involvierte Figur ist die fünfzehnjährige Schülerin Andrea Wester, die Leon Berger stark an seine verschollene Tochter erinnert. Andrea vermutet schon lange, dass ihr Vater nicht ihr biologischer Vater ist. Auch ihre Suche hängt in irgendeiner Form mit Kallmann zusammen. Interessant ist, wie der Autor jeder Figur eine ganz eigene Sprache gibt. So sind die Kapitel aus Sicht des Lehrers Igor sehr intellektuell, fast schon gestelzt, während die Schülerin Andrea im jugendlichen Jargon erzählt. Dabei wirken alle Figuren authentisch und unverwechselbar. Die Geschichten der verschiedenen Figuren kreisen zwar um den Fall Kallmann, schweifen aber auch gelegentlich weit ab, sodass nicht der Kriminalfall im Mittelpunkt steht, sondern eher die verschiedenen Perspektiven der Beteiligten. Für diese klärt sich ,,Der Fall Kallmann“ erst 20 Jahre später tatsächlich auf.
Für geduldige und literarisch interessierte Leser empfehlenswert.

Bewertung vom 17.10.2017
Niemals / Jenny Aaron Bd.2
Pflüger, Andreas

Niemals / Jenny Aaron Bd.2


ausgezeichnet

Extrem

Wer den ersten Band ,,Endgültig“ gelesen hat, weiß, was einen erwartet: Harte Krimikost in jeglicher Hinsicht.
Jenny Aaron ist eine ganz besondere Heldin, denn sie ist blind. Als Mitglied einer Spezialeinheit des Bundeskriminalamtes nahm sie sechs Jahre lang an höchst riskanten und meist geheimen Einsätzen teil. Ihre überragenden Fähigkeiten in physischer und psychischer Hinsicht waren ausschlaggebend dafür, dass sie als einzige Frau dieser Sondereinheit angehörte. Bei einem Einsatz wurde sie so schwer verletzt, dass sie seitdem blind ist. Doch Jenny Aaron will sich nicht mit ihrem Schicksal abfinden und kämpft darum, auch blind genauso gut zu sein wie früher.
Während die Sondereinheit mit der neuen Chefin Inan Demirci sie nun nach fünf Jahren unbedingt zurückholen will, ist Aaron verunsichert, ob sie sich dieser Herausforderung wirklich stellen kann. Da erfährt sie, dass ihr Feind Ludger Holm, der im ersten Band eine wichtige Rolle spielt, ihr zwei Milliarden hinterlassen hat. Um an das Geld zu kommen, muss sie allerdings nach Marrakesch. Dort erwartet sie der gefährlichste Mann der Welt und Aaron muss sich ihrer Vergangenheit und ihrer größten Angst stellen.
Andreas Pflügers Stil ist äußerst knapp, fast schon telegrammstilartig. Die Szenen wechseln rasant, die Dialoge sind oft radikal verkürzt, sodass man als Leser ständig aufs Neue herausgefordert ist. Jenny Aaron mit ihrem absoluten Willen und ihrer extremen Risikobereitschaft ist nicht unbedingt sympathisch. Dafür wirkt sie zu stark und unnahbar. Nur ganz zu Beginn, als sie an sich zweifelt, und am Ende, als sie endlich loslassen kann, kommt man ihr etwas näher.
Die Handlung wird sehr tempo- und actionreich geschildert, dem Leser sind nur wenige Verschnaufpausen vergönnt. Allerdings verliert man angesichts der zahlreichen Figuren, die teils auch noch ein Doppelleben führen, und angesichts der vielen Verwicklungen gelegentlich etwas den Überblick, was der Spannung aber keineswegs abträglich ist.
Ein hoch spannender Thriller, der dem Leser einiges abverlangt.

Bewertung vom 05.10.2017
Wildeule / Gesine Cordes Bd.3
Wieners, Annette

Wildeule / Gesine Cordes Bd.3


sehr gut

Tod eines Bestatters

Bei ,,Wildeule“ handelt es sich um den 3. Band um die ehemalige Kommissarin Gesine Cordes, die nach dem Tod ihres kleinen Sohnes komplett aus ihrem alten Leben ausgestiegen ist und nun als Friedhofsgärtnerin arbeitet. Meinem Empfinden nach sollte man die Vorgängerbände kennen, um Gesines Verhalten ihren Mitmenschen gegenüber und ihre Reaktionen in bestimmten Situationen besser nachvollziehen zu können. Ihr kleiner Sohn war damals durch den Verzehr giftiger Pflanzen gestorben, was ihre Manie erklärt, ein Notizbuch zu führen, in das sie jegliche Giftpflanze und mögliche Gegenmittel akribisch einträgt.
In ihrer Arbeit auf dem Friedhof und in ihrer Freundschaft zum Bestatter Hannes van Deest findet sie Trost. Auch die Zwillingsmädchen Frida und Marta, die seit dem Tod ihrer Mutter oft bei ihrer Tante Gesine sind, geben ihr Kraft. Allerdings spielen die Mädchen in diesem Band eine eher untergeordnete Rolle.
Während einer recht merkwürdig anmutenden Beerdigung mit nur einem Besucher, aber außerst aufwändigem Blumenschmuck, fällt Gesine auf, dass der Sargdeckel nicht richtig verschlossen ist. Und statt der erwarteten Toten liegt der Bestatter Carsten Schellhorn tot im Sarg. Schellhorn ist der größte Konkurrent für Gesines Freund Hannes van Deest. Und Hannes macht sich durch verworrene Aussagen und durch sein plötzliches Verschwinden äußerst verdächtig. Gesine Cordes wird von der Ermittlerin Marina Olbert, mit der sie im letzten Band fast eine Art freundschaftlichen Frieden geschlossen hatte, sozusagen als Undercover-Ermittlerin in den Fall mit einbezogen. Dennoch ist der Umgang der beiden Frauen oft konfliktreich und schwierig. Und Gesine kann sich nicht gegen ein beginnendes Misstrauen ihrem besten Freund Hannes gegenüber erwehren.
Wie in den Vorgängerbänden auch ist der Krimi durch interessante Figuren und einen flüssigen Schreibstil geprägt. Allerdings wirkt das Hin und Her zwischen Gesine und Hannes dieses Mal etwas zu konstruiert und psychologisch überladen, was für mich das Lesevergnügen etwas geschmälert hat.

Bewertung vom 05.10.2017
Nachts am Brenner / Commissario Grauner Bd.3
Koppelstätter, Lenz

Nachts am Brenner / Commissario Grauner Bd.3


ausgezeichnet

Im Niemandsland

Der dritte Fall für Commissario Grauner führt ihn und seinen neapolitanischen Kollegen Saltapepe an den Brenner, in das Niemandsland zwischen Österreich und Italien, ein Ort, an dem keiner verweilt.
Sehr poetisch beginnt der Roman mit der Schilderung der Nacht, die alle Menschen gleich macht, die Geschehenes ungeschehen, Gesehenes ungesehen macht. Umso stärker ist dann der Kontrast zum grausigen Fund einzelner Körperteile, die wie in einer Schnitzeljagd zur Leiche führen. Der Tote ist ein 87-jähriger Mann, der allein auf seinem Hof lebte und regelmäßig mit anderen alten Männern im Dorfgasthof Karten spielte. Er wurde offenbar zu Tode geschleift. Während Grauner und Saltapepe sich erst einmal gegen die örtliche Polizei durchsetzen müssen und die ersten Befragungen stattfinden, wird ein weiterer Mann aus der Kartenspielerrunde tot aufgefunden.
Als Grauner Hinweise findet, dass die Toten auch mit dem immer noch ungeklärten Mord an seinen Eltern zu tun haben könnten, ermittelt er in eigener Sache. Damit setzt er sich dem Zorn des Staatsanwaltes Belli aus und riskiert sogar seinen Job. Dafür kommt sein sympathischer Kollege Saltapepe etwas mehr zum Zug. Neben dem jungen Ispettore, der in Sachen Autos und Technik sehr bewandert ist, wirkt Grauner manchmal ziemlich behäbig und altmodisch. Er trauert seinem alten Fiat Panda nach und kann sich noch nicht einmal mit der Zentralverriegelung per Fernbedienung am neuen Auto anfreunden.
Irgendwie wirkt Grauner mit seiner Vorliebe für Mahler-Symphonien und seinen ,,Viechern“ auf seinem kleinen Bauernhof etwas aus der Zeit gefallen, urig, ja fast schon schrullig, aber dennoch authentisch und sympathisch. Dass dieser Fall ihn auch sehr persönlich betrifft, trägt besonders zur Spannung bei.
Lenz Koppelstätter beschreibt Regionaltypisches ohne ins Klischeehafte abzudriften. Seine
bildhafte, ausdrucksstarke Sprache, die den Südtiroler Einschlag erkennen lässt, bietet neben der Spannung der Kriminalhandlung auch noch literarischen Genuss.
Ein Krimi, für den man sich Zeit nehmen sollte.

Bewertung vom 18.09.2017
SOG / Kommissar Huldar Bd.2
Sigurdardóttir, Yrsa

SOG / Kommissar Huldar Bd.2


ausgezeichnet

Im Sog der Rache

Wie auch der Vorgängerband ,,DNA“ werden in ,,Sog“ brutale und grausame Morde begangen, die in der Form im beschaulichen Island normalerweise nicht vorkommen. Auch hier spielt die Vergangenheit eine wichtige Rolle. In Reykjavik wird eine Zeitkapsel mit Schüleraufsätzen gehoben. Die Schüler beschrieben im Jahre 2006 darin, wie sie sich Island im Jahr 2016 vorstellen. Neben kindlichen Wünschen und Vorstellungen findet sich auch ein verstörender Text, der den Tod von 6 Personen vorhersagt. Allerdings werden nur Initialen genannt, weswegen die Polizei den Brief zunächst nicht besonders ernst nimmt. Als dann allerdings in einem Hot Tub zwei abgeschnittene Hände gefunden werden und es kurz darauf einen weiteren Toten gibt, wird die Polizei aktiv. Kommissar Huldar, der nach dem letzten Fall degradiert worden ist und nun seine frühere Kollegin Erla als Chefin hat, sieht eine Chance, sich durch diesen Fall rehabilitieren zu können. Außerdem bietet sich so für ihn die Möglichkeit, die Kinderpsychologin Freyja in den Fall einzubinden und so den Kontakt zu ihr wieder aufzunehmen. Seit dem letzten Fall zeigt sie ihm die kalte Schulter, dennoch ist Huldars Interesse an ihr nach wie vor groß.
Die Brutalität der Morde, die auf Racheakte schließen lassen, wird etwas aufgelockert durch Huldar und Freyja, die wie Katz und Maus umeinander herumschleichen. Huldar mit all seinen Fehlern und Schwächen hat einen ganz besonderen Charme. Über seine beruflichen Misserfolge grämt er sich nicht besonders, auch seiner früheren Kollegin Erla gönnt er den Chefposten. Allerdings hat er weiterhin mit ihren Annäherungsversuchen zu kämpfen und tritt in fast jedes Fettnäpfchen, das sich irgendwo auftut. Freyja dagegen hat mit ihrem nicht existierenden Privatleben zu kämpfen und kümmert sich um ihren Bruder im Gefängnis, der allerdings nicht besonders unter dieser Situation zu leiden scheint.
,,Sog“ ist wie auch der Vorgängerband sehr unterhaltsam, absolut spannend und zieht den Leser in seinen Bann. Yrsa Sigurdardóttir versteht ihr Handwerk meisterhaft!

Bewertung vom 16.09.2017
Der Preis, den man zahlt / Lorenzo Falcó Bd.1
Pérez-Reverte, Arturo

Der Preis, den man zahlt / Lorenzo Falcó Bd.1


sehr gut

Ein Leben auf Messers Schneide

Spanien im Jahre 1936: Der Spion Lorenzo Falcó ist ein Abenteurer und Lebemann. Sein charismatisches Wesen und sein attraktives Äußere bescheren ihm viel Erfolg bei den Frauen, seine Risikobereitschaft und Skrupellosigkeit machen ihn zu einem äußerst erfolgreichen Spion. Im spanischen Bürgerkrieg kämpft er auf seiten der nationalistischen Falangisten und erhält den Auftrag, einen hochrangigen politischen Gefangenen, den Falange-Gründer Antonio Primo de Rivera, aus dem Gefängnis in Alicante zu befreien. Dabei werden ihm drei junge Leute zur Seite gestellt, brennend vor Tatendrang und leidenschaftlich von ihrer Sache überzeugt. Eine davon ist Eva Rengel. Sie passt eigentlich nicht in Falcós Beuteschema, übt aber durch ihren rätselhaften und starken Charakter eine große Anziehungskraft auf ihn aus. Bei der riskanten Befreiungsaktion geht es um Leben und Tod, alle Beteiligten müssen sich absolut auf den anderen verlassen können. Doch keiner weiß, ob er dem anderen wirklich trauen kann. Und plötzlich ändert sich Lorenzos Auftrag.
Lorenzo Falcó ist nicht unbedingt eine sympathische Figur. Er führt seine Aufträge befehlsgetreu und präzise, aber auch leidenschafts- und skrupellos aus. Nicht scheint sein Gewissen zu belasten. Dabei geht es sowohl um Mord als auch um Folter. Er handelt nicht aus politischer Überzeugung, er wirkt sogar eher desinteressiert an Politik. Sein Lebenselixier ist der Nervenkitzel, das Risiko, das Hochgefühl bei der Jagd. Peréz-Reverte versteht es, dieses ,,Gefühl totaler Freiheit und Ungebundenheit, ohne Vergangenheit und Zukunft“ (S. 149) dem Leser nahezubringen. Auch wenn manche Szenen sehr brutal geschildert werden, wird man als Leser von der Spannung mitgerissen. Etwas Hintergrundwissen zum Spanischen Bürgerkrieg und den beteiligten Parteien und Gruppierungen sollte man mitbringen, um sich von den vielen Abkürzungen und verschiedenen Personen nicht verwirren zu lassen.
Allerdings schafft es der Autor, durch seine detailgenauen Schilderungen und seine bildhafte Sprache, den historischen Hintergrund vor dem inneren Auge des Lesers zum Leben zu erwecken. Auf eine Fortsetzung darf man gespannt sein.

Bewertung vom 06.09.2017
Kreuzschnitt / Bogart Bull Bd.1
Borge, Øistein

Kreuzschnitt / Bogart Bull Bd.1


sehr gut

Gerne mehr von Bogart Bull!

Bogart Bull: was für ein Name! Er ist Kommissar bei der Osloer Kriminalpolizei und durchlebt nach dem Unfalltod seiner Frau und seiner kleinen Tochter eine tiefe Krise. Hinzu kommt, dass der Unfall durch einen von Bogart vor Jahren gefassten Kriminellen absichtlich verursacht wurde. Trauer und Schuld hat Bull durch Alkohol zu verdrängen versucht, bis er nun zwar endlich trocken, aber immer noch tief gezeichnet ist.
Von seiner Chefin wird Bogart Bull zu Europol versetzt, wo er in Sainte-Maxime in Südfrankreich den Mord an dem norwegischen Unternehmer und Kunstsammler Axel Krogh aufklären soll. Kroghs Leiche weist auf dem Rücken ein mit dem Messer eingeschnittenes Kreuz auf. Ein Symbol? Obwohl die ganze Villa voller wertvoller Kunstgegenstände ist, fehlt nur ein kleines Bild, das vermutlich von Edvard Munch stammt. Nur kurze Zeit später wird eine zweite Leiche gefunden, ähnlich zugerichtet wie Axel Krogh. Doch das Vorgehen ist nicht ganz identisch. Handelt es sich also um einen oder um mehrere Täter?
Bulls Ermittlungen, die er zusammen mit dem französischen Kollegen Jean Moulin durchführt, führen ihn in die Vergangenheit, in die Zeit der Résistance und der deutschen Besatzung Frankreichs. In eingeschobenen Kapiteln wird aus der Perspektive der damals Beteiligten erzählt, was die Vergangenheit lebendig und anschaulich vermittelt. Auch die Zeit, als das gestohlene Gemälde entstand, lässt der Autor aus Sicht der Maler bildhaft auferstehen.
Diese Kapitel stören zwar etwas den Erzählfluss der Gegenwart, verdeutlichen aber dadurch auch die Komplexität der Handlung. Bogart Bull gibt einen überaus sympathischen Ermittler ab, der durch seine Recherchen und vielleicht auch durch die angenehme Atmosphäre an der Côte d’Azur wieder zu neuem Lebensmut zurückfindet.
Die Auflösung des Falls erscheint mir allerdings am Ende doch etwas zu konstruiert. Hier wäre eine weniger komplexe Lösung in meinen Augen überzeugender gewesen.
Insgesamt ist ,,Kreuzschnitt“ aber ein spannender, unterhaltsamer und empfehlenswerter Roman und Bogart Bull sollte unbedingt weiter ermitteln!

Bewertung vom 02.09.2017
Was man von hier aus sehen kann
Leky, Mariana

Was man von hier aus sehen kann


ausgezeichnet

Das wirkliche Leben

Wie das merkwürdige Tier Okapi, das aussieht, als wäre es aus lauter unterschiedlichen Tieren zusammengesetzt und als würde nichts davon zusammenpassen, so sieht auch manchmal das wirklichen Leben aus. Menschen, die eigentlich nicht zusammengehören, kommen zusammen, es passieren Dinge, die eigentlich nicht geschehen sollten, zumindest nicht in dieser Kombination.
Auf wunderbar leichte Art erzählt Mariana Leky in ihrem Roman ,,Was man von hier aus sehen kann“ vom Leben in einem kleinen Dorf im Westerwald. Hier wächst Luise auf, mit einem Vater, der immer ,,mehr Welt hereinlassen will“ und schließlich auf Reisen in ferne Länder geht, mit einer Mutter, die immer schnell wieder los muss, dem Schulfreund Martin, der einen gewalttätigen Vater hat, und ihrer Großmutter Selma, die verlässlicher Dreh- und Angelpunkt in Luises Welt, aber auch in der ganzen Geschichte ist.
Selma erscheint hin und wieder im Traum ein Okapi, und binnen 24 Stunden stirbt jemand. Das will Selma zwar eigentlich für sich behalten, aber jeder im Dorf bemerkt Selmas Ablenkungssversuche und das ,,Geheimnis“ spricht sich sehr schnell herum. Da niemand weiß, wen der Tod ereilen wird, lassen sich die Dorfbewohner zu Handlungen oder Geständnissen hinreißen, die sie bisher ein Leben lang tunlichst vermieden haben.

Dieser Roman erzählt in drei Teilen von Luise als zehnjährigem Mädchen, als Buchhändlerlehrling in den Zwanzigern und als Frau in den Dreißigern. Im zweiten Teil begegnet sie Frederik, der Liebe ihres Lebens. Doch dieser ist ein buddhistischer Mönch und lebt in einem Kloster in Japan.

Lekys Sprache ist klar und scheinbar einfach, Luises Sicht wirkt gelegentlich etwas kindlich-naiv, um dann in einer plötzlichen Spitze oder verblüffenden Wendung den Leser zu überraschen. Ein äußerst lesenswertes und hinreißendes Buch, das einen zum Weinen und zum Lachen bringen kann, so wie das wirkliche Leben.

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.